Doping im Radsport

Alles, was mit reellem Radsport zu tun hat

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PS
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Beitrag: # 6756111Beitrag PS
18.2.2009 - 17:11

PS hat geschrieben:Jaja, wir haben verdächtieg Blutbilder, wir haben Beweise, wir haben blabla.
;) Das wird doch nie was mit den Spaniern.
Pe Es - Sieger Giro 2010, 3. TdF 2011, 3. Giro 2013, 2. TdF 2015, 2. Giro 2017, 3. Vuelta 2017, Sieger Vuelta 2023
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Time2Play
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Beitrag: # 6756127Beitrag Time2Play
18.2.2009 - 17:51

@Thunderblaze
Du hast Recht, dass Beispiel war schlecht gewählt, vllt sogar falsch, aber ich dachte eigentlich man versteht was ich meine.
Wenn jemanden, obwohl er ganz klar schuldig ist, aufgrund einer kleinen Zeile im riesigen Gesetzes Buch, die jedes Mal wieder so intepretiert wird, dass sie passt, nicht verurteilt wird, dann kann ich das nicht nachvollziehen.
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Stephen Roche
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Beitrag: # 6756128Beitrag Stephen Roche
18.2.2009 - 18:01

Jemand wird aufgrund einer Zeile nicht verurteilt, obwohl die so interpretiert wird, dass sie nicht passt? Das kann ich auch nicht nachvollziehen.

***

Kennt denn jemand die Rechtslage in Spanien? ... dachte ich mir.

***

Immer sehr interessant zu sehen, dass aufgrund von Beiträgen irgendwelcher Internetdienste oder -seiten eine haarscharfe Analyse der Sach-, Rechts- und Morallage erfolgen kann. Kann nicht? Macht nix.

***

Niklas Luhmann, "Legitimation durch Verfahren". Andererseits, wenn man weiß, dass er es war ... Bild Dir Deine Meinung.
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RotRigo
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Beitrag: # 6756131Beitrag RotRigo
18.2.2009 - 18:18

Davon, dass Serrano und die spanische Justiz hier nach spanischem Recht handeln, ist sicherlich auszugehen. Das ist nicht das Problem.

Das Problem ist eher, dass das CONI es scheinbar geschafft hat, die Blutbeutel zu ergattern, als Serrano im Urlaub war. Seine Vertretung hat das getan, was Serrano lange Zeit zu verhindern wusste: Sie hat sie frei gegeben. Serrano versucht nun die Situation zu "retten" und hat scheinbar (ich gehe davon aus, dass er weiß was er macht) rechtlich die Möglichkeit dazu.

Interessant ist jedoch, dass die Blutbeutel zur Zeit, als der Puerto-Fall vorerst abgeschlossen war und bei den Akten lag, nicht frei gegeben wurden - damals hatte auch Serrano den "Daumen drauf" und war leider nicht im Urlaub.

Es ist durchaus naheliegend, hier auf den Gedanken zu kommen, dass Serrano mit aller Macht versuchen will, Valverde und co zu schützen. Auch wenn das spanische Recht die Sache möglich macht, so ist dieser Gedanke dadurch noch lange nicht falsch.

Ebenfalls interessant ist übrigens, dass einzig das CONI scheinbar auf die glorreiche Idee gekommen ist, die Blutbeutel von damals, mit den Bluttests von heute zu vergleichen...

Vorausgesetzt: Die ganze Geschichte mit dem Valverde-Blutbeutel und den CONI-Ermittlungen stimmt.

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Time2Play
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Beitrag: # 6756134Beitrag Time2Play
18.2.2009 - 18:20

Stephen Roche hat geschrieben:Jemand wird aufgrund einer Zeile nicht verurteilt, obwohl die so interpretiert wird, dass sie nicht passt? Das kann ich auch nicht nachvollziehen.
Ich kann nicht nachvollziehen, wo du das "nicht" vorm "passt" hergenommen hast, aber nun gut.

Sollten wir in Europa nicht eine gemeinsame Rechtslage haben oder zumindest auf dem Weg dorthin sein?
Es kann doch nicht sein, dass ein Land machen kann was es will?!

Wobei laut CONI das Verfahren ja so oder so weitergeführt werden wird.
Das CONI will den Fall dennoch weiter behandeln, auch wenn Valverde am Donnerstag zu der anberaumten Anhörung nicht erscheinen sollte. „Wir wissen nicht, ob Valverde erscheinen wird. Aber das Verfahren wird wie geplant abgewickelt“, erklärte ein CONI-Sprecher. Das Verbot des spanischen Gerichts verhindere nicht das Verfahren. „Wir haben nie behauptet, dass unsere Anklage allein auf dem Blutbeutel basiert“, bemerkte der Sprecher und ergänzte, es gebe auch andere Hinweise. Einzelheiten nannte er nicht.
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wassertraeger29
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Beitrag: # 6756138Beitrag wassertraeger29
18.2.2009 - 18:33

Natürlich können wir nur die Dinge bewerten und kommentieren die, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, an die Öffentlichkeit gelangen. Wenn wir deshalb nicht diskutieren dürften, würde ein Diskussionsforum wenig Sinn machen.
Wie Rot, gehe ich auch davon aus, dass Serrano innerhalb der rechtlichen Möglichkeiten in Spanien handelt, aber ähnlich wie ein Anwalt mit aller Macht versucht seinen Mandanten innerhalb der Gesetze möglichst gut dastehen zu lassen, scheint Serrano alles zu versuchen um Valverde und andere spanische Fahrer vor der Sperre zu bewahren, indem er alle Möglichkeiten des juristischen Spektrums ausnutzt. Nicht auf die Idee zu kommen aktuelle Blutproben Valverdes mit den ihm zugeordneten Fuentes-Blutbeuteln zu vergleichen ist die eine Sache, die Blockade der CONI die nächste. Mich persönlich irritiert es, die AS titelte ja ähnlich, dass Serrano, scheinbar mit Rückendeckung seiner Behörde und Vorgesetzten, so handelt.

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Stephen Roche
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Beitrag: # 6756145Beitrag Stephen Roche
18.2.2009 - 18:52

Time2Play hat geschrieben:Ich kann nicht nachvollziehen, wo du das "nicht" vorm "passt" hergenommen hast, aber nun gut.
Indeed, my fault.
Sollten wir in Europa nicht eine gemeinsame Rechtslage haben oder zumindest auf dem Weg dorthin sein?
Es kann doch nicht sein, dass ein Land machen kann was es will?!
- Wir haben nicht in allen Bereichen eine gemeinsame Rechtslage.
- Wir sollten meines Erachtens auch nicht auf dem Weg dorthin sein.
- Im Grundsatz kann jedes Land, handeln wie es will (untechnisch gesprochen), solange es keine Kompetenzen auf die EU/EG übertragen hat.

Aber wie Du sagtest: nun gut. :D

Frage an alle, die Ahnung von dem Spaß haben:

Handelt hier wirklich der spanische Staat - in welcher Form auch immer? Oder lediglich ein spanischer Verband? Das wird beim Sportrecht ja gern durcheinander gewürfelt.

Und mich deucht, dass solange die ein nationaler Verband (nicht: der Staat selbst) einen Fahrer nicht sperrt, kann ein anderer einen Veitstanz aufführen und dennoch nichts daran ändern.
Zuletzt geändert von Stephen Roche am 19.2.2009 - 0:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Grabba
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Beitrag: # 6756197Beitrag Grabba
18.2.2009 - 22:52

Aufbauend auf dem letzten Part des Beitrags meines Vorredners möchte ich noch etwas zur Sprache bringen. Unabhängig von der rechtlichen Lage, und auch unabhängig von moralischer Korrektheit - ist es denn nicht einfach nur verständlich, dass der spanische Verband seine Stars schützen will? Denn Was mit der Sportart geschieht, wenn die Sportler überführt und an den Pranger gestellt werden, wissen wir hier in Deutschland nur all zu gut. Dass der spanische Verband (oder wer auch immer konkret dahintersteht) das mit den eigenen Sportlern verhindern will sollte doch zumindest nachvollziehbar und verständlich sein (ob auch richtig ist eine ganz andere Frage).

Und ist es denn wirklich so schlecht, so verkehrt? Nicht rechtlich argumentiert, eher moralisch. Ein Contador und ein Valverde sind Stars in ihrer Heimat; es gibt so viele, die sie bewundern, die ihnen nacheifern. Für wie viele (vor allem junge) Radfans in Deutschland mit Ullrichs "Überführung" ein Teil ihrer Welt zusammengebrochen ist möchte ich nicht wissen.
Ist es da nicht auch irgendwie gar nicht so verkehrt, diese Stars (und Vorbilder) zu schützen, damit sie solche bleiben können und dass andere Leute weiterhin zu ihnen aufschauen, plump gesagt, sich an ihnen erfreuen können? Ich denke schon, dass Sportstars, und genau das sind Valverde und Contador, das Leben von Menschen bereichern können. Ist es da wirklich so verwerflich, dass eine Wahrheit vertuscht wird, um Menschen ihre glückselige Idealwelt zu bewahren?

Ob das nun haltbar ist weiß ich nicht. Ich erwarte jedenfalls, zerpflückt zu werden. Auch habe ich nicht gesagt, dass ich selbst es so empfinde (darüber mag ich mich nicht äußern; auch, weil es mir schwer fällt, da eine echte Meinung zu bilden). Aber ich wollte es doch auch zu bedenken geben.

RotRigo
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Beitrag: # 6756202Beitrag RotRigo
18.2.2009 - 23:03

Klingt nachvollziehbar, ist in meinen Augen aber absoluter Blödsinn, Grabba. Sorry! ;)

Das wäre, wenn man es weiterdenkt, quasi eine Argumentation pro Doping-Legalisierung...

Fus87
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Beitrag: # 6756205Beitrag Fus87
18.2.2009 - 23:26

Grabba, teilweise hast du recht.
Es ist vielleicht hilfreicher für die Nachwuchsentwicklung, wenn die großen Stars nicht von ihrem Podest heruntergeholt werden. Und auch der Unterhaltungswert (oder wie immer man das nennen will) wäre größer.

Aber du sagst auch, warum es trotzdem nicht funktionieren kann, soll, darf: Du sprichst von einer Idealwelt.
Es ist eine Wahl zwischen dem Einfachen und dem Richtigen. Es fiel und fällt mir auch nicht leicht, Dopingsünder (der Begriff ist auch etwas daneben, finde ich) nicht mehr als Idole anzusehen. Aber was soll ich machen? Doping ist in meinen Augen nicht erlaubt und sollte auch nicht erlaubt werden. Und auf der Grundlage muss ich dann dafür eintreten, dass Verbände u.ä. eben nicht Dopingfälle vertuschen - auch wenn es eventuell (kurzfristig) besser wäre als das Aufdecken.

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Grabba
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Beitrag: # 6756296Beitrag Grabba
19.2.2009 - 15:05

RotRigo hat geschrieben:Das wäre, wenn man es weiterdenkt, quasi eine Argumentation pro Doping-Legalisierung...
Nein, das sollte es nicht sein. Doping legalisiert würde doch bedeuten, dass jeder Fan weiß, dass die alle irgendwie nachhelfen, also betrügen. Das wäre ein ganz anderes Gefühl als zu denken, dass nur die anderen betrügen und dass die eigenen Fahrer, die es ohne Betrug schaffen, einfach besser sind. Ist doch toll!
Das ist eine sehr naive Denkweise, ich weiß, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass in Spanien viele Fans so denken. Warum auch nicht? Wenn von den Behörden genau das vorgegaukelt wird (und das ist ja letztlich die Konsequenz aus Serranos Aktionen), dann denken nunmal viele so.
Der deutsche Standard-Sportzuschauer denkt ja auch das, was ARD und ZDF ihm auftischen. Dass uns das nicht zu scheren braucht ist klar; aber einen Sportverband sollte es dann doch interessieren, was die Leute im eigenen Land von seiner Sportart denken. Das ist in Spanien halt der Fall, und so handelt Serrano.

Oder kürzer ausgedrückt: Mit legalisiertem Doping gäbe es keine Idealwelten mehr. Mit vorgegaukelter Sauberkeit hingegen werden Idealwelten aufrechterhalten. Das ist ein großer Unterschied.

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Stephen Roche
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Beitrag: # 6756302Beitrag Stephen Roche
19.2.2009 - 15:36

Grabba hat geschrieben:Und ist es denn wirklich so schlecht, so verkehrt? Nicht rechtlich argumentiert, eher moralisch.
Gerade moralisch erscheint es mir "verkehrt" zu sein, wenn man um der allgemeinen Glückseligkeit willen, die Wahrheit verschweigt.

Nun mag man utilitaristisch einwenden, wenn der Nichtwissen um die wahren Verhältnisse zu "Lust" führe und Wissen zu "Unlust", dann sei es besser, nicht zu wissen, also zu verschleiern.

Allerdings ließe sich so auch rechtfertigen, dass wir nicht mehr über den Hunger in der Dritten Welt, Menschenrechtsverletzung und sonstige unlusterregende Tatsachen informiert werden sollten. In Gang zu setzen wäre ein Informationsselektionsprozess durch die staatliche Autorität. Die Folge? Desinformation, die wiederum die eigenverantwortliche und rationale Entscheidung des Einzelnen, etwas zu tun oder zu unterlassen, gut zu finden oder nicht, erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht.
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Klaus und Tony
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Beitrag: # 6756304Beitrag Klaus und Tony
19.2.2009 - 15:41

Ich finde es immer bisschen gewagt zu erklären, wie die "Leute in Spanien ticken", um es mal flapsig-falsch zu zitieren.

Ich selber habe wenig Ahnung von der spanischen Mentalität (wenn es so etwas überhaupt gibt), in jedem Fall dürften sich Vergleiche mit Deutschland verbieten.

Alles, was mit Ehre, Wettkampf, Sieg, Niederlage und Status zu tun hat, wird in den katholischen Ländern Südeuropas traditionell anders als hierzulande betrachtet. Die wenigsten Deutschen verstehen das, die meisten sind seltsamerweise aber extrem stolz darauf, es nicht zu verstehen.

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ThunderBlaze
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Beitrag: # 6756305Beitrag ThunderBlaze
19.2.2009 - 15:50

Klaus und Tony hat geschrieben: Alles, was mit Ehre, Wettkampf, Sieg, Niederlage und Status zu tun hat, wird in den katholischen Ländern Südeuropas traditionell anders als hierzulande betrachtet. Die wenigsten Deutschen verstehen das, die meisten sind seltsamerweise aber extrem stolz darauf, es nicht zu verstehen.
Da stimm ich dir zu. Wollt ich auch schon sagen. Aber leider bist du einer der wenigen die es kapieren. Schade eigentlich.
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Time2Play
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Beitrag: # 6756306Beitrag Time2Play
19.2.2009 - 15:56

"Unwissenheit ist eine Gnade"

Einige von euch werden diesen Satz warscheinlich schon aus Matrix kennen.
Natürlich schränkt es uns in gewisser Weise ein (@Stephen Roche), aber was wollen wir in unserem Leben eigentlich erreichen?
Ist nicht Glück das erstrebenswerteste Ziel?
Warum muss ich wissen, dass Kinder auf Müllhalden leben und im Giftmüll nach etwas verwertbaren suchen, warum muss ich wissen, das täglich tausende Frauen aus Taiwan nach China verkauft werden, wozu das alles?
Umso mehr man von der Welt weiß, um so weniger möchte man all das wissen.
Ich zumindest werde nichts daran ändern können, belasten tut es mich trotzdem.

Was ist also so falsch daran nicht wissen zu wollen, wer gedopt ist und wer nicht?
Wieviel Spaß hatten wir alle noch vor dem Fuentes Skandal, guck dir die ganzen Diskussionen heutzutage doch mal an, jeder der vorne mitfährt ist eigentlich schon gedopt.

Ich strebe zwar auch nach immer mehr Wissen und kann mit der Wahrheit bisher leben, aber ich kann Menschen auch gut verstehen, die den einfacheren Weg wählen und so glücklich werden.
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Stephen Roche
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Beitrag: # 6756307Beitrag Stephen Roche
19.2.2009 - 16:02

Das Problem ist doch nicht, dass man etwas nicht zur Kenntnis nehmen will. Das mag ein Problem sein oder nicht, es wäre jedenfalls nicht das, um das es hier geht.

Das hier gemeinte Problem entsteht erst und gerade dadurch, dass jemand anderes darüber entscheidet, was zur Kenntnis genommen werden soll (und damit auch zur Kenntnis genommen werden kann).
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Grabba
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Beitrag: # 6756310Beitrag Grabba
19.2.2009 - 16:10

Stephen Roche hat geschrieben:Allerdings ließe sich so auch rechtfertigen, dass wir nicht mehr über den Hunger in der Dritten Welt, Menschenrechtsverletzung und sonstige unlusterregende Tatsachen informiert werden sollten. In Gang zu setzen wäre ein Informationsselektionsprozess durch die staatliche Autorität. Die Folge? Desinformation, die wiederum die eigenverantwortliche und rationale Entscheidung des Einzelnen, etwas zu tun oder zu unterlassen, gut zu finden oder nicht, erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht.
Das was du sagst ist ja völlig richtig und ich werde mich hüten, dem zu widersprechen. Es aber mit dem Thema Doping im Radsport gleichzustellen halte ich für gewagt.
Erstens ist das hier nur ein Sport. Auch wenn manche Leute damit ihr Geld verdienen, so ist es doch für den Rest der Menschheit, sprich für die Zuschauer, ein reines Freizeitvergnügen. Und zweitens gibt es hier keinen echten Schaden in dem Sinne, dass Menschen verhungern, sterben oder sonst irgendwie echt leiden müssen. Gut, man mag argumentieren, dass Doping Betrug und damit Unrecht ist, und auch, dass vielleicht Sponsoren ihr Geld in Betrüger investieren und somit vielleicht auch verlieren. Aber Armut, Hunger und Elend oder auch allgemeine (staatlich gesteuerte!) Desinformation sind dann doch noch ein ganz anderes Level.

Ich mag ja auch gar nicht argumentieren, dass es rechtens ist, oder dass so etwas verallgemeinert werden sollte. Die Kernaussage war, dass es aus Sicht des Verbandes sicher nicht verkehrt ist, so zu handeln, aus reinem Eigeninteresse. Der Rest war ein Zusatz, um eine mögliche moralische Rechtfertigung der ganzen Sache zu geben.
Und darüber, was mehr wert ist, Wahrheit und Glückseligkeit, ob es vielleicht beides braucht oder ob es sich vielleicht gegenseitig ausschließt, mag man wohl diskutieren können, aber ein allumfassendes, endgültiges Urteil zu finden halte ich nicht für möglich.
Was ich aber behaupten möchte ist, dass in unserer heutigen Zeit derjenige, der nach Wahrheit strebt, sie auch finden kann. Jeder spanische Radsportfan hat die Möglichkeit, im Internet nach ausländischen Quellen zu suchen und den Aspekt so von vielen Seiten zu betrachten. Genauso wie jeder deutsche Sportfan die Möglichkeit hat, der Radsport-Berichterstattung der ÖR blindlings zu folgen oder aber zu hinterfragen und sich selbst eine Meinung, basierend auf unterschiedlichsten Quellen, zu bilden.
Doch es gibt ja auch genug Menschen, die vielleicht die Wahrheit gar nicht kennen wollen. Genug Menschen, die lieber an die Übersinnlichkeit eines Uri Geller glauben, als sich bei Youtube die Erklärung seiner Gaukeleien anzuschauen. Genug Menschen, die lieber vor dem Elend der dritten Welt die Augen verschließen, als es in all seiner Tragik zu begreifen. Genug Menschen, die lieber über die bösen Radsportler herziehen, als vielleicht zu erfahren, dass ihre guten Fußballer auch alle nicht besser sind. Und eben auch genug Menschen, die lieber an einen sauberen Radsport glauben wollen als zu erfahren, dass ein Großteil der Stars gedopt ist.
Kann man da wirklich sagen, dass es gut und richtig ist, diesen Menschen die Wahrheit aufzuzwängen? Im Beispiel der dritten Welt mag ich das einsehen; hier besteht wirklich eine Notwendigkeit, da es um Menschenleben und echtes Elend geht. Aber bei den anderen Dingen? Ist es hier wirklich unumgänglich, die Wahrheit aufzudrängen? Nur weil wir selbst die Wahrheit kennen wollen (und glaub mir, das will ich auch) dürfen wir diesen Wunsch noch lange nicht verallgemeinern.

Ich wollte "die Spanier" nicht mit "den Deutschen" gleichsetzen. Ich will auch gar nicht behaupten, Menschen anderer Herkunft zu verstehen, wenn ich doch quasi niemanden von ihnen kenne. Nicht, dass ich das gut fände oder gar stolz darauf wäre, aber es ist eben doch klar, dass ich mir kein Urteil über etwas bilden kann, wovon ich keine Ahnung habe.
Auch wollte ich sicher nicht für alle Spanier sprechen. Aber wenn ich mir nur die jubelnden Fans am Straßenrand anschaue, wenn ich an die orangenen Berghänge bei der Tour denke, dann sehe ich vor allem riesige Begeisterung und glühende Verehrung der eigenen Sportler. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Verehrer Freude daran hätten, zu erfahren, dass ihr Valverde und ihr Contador tatsächlich gedopt sind. Oder willst du mir ernsthaft sagen, dass sie alle dann die gleiche Begeisterung und Freude aufrechterhalten könnten? Manche sicherlich, aber ein Großteil wohl nicht mehr. Das, denke ich, kann ich behaupten, ohne die "spanische Mentalität" zu kennen.

Und, um das nochmal klarzustellen: Ich wollte nicht sagen, dass ich es wirklich gut finde, was da offenbar zu vertuschen versucht wird. Ich wollte nur sagen, dass man es gut finden kann.


Nachtrag:
Stephen Roche hat geschrieben:Das hier gemeinte Problem entsteht erst und gerade dadurch, dass jemand anderes darüber entscheidet, was zur Kenntnis genommen werden soll (und damit auch zur Kenntnis genommen werden kann).
Das stimmt schon, allerdings hat man auch nach wie vor die Möglichkeit, sich nicht auf diese eine Quelle allein zu stützen sondern sich anderweitig zu informieren. Denn es ist ja glücklicherweise nicht so, dass alle Verbände die gleiche Strategie an den Tag legen.
Alleine, dass wir hier darüber diskutieren können, ob dieses Verhalten recht oder unrecht ist, zeigt doch, dass es nur zu gut möglich ist, die ganze Sache zu hinterfragen. Auch wenn es uns als "Ausländern" in diesem Fall natürlich etwas leichter fallen dürfte.

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ETXE
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Beitrag: # 6756320Beitrag ETXE
19.2.2009 - 17:27

Zur Holzhammeraussage, wie "die Spanier" ticken, habe ich oft genug etwas gesagt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, z.B. Italien, wo es ja eine relativ homogene Bevölkerung gibt (wenn man mal von der soziokulturellen Diskrepanz zwischen Nord- und Süditalien absieht, ist Spanien ein Vielvölkerstaat. Es gibt genügend Menschen, die sich gar nicht als Spanier sehen, sondern als Basken, Katalanen, Gallegos, Andalusier oder auch als Weltbürger.

Beim Radsport ist der Tribalismus und der Nationalismus lange nicht so ausgeprägt, wie es gerne unterstellt wird. Die orangefarbene Menge in den Pyrenäen oder anderswo z.B. huldigt nicht nur ihren baskischen Helden, sondern im Grunde allen Radsportlern. Und sie kennen auch fast alle deutschen oder schwedischen Radsportler und bejubeln auch diese. Viele verstehen nicht, wie dem Radsport durch Doping-"Hexenjagden" zugesetzt wird. Wie kann ein Verband bzw. eine Medienöffentlichkeit seinen Aushängeschildern so etwas antun? Das ist für viele ein Sakrileg.
Es geht nicht darum, Doping komplett unter den Tisch zu kehren oder als Gentlemandelikt anzusehen, aber es kann eben auch nicht darum gehen, ständig mit dem moralischen Teppichklopfer auf die Menschen einzuprügeln.

Aber bitte, die "spanischen" Radsportfans sind genausowenig blöde wie die aus anderen Gefilden. Sie lassen sich von keinem Seppelt, Franke oder ähnlichen Gestalten eine Meinung diktieren und ich denke, sie lassen sich auch nicht von Señor Serrano verarschen.

Stephen Roche hat geschrieben:Das hier gemeinte Problem entsteht erst und gerade dadurch, dass jemand anderes darüber entscheidet, was zur Kenntnis genommen werden soll (und damit auch zur Kenntnis genommen werden kann).
Zur (Des-)Informationspolitik irgendeiner "übergeordneten" Institution fällt mir ein Orwell-Zitat ein:
"Krieg ist Frieden"

Und auch, wenn das sehr nach Äpfel-Birnen-Melonen-Vergleich aussieht, so sind die Unterschiede graduell, das Prinzip aber ist das gleiche.
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Vuelta 2009 + Punktetrikot

RotRigo
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Beitrag: # 6756342Beitrag RotRigo
19.2.2009 - 20:30

Es ärgert mich maßlos, dass ich lernen muss und mich hier nicht intensiv beteiligen kann! Lust hätte ich - denn vieles was hier geschrieben wurde muss ich eigentlich kommentieren. Vielleicht hole ich das am Sonntag nach. Hoffentlich schaffe ich es...

Eins zum Beispiel schon mal:
Grabba hat geschrieben:Gut, man mag argumentieren, dass Doping Betrug und damit Unrecht ist, und auch, dass vielleicht Sponsoren ihr Geld in Betrüger investieren und somit vielleicht auch verlieren.
Kein Sponsor verliert dadurch irgend etwas, dass seine Sportler dopen! Keiner! Schadensersatzklagen wie damals von der Telekom sind hier absolut fehl am Platz und mehr als heuchlerisch. Sie haben am Erfolg des Gedopten Geld verdient und werden durch einen positiven Test sicher nichts verlieren - höchstens nicht mehr so viel gewinnen. Niemand kann mir erzählen, dass der Radsport einem Konzern wie der Telekom geschadet hat.

Beispiel Saunier Duval: Ohne Ricco, Piepoli, Mayo und co würden deutlich weniger Menschen diese Firma kennen. Selbst die positiven Tests und die Skandal-Meldungen bezüglich ihrer Fahrer bringen der Firma Aufmerksamkeit - und (so gut wie) niemand, der einen Air-Conditioner kaufen will entscheidet sich gegen das Saunier-Produkt, nur weil die mal einen gedopten Fahrer gesponsert haben. Viel mehr entscheiden sich die Menschen FÜR das Produkt, weil ihnen der Name ein Begriff ist - im Gegensatz zu "Hoffman Heating", "Haier" oder "Kenmore". Das ist in der Werbeforschung nachgewiesen!

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Beitrag: # 6756370Beitrag Time2Play
19.2.2009 - 22:14

Die CONI hat das Recht dazu, die CONI hat nicht das Recht dazu, die CONI hat das Recht dazu....

Und jeder fühlt sich laut Gesetz auch bestätigt.

http://www.radsport-news.com/sport/sportnews_55071.htm

Das mit den Zahlungen kennen wir ja schon von Schleck, den letzten Satz finde ich allerdings interressant.
Dafür könnten andere Sportler nach Rom vorgeladen werden. Torri: „Es gibt rund 90 Blutbeutel und sie gehören nicht nur Radsportlern."
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Beitrag: # 6756486Beitrag Jeröm
20.2.2009 - 17:01

Ich bin im Fall Valverde nicht ganz auf dem Laufenden. Daher ein paar Fragen:
1. Wie kam denn die CONI überhaupt an Blut aus Spanien von Valverde?
2. Wenn man dieses Blut Valverde aufgrund seiner Dopingproben eindeutig zuordnen kann, frage ich mich wieso man das in Spanien 2 Jahre nicht geschafft hat. Haben die da absichtlich Verschleierung betrieben?

Vielen Dank!

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