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7. Mai 2005
Giro d'Italia: Die Favoriten
Jahrhundertfeld kämpft um den Sieg
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Der große Favorit: Gilberto Simoni. Santiago Botero könnte aber ein Wörtchen um den Sieg mitreden.
Reggio Calabria - Mit einem Starterfeld, das so gut wie selten zuvor ist, wird der Giro d'Italia eingeläutet. Eine ganze Reihe von Spitzenfahrern probieren sich dieses Jahr auf dem anspruchsvollen Kurs, aber klare Favoriten lassen sich dennoch ausmachen. Zu den größten von ihnen dürfte Gilberto Simoni gehören, der seit diesem Jahr für die neue Squadra Mercatone Uno-McDonald's in die Pedale tritt und sowohl beim Giro del Trentino, als auch bei der Tour de Romandie einen guten Eindruck hinterließ. „Ich habe mich voll auf den Giro konzentriert und mein ganzes Training sowie Rennprogramm auf ihn ausgerichtet. Mein großes Ziel ist natürlich der dritte Sieg und spätestens nach meinem Triumph im Zeitfahren bei der Tour de Romandie bin ich guter Dinge“, erklärte Gibo. Dabei ist ihm die volle Unterstützung der Mannschaft garantiert, auch wenn im Hochgebirge schnell Lücken in der Squadra reißen können. „Letztenendes kommt es aber auf Gibos Stärke an und er ist so gut drauf wie selten zuvor“, ist sich Claudio Chiappucci sicher.
Als größter Rivale wird sein Ex-Teamkollege Damiano Cunego angesehen, der im letzten Jahr den Giro gewann und sich dabei mit Simoni öffentlich stritt. „Das ist aber Schnee von gestern und ich bedaure es sehr, Gibo nicht mehr im Team zu haben“, wiegelt Cunego ab, um anzufügen: „Natürlich will ich trotzdem meinen Titel verteidigen, alles andere wäre nicht glaubhaft. Ich bin zwar im Gebirge meistens auf mich allein gestellt, aber ich fühle mich so stark, dass ich das schon schaffen werde. Der Kurs kommt mir sehr entgegen und ist äußerst anspruchsvoll, so dass die meisten Kapitäne schon relativ früh alleine sein werden.“ Dennoch kann Cunego kaum verhehlen, dass ihm mehr Unterstützung aus den eigenen Reihen lieber gewesen wäre, die dafür Alessandro Petacchi kriegt. Einzig Fuentes ist es zuzutrauen, Cunego etwas länger begleiten zu können, sobald es bergauf geht, aber warum Szmyd, Mazzoleni oder Vila nicht nominiert wurden, wird wohl das Geheimnis von Giuseppe Martinelli und Claudio Corti bleiben.
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„Natürlich will ich trotzdem meinen Titel verteidigen, alles andere wäre nicht glaubhaft“ - Damiano Cunego
Ganz im gegensatz zu lampre hat Liquigas-Bianchi alles nominiert, was Rang und Namen hat: Mit Dario Cioni und Stefano Garzelli hat man gleich zwei Fahrer, die auf das Podium in Mailand schielen. „Das ist für uns kein Problem. Wir gehen gleichberechtigt in die Rundfahrt und wer vor den entscheidenden Etappen besser ist, für den wird gefahren. Wenn wir beide gleichauf sind, umso besser, denn dann müssen die Gegner auf uns beide aufpassen“, wischt Cioni alle Bedenken beiseite. Unterstützt wird das Duo vor allem von Franco Pellizotti und dem Etappensieger von Paris-Nizza, Marco Milesi. „Aber auch Marcus Ljungqvist wird uns auf den welligen Etappen enorm weiterhelfen“, ist sich Garzelli sicher. Dario Andriotti und Gianluca Sironi komplettieren die Mannschaft und dürften wohl in der Ebene ihren Dienst verrichten.
Auf die Idee mit einer Doppelspitze ist man aber nicht nur bei Liquigas gekommen: Quickstep hat seine beiden Neuzugänge Dario Frigo sowie Marzio Bruseghin nominiert, um „endlich mal das Podium einer großen Rundfahrt zu erreichen“, wie Patrick Lefévre verrät. Frigo überzeugte bereits bei der Settimana Internazionale, wo er unter anderem Gilberto Simoni bei dessen ersten Saisoneinsatz schlagen konnte. Bruseghin und Frigo fuhren auch starke Ardennenklassiker, wobei sich Frigo zweimal unter die ersten zehn schieben konnte „und das auf einem Terrain, das ihm eigentlich gar nicht so gut liegt“, wie Lefévre weiß. Bei der Tour de Romandie hingegen glänzte Iban Mayo, der sich kurzfristig ebenfalls für den Giro entschied. „Ich will sehen, was mit meiner guten Form geht, die ich in der Schweiz unter Beweis gestelt habe“, so der Baske. Tatsächlich konnte er dort in aller Regelmäßigkeit Simoni und Cunego abhängen, aber ein Fragezeichen bleibt: hat er seine Form zu früh erreicht? Die Antwort liefert Julian Gorospe mit seiner zweiten Spitze: Neuerwerb Aitor Gonzalez. „Ich freue mich sehr auf den Giro und will mit Iban viel erreichen. Ideal wäre natürlich ein Sieg, auch wenn das sehr schwer wird“, so Gonzalez.
Ebenfalls stark aus der Romandie kommt Santiago Botero, der zusammen mit Oscar Pereiro das Aufgebot vom schweizerschen Team Phonak anführt und in Italien seine Form bestätigen will: „Ich bin sehr optmisitsch, was den Giro anbelangt. Es gibt viele lange Berge und zwei Zeitfahren, was mir entgegen kommen sollte. Dazu habe ich noch ein starkes Team, so dass einer guten Platzierung eigentlich nichts mehr im Wege steht“, wie der Kolumbianer meint. Oscar Pereiro startet zwar nominell als Co-Kapitän, „aber eigentlich konzentriere ich mich auf die Tour de France und will hier Santi helfen. Wenn er aber einen schwachen Tag hat und ich gut mitfahren kann, dann ändert sich das vielleicht.“ Eine klare Rollenverteilung gibt es bei Discovery Channel: Es gibt einen eindeutigen Kapitän, nämlich Paolo Savoldelli, der sogleich eine Kampfansage an die Konkurrenz machte: „Ich freue mich, dass mir so großes Vertrauen entgegen gebracht wird. Mit Jaro an meiner Seite muss sich die Konkurrenz warm anziehen!“ Jaro ist eigentlich Jaroslav Popovych, 2003 immerhin dritter des Giro und nun Savoldellis Edelhelfer, der aber auch selber auf Klassement fahren kann. „Das ist aber nicht meine Aufgabe, ich will hier Paolo helfen“, stellt der Ukrainer aber nochmals deutlich fest.
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„Mit Jaro an meiner Seite muss sich die Konkurrenz warm anziehen!“ - Paolo Savoldelli
Einige Fahrer geben in diesem Jahr ihr durchaus ambitioniertes Debüt in Italien: So zum Beispiel Alejandro Valverde, der mit Francisco Mancebo die Doppelspitze bei illes Balears bildet und bei der Romandie die Nachwuchswertung gewann. „Das war ein gutes Zeichen, aber in den Bergen konnte ich kaum mithalten. Das sollte jetzt aber anders sein“, sagt der junge Spanier. Sein Landsmann Juan Manuel Gomez Marchante befährt ebenfalls das erste mal Italiens Straßen und will „dort anknüpfen, wo ich bei der Vuelta 2004 aufgehört habe.“ Damals schaffte er den Sprung unter die ersten zehn. Dieser ist mit viel Glück auch Igor Gonzalez de Galdeano zuzutrauen, der in dieser Saison schon die Vuelta a Murcia und Setmana Catalana gewann, seitdem aber kaum mehr auffiel. „Ich bin selber am meisten gespannt, wie meine Form ist, aber Druck mache ich mir hier keinne“, sagt der Spanier, der zu den erfahrenen Rennfahrern zählt. Zu diesen muss auch Carlos Sastre gezählt werden, der beim Team CSC die Kapitänsrolle inne hat. „Ivan hat sich Giro und Tour in einem Jahr noch nicht zugetraut, also habe ich gesagt, dass ich dann den Giro fahre“, erzählt Sastre, der aber nicht auf ein sonderlich starkes Team zählen kann.
Ebenfalls nur Außenseiterchancen attestiert man Georg Totschnig, der sich wohl für die Tour einrollen will. „Vorletztes Jahr habe ich noch beides gemacht, aber im letzten Jahr lief es mit der Konzentration auf die Tour so gut, dass ich hier nur mitrolle“, so der Österreicher, der immerhin keine teaminterne Konkurrenz fürchten muss. Diese hat auch nicht Michael Rasmussen, auch wenn er wohl der größte Risikotipp ist. Das dänische Kletterwunder versucht seit Jahren, endlich eine große Rundfahrt auf konstant hohem Niveau zu fahren, hat es bisher aber noch nie geschafft. „Das“, so ist er sicher, „wird sich hoffentlich beim Giro ändern, da er mir auf den leib geschneidert ist. Ich bin ja nicht so vermessen zu sagen, dass ich gewinne, mein Ziel ist einfach eine Platzierung unter den ersten zehn, denn somit wäre ich konstant gefahren.“
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Der zweite des Vorjahres will wieder aufs Treppchen: Serhiy Honchar
Ein Muster an Konstanz sind die letzten beiden Favoriten des Giro: Zum einen Pietro Caucchioli, der vor der Saison von Alessio zu Credit Agricole wechselte. „Ich denke, der Wechsel hat mir gut getan und ich werde einen guten Giro fahren. Wie weit es dann nach vorne geht, wird sich zeigen“, will sich der italienische Kletterkünstler nicht auf ein Ziel festlegen. „Ein Etappensieg in den Bergen wäre ein Traum, aber genauso freue ich mich über eine gute Endplatzierung“, so Caucchioli weiter. Sein Team scheint aber zu schwach, um ihn lange schützen zu können, aber „da bin ich ja nicht der einzige, der das Problem hat.“ Ein Team nach seinen Wünschen hat Serhiy Honchar bekommen, der im Vorjahr noch vor Simoni zweiter wurde, aber ohne Chance gegen Cunego war. In diesem Jahr ist der Kurs wohl zu schwer für Honchar, ihn selber ficht das trotzdem nicht an: „Ich habe im Winter an meinen Kletterqualitäten gearbeitet und will unbedingt wieder unter die ersten fünf, am besten unter die ersten drei. Diesen Anspruch habe ich nach meiner letztjährigen leistung.“ Will Honchar aber eine ernsthafte Chance auf das Podium in Mailand haben, so muss er vor allem im Zeitfahren Boden gut machen – ausgerechnet da, wo Topfavorit Simoni ihn in der Schweiz deklassierte. Nicht nur deshalb erwarten viele einen Triumph von Simoni, doch die Konkurrenten sind sehr stark – zu stark?
Giancolo Tomazzi