GEROLSTEINER UND T-MOBILE – DIE DEUTSCHEN PROTOUR-VERTRETER
Schritt aus dem Bonner Schatten
Dass die Urteile über T-Mobile und Gerolsteiner, die deutschen Top-Vertreter auf der internationalen Radsportbühne, zuweilen eminent divergieren, hat sich innerhalb der vergangenen Jahre geradezu normalisiert. Die Bonner haben es widerwillig akzeptiert, dass sie zurecht stets penibel beäugt und dementsprechend auch mitunter brüsk kritisiert werden, währenddessen die Equipe aus der Eifel zumeist positiv beurteilt wurde: Huldigungen aus der deutschen Medienlandschaft für das „Familienunternehmen“ der Holczers, die im vorigen Jahr nach Davide Rebellins Ardennen-Triple kulminierten – aufgrund von T-Mobiles gleichwohl kontinuierlich schwindender Vormachstellung in ihrem entsprechenden Rahmen, versteht sich.
Als die Gerolsteiner-Equipe vor drei Jahren die GS-I-Lizenz erhielt, fand Teamchef Hans-Michael Holczer eine komfortable Situation vor: einen vornehmlich innerhalb Deutschlands unermesslich scheinenden, von Bonn ausgehenden Schatten, hinter dem eine optimale Entwicklung des Teams abseits exzessiver Kritik möglich war, die sich derweil üblicherweise auf Telekom, später T-Mobile, fokussierte. Nach zwei Jahren wagten die Cyanblauen im vergangenen Jahr jenen unter Experten bereits prophezeiten Schritt aus dem Telekom-Schatten – gemeistert von einer schlagkräftigen Mannschaft, die Holczer größtenteils eigenständig zusammenstellte.
Doch die Konsequenzen waren nicht lediglich das prompt folgende Lob, sondern auch drastisch gestiegene Anforderungen und Erwartungen für die heurige Saison, die denen einer Top-Mannschaft entsprechen, als welche es sich für Gerolsteiner zu etablieren gilt – das schwere Jahr „danach“. Am Ende der Reaktionskette steht neben mehr Aufmerksamkeit, die dem Team fortan gebühren wird, jedoch ebenso eine neue Angriffsfläche für die Medien, deren wohl fluktuierende Kritik Gerolsteiner abwehren kann und muss – positive Zeichen sind jedenfalls gesetzt. Danilo Hondo scheint Erik Zabel als besten deutschen Sprinter den Rang abzulaufen, Davide Rebellin zählt zu den Top-Klassikerspezialisten und nach dem Neueinkauf von Levi Leipheimer verfügt Gerolsteiner in puncto GT-Planung neben Georg Totschnig über eine weitere lukrative Option.
Aus dem Schatten getreten ist Gerolsteiner zwar, dazu imstande, um die Position eins im deutschen Radsport zu konkurrieren, sind die Radler aus der Eifel indes noch nicht. Zu sehr wird hierzulande mit dem Radsport noch das „Ulle-Ete-Telekom“ assoziiert, als dass die cyanblaue Equipe sogleich nach ihrem absoluten Durchbruch T-Mobile ihre Vormachtstellung streitig machen könnte. Stattdessen wäre es profitabler, weiterhin den eigenen Leistungen höchste Konzentration zu schenken sowie zu versuchen, die durch die Saison 2004 erlangte Position zu fundieren – obgleich sie nunmehr nicht jedwede Vergleiche mit Bonn scheuen müssen.