Verfasst: 25.6.2008 - 17:04
Das bin ich also – Haimar Luis. Mein Leben hat sich in den letzten vier,fünf Monaten noch mal komplett gedreht. Ein Traum ging in Erfüllung – ich kam zu Eukaltel. Und diese ganzen fünf Monate, seit meinem Arbeitsbeginn im Dezember 2006 dachte ich, es sei wirklich ein Traum. Mein Team gewann ein Rennen nach dem anderen, die Fahrer hatte stets ein Lachen auf dem Gesicht und unsere Fans überhäuften uns mit Fanpost. Was will man mehr? Doch es gibt Dinge, die all das Verblassen lassen – die all das unbedeutend, geradezu lächerlich erscheinen lassen. Was ist schon dabei, seine Fahrer als Erste über einen weißen Strich zu jagen? Sich an ihrer Qual fast zu weiden, nur dem Triumph wegen...
So ist das Geschäft, werden viele sagen...Ja schon, aber manchmal muss man da raus. Wenn etwas kommt, dass das alles durchbricht...Wie ein Gewitter eine fröhlich feiernde Partygesellschaft. Doch dieses Gewitter traf nur einen der Feiernden – mich, Haimar Luis.
Wieder war es ein sonniger Tag, als die Nachricht kam. Drei der Fahrer, Aitor, Juanjo Oroz und Astarloza saßen um mich herum. Es waren Vertragsbesprechungen und alle waren auf einem guten Weg. Ich wollte die drei langfristig binden. Das wäre mir sicher auch gelungen. Nun es war nur ein Fax mit vier Zeilen von der policia in Kolumbien. „Sehr geehrter Herr Haimar Sánchez, da wir sie als einzigen Angehörigen ausmachen konnten, müssen wir Sie leider vom Tod ihres Bruders Santiago Sánchez benachrichtigen. Er kam bei einem Schusswechsel ums Leben. Unser Beileid, la policia de la Provincia Boyacá.“
Aitor beugte sich über mich als ich in mir zusammensank. Er half mir auf meinen Bürostuhl und las selbst das Fax – und legte mir einfach den Arm auf die Schulter. Santiago war mein Zwillingsbruder gewesen. Auch natürlich ein Radsportfan, doch in erster Linie ein Aktivist politischer Art. Deswegen war er nach Kolumbien gereist, dort in die nicht unbekannte linke Rebellenorganisation „FARC“ eingetreten, und deswegen war er jetzt gestorben? Ich wusste, dass er sehr riskant gelebt hatte, dass es einmal vorbei sein könnte mit seinen Berichten aus Kolumbien, in denen er über den Kampf für die Freiheit erzählte, doch das es dann wirklich einmal passierte...Als ich mich an die ganzen Kindheit mit ihm an meiner Seite erinnerte, kamen mir endgültig die Tränen. So hatten Aitor, Juanjo und Mikel sicher noch nie einen Teammanager erlebt, doch jetzt war es das normalste der Welt für sie. Juan José, der sonst immer für Späße zu haben war, weinte gleich mit. Und so saßen wir da... Mikel mit einer Kaffeetasse für mich in der Hand, Aitor mit dem Arm um meine Schulter und Juanjo genauso wie ich in Tränen aufgelöst, als der Präsident des Euskaltel-Konzerns zur Tür herein kam – mein Chef. Wie er geguckt hat? Naja, zum ersten Mal erlebte ich ihn planlos. Er fragte was passiert sei, und als er es erfuhr, wünschte er natürlich Beileid und verabschiedete sich. Senior wusste, dass ich in diesem Moment nicht unbedingt ihn um mich haben musste. Dafür war ich sehr dankbar.
Erst als ich später durch die inzwischen graue Luft Bilbaos nach Hause wankte, den Anzug über die Schulter gehängt, kam mir der Gedanke, dass ich zu meinem Bruder noch mal hinmüsste. Ich war doch sein einziger, sein letzter Angehöriger, er leider auch meiner. Unsere Eltern waren früh gestorben.
Schon am Nachmittag bat ich den Präsidenten mich für vier Wochen freizustellen...Die Co-Teamleiter würden sich meine Arbeit aufteilen, vier Wochen könnte man den Posten auf jeden Fall für mich freihalten – so seine Antwort und er schenkte mir eine Flug nach Bogota. Ich schwor diesen Mann nie zu enttäuschen, er war normalerweise etwas steif und zurückhaltend, aber so nett und herzlich, wenn es darauf ankam.
Um mich abzulenken, packte ich meine Koffer, fing dabei immer wieder zu weinen an. Über den Nachmittag kamen langsam die Anrufe aller Teammitglieder, der junge Lander Aperribay fragte sogar, ob er mich begleiten solle. Nein das musste er wirklich nicht. Seinen Mai konnte er in Italien verbringen – beim Giro, wo ich auch so gerne dabei gewesen wäre.
Aber wenn man mit den Gedanken ganz woanders ist, schadet man seiner Mannschaft nur.
Die Nacht wurde eine Katastrophe aus Albträumen und Traueranfällen. Ich hielt die ganze Zeit ein Armband der kolumbianischen Indianer in der Hand, das mein Bruder mir geschickt hatte. Als ich aufwachte, scheinbar hatte der müde Körper über die Trauer gesiegt, merkte ich, dass sich mein Zustand völlig verändert hatte. Ich war entschlossen wie nie, in Kolumbien für Gerechtigkeit zu sorgen...
Der Mörder meines Bruder musste noch leben, das spürte ich. Und ich würde ihn finden...
So ist das Geschäft, werden viele sagen...Ja schon, aber manchmal muss man da raus. Wenn etwas kommt, dass das alles durchbricht...Wie ein Gewitter eine fröhlich feiernde Partygesellschaft. Doch dieses Gewitter traf nur einen der Feiernden – mich, Haimar Luis.
Wieder war es ein sonniger Tag, als die Nachricht kam. Drei der Fahrer, Aitor, Juanjo Oroz und Astarloza saßen um mich herum. Es waren Vertragsbesprechungen und alle waren auf einem guten Weg. Ich wollte die drei langfristig binden. Das wäre mir sicher auch gelungen. Nun es war nur ein Fax mit vier Zeilen von der policia in Kolumbien. „Sehr geehrter Herr Haimar Sánchez, da wir sie als einzigen Angehörigen ausmachen konnten, müssen wir Sie leider vom Tod ihres Bruders Santiago Sánchez benachrichtigen. Er kam bei einem Schusswechsel ums Leben. Unser Beileid, la policia de la Provincia Boyacá.“
Aitor beugte sich über mich als ich in mir zusammensank. Er half mir auf meinen Bürostuhl und las selbst das Fax – und legte mir einfach den Arm auf die Schulter. Santiago war mein Zwillingsbruder gewesen. Auch natürlich ein Radsportfan, doch in erster Linie ein Aktivist politischer Art. Deswegen war er nach Kolumbien gereist, dort in die nicht unbekannte linke Rebellenorganisation „FARC“ eingetreten, und deswegen war er jetzt gestorben? Ich wusste, dass er sehr riskant gelebt hatte, dass es einmal vorbei sein könnte mit seinen Berichten aus Kolumbien, in denen er über den Kampf für die Freiheit erzählte, doch das es dann wirklich einmal passierte...Als ich mich an die ganzen Kindheit mit ihm an meiner Seite erinnerte, kamen mir endgültig die Tränen. So hatten Aitor, Juanjo und Mikel sicher noch nie einen Teammanager erlebt, doch jetzt war es das normalste der Welt für sie. Juan José, der sonst immer für Späße zu haben war, weinte gleich mit. Und so saßen wir da... Mikel mit einer Kaffeetasse für mich in der Hand, Aitor mit dem Arm um meine Schulter und Juanjo genauso wie ich in Tränen aufgelöst, als der Präsident des Euskaltel-Konzerns zur Tür herein kam – mein Chef. Wie er geguckt hat? Naja, zum ersten Mal erlebte ich ihn planlos. Er fragte was passiert sei, und als er es erfuhr, wünschte er natürlich Beileid und verabschiedete sich. Senior wusste, dass ich in diesem Moment nicht unbedingt ihn um mich haben musste. Dafür war ich sehr dankbar.
Erst als ich später durch die inzwischen graue Luft Bilbaos nach Hause wankte, den Anzug über die Schulter gehängt, kam mir der Gedanke, dass ich zu meinem Bruder noch mal hinmüsste. Ich war doch sein einziger, sein letzter Angehöriger, er leider auch meiner. Unsere Eltern waren früh gestorben.
Schon am Nachmittag bat ich den Präsidenten mich für vier Wochen freizustellen...Die Co-Teamleiter würden sich meine Arbeit aufteilen, vier Wochen könnte man den Posten auf jeden Fall für mich freihalten – so seine Antwort und er schenkte mir eine Flug nach Bogota. Ich schwor diesen Mann nie zu enttäuschen, er war normalerweise etwas steif und zurückhaltend, aber so nett und herzlich, wenn es darauf ankam.
Um mich abzulenken, packte ich meine Koffer, fing dabei immer wieder zu weinen an. Über den Nachmittag kamen langsam die Anrufe aller Teammitglieder, der junge Lander Aperribay fragte sogar, ob er mich begleiten solle. Nein das musste er wirklich nicht. Seinen Mai konnte er in Italien verbringen – beim Giro, wo ich auch so gerne dabei gewesen wäre.
Aber wenn man mit den Gedanken ganz woanders ist, schadet man seiner Mannschaft nur.
Die Nacht wurde eine Katastrophe aus Albträumen und Traueranfällen. Ich hielt die ganze Zeit ein Armband der kolumbianischen Indianer in der Hand, das mein Bruder mir geschickt hatte. Als ich aufwachte, scheinbar hatte der müde Körper über die Trauer gesiegt, merkte ich, dass sich mein Zustand völlig verändert hatte. Ich war entschlossen wie nie, in Kolumbien für Gerechtigkeit zu sorgen...
Der Mörder meines Bruder musste noch leben, das spürte ich. Und ich würde ihn finden...