Jerdona Zeres [Vuelta 2007 - beendet]

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Exelero
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Beitrag: # 406865Beitrag Exelero
25.1.2007 - 22:08

Auch wenn er vllt. ein bissle lang ist, das spielt keine Rolle, der ist wieder einsame Spitze von daher immer mehr.

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arkon
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Beitrag: # 406942Beitrag arkon
26.1.2007 - 15:07

Yuri hatte es sich leichter vorgestellt. Er war nach Bilbao gereist, um seine Ausrüstung abzuholen und hier ein wenig zu trainieren. Seine Wohnung in Frankreich hatte er nur ungern zurück gelassen – ihm war einfach ein wenig unwohl dabei, in einem fremden Land, in dem er nur wenige Leute kannte, sein Eigentum einfach so zurück zu lassen. Aber daran würde er sich wohl gewöhnen müssen.
Schon der Weg vom Flughafen zur Zentrale gestaltete sich schwieriger als erwartet. Das Team hatte keinen Wagen zur Verfügung gehabt, um ihn abzuholen. Wieder in einem völlig fremden Land musste er sich also durch den öffentlichen Nahverkehr schlagen und mit einem Bus zu dem etwas abseits gelegenen Bau fahren. Ein wenig fertig kam er an, in der Vorfreude, mit seinem Gepäck erst einmal auf das ihm versprochene Zimmer zu dürfen und nach einer Dusche und einem Mittagsschläfchen dann endlich in die heiligen Hallen des Materiallagers zu dürfen.
Aber es sollte etwas anders verlaufen: Zunächst musste er den Pförtner überzeugen, das er wirklich Fahrer des Teams war. Der Vertrag war zwar schon eingegangen, aber offensichtlich hatte sich die Kunde noch nicht so weit verbreitet. Yuri war geduldig und erklärte es ihm noch ein paar Mal. Schließlich kam ihm jemand zu Hilfe, der so aussah, als gehörte er zum Stab des Hauses. Er stellte sich Miguel vor und schleuste ihn am Pförtner vorbei auf sein Zimmer.
„Es ist hier alles ein bisschen chaotisch. Das Haus gehörte früher zu Euskaltel. Aber jetzt, wo die Communidads eingefallen sind ist die Aufteilung ein bisschen wirr. Die Jungs aus der Chefetage haben anderes zu tun, im Materiallager und in der Medizin sieht’s ähnlich aus. Und das Fußvolk darf es dann mal wieder ausbaden…“
„Wie ist es denn mit dem Material? Wissen sie, ob meine Sachen schon angekommen sind?“ fragte Yuri ein wenig verunsichert.
„Keine Ahnung. Aber wenn noch nicht einmal der Pförtner weiß, wer du bist, würd ich mich an deiner Stelle auf gar nichts mehr verlassen.“
Yuri bedankte sich und stellte sich erstmal unter die Dusche. Das fing ja gut an! Sein Bettzeug würde Miguel gleich vorbei bringen, zum Mittagessen würde er ihn dann auch gleich anmelden… Hoffentlich waren wenigstens die anderen Fahrer hier und am trainieren!
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arkon
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Beitrag: # 407081Beitrag arkon
27.1.2007 - 14:14

Jerdona fand Tobias am Pool. In seiner einen Hand ein Cocktail, in der anderen das Telefon. Seine Badehose war noch oder schon wieder trocken, sein Oberkörper nackt und langsam mit ein wenig mehr Farbe überzogen. Diese Deutschen mussten verflucht aufpassen, damit sie hier keinen Sonnenbrand bekamen.
„Ja, Baby, klar komm ich heute Abend vorbei. Ich lass mir doch keine Party entgehen, auf der du bist. – Nein, ich hab keinen Freund, den ich mit…“ er schaute flehend zu Jerdona herüber, nur um mit einem entschiedenen Kopfschütteln bedacht zu werden „Nein, tut mir leid. Ich bin erst zwei Tage hier. Aber für deine Freundin find ich schon was, versprochen. – Nein, dass sag ich nicht nur so. – Klar kümmer ich mich drum, ist doch Ehrensache – Ja, dann bis heute Abend. – Ja, um 9, bis dann!“ Er seufzte „Es ist und bleibt überall das gleiche. Die Frauen ändern sich, aber das Spiel nicht!“ Das war Tobias, so wie er ihn kannte.
„Und, hast du fleißig trainiert?“ Er winkte schon den Ober heran, um für ihn ebenfalls einen Cocktail zu bestellen. „Du hast doch schon geduscht?“ fragte er mit Blick auf Jerdonas Trainingsanzug. Es war schon das neue Modell von Kelme-Euskadi. „Ja klar, bin doch nicht so ein Drecksschweinchen wie du“ gab er zurück.
Er setzte sich neben Tobias in einen Liegestuhl und ließ sich einen Alkoholfreien kommen. Fruchtsäfte und Sirup waren ja eigentlich ganz gut für ihn, und den Alkohol vermisste er sowieso nicht. So selten, wie er selber Gelegenheit hatte, etwas zu trinken, konnte er sich nie wirklich daran gewöhnen.
Als er sich dann zurücklehnen und trinken konnte erzählte er von seiner Begegnung während der Ausfahrt. Wenn einer wusste, was zu tun war, dann Tobias. „He, du magst sie, oder? Und sie sieht nicht schlecht aus? Wo ist das Problem?“
„He, für dich gibt es keins. Aber da unterscheiden wir uns. Ich würde sie einfach gerne näher kennen lernen. Erst mal nur so. Und dann schauen“
„Ok, nichts leichter als das. Ähm… weißt du, wie sie heißt?“
„Chloe Anderson“
Tobias fiel die Kinnlade runter. „Äh, DIE Chloe Anderson? Klein, blond, süß, Amerikanerin… äh…?“
„Du kennst sie?“
„Verdammt, wo lebst du? Jeder kennt sie. Sie ist Sängerin. Sie ist in den Charts. Sie ist… der Hammer?“ Nun war es Jerdona der ein bisschen verdutzt schaute.
„Du verkohlst mich?“ Ein langsames Kopfschütteln war die Antwort.
„Oh, verdammt… Sie hatte einen Bodyguard dabei, sie wohnt in einem der teuersten Hotels der Insel, sie leistet sich eine Radlegende als Fitnesscoach… Ich glaube, das könnte sie sein“
„Jerdona, du Schlappschwanz. Du machst sie bitte klar. Von dem, was du mir erzählt hast, scheint sie schon ein bisschen Interesse zu haben. Halt dich ran! Das wäre endlich mal ein Standesgemäßer Abschuss für dich!“
Jerdona wurde unwillkürlich ein wenig rot und winkte ab, aber die Botschaft war angekommen. Schon alleine, weil Tobias es ihm übel nehmen würde, wenn er es nicht tun würde, musste er es versuchen.
„Aber versprechen kann ich dir echt nichts. Ich…“
„He, pass auf. Ab hier übernehme ich. Du brauchst dich nur zurück zu lehnen und zu warten. Schau einfach dem Meister bei der Arbeit zu. Ich hab schon ganz andere Kaliber verkuppelt. Die Susi aus der Buchhaltung beim Gegensatz zum Beispiel, die…“
„Ja ja, schon verstanden. Tu, was du nicht lassen kannst.“
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arkon
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Beitrag: # 407239Beitrag arkon
28.1.2007 - 14:19

Die Tour zu gewinnen war keine Einbahnstraße. Eher ein ganzes Netzwerk aus vielen verschiedenen Wegen, manche kaum mehr Trampelpfade, andere breit und viel befahren. Nur: man wusste nie, welcher einen selbst am schnellsten zum Ziel brachte. Neben einer Menge Energie, die für Sachen drauf gehen konnte, die einem selber fast gar nichts brachten, konnte man auch Dinge übersehen, die essentiell waren. So hatte Fabian bisher vor allem eine Sache außer Acht gelassen: Seine Motivation.
So Selbstverständlich es auch klang, motiviert zu sein, den Toursieg zu holen, so diffizil gestaltete sich diese Geschichte im Nachhinein. Denn wenn Armstrong auf eine Sache Stolz gewesen ist, dann auf seinen unzerstörbaren Siegeswillen. Er schien zwar meistens kaum gefordert worden zu sein, aber Fabian wusste, dass auch dieser Eindruck wiederum nur Produkt von dem metaphysischen Etwas war, von dem alle Fahrer glaubten, sie besäßen es. Aber war das wirklich so?
Nach dem er nun einige Monate eher ‚vor sich hin’ trainiert hatte, ging ihm diese Sache zunehmend auf die Nerven. Er hatte sich zwar bisher immer an den Plan gehalten, den er von Matthias Frey noch bei Phonak erhalten hatte. Mittlerweile war er mit mehreren Leuten von T-Mobile nochmals über die wenigen Seiten gegangen, die ihm im Juli nach vorne bringen sollten, aber es waren nur noch Detailverbesserungen nötig gewesen. Er lag also nach wie vor exakt auf Kurs.
Aber das war ihm irgendwie nicht genug. Innerlich fühlte er sich zusehends verbraucht. Er war noch ohne einen Rennkilometer in den Beinen schon angeschlagen. Und das würde sich auch bis in den März hinein nicht ändern. Wie er es sah reichte seine Motivation einfach nicht aus, um still und unauffällig im Hintergrund zu trainieren, bis er dann im Sommer seine volle Form erreichen würde.
Entnervt lag er gerade nach einer weiteren Trainingseinheit auf seinem Bett. Er hatte keinen Bock mehr. Irgendetwas würde sich ändern müssen. Physisch fühlte er sich stark, aber psychisch… Er wollte nicht als Ullrich enden, ohne nur überhaupt eine Tour gewonnen zu haben. Er hangelte sich sein Handy und suchte nach ’Aldag, Rolf’ in seinem Telefonbuch.
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Beitrag: # 407459Beitrag arkon
29.1.2007 - 15:02

Es hatte doch noch geklappt. Entgegen Yuri’s Befürchtungen waren die Fahrer, die im Teamhaus von Kelme-Euskadi untergebracht waren ebenso entnervt über die Zustände wie er selbst. Zusammen hatten sie dann ihre Trainingsfahrten organisiert und bisher auch ein ganz ordentliches Programm abgespult. Mittlerweile war der Großteil des Teams entweder im Teamhaus oder in der Umgebung untergebracht. Auf den täglichen Ausfahrten traf er daher die meisten seiner Kollegen und konnte sie so besser kennen lernen.
Nur der Meister selbst ließ noch auf sich warten: Jerdona Zeres würde erst Anfang nächster Woche zum Beginn des offiziellen Trainingslagers auftauchen. Bis dahin war er wohl noch auf Gran Canaria. Viele Fahrer waren etwas enttäuscht, dass sie Jerdona nicht zu Gesicht bekamen. Sie rechneten sich wohl auch im Laufe der Saison keine hohen Chancen aus, wenn er sich schon jetzt rar machte. Und zumindest für die kleineren Fahrer war der junge Baske eine Art Idol. Ab und zu schauten Familienmitglieder oder Freunde einzelner Fahrer vorbei, natürlich auch, um einen Blick auf Zeres zu erhaschen, was ihnen jedoch verwehrt blieb.
Für Yuri lief es dagegen wunderbar. Er hatte sich sehr darauf gefreut sich in das Team einleben zu können und wurde nicht enttäuscht. Anders als bei Credit Agricole wurde er hier nicht so sehr als Außenseiter angesehen. Damals wie heute hatte ihn Jerdona in die Mannschaft geholt. Aber mittlerweile war das ein ganz enormer Pluspunkt für ihn. Besonders mit Samuel Sanchez kam er gut klar, was ebenfalls eine große Erleichterung war, würde er ihn doch zu den Klassikern begleiten.
Nur das Management des Teams blieb blass. Was sich schon am Tag seiner Anreise angedeutet hatte setzte sich fort: Kelme-Euskadi war ein zusammengewürfelter Haufen. Die Fahrer hielten das zusammen, was das Geld aufrechterhielt. Die weiteren Angestellten, Ärzte, Soigneurs, Masseure, Techniker, Köche und was es nicht alles gab waren mehr auf sich selber bedacht. Sie handelten mehr auf Anweisung der Fahrer als der Manager. So war dem Chaos eigentlich Tür und Tor geöffnet. Das komische war nur: Irgendwie klappte es. Die Fahrer hatten selber genug Ehrgeiz um das Unternehmen Kelme-Euskadi ins Rollen zu bringen. Schließlich hingen ihr Arbeitsplatz und das Vermächtnis zweier Traditionsrennställe daran.
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arkon
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Beitrag: # 407698Beitrag arkon
30.1.2007 - 16:48

Jerdona Zeres ist ganz klar der Star der letzten Radsaison. Wie kein zweiter hat er die GT’s geprägt. Lediglich im Giro, bei Basso’s Pflichtsieg, war er nicht vor Ort. Die Tour hat er auf überlegene Art und Weise gewonnen und bei der Vuelta seinen Teamkameraden Christoph Moreau zum Sieg geführt. Nun steht er im neuen Jahr vor der Herausforderung, das erreichte zu konsolidieren. Wie schon viele vor ihm wird die erste Saison danach, quasi das Jahr T+1, zum wahren Prüfstein. Bisher zeigte sein Weg steil bergan, nun gibt es nicht mehr viel Spielraum nach oben. Wenn er die beginnende Saison so erfolgreich gestalten will wie die letzte, muss er sich anstrengen. Kann er es schaffen?
Nun, zunächst ist da sein herausragendes Talent. Wie zuvor nur bei Lance Armstrong, Jan Ullrich und diversen Vorgängern geschehen kam er zur Tour und hat Geschichte geschrieben. Im Gegensatz zu den beiden genannten musste er dabei aber gleich gegen eine ganze Armada an Konkurrenten antreten. Und dann noch auf einer Strecke, die ihm eigentlich gar nicht so lag. Im nächsten Jahr wird er es leichter haben, sowohl Strecken- als auch Besetzungstechnisch. Und neben seinen herausragenden Bergfähigkeiten hat er uns noch zwei andere Dinge gezeigt, die ihm in den nächsten Jahren helfen werden. Da ist zum einen seine Regenerationsfähigkeit, welche ihn in der letzten Tourwoche nach vorne brachte. Zum anderen ist da ein Phantom: Sein Zeitfahrtalent. Bisher erbrachte er völlig gemischte Resultat im Kampf gegen die Uhr. Mal verlor er 5 Minuten, dann gewann er wieder gegen die versammelte Elite oder gab zumindest nur wenig Raum. Wenn er diesen Unsicherheitsfaktor noch in den Griff kriegen könnte hätten wir in ihm einen Fahrer gefunden, der die Fertigkeiten mitbringt, den eben erst erstellten Rekord von Lance Armstrong einzustellen und zu übertreffen. Soviel zur Theorie.
In der Praxis gibt es vor allem eine weitere Unbekannte: Sein Team. Während er im letzten Jahr noch als Randerscheinung bei Credit Agricole geduldet wurde hat er in diesem Jahr eine Mannschaft komplett in seinem Rücken. Und anders als bei Mercatone Uno von Marco Pantani ist diese Mannschaft durchaus zu den stärkeren zu rechnen. Ob und wie sie sich entwickeln wird steht freilich noch in den Sternen. US Postal brauchte auch immerhin einen Toursieg, bevor es den Weg zur beherrschenden Mannschaft des Pelotons antrat. Wie schnell wird das Kelme-Euskadi schaffen? Und vor allem: Wird dieser Weg schon in diesem Jahr angetreten? Anders gefragt: Ist das Team unterm Strich eher ein Plus- oder ein Minuspunkt für Zeres?
Alles in allem wird es ein gutes Stück Arbeit. Aber wir kennen den Basken als Kämpfer, und als solcher wird er alles geben, seine Fans nicht zu enttäuschen und die Tour ein weiteres Mal zu gewinnen. Möglich ist es alle mal.

Fabian schmiss deprimiert die Zeitung auf den Tisch. Solche Geschichte wollte er gar nicht erst hören. Für die anderen Profis schien immer alles von alleine zu laufen, nur bei sich selbst entdeckte er die riesengroßen Probleme.
Endlich entdeckte er Rolf, der gerade durch die Tür kam. Er winkte ihn zu seinem Tisch herüber. Er hatte sich lieber in einem Cafe treffen wollen. Soweit, den Teammanager zu sich nach Hause einzuladen, war er noch nicht. Aber er tat sein bestes, um sich zu akklimatisieren. Auch Rolf wirkte ein wenig nervös. Kein Wunder, hatten sie sich doch bisher noch nie alleine getroffen. Auch hing eine Menge daran, dass sie sich gut verstanden. Denn nur dann würde es für sie beide eine erfolgreiche Saison werden.
„He Rolf, setz dich doch“
Er stand auf und reichte ihm die Hand, welche sein Gegenüber ergriff und schüttelte. Er wirkte gehetzt.
„Grad noch so gefunden, das Cafe. Ich dachte schon, ich finds gar nicht mehr!“ Erklärte er sich und seine leichte Verspätung, die Fabian ja lesend verbracht hatte.
„Nicht so schlimm. Die Zeit hab ich gut genutzt“ Er warf dem Ex-Profi die Zeitung hin, das Kommentar aufgeschlagen.
„Darum geht’s.“
„Jerdona Zeres“
„Nicht alleine. Die Sache ist: Ich bin müde. Ich will Rennen fahren. Bisher konnte ich den Trainingsplan streng einhalten, aber ich bin einfach nicht dafür gemacht, so sklavisch auf die Tour hinzuarbeiten. Ich brauche Motivation, um das durch zu stehen. Und die anderen“ er deutete auf das aufgeschlagene Radsportblatt „scheinen solche Probleme nicht zu haben. Ich weiß“ er hob abwehrend die Hand, als Rolf ihm ins Wort fallen wollte „Ich weiß, die anderen haben exakt die gleichen Probleme. Aber für mich ist es ein Novum. Und das macht mir zu schaffen.“
Rolf schwieg. Einige Male setzte er an, ihm eine passende Antwort zu präsentieren, aber er wusste, dass es sie nicht gab. So einfach, wie sich das junge Talent sich das vorstellte, war das Motivationsproblem nämlich nicht zu lösen. Er dachte kurz nach.
„Ich kenne das. Wie du vielleicht weißt, bin ich ja einige Jahre mit Ullrich zusammen gefahren. Und… na ja… Ich hatte nicht gedacht, dass du von ähnlichen Problemen für immer verschont bleiben würdest. Aber ich hatte es gehofft. Und jetzt steh ich ein wenig planlos da. Die Sache ist, dass keiner eine einfache Lösung kennt. Einen Psychologen rufen, Übungen machen. All das kostet Zeit, und wenn es dir nichts bringt, ist es verschenkte Zeit. Möglicherweise, oder besser gesagt, sehr wahrscheinlich…“ Er verstummte und grübelte kurz in sich hinein. „Es gibt eine individuelle Lösung. Es muss sie geben. Und ich will sie herausfinden. Denn nur so können wir dich Topfit zur Tour schicken.“
Er dachte wieder kurz nach, diesmal offenbar wesentlich konkreter.
„Ich werde mit ein paar Leuten sprechen. Ich kümmere mich darum. Ich habe leider keine Patentlösung in der Tasche und muss dich daher bitten, einfach ein wenig Geduld zu haben. Vielleicht dauert es eine Woche, vielleicht zwei, vielleicht aber auch nur drei Tage. Aber ich melde mich!“
Er stand auf, verabschiedete sich ziemlich kurz und verließ das Cafe wieder ein wenig gehetzter. Er machte sich seinen Job wirklich nicht zu einfach!
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arkon
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Beitrag: # 407966Beitrag arkon
1.2.2007 - 11:00

so, es geht mal wieder in eine pause. probleme sind zur zeit derer zwei: eine klausur am 15.2. meine einzige in diesem semester. ich kann noch nichts und das ding ist so ziemlich... schwer. wenn ich das schaffe: semester gut. wenn nicht: semester scheisse. daher muss ich ablenkungen eliminieren.
zweitens bin ich mal wieder storytechnisch ein bisschen ausgebrannt. ein paar szenen tingeln schon in meinem kopf herum, aber es geht nicht so richtig vorwärts. daher: pause. lieber garnicht als halb. und dann gehts hoffentlich in zwei wochen in gewohnter qualität und frequenz weiter.
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J.Voigt
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Beitrag: # 410498Beitrag J.Voigt
13.2.2007 - 17:19

das hoffe ich auch, ein hammer aar hab ihn mir in einer halben woche ganz durchgelesen und bin mega gespannt ob die jungen talente ihre guten vorstellungen aus den jahren zuvor wiederholen können. weiter so

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arkon
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Beitrag: # 410794Beitrag arkon
15.2.2007 - 18:59

Wenn Jerdona sich bisher nicht fehl platziert gefühlt hatte so änderte sich das spätestens jetzt. Tobias zog ihn runter auf einen Stuhl an einem unbesetzten Tisch.
„Da drüben, das ist sie ja wirklich…“ Er presste sich die Faust gegen den Mund, vielleicht um einen Schrei zu unterdrücken, wie Jerdona vermutete. „Du hast also wirklich nichts erfunden… Verdammt!“ Etwas zweifelnd sah der Baske zu seinem Freund herüber. Der schien nur noch Augen für Chloe zu haben. Sie saß etwa 30 Meter weiter an einen Tisch, umgeben von zwei Bodyguards und noch ein paar anderen Menschen, die Jerdona nicht zuordnen konnte. Sie hatten sich in den Club Anfi geschmuggelt, pünktlich zum Abendessen. Der Saal war zwar nicht voll ausgelastet, aber zwischen den Tischen war viel Freiraum, der mit Gewächs ein wenig gefüllt war. Keine Gefahr, entdeckt zu werden. Eigentlich.
Jerdona packte Tobias am Arm. „Komm mal wieder runter. Wir essen jetzt erstmal hier. So, wie du rüberstarrst, entdeckt sie uns noch vor der Suppe.“
„Du hast Recht. Aber… sie ist der Hammer“ meinte er mit einem Blick zu Jerdona, der wohl auch eine Hundehütte motiviert hätte, den Mount Everest zu erklimmen. Sie hatten das Glück gehabt, einen Portier gefunden zu haben, der selber großer Radsportfan war. Er hatte Jerdona erkannt, noch bevor er sich an das gedämpfte Licht in der Lobby gewöhnt hatte. Der Rest war mehr Formsache gewesen. Und für morgen Nachmittag hatte er einen Trainingspartner.
Sie bestellten bei einem sehr dezent livrierten Kellner ihr Menü und den passenden Wein. Obwohl sich in Jerdona einiges dagegen sträubte, konnte er doch nicht widerstehen, als in einem der besten Hotels der Insel ein stolzer Kellner eine teuer aussehende Weinflasche kunstvoll entkorkte und ihnen mit einer gekonnten Bewegung in die hohen Kristallpokale einen appetitliche Pfütze einschenkte. Mit einem breiten Grinsen schwenkte Tobias das kostbare Getränk herum und prostete ihm zu. „Auf die Frauen?“ „Auch wenn es für dich wahrscheinlich Gewohnheit ist; auf die Frauen!“ entgegnete Jerdona. Sie nickten sich stilvollendet zu und kamen sich selten fein und gut erzogen vor.
Aber ihre Mission am heutigen Abend bestand nicht nur aus dem trinken des Weines. Vielmehr mussten sie sich auch den Rest der Speise antun, Tobias mehr und Jerdona weniger freizügig. Aber da die Küche dem Wein und dem Personal in nichts nachstand wurde es zu einer echten Prüfung seiner Willensstärke.
Gerade wollten sie sich nach der überstandenen Hauptspeise zurücklehnen und den weiteren Schlachtplan des Abends nochmals durchsprechen, als sich neben ihnen ein Mann bemerkbar machte. Nichts ahnend drehte sich Jerdona um und zuckte erschrocken zusammen. Es war einer der Bodyguards von Chloe, der neben ihm stand.
„Einen schönen guten Abend die Herren. Ich soll ihnen von der Dame dort hinten“ er deutete in die Richtung, in der sie saß „ ausrichten, dass sie Sie gerne zum Dessert herüberkommen mögen… äh… können“ schloss der Mann von gut zwei Metern und 120 Kilo, sichtlich verunsichert. Tobias, Spaßvogel alter Schule, beugte sich vor und gab zurück. „Diese Nourriture mit der ehrenwerten Kreatur ihrer Begleitung unseren ureigensten Mägen partizipieren oder gar komplett annihilieren zu dürfen würde uns in der Tat sehr glücklich machen.“ Sprachs, stand auf und klopfte dem immer verdutzter schauenden Koloss auf seine riesige Schulter. Er bedeutete Jerdona, ihm zu folgen.
„Was verschafft mir die Ehre?“ begrüßte sie Chloe, während sie aufstand. Tobias schob seinen Freund vor, der nur etwas verunsichert oder verschüchtert seine Hand ausstrecken konnte. „Wir haben gehört, der Küchenmeister hier vollbringe wahre Wunder!“ soufflierte Tobias aus dem Hintergrund. Jerdona trat beiseite, froh, aus dem Kreuzfeuer zu gelangen.
„Ich bin Tobias Fischer, ein guter Freund von Jerdona.“ Bewundernd verfolgte dieser die Routine und Innigkeit, mit der Tobias seine Hand auf die Schulter von Chloe legte und ihre Hand schüttelte, als ob sie sich schon Jahre kennen würden.
Er positionierte Jerdona dann auch in direkter Nähe zu ihr. Aber dieser schien sich nicht recht wohl zu fühlen. Was war los? Er fand sie heiß, und sie war es auch. Und ihre Art und Weise… faszinierte ihn abermals. Sie war quasi sein Gegenpol: Sie plapperte unentwegt. Während er lieber schwieg und beobachtete suchte sie ihr Heil in der Flucht nach vorne. Er fand ihre Offenheit beeindruckend. Nur… So recht erwärmen konnte er sich nicht. Irgendetwas fehlte. Tobias versuchte immer wieder, das Gespräch anzustoßen und die beiden dann alleine zu lassen, aber so recht wollte es nicht klappen.
Als dann endlich der Nachtisch abgeräumt wurde war Jerdona froh, auf die Toilette flüchten zu können. Er hatte sich noch nie so sehr auf das Ende einer Mahlzeit gefreut. Er ließ sich seine Zeit und als er dann endlich zurückkam hatte sich die Gesellschaft schon zum gehen gewandt. Er verabschiedete sich noch nett und flüchtete dann mit Tobias nach draußen. Schweigend winkte dieser ein Taxi heran und nannte dem Fahrer die Adresse ihres Hotels.
„Das wird doch ein wenig schwerer mit euch beiden, als ich gedacht hatte“ orakelte der Deutsche mit trunkener Stimme, das Gesicht zum Fenster hin gewandt.

So, bin wieder da. Klausur schön verkackt, wie sich das gehört (In genau einem Monat ist dann der Nachschreibetermin…). Aber bis dahin werd ich wieder ein bisschen was schreiben. Wer klugscheißen möchte und den Fehler im obigen Text findet, kriegt… ähm… ein besonderes Lob ob seiner Stilsicherheit. Ich meine keinen grammatikalischen, sondern einen verhaltenstechnischen, sprich kodexverletzenden.
Euch allen nen schönen Karneval!
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Beitrag: # 413281Beitrag arkon
27.2.2007 - 22:41

Er war extra ein bisschen früher gekommen. 5 Minuten vor der Zeit… Aber offensichtlich waren seine Bemühungen vergebens. Als Rolf ihm öffnete gab er ihm zu verstehen, dass der andere Gast schon da war. Gestern war Fabian von seinem Teamchef angerufen worden, er hätte da jemanden gefunden, der ihm bei seinen Problemen würde helfen können. Für ihn auch höchste Zeit, denn mit jedem Tag, der verging, konnte er an sich beobachten, wie er zunehmend unlustiger wurde. Besonders das Klettertraining missfiel ihm zusehends. Warum in Gottes Namen musste er jetzt auch noch Klettern? Nun gut, er war nicht so schlecht gewesen bei der Tour. Aber seine Leidenschaft würde es wohl nie werden…
Als er in das Wohnzimmer von Rolf eintrat saß der Gast schon in seinem Sessel. Sein langer brauner Stoffmantel neben ihn hingequetscht, der etwas ausgefranste Wollpulli direkt darunter. In seinen großen, zerfurchten Händen hielt er ein Glas mit einem kleinen Rest einer braunen Flüssigkeit. Fabian brauchte nicht groß zu raten um zu wissen, dass es wohl Whisky oder so etwas war. Das Gesicht des etwas untersetzten Fremden war ebenfalls zerfurcht. Fabian schätzte ihn auf Mitte 60, aber er konnte ebenso gut 10 Jahre jünger sein: Das Leben hatte ihn gezeichnet.
„Frans Schaeken“ grunzte er zwischen seinem dicken Vollbart hervor und reichte dem jungen Deutschen seine Hand. Dieser grinste etwas befremdet und erwiderte „Fabian Schmidt“.
„Was denn so schüchtern? Los, reich mir mal deine Pranke!“ donnerte der voluminöse Bass vom Sessel aus. Der angesprochene tat, wie ihm geheißen und war glücklich, als er seine Hand wieder Heil aus der halben Schrottpresse ziehen konnte. Frans sah zwar alt und abgewrackt aus, aber er schien noch eine Power zu haben, die vielen Menschen abging.
„Frans ist ein alter Radprofi. Er fuhr mit Eddy Merckx zusammen. Er musste seine Karriere schon mit 23 Jahren an den Nagel hängen, aber er hat aus seinen Fehlern gelernt. Ich will, das du mir sagst, was du von ihm als Trainer halten würdest.“
Es war nicht so, das Fabian nicht damit gerechnet hatte. Ein individueller Trainer war eine sehr nahe liegende Maßnahme. Und auch das er erfahren war stellte keine übermäßige Überraschung dar. Nur… Frans war nicht das, was er sich unter einem alten Haudegen vorstellte, der ihm selbst die Motivation durch jahrelange Erfahrung geben konnte, die er so dringend brauchte.
„Was waren das denn für Fehler?“ fragte er, direkt an Frans gewandt.
„Nun ja, ich musste eine Reihe persönlicher Rückschläge verarbeiten und da der ganz große Erfolg noch ausblieb flüchtete ich mich in den Alkohol. Ich trank viel zu viel und zerstörte meinen Körper innerhalb eines halben Jahres. Der Leistungssport war für mich von da an für immer gestorben.“ Er beugte sich vor und blickte Fabian sehr eindringlich in die Augen. „Ich war ein Riesentalent und habe seitdem oft diese Entscheidung bereut. Aber es gab kein zurück mehr. Es gibt nie ein zurück. Ich habe trotzdem mein Leben gelebt aber jetzt will ich verhindern, dass du dein Talent verschwendest. Du hast die Fähigkeiten, die Tour zu gewinnen. Und ich möchte dir helfen, dass du das auch schaffst.“
Die offene, kurze Beichte, der Blick tiefer Traurigkeit in diesen Augen, ein Gefühl, das tief in ihm schlummerte und ihn wohl noch sein ganzes Leben verfolgen würde… Fabian mochte den Kerl. Fast auf Anhieb.
„Alles klar. Ich glaube, wir könnten miteinander auskommen. Ich hätte gerne, das wir eine Woche miteinander arbeiten, bevor ich mich entscheide. Davon hängt schließlich eine Menge ab.“
Zufrieden und auch ein wenig stolz lehnte sich Rolf in seinem Sessel zurück, während seine beiden Gäste die näheren Modalitäten der kommenden Tage ausarbeiteten. Frans war ein Glücksfall gewesen, aber nicht selten erwuchsen aus solch spontanen Entscheidungen, vorschnell oft Kompromisse genannt, die besten Resultate.
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Beitrag: # 413415Beitrag arkon
28.2.2007 - 20:19

Es gab eine ganze Menge Sachen, die ihn eigentlich eher nervös machten an diesem Tag: Es war sein erstes Rennen im neuen Rennstall, es war das erste Rennen überhaupt des neuen Teams und es war sein erstes Rennen ohne Jerdona Zeres. Es war etwas komplett anderes als bisher. Der Schritt, dem er im Begriff war zu tun, war in etwa so mächtig wie sein ursprünglicher Eintritt in die Welt des europäischen Rennsports.
Yuri Madarkady fröstelte leicht, als er an der Startlinie des GP d'Ouverture La Marseillaise stand. Der Frühling in Europa ließ noch ein bisschen auf sich warten. In der Traube seiner Teamkollegen wartete er auf die Freigabe des Rennens. Sie hatten eine klare Taktik, aber es war eigentlich klar, das von ihnen heute keiner Ambitionen hatte. Die Teamleitung hatte eine Gruppe von etwa 10 Mann zusammengestellt, die bei den Frühjahrsklassikern als Kernmannschaft fungieren würden. Er war in dieser Gruppe nach Sanchez der Kapitän. Auch das eine riesige Umstellung für ihn: Nicht mehr würde er als Helfer hier und da einmal auf eigene Rechnung einige Kilometer fahren dürfen, er würde einige Rennen komplett selbst anführen müssen. Mehr als nur ungewohnt.
Endlich kam das Signal zum Start. Er nickte Samuel neben ihm kurz zu und dann schwangen sich die beiden Frühjahrskapitäne des Teams Kelme-Euskadi in ihre Pedale. Wohin ihr Weg führen würde konnte keiner der beiden nur entfernt vorhersehen.
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Beitrag: # 413555Beitrag arkon
1.3.2007 - 23:30

Nicht immer ist der Abschied von schönen Dingen eine traurige Sache. Oft kann der Ausblick auf das folgende Überwiegen. In etwa so fühlte sich Jerdona, als er aus dem kleinen Fenster des Fliegers blickte, während sich nach und nach die Sicht auf die Insel zwischen Wolken verlor.
Er hatte hart trainiert, hatte die Sonne genossen, eine Menge Spaß gehabt und war in seiner Planung bezüglich der Tour einen Riesenschritt voran gekommen. Aber am wichtigsten war, dass er die meiste Zeit hier unten selber geplant hatte. Keine Pressetermine, keine Werbespots, keine Konferenzen mit Managern. Hier unten war für ihn Radsport das gewesen, was es sein sollte, was es sein musste, wenn man seine Freude am Sport behalten wollte.
Und nun war er hungrig, endlich in den Rennbetrieb einsteigen zu können. Er wusste, das es hart werden würde und das er vorsichtig sein musste. Er war der Titelverteidiger, er konnte sich keine Verletzungen leisten. Aber er war heiß darauf, wieder im Peloton zu fahren, alte Freunde zu treffen und wieder in diese ganz besondere Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Wie war es den anderen den Winter über ergangen? Was war alles passiert in der Welt um ihn herum? Er hatte nicht viel Zeit damit verbracht, sich die ganzen Wechsel anzulesen, die ganzen Änderungen. Die groben Eckzüge waren ihm bewusst, aber das war auch schon alles. Es waren einfach andere Dinge, die ihn interessierten.
Fast schon ein wenig sehnsüchtig dachte er an die letzten Tage hier zurück. Nachdem er Gran Canaria eigentlich schon recht gut erkundet hatte war er in den letzten zwei Tagen für seine Touren immer auf die Nachbarinsel Teneriffa übergesetzt. Dort gab es auch einige sehr schöne Strecken und die Abwechslung tat ihm gut. Tobias hatte ihn in Ruhe gelassen und keine zusätzliche Begegnung mehr mit Chloe eingefädelt. Jerdona traute dem Frieden zwar in keinster Weise, aber offensichtlich wollte er ihm etwas Freiraum geben und nicht direkt die Pistole auf die Brust drücken.
Was er mit seinen beiden riesigen Trainingstaschen voll durchgeschwitzter Wäsche unten im Laderaum anfangen würde wusste er noch nicht. Die Klamotten waren noch von Credit Agricole, aber das Team forderte die Sachen nicht zurück. Und waschen wollte er auch nicht. Vielleicht vergaß er sie auch einfach am Flughafen… Mit solchen Trivialitäten hielt er sich ganze bewusst davon ab, an Chloe zu denken. Tobias, der neben ihm saß, hatte sich, wohl nicht ganz zufällig, ein Magazin mit ihrem Konterfeit gekauft und hielt damit den Gedanken am Laufen. Wo war eigentlich das Problem? Er wusste es selber nicht. Aber in den nächsten Wochen bis zu seinem Renneinstieg in Kalifornien hatte er nun wirklich andere Dinge zu tun, als an eine Frau zu denken. Ausgerechnet eine Frau…
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arkon
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Beitrag: # 413587Beitrag arkon
2.3.2007 - 12:38

"So, das ganze jetzt nochmal. Und gib alles, auch wenn du ein bisschen verschwitzt bist"
Ein bisschen verschwitzt. Pah!! Er war am Ende. Fertig. Fix und. War es überhaupt gut, sich so früh im Jahr so über seine Grenzen hinaus zu belasten? Sicherlich würde er es auch morgen spüren und... "Was ist jetzt Fabian. Willst du Fahrrad fahren oder träumen? Den beleidigten spielen können alle, die Tour gewinnen nur einer." Für sein alter besaß Frans ein ganz schön kräftiges Organ. Aus dem Auto hinter ihm brüllte er ihn an wie es sein Lehrer früher getan hatte. Widerwillig setzte er das Rad wieder in Bewegung. Mühsam kam er aus dem Wiegetritt in Fahrt, setzte sich hin und zwang sich, eine gute Haltung einzunehmen.
Sie trainierten auf der Strecke des ersten langen Zeitfahrens der Tour. Genau genommen war es das zweite, wenn man den überlangen Prolog in London hinzunahm. Aber hier, in den französischen Alpen, auf den Spuren von Indurain und Riis würden sich die Aspiranten auf den Gesamtsieg endgültig offenbaren müssen. Bis hierher konnte man noch pokern. Der Tag davor war hart, aber noch nicht tourentscheidend. Aber wer sich heute nicht von seiner besten Seite zeigte und zumindest einen harten Kampf lieferte der würde unweigerlich aus dem Kreis der Besten verschwinden. Sie hatten diese Strecke für ihre erste Trainingseinheit ausgewählt, weil sich hier entscheiden würde, ob Fabian wirklich um den Sieg würde mitfahren können.
Nach der ersten Woche Probetraining hatten sie sich sofort auf den Weg hierher gemacht. Frans war der Meinung, das sein neuer Schützling gar nicht genug auf der originalen Strecke der Tour trainieren konnte. Armstrong kannte die Strecken schon, aber Schmidt würde sich hier zu Hause fühlen. Zum Tourstart würde er sich lediglich auf eine längere Trainingsrunde begeben. Weiterhin würde Fabian bei einigen kleineren Rennen in den nächsten Tagen teilnehmen, bevor er sich dann in den Flieger zu seinem ersten großen Test begeben würde: Zur Kalifornien-Rundfahrt. Ganz bewusst hatte Frans seinen Rennkalender so umgestellt. An der Seite von Jerdona Zeres würde er in die Saison starten. Konnte es etwas motivierenderes geben? Auch Basso und Leipheimer würden da sein. Zusammen mit Rogers würde er so etwas ruhiger in seine Saison starten. Keinen Druck, keine Ergebnisse. Frans wollte nur, das Fabian seine Beine etwas bewegte und regelmäßig Bescheid wusste, wo er im Vergleich mit dem Rest stand. Und er sollte immer etwas besser sein. Für den Moment beschränkten sie sich noch auf den Aufbau von Grundkonstitution. Es ging immer noch darum, den Körper aus der Winterpause zu holen. Und nebenbei übten sie das Fahren auf dem neuen Zeitfahrrad. So gut er auch damit zurecht kam, er musste es in- und auswendig kennen. Hier lag sein ganz entscheidender Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Das unvermeidliche Feintuning an der Technik würde wohl warten müssen. Klettertraining, Höhentraining und etwa 1000 Spielchen, die Frans in der Hinterhand hielt. All das würde Fabian genießen während die meisten seiner Kollegen in Belgien auf die Jagd nach den Klassikern gingen.
Fabian hob leicht den Kopf um einen raschen Blick auf das Regennasse, graue Alpental vor ihm zu erhaschen. Er wusste nicht, wie oft er die Strecke in den letzten zwei Tagen schon gefahren war. Oder waren es drei Tage? Er verlor jegliches Gefühl für die Welt außerhalb des Rads. Nur noch er und die Straße. Frans kümmerte sich um den Rest.
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Grabba
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Beitrag: # 413614Beitrag Grabba
2.3.2007 - 16:05

Genial. Einfach gewohnt genial geschrieben. Nach wie vor einsame Spitze dein AAR, mach bitte konstant so weiter! :)

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arkon
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Beitrag: # 413976Beitrag arkon
5.3.2007 - 15:13

Als der Flieger endlich über San Francisco einschwebte, war Jerdona endgültig nervös. Es war sein erster Besuch in den USA, seine erste Reise außerhalb Europas überhaupt. Er hatte die Tour gewonnen, war in Europa ein Star, aber hatte noch nie einen Fuß auf einen anderen Kontinent gesetzt. Er hat schlicht und ergreifend nie die Zeit gehabt. Sein Trainingslager war schon seine weiteste Reise jemals gewesen. Und nun brachte ihn der Sport, der ihm sonst die Möglichkeit zu verreisen nahm in die USA. Das war auch schon einer der Hauptgründe, weshalb er hier an den Start gehen wollte, gemeinsam mit Yuri Madarkady, der sich hier langsam aber sicher für die Frühjahrsklassiker warm fuhr. Für Jerdona war es einfach eine schöne Rundfahrt durch ein Land, welches er nicht kannte. Und bei dem Trainingpensum, was nun nach und nach immer deutlicher zu Tage trat, musste er jede Gelegenheit nutzen, um wenigstens seinem Geist eine Auszeit zu gönnen.
Schon als er aus dem Flieger trat liebte er das Land. Für einen Spanier waren die Temperaturen zwar eher kühl, aber das Wetter war schon deutlich freundlicher als in Mitteleuropa. Und dann die Fans… selbst in Spanien wurde er selten am Flieger empfangen. Aber hier hatte sich tatsächlich eine kleine Gruppe aufgebaut, die begeistert ein paar Transparente hochhielten und ihm zujubelten. Nun, dieses Jahr würde er sich hier keine Fans hinzu verdienen. Aber die wenigen konnte er gebührend versorgen. Nach 5 Minuten Autogramme schreiben und Smalltalk wollte er gerade weiter ziehen, als sich vor ihm ein Reporter von einem lokalen Fernsehsender aufbaute und ihm ein kurzes Interview aufzwängte. Er war zwar noch gut fertig von dem Flug und sehnte sich nichts sehnlicher herbei als eine Dusche, aber schließlich überwog doch die Freude über diesen offenen Empfang, den er so nur selten erlebte, und dazu noch in einem so weit entfernten Land.
Das Team hatte ein paar Wagen gemietet, mit denen sie die Fahrer vom Flughafen zum Hotel fuhr. Trotz der spannenden Aussicht auf eine völlig unbekannte Stadt schlummerte Jerdona noch im Auto ein, während sich Yuri seine Nase an der Fensterscheibe platt drückte.
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Beitrag: # 414081Beitrag arkon
6.3.2007 - 13:16

Auch für Fabian war es das erste Mal, dass er die USA besuchte. Aber im Gegensatz zu den anderen war er weniger darüber begeistert als vielmehr entnervt. Frans hatte ihn überredet, hier anzutreten, aber er war sich immer weniger sicher, ob das eine kluge Wahl war. Schon der Stillstand auf dem Hinflug brachte ihn fast um. Dann war da der Jetlag. Die Umstellung in der Ernährung. Die Probleme im Materialnachschub. Und dann noch die Rückreise… Er würde mindestens 4 Trainingstage verlieren. Hinzu kam die sicher nicht völlig zu verachtende Tatsache der Ermüdung seines Körpers… Aber Frans hatte ihn überredet. Und daher wollte er den Ausflug auch wenigstens ein bisschen genießen.
Während der ersten zwei Tagen, die er hier zum akklimatisieren verbrachte, trainierte er nur leicht. Ein paar Runden auf der Strecke des Prologs, dann kleinere Ausflüge in das Umland. Er fuhr zusammen mit dem Rest des Teams, was ihm gut gefiel. Die ewigen Ausfahrten alleine konnten schnell öde werden. Mit mehreren hatte man nicht immer Zeit und Luft zum quatschen, aber die Motivation war eine ganz andere.
Zum Prolog fühlte er sich wieder halbwegs frisch, wobei das natürlich eine sehr relative Angelegenheit war. Aber zumindest ging es den meisten anderen ähnlich. Er hatte hier ohnehin keine Ambitionen, was ihn zusätzlich noch entkrampfte. Aber heute stand etwas anderes auf dem Programm: Der erste Praxistest des neuen Zeitfahrrads. Michael war extra mitgekommen damit alles glatt lief. Er hätte das Rad auch in die Hände der Teammechaniker geben können, aber irgendwie vertraute er kaum einen sein Wunderwerk an.
So kam es also, dass Fabian im Startbereich auf einen ziemlich nervösen Herr Zaun erlebte. Unablässig flitzte er um das Fahrrad herum und schraubte hier und da etwas herum, bis Fabian schließlich der Kragen platzte: „He, Michael, ich danke dir für das Rad, aber ich brauch jetzt etwas Ruhe, um mich auf das Rennen zu konzentrieren. Und ein wenig Ruhe könnte dir auch ganz gut tun.“ Etwas verdattert schaute er ihn an „Ich will doch nur dein Fahrrad… Äh… ja… bereite dich besser vor.“ Mit einem breiten Grinsen klopfte ihm Fabian auf die Schulter, bevor er sich zur Rampe begab. Manchmal meinte es der Schwabe einfach ein bisschen zu gut mit ihm.
Oben auf der Rampe wurde er dann doch ein wenig nervös. Immerhin testete er hier etwas völlig neues. Und auch wenn er viele Trainingskilometer gefahren war, erst im Rennen zeigte sich meistens ob etwas taugte. An ihm würde es nicht scheitern. Voller Elan trat er in die Pedale, als der Starter ihn freigab. Die Sonne schien, neben ihm glitzerte die Bucht in vollem Licht, aber er hatte keine Augen dafür. Stur geradeaus war sein Blick gerichtet. Wenn er schon nicht voll in Form war, dann doch wenigstens mit vollem Einsatz dabei.
Viel zu früh kam er an die Kehre an der Spitze des Parcours. Gleich fing die Steigung an, da konnte er noch mal ordentlich treten. Schön von außen anfahren, nur leicht anbremsen, die Kurve war schnell, reinlegen, den Scheitelpunkt treffen… Er hörte das Krachen gar nicht mehr bewusst. Sein Gehirn schaltete blitzschnell einen Filter davor. Noch bevor Fabian auf dem Boden aufschlug waren seine Adern bereits mit Adrenalin voll. Doch die blitzschnellen Reflexe halfen ihm nichts mehr. Später konnte er sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie ihn das Streckenpersonal vorgefunden hatte. Der Unfall selbst war komplett aus seinem Gedächtnis gelöscht.
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Beitrag: # 416305Beitrag arkon
21.3.2007 - 23:39

Wenn Yuri jetzt zurückdachte an die Tage in Kalifornien, dann war er stolz und dankbar. Stolz, weil er nichts unversucht gelassen hatte. Dankbar, weil ihm mit aller Härte und Gnadenlosigkeit seine Grenzen aufgezeigt worden waren. Im Prolog war er auf einen etwas überraschenden 15. Platz gekommen, was ihm natürlich enorm Auftrieb gab. Als Bester des Teams hatte er alle Freiheiten. Aber schon auf der ersten Etappe konnte er der damit einhergehenden Verantwortung nicht gerecht werden und attackierte – ohne Rücksicht auf Verluste. Er wollte einfach sehen, wie gut er wirklich war. Es war kurz vor dem eigentlichen Finale gewesen, 15 km vor dem Ziel. Die Ausreißer waren gerade gestellt worden, das Tempo war noch nicht so hoch gewesen. Der Moment war günstig. Er fand auch zwei Begleiter, konnte relativ schnell eine Lücke öffnen, seinen Rhythmus finden und die Gruppe ordnen. Hier jedoch verließ ihn das Glück: Nach und nach zog im Feld das Tempo an, er versauerte regelrecht vorne im Wind. Als ihn dann noch seine Begleiter nach vorne verließen und die Gruppe durch eine Welle an Angriffen auseinander flog, war sein Schicksal besiegelt: Er fiel in das Feld zurück, wo er sich mit sauren Beinen ins Ziel quälen musste. In den nächsten Tagen versuchte er es noch ein paar Mal, war aber nicht mit mehr Glück gesegnet. Zum langen Einzelzeitfahren hatte er dann schon gut Körner verschossen, kam aber trotzdem noch auf den 12. Platz. Das reichte, um ihn für die kommenden Rennen zu motivieren.
Ein wenig abgekämpft stieg er wieder in den Flieger zurück nach Europa. Jerdona, der wieder neben ihm saß, war deutlich wacher. Er witzelte ein wenig herum, was Yuri allerdings nicht besonders aufheiterte. Tief in sich drin war er zufrieden, vor allem wegen dem Ausblick auf das, was er in den kommenden Wochen zu bewegen hoffte. Aber nach außen war er momentan nur eins: völlig fertig. Auch von den USA hatte er in den letzten Tagen der Rundfahrt nicht mehr viel mitbekommen. Noch bevor die Anschnallleuchten erloschen waren hatte ihn schon ein tiefer, komatöser Schlaf überfallen.
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Beitrag: # 416335Beitrag arkon
22.3.2007 - 13:32

Das schlimmste war der tadelnde Blick, den Frans ihm zuwarf. Er wusste natürlich, das es letztlich seine Schuld war, aber er neigte gerne dazu, Unfälle als feste Gegebenheiten anzusehen und sie nicht auf eigene Unzulänglichkeiten zurückzuführen. Sein Trainer sah das ganz offensichtlich anders.
"Nun ja, wenn Sie sich schonen, können sie schon nach einer Woche Bettruhe wieder mit dem Training anfangen. Natürlich wird sich dadurch der Heilungsprozess etwas in die Länge ziehen, ich kann hier nur nochmal..."
"Sagen Sie einfach, wie lange" unterbrach Fabian den Arzt etwas ungeduldig. Dieser warf ihm ein Blick zu wie der Vater, den sein Sohn bei einer Standpauke unterbrochen hatte.
"Ich bitte Sie, dass kann man nicht so einfach sagen. Der ganze Prozess ist etwas sehr dynamisches und kompliziertes. Wenn sie nicht aufpassen und regelmäßig einen Sportmediziner hinzu ziehen sind die längerfristigen Folgen nicht abzusehen. Ihr Knie könnte auf Jahre hinaus Schaden nehmen."
Frans legte seinem Schützling seine Hand auf die Schulter. "Wir haben im Team einen guten Arzt. Mit dem zusammen werden wir einen Plan erstellen, wie wir das Knie wieder langsam an Belastungen gewöhnen."
"Das kann ich für Sie nur hoffen. Solche Verletzungen, die sich fast ausschließlich durch den Schmerz manifestieren, sind noch eine große Unbekannte in der Medizin. Es kann fast alles passieren, und wenn sie auch weiterhin Radfahren wollen, müssen Sie sich zügeln."
"Wie lange muss ich mir ihrer Meinung nach schonen? Und ab wann kann ich wieder Rennen fahren?"
"Das kommt wirklich auf ihren individuellen Heilungsprozess an. Eine Woche Bettruhe, zwei bis drei Wochen leichtes Training, und erst dann kann man sagen, wie es mit den Rennen aussieht."
Fabian warf Frans einen Blick zu, der seine Verzweifelung ausdrückte. Und seine Wut. Er war sauer auf sich, weil er gestürzt war, weil er bei einem unwichtigen Rennen etwas riskiert hatte. Er war sauer auf Frans, weil er ihm alleine die Schuld dafür gab. Er war sauer auf den Arzt, der ihn mit seiner überheblichen Art in den Wahnsinn trieb.
"Kann man denn davon ausgehen, das er im Mai wieder fit ist?" nahm der Belgier den Faden wieder auf.
Ohne die Antwort abzuwarten stand er auf und humpelte auf seinen Krücken auf den Gang hinaus. Auf einem kleinen Plastikstuhl, der draußen neben der Tür sein Dasein fristete, setze er sich hin und bemitleidete sich selbst. Es war letztlich einfach Pech gewesen, und das im unpassenden Moment. Diese Saison wollte er endlich ganz nach oben. Er wollte austesten, wozu er fähig war. Aber...
Eigentlich war der Zeitpunkt immer ungünstig. Eigentlich konnte er froh sein, dass es ihm nicht im Juni passiert war. Eigentlich war seine Prognose auch gar nicht so übel. Eigentlich musste er nur ein wenig umplanen. Eigentlich... musste er nur eine Woche totschlagen, in der er fast gar nichts machen durfte. Es dauerte nicht lange, bis er wusste, wo er hinfahren würde...
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Beitrag: # 416372Beitrag Exelero
22.3.2007 - 17:25

Endlich gehts weiter und wie gewohnt gut. Ich weiß es kommt immer das gleiche an bei dir, aber was soll man außer Lob aussprechen auch anderes tun, außer zu sagen das ich hoffe das es jetzt hoffentlich wieder regelmäßiger weiter geht.

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Beitrag: # 416475Beitrag arkon
23.3.2007 - 14:02

Es waren die beiden ersten wichtigen Tests gewesen. Das belgische Wochenende mit dem Omloop Het Volk und Kuurne-Brüssel-Kurne war für das Team sehr wichtig. Die genau Zusammenstellung der Mannschaft für die Klassiker war noch nicht geklärt und daher war es wichtig, das sie mit vielen verschiedenen Fahrern experimentieren konnten. Daneben gab es aber noch eine viel profanere Frage, die ihrer Klärung bedurfte: Wer war der Kapitän? Eine Doppelspitze war schön und gut, es war auch völlig in Ordnung, das ganze erst einmal nach der jeweiligen Rennsituation beurteilen zu wollen. Aber letztlich brauchten sie doch eine Reihenfolge: Sammy oder Yuri? Welcher der beiden würde als Kapitän starten?
Sammy hatte schon im letzten Jahr mehr als nur gute Ansätze erkennen lassen; Seine guten Leistungen sowohl im Frühjahr als auch im Herbst waren für Euskaltel der einzige Lichtblick in einer ansonsten schon traditionell trüben Saison gewesen. Nicht nur der beeindruckende Sieg bei der Meisterschaft von Zürich, sondern auch die durchweg offensive Fahrweise und die guten Platzierungen sprachen für ihn.
Auch Yuri war ein junger Wilder, der noch ordentlich Spielraum nach oben zu haben schien. Er hatte bei der Tour und bei der Vuelta wichtige Arbeit geleistet, auch belohnt durch das Bergtrikot in Spanien. Aber bei ihm fehlte vor allem noch der Beweis, das er für die Klassiker gemacht war. Er hatte zweifelsohne gute Anlagen; sein Kämpfergeist, seine Tempohärte, seine Spritzigkeit. Alleine der Beweis fehlte. Und mit 23 schien er doch noch etwas zu jung für die ganz langen Rennen.
Und tatsächlich schien sich dieser Eindruck im Laufe des Wochenendes zu bestätigen: Yuri fuhr engagiert und bemüht, aber auf viel mehr als einen guten Eindruck brachte er es nicht. Samuel dagegen konnte beim Omloop kurz vor Schluss eine brandgefährliche Attacke platzieren, die erst in der letzten Sekunde noch gestellt wurde. Sein 8. Platz machte ihn trotzdem zum besten des Teams. In Kuurne hielt er sich mehr zurück und konnte dadurch im Sprint des Hauptfeldes den zweiten Platz hinter Tom Boonen erringen.
Ein wenig schmollend musste sich der junge Russe also mit der Rolle des Leutnants begnügen. Er bemühte sich zwar, Samuel nichts von seiner Enttäuschung zu zeigen, aber als Zimmerpartner zwischen den Rennen und den daraus resultierenden Plätzen nebeneinander auf der Rückfahrt im Auto sollte es ihm nicht gelingen.
"Bist du sauer auf mich?"
"Nun ja, nein. Du fährst so gut, wie du kannst, ich auch. Du bist besser. Ende der Geschichte. Ich habe mich versucht, gut zu verkaufen, es hat einfach nicht gereicht."
"Sieh's mal so: Du bist die Nummer zwei im Team. Du musst keine Nachführarbeiten machen, du hast einige Freiheiten, du hast keine Verpflichtungen. Du bist etwa da, wo ich im letzten Jahr war: Damals war ich der einzige aus dem Team mit ernsthaften Ambitionen und hatte keinerlei Verantwortung. Jetzt sieht das anders aus: Ich bin es mindestens dir schuldig, meine bessere Stellung auch zu nutzen und gute Ergebnisse einzufahren, mindestens bessere als du."
Für Yuri war es ein schwacher Trost. Schweigend blickte er hinaus in die schwarze, französische Nacht. Er hatte nicht trainiert, um die Nummer zwei zu sein. Und er würde in den nächsten Wochen alles versuchen, um auch noch in dieser Position seine Erfolge zu feiern.
"Ich freue mich schon auf Tirreno Adriatico. Wenigstens da kann ich als Kapitän antreten."
"Das stimmt. Und mit ein bisschen Glück können wir bei beiden Rundfahrten abräumen."
Sammy versuchte verzweifelt, für ein bisschen gute Luft zwischen ihnen beiden zu sorgen. Es war Yuri nur Recht. So war er nicht gezwungen, selber die Unterhaltung voran zu treiben, um das Schweigen zu füllen. Er wollte ihn nicht als Feind, aber das anfänglich gute Klima zwischen ihnen schwand dahin. Irgendetwas in ihm kam einfach nicht damit zurecht.
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Beitrag: # 416672Beitrag arkon
24.3.2007 - 13:29

Irgendwie hatte er kein gutes Gefühl mehr, was das Team betraf. Anfangs dachte er noch, dass die Mannschaft funktionieren könnte, aber mittlerweile schwand sein Glauben. Er war nach Kalifornien direkt zurück nach Spanien geflogen, um sich hier wieder auf seine Aufgaben zu stürzen. In den zwei Wochen, die seither vergangen waren, hatte er nur 4 Nächte in seiner Wohnung in Elgea verbracht. Den Rest der Zeit war er damit beschäftigt, sich um seine Sponsoren zu kümmern. Einen Spot hier, ein Interview da. Dann noch eine Pressekonferenz, eine Produktpräsentation, ein Fotoshooting, ein Publicitytraining. Er kam gar nicht mehr dazu, seine Koffer auszupacken. Emanuel war alles andere als begeistert, aber er war nicht der Typ, der Jerdona Zeres in seine Schranken weisen konnte. Doch die brauchte er, wenn er die Titelverteidigung nicht schon im Frühjahr abschreiben wollte. Er merkte zwar, wie gut im seine Ferien getan hatten, ebenso wie sein erster Renneinsatz, aber es war noch viel zu wenig. Er musste noch fast 10 Kilo abnehmen und viel, viel Kondition aufbauen. Seine Werte waren signifikant schlechter als vor einem Jahr zur gleichen Zeit. Und bei aller Geduld machte sich Emanuel langsam Sorgen.
Angestrengt dachte er nach, während er auf den hin und her schwankenden Oberkörper des Toursiegers durch die Windschutzscheibe seines Autos. Sie waren auf einer der seltenen Touren durch die Berge des Baskenlandes unterwegs. Auf dem Monitor neben sich konnte er Live die Daten begutachten, die über den Funk eintrudelten. Herzfrequenz, Trittfrequenz, Wattzahlen, Geschwindigkeit, Steigung. Die fortlaufenden Diagramme befähigten ihn, jederzeit die volle Kontrolle über die Ausfahrt zu behalten. Besonders stolz war er auf das mobile Labor im Kofferraum, mit dem jeden Tag Blutproben nehmen und analysieren konnte. So konnte er wirklich sehr genau Buchführen über die Entwicklungen im Körper des Champions. Und was er sah, gefiel ihm nicht.
Wer konnte ihm die Grenzen aufzeigen? Er kannte keinen. Tobias hatte es auf seine Art und Weise versucht, aber echte Autorität besaß auch er nicht. Seine Eltern hatte schon seither kein Interesse an seinem Training bekundet, Jerdona würde den Braten allzu rasch riechen. Den Manager, den er seit kurzem beschäftigte, traute Emanuel selber noch nicht einmal über den Weg. Wer blieb? Yuri fiel ihm ein, aber er konnte sich auch hier nicht wirklich vorstellen, dass der Meister quasi auf seinen Schüler hörte. Er musste es selber versuchen.
Wieder zu Hause angekommen schloss er die Tür auf, während Jerdona sich ein wenig dehnte. Wenigstens hatte er keine körperlichen Beschwerden, dachte Emanuel. Er schob das Rad in den kleinen Unterstand. Sein Schützling nuckelte schon an einer Trinkflasche herum. Er hatte es nicht verlernt, den großen Sportler zu mimen. Kochen übernahm er aber selber, Emanuel musste auch die Daten sichten, die er mittlerweile auf seinen Laptop übertragen hatte. Die Daten sahen schon wesentlich besser aus als noch vor einer Woche, aber es war nicht besser, als er ohnehin erwartet hatte.
"Jerdona, komm mal her."
"Moment, ich kipp noch schnell die Nudeln rein... Wie viel Gramm waren es noch?"
Emanuel schaute schnell auf der Tabelle nach, die den Weg zur Tour wies.
"Die Sache ist, die Ausfahrt heute hat mir gut gefallen. Du machst gute Fortschritte. Nur - Es sind zu wenige."
Jerdona wusste, was folgen würde. Er rechnete schon länger mit der unvermeidbaren Schelte von Emanuel. Das er ihn persönlich Ansprach, überraschte ihn nun doch ein wenig. Eigentlich hatte er gedacht, das sein Trainer fast schon zu viel Respekt vor ihm hatte. Schweigend folgte er seinem Vortrag.
"Ich hab schon länger darauf gewartet, das du mir versuchst, meine vielen Verpflichtungen aus zureden. Die Sache ist - ich werde es nicht tun. Und ich sag dir auch wieso: Ich brauche das Geld. Ich habe jetzt die Möglichkeit, für richtig Verträge zu sorgen. Und auch wenn ich die nächsten Jahre sportlich nicht ganz auf der Höhe sein werde - das Geld wird trotzdem fließen. Natürlich kannst du sagen, dass wenn ich die Tour gewinne, die Verträge noch lukrativer werden. Aber der Plan sieht nun einmal anders aus. Ich verzichte weit gehend auf Ambitionen während des Frühjahrs. Während des Giros steige ich dann intensiv ins Training ein. Keine Termine mehr ab Anfang Mai. Zwei Monate nur Training. Meinetwegen auch im Himalaja. Ich unterwerfe mich dir da völlig. Aber bis dahin ist Radsport für mich einfach nur an zweiter Stelle."
Emanuel blickte seinen Freund durch seine beste Pokermaske an. Die Frage war zweifelsohne: Würde es funktionieren? Würde dieses Intensivtrainig reichen? Es wäre mehr, als Ullrich all die Jahre getan hatte, um zweiter zu werden. Und hinzu kamen ihre Sessions im Winter. Jerdona war zwar weit von seiner Topform entfernt, aber nichtsdestotrotz konnte er schon Rennen gewinnen - wenn er es drauf ankommen lassen würde. Aber das war noch lange nicht nötig.
"Ich werde dich ohnehin nicht umstimmen können, daher brauchst du auch keine Erlaubnis von mir. Ich würde sie dir ohnehin nicht geben. Du willst wahrscheinlich wissen, ob ich glaube das es reicht. Die Antwort ist: Ich weiß es nicht. Es könnte klappen. Du bist einer der besten der Welt. Letztes Jahr haben wir uns deutlich besser vorbereitet. Und du bist der Favorit, was die ganze Geschichte schwerer macht. Klar, die Strecke ist mehr auf dich zugeschnitten. Aber pass auf: Ohne die nötige Grundkonstitution wirst du die drei Wochen nicht hart genug fahren können. Zwei Wochen: Kein Problem, da würdest du ohne Zweifel siegen. Aber drei Wochen: Es gibt ein Risiko. Mir gefällt es nicht, aber ich werde mich beugen müssen."
Sie sahen sich noch eine zeit lang schweigend an. Auch wenn sie fachlich unterschiedlicher Meinung waren - Ihre Freundschaft konnten sie davon völlig trennen. Und noch bevor die Nudeln fertig waren lachten sie schon wieder gemeinsam.
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