22.8.2004 (GP von Zürich) Teil 2 – Schweizer Zberg-Festspiele:
6 Runden á rund 45 Kilometer um Zürich standen also auf dem Programm - eine knüppelharte Strecke, ähnlich einer Achterbahnfahrt mit vielen aufs und abs.
In Runde 1 rollten wir uns noch ein, aber gleich zu Beginn des zweiten Umlaufs versuchten es die ersten Fahrer mit einer Attacke. Wie versprochen hatten die Zbergs freie Fahrt und prompt hängte sich Beat an die Ausreißer ran, bevor er sie bereits bei der ersten gemeinsamen Überquerung des Pfannenstiehls stehen ließ. „Das Tempo war mir zu langsam“, erzählte er uns später.
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Am Ende der Runde hatte er 48’’ Vorsprung auf seine Verfolger und 4’31 auf das Peloton, doch so langsam machte T-Mobile hinten ernst. In der folgenden Runde holten sie die Verfolger zurück und kamen in Zürich mit nur noch 2’20 Rückstand zu Beat an. Beats Vorsprung wurde weiterhin kleiner: Bei der vierten Pfannenstiehl-Passage lag er nur noch 1’25 vorn und am Ende der Runde waren es nur noch etwa 30’’.
Doch dann kam der große Coup der Zberg-Brüder. Noch bevor Beat ins Feld zurückfallen konnte startete Markus seine Attacke und nahm seinen Bruder quasi in der Vorbeifahrt mit.
Allerdings waren die beiden jetzt nicht allein. Merckx, Ferrara, Gustov und Lampres Gonzalez komplettierten die neue sechsköpfige Spitzengruppe in der Beat noch so lange er konnte Tempo bolzte, bevor er sich schließlich von seinem Bruder verabschiedete und ins Feld zurückfallen ließ.
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Beat hatte heute großes geleistet. Etwa 120 Kilometer war er allein vorn gefahren, hatte dafür gesorgt, dass wir uns im Feld ausruhen konnten, und als sein Bruder attackierte führte er diesen noch so lange er konnte möglichst weit vom Feld weg. Super Arbeit!
Als er im Feld ankam klappsten wir ihm auf die Schulter, während Markus und seine Begleiter schon wieder 2’16 Vorsprung hatten. Zu Beginn der letzten Runde über 45 Kilometer waren es dann 2’40 und unsere Mannschaft hatte im Feld noch keine Sekunde arbeiten müssen, dank unserer Schweizer!
Aber dann kam die Attacke der Kletter-Asse. Vinokourov, Heras, Armstrong und Simoni explodierten förmlich und Davide sprang sofort hinterher. Im Feld brach jetzt das große Chaos aus. Jeder, der sich irgendwie Chancen ausrechnete versuchte nun zu folgen, so auch Totsche, Gianni und ich. Aber während die anderen beiden den Anschluß schafften war ich platt! Ich versauerte im Sattel. Ich war am Limit und kam trotzdem nicht hinterher. Das tat richtig weh. Nicht nur in den Beinen, nein auch im Kopf. Ich musste die Segel streichen, ohne sie überhaupt ausgebreitet zu haben. Bin ich doch noch nicht soweit, wie ich mir das erträumt habe?
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Von jetzt an hielt ich regen Funkverkehr mit dem Mannschaftswagen. „Wie sieht’s aus?“, fragte ich immer wieder. Ja, wie sah es aus?
Die Gruppe um Markus hatte zuwachs bekommen in Form von Josè Azevedo, dem Portugiese der US Postal-Mannschaft. Er war von den Verfolgern nach vorn gefahren, die etwa 30’’ zurücklagen. Sie kämpften um den Anschluß, aber Merckx wollte nicht eingeholt werden.
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Der belgische Meister erhöhte plötzlich die Schlagzahl drastisch und sorgte dafür, dass Gustov, Ferrara und Gonzalez sofort reißen lassen mussten. Die Rebellin-Gruppe kam näher, aber vorn entwickelte sich ein Dreikampf, der am Pfannenstiehl seinen Höhepunkt fand: Markus hatte attackiert!
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Azevedo und Merckx konnten nicht folgen und Markus war jetzt allein unterwegs – knapp 10 Sekunden vor Azevedo, 25’’ vor Merckx und 40’’ vor der Verfolgergruppe mit allen Favoriten. 14 Kilometer waren noch zu fahren – nur noch bergab und danach flach hinein nach Zürich. Würde das reichen?
7 Kilometer vor dem Ziel holte die Gruppe Merckx ein und konnte erstmals Blickkontakt zu Azevedo herstellen, der seinerseits inzwischen etwa 25’’ hinter Markus lag. Auf 7 von 14 Kilometern hatte Markus also 15 von 40 Sekunden verloren.
Natürlich leisteten Davide, Totsche und Gianni hinten keine Nachführarbeit, aber sie lauerten auf einen möglichen Sprint.
Die Gruppe kam immer näher, aber Markus gab alles. Er fuhr wie von einer Hornisse gestochen dem Ziel entgegen und als er auf die Zielgerade einbog war klar: Es reichte!
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Mit nur 13’’ Vorsrprung rettete er sich vor der sprintenden Meute über den Zielstrich, die kurz zuvor noch José Azevedo eingefangen hatte. Platz zwei ging somit an Perdiguero, vor eben jenem Azevedo und einem starken Davide Rebellin – 40 Punkte für den Weltcupsieg!
Ergebnis:
1 Markus Zberg GEROLSTEINER 6h15'48
2 M. A. M. Perdiguero SAUNIER DUVAL + 13
3 José Azevedo US POSTAL SERVICE s.t.
4 Davide Rebellin GEROLSTEINER s.t.
5 Gianni Faresin GEROLSTEINER s.t.
6 Alexandre Vinokourov T-MOBILE s.t.
7 Axel Merckx LOTTO - DOMO s.t.
8 Claus Michael Moller ALESSIO - BIANCHI s.t.
9 Georg Totschnig GEROLSTEINER s.t.
10 Gilberto Simoni SAECO s.t.
...
19 Philippe Gilbert FDJEUX.COM + 5'40
25 Kurt-Asle Arvesen TEAM CSC s.t.
26 Michele Bartoli TEAM CSC s.t.
27 Rot Rigo GEROLSTEINER s.t.
Neuer Weltcupstand:
1 Davide Rebellin GEROLSTEINER 320
2 Markus Zberg GEROLSTEINER 264
3 Peter van Petegem LOTTO - DOMO 199
4 Laurent Brochard AG2R - PREVOYANCE 183
5 Paolo Bettini QUICKSTEP - DAVITAMON 174
Für unser Team war es wieder ein ganz starker Tag und ein großer Schritt in Richtung Weltcup. Am Abend begossen wir das mit sehr viel Champagner und ich war wahrscheinlich der einzige, der nicht wirklich überglücklich war. Zu sehr wurmte mich meine Schwäche in der letzten Runde und die Tatsache, dass ich nicht mitgehen konnte. Außerdem hatte ich im Sprint dann auch noch um zwei Positionen einen Weltcup-Punkt verpasst – ich war angefressen! Der Große Preis von Zürich ist ein Rennen, das wie für mich gemacht ist, aber dann fahre ich ausgerechnet hier nur hinterher. Hab ich mir bisher etwas vorgemacht? Bin ich vielleicht doch noch lange nicht so stark wie ich hoffte?