Stefan König .
Auf den letzten Metern
08.02.04, Donoratico(ITA)
„Heute findet das Eröffnungsrennen der italienischen Radsportsaison statt auf der 142 Kilometer langen Strecke zwischen San Vincenzo und Donoratico statt. Der Sonnenschein trog, denn das Peloton startete bei kalten 3 Grad zum ersten Abtasten in die Saison. Neben den bekannten Teams wie Quick Step, Fassa Bortolo oder Acqua e Sapone feiert auch die Red Bull Truppe von Bernhard Rassinger den Start in die Saison 2004.
Der Topografie zufolge sollten die Sprinter den Sieg unter sich ausmachen. Doch so manch ambitionierter Aureisser wird auf dieser Strecke sein Heil in der Flucht suchen. Zu den Favoriten für das heutige Rennen zählen u.a. Fahrer wie der routinierte Tom Steels und die italienische Sprinterriege rund um Marco Velo und Giuseppe Palumbo.“
Er stand bereits seit geraumer Zeit am Straßenrand und wartete auf die Fahrer. Eine Ausreißergruppe mit Fahrern wie David Loosli (SAE), Mikel Astarloza (A2R) oder Markus Eibegger (RBL) hatte sich vor etwa 20 Kilometern vom Feld abgesetzt und baute trotz Nachführarbeit von Landbouwkrediet den Vorsprung weiter aus. Die Gruppe schien gut zu harmonieren, und so machte sich bei Stefan ein erstes angenehmes Gefühl breit.
Gegen solche Fahrer hat Markus sicher eine Chance. Hoffentlich kann er bis zum Ende dranbleiben.
Gerade eben waren die ersten Motorräder und Streckenposten an ihm vorbeigebraust und das bedeutete, dass die Ausreissergruppe nicht mehr weit war. Rasch zückte er seine Kamera und suchte sich eine günstige Position für ein erstes Foto des rollenden Feldes. Bereits zu Beginn des Rennens, noch bevor von Einschreibenbogen und der Startaufstellung die Rede war hatte Stefan ein paar Runden durch das Fahrerlager gedreht uns sich ein wenig die Favoriten angesehen. Tom Steels vom belgischen Team Landbouwkrediet – Colnago hatte einen wirklich starken Eindruck auf Stefan gemacht, und er rechnete fest damit, das der betagte Belgier eine wichtige Rolle im Schlusssprint spielen würde.
Mann, wär das toll wenn Red Bull heute vorne reinsprintet. Mit René und Bernhard haben sie sicher gute Chancen.Doch dann wurde Stefan auch schon aus seinen Gedanken gerissen, denn am Horizont erblickte er bereits die Umrisse eines Autos. Nach und nach mischten sich Fahrer in die blau-grauen Farben des Horizonts.
Die sind ja verdammt schnell. Da muss ich mich aber ranhalten, damit ich hier ein gutes Foto bekomme.
Angestrengt visierte er die herannahende Meute an. Und drückte im richtigen Moment ab.
Auf dem Bild waren Gilioli von Ceramiche Panaria und Rinero von RAGT in Front. Stefan hatte sich für das Foto soweit über die Absperrung gelehnt, dass er regelrecht den Wind der vorbeirasenden Fahrer spüren konnte. Das typische Summen der Räder, ein Hauch von Schweiß und wärmender Muskelsalbe, und weg waren sie wieder.
Stefan hatte nicht lange Zeit. Er hatte sich vorgenommen direkt nach dem Vorbeikommen der ersten Fahrer ins Ziel aufzubrechen, und dort falls möglich weitere Fotos zu schießen. Bis dahin war er leider ohne Informationen, was die Rennsituation anbelangte, aber damit konnte er leben. Mit schnellem Schritt marschierte er zu seinem Wagen und machte sich auf Richtung Donoratico, dem Zielort des heutigen Rennens.
Als er in Donoratico ankam, musste er ernüchtert feststellen, dass die Ausreißergruppe rund um den Red Bull Österreicher Markus Eibegger bereits gestellt war, und Landbouwkrediet an der Spitze Tempo machte, um Tom Steels in eine ideale Position für den Sprint zu bringen, und etwaigen Widersachern schon früh den Garaus zumachen.
Wie der legendäre Saeco-Zug spannten sie sich vors Feld und etwaigen Angreifern keine Chance.
Stefan suchte sich eine Position in der Nähe des Zielbogens, wo er dennoch gut auf die aufgestellte Videowall sah. So hatte er stets einen Überblick auf die momentane Rennsituation.
Wenn das so weitergeht, dann wird sich wohl Steels das Rennen holen. Er ist ein besserer Sprinter als Eisel und Haselbacher.
Naja, jetzt nur nicht Trübsal blasen. Es geht ja noch etwa, mal schauen. Ahhh, da steht es. 25 Kilometer, da kann noch viel passieren. Leicht angespannt nahm er, nachdem er sich durch die immer dichter werden Menschenmasse durchgewühlt hatte direkt neben dem Zielbogen Aufstellung und musterte die Umgebung.
Eine nette kleine Stadt, diese Donoratico. Viele neue Häuser umrahmen die romanische Altstadt, doch Stefan war gewiss nicht zum Sightseeing da, auch wenn sich die momentan von Landbouwkrediet kontrollierte Rennsituation förmlich zum Abschweifen anbot.
Als Stefan wieder einmal einen Blick auf die Videowall warf, vollzog sich an der Spitze gerade eine Wachablösung. Landbouwkrediet zog sich offensichtlich aus der Tempoarbeit zurück, und ließ, zu Stefans Überraschen, Red Bull rackern. Aber wollten und konnten die das überhaupt? Noch keiner vermochte so richtig zu sagen, zu was das Team im Stande sei.
Vielleicht geht ja da doch was im Sprint. Sonst wären sie jetzt nicht vorne. Kommt Jungs, beißt rein.
Noch waren es 7 Kilometer bis zum Ziel, doch Red Bull hielt das Feld zusammen.
Auf der Videowall konnte Stefan erkennen, dass sich Bernhard Eisel (RBL) und René Haselbacher (RBL) ihren Weg durch das Peloton nach vorne suchten. Auch Steels war vorne. Mehr und mehr sammelten sich die Topsprinter hinter dem Red Bull Zug. Gerade als Stefan zu seinem Handy greifen wollte, um zu sehen wie spät es war, schlang sich ein hübsches Mädchen zu Stefan nach vorne.
Eine typische Italienerin. Braungebrannt mit langen braunen Haaren. Heiße Braut. Aber was will die von mir? Ich kann ja kein Wort italienisch ausser vielleicht gelati und vino. Oh Mann. Memo an mich selbst, italienisch lernen.
Doch kurz darauf wurde Stefans Puls wieder langsamer. Sie war lediglich eine der Damen die vor der Zielankunft kleine und große Flaggen zum Schwenken und Wacheln verteilte. Etwas erleichtert und mit einem verlegenen Grinsen nahm er das Fähnchen entgegen und schaute erneut auf die Videowall. Doch sehen konnte er nicht wirklich etwas. Während seinem Intermezzo mit der Fähnchenitalienerin hatten ihm glatt Leute seiner Position in vorderster Front beraubt. Erbost drängelte er sich wieder nach vorne durch. Natürlich fiel ihm beim Versuch seinen Topspot zurück zu erlangen sein Fähnchen auf den Boden, doch er konnte es ohnehin nicht gebrauchen, musste er doch fotografieren.
„Gefallen im Krieg für einen guten Platz.“, murmelte er vor sich hin, und erntete dafür skeptische Blicke seiner Nachbarn. Etwas beschämt blickte er zu Boden.
Plötzlich ging ein Raunen durch die Zuschauer. Als Stefan auf die Videowall blickte erkannte er zunächst nur einen AG2R Fahrer auf dem Weg nach vorne. Dann schrie es auch schon aus den Lautsprechern:
„Andy Flickinger. AG2R“
In Stefans Bauch machte sich ein leichtes Gribbeln breit.
Hoffentlich können sie ihn halten. Sonst macht er es mit einem Soloritt auf den letzten Kilometern. Nein, das darf nicht sein.
Wie verrückt trat Erik Hoffmann (RBL) in die Pedale um die bereits aufgerissene Lücke wieder zu schliessen. Auf der linken Seite suchte nun auch Lucca Mazzanti (PAN) sein Heil in der Flucht. Die Menge tobte. Denn es war ein Italiener, der kurz vor der Ziellinie ein paar Meter zwischen sich und das Feld brachte.
Der Teufelslappen war erreicht und noch immer konnten sich die beiden Pedaleure vor dem Feld halten. Alles wartete auf die Eröffnung des Sprints. Alle waren sie bereits vorne. Velo (FAS), Palumbo (ASA), Brown (PAN) und auch Steels. Und dann trat Wegmann (RBL) an. An seinem Hinterrad führte er Haselbacher und Eisel immer näher an Mazzanti heran. Dann ging er aus der Führungsarbeit. Er hatte seinen Teil getan.
„Los, Hasi. Hol dir Flickinger. Los, los, los!“, schrie Stefan in die Richtung des herannahenden Pelotons. Getragen von den Jubelrufen der unzähligen Tifosi schoss das Peleton dem Ziel entgegen. Wenige hundert Meter vor dem Ziel nahm Stefan zu einem erneuten Foto Aufstellung. Er konnte die Kamera kaum ruhig halten, so sehr drängten und hüpften die Fans rund um ihn umher. Kaum eine richtige Position gefunden drückte er ab.
Zu seiner großen Verwunderung erkannte er die roten Red Bull Trikots an der Spitzen des Feldes. Und dann, zum ersten Mal seit geraumer Zeit nahm er auch wieder die Stimme des Kommentators wahr, viel zu sehr hatte er sich zuvor in die Geschehnisse der letzen Kilometer hineingesteigert.
„Brown o Eisel? Brown o Eisel?“ Stefan traute seine Ohren nicht. Eisel kämpfte doch tatsächlich um den Sieg. Und jetzt konnte er es auch sehen. 200 Meter noch. Doch wer kam da von hinten wie der Blitz angerast? Es war ein blaues Trikot.
„Allora, Velo. Velo. Velo. Velo. VELO!“
Der Italiener Marco Velo vom Team Fassa Bortolo konnte sich auf den letzen Metern des Rennens noch sowohl an Brown als auch an dem sensationell sprintenden Eisel verbeisetzen und das Rennen gewinnen. Wohl durch das Vorbeirasen von Velo starr vor Schreck vergass Eisel einen Moment lang seine Beine in die Pedale zu schleudern und musste so Rang 2 an den Australier Graeme Brown von Panaria abgeben. Ein für ihn bitteres Ende eines Rennen, bei dem er bis etwa 100 Meter vor dem Ziel noch wie der sichere Sieger ausgesehen hatte.
Die italienische Fans waren natürlich aus dem Häuschen. Ein Heimsieg zum Auftakt in die Saison. Wie verrückt sprangen einige Jugendliche umher und verwandelten die Innenstadt in ein Tollhaus. Aber Stefan war etwas sauer. Stinkig und leise fluchend suchte er sich den Weg in Richtung Fahrerlager und Siegespodest. Er hatte gesehen wie nahe Bernhard heute dem Sieg gewesen war. Es wäre ein perfekter Einstand für Red Bull gewesen, aber man kann eben nicht Alles haben. Er war total von sich selbst überrascht, wie sehr er doch mit Red Bull mitgefiebert hatte, und es auch noch immer tat. Lag da Liebe in der Luft?
Aber auch Bernhard Eisel war mit dem Ausgang des Rennens alles andere als zufrieden. Gerade als Stefan beim Teambus von Red Bull angekommen war konnte er sehen wie Eisel sein Rad frustriert vor den Teambus knallte und darin verschwand. Wahrlich hätte er heute den größten Erfolg seiner Karriere einfahren können.
Haselbacher, der hinter dem Steirer auf Platz 4 gesprintet war, kam ob seiner guten Platzierung gar nicht mehr aus dem Grinsen heraus. Unweigerlich musste Stefan erkennen, das dies wohl der Unterschied zwischen alt und jung war.
Bemüht um ein kurzes Statement zum heutigen Rennen bekam er Bernhard Rassinger vors „Mikro“. Der Niederösterreicher winkte ihn zu sich und gab ein zufriedenes
„Wir haben unser Ziel Top5 doch mehr als erreicht. Bernhard ist halt noch jung, aber wenn er erstmal runtergekommen ist, wird er sich bestimmt freuen. Ein toller Einstand in die neue Saison.“ zu Protokoll.
Dann war Stefan doch wieder zufrieden. Red Bull startete ja wirklich gut in die neue Saison, und er bekam auch noch ein exklusives Statement vom Teamchef.
Erfreut zog er von dannen, einerseits ob der positiven Bilanz der Italienexkursion der letzen Tage, andererseits ob der baldigen Ankunft in der Heimat. Kurz bevor er in seinen Wagen einstieg, schoss ihm plötzlich sein Tipp für den heutigen Tag durch den Kopf.
Steels?! Wo war der überhaupt gelandet? ... Naja, Prognosen sind also nicht meine Stärke. Ist vermerkt.
Ergebnis GP Costa degli Etruschi
1. Marco Velo Fassa Bortolo 2h54'40
2. Graeme Brown Ceramiche Panaria - Margres s.t.
3. Bernhard Eisel Red Bull s.t.
4. René Haselbacher Red Bull s.t.
5. Stefano Zanini Quick Step - Davitamon s.t.
6. Guillermo Ruben Bongiorno Ceramiche Panaria - Margres s.t.
7. Sven Vanthourenhout Quick Step - Davitamon s.t.
8. Yuri Metlushenko Landbouwkrediet - Colnago s.t.
9. Guiseppe Palumbo Acqua & Sapone - Caffè Mokambo s.t.
10. Tom Steels Landbouwkrediet - Colnago s.t.
Die Bilder sind nicht der Hammer, ich wollte noch ein paar Effekte hinzufügen, werde ich auch tun, nur momentan steht mir nur Paint zur Verfügung. Wenn ich wieder einen vollkommen funktionstüchtigen Laptop/PC zu Verfügung habe, dann werde ich dies natürlich nachholen und die Bilder ein bisschen verschönern.