Verfasst: 5.3.2009 - 16:42
„Pete, Pete steh auf!“
Wer war das? Wo war er? Langsam öffnete er die Augen und zuckte, als er vom gleißenden Sonnenlicht geblendet wurde. Berge, Schnee, ein wolkenloser, blauer Himmel. Carolines Haus, das war es. Der Ort, an dem er sein Glück gefunden hatte. Lange hatte er darüber nachgedacht, was er tun sollte und er hatte sich dazu entschlossen, noch ein paar Tage hier zu bleiben. Was brachte ihm sein erster Eindruck bei seinem Team, wenn er nicht sein erstes Bild bei Caroline verfestigen konnte. Im weiteren Verlauf könnte er auf dem Rad einiges wieder gut machen, sein Privatleben forderte im Moment seine volle Aufmerksamkeit.
Er räkelte sich kurz und stieß ein langes Gähnen aus, dann stand er auf und ging in Richtung Haustür, von wo er Caroline rufen gehört hatte. Abermals verblüffte ihn die teure, luxuriöse Ausstattung. Bei dem schönen Ausblick blieb er gerne länger. Es war der Himmel auf Erden. Er sah Caroline an der Haustür stehen, gegenüber standen zwei seiner Freunde, Tom und Luke, mit denen er unterwegs war, bevor ihn die Polizei erwischt hatte. Es überraschte ihn, die beiden hier zu sehen. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie ohne ihn abgereist waren, da sie seine Unzuverlässigkeit schon kennen gelernt hatten. Wahrscheinlich hatte Tom ihn nicht alleine in der Schweiz zurück lassen wollen.
Tom war ein Radfahrerkollege von ihm, mit dem Pete schon einige Rennen bestritten hatte. Manchmal hatten sie um die Kapitänsrolle gefeilscht, doch insgesamt waren sie immer relativ gut miteinander ausgekommen. Mit seinen knapp eins achtzig war er etwas größer als Pete, doch seine schlanke Figur machte ihn zu seinem ähnlich starken Bergfahrer. Nach ihren starken Auftritten im vergangenen Herbst hatten sie beide Aussichten auf einen Profivertrag. Bei einem günstigen Verlauf war es sogar möglich, dass sie in der folgenden Saison im selben Team fuhren. Bei gemeinsamen Rennen wollten sie sich das Zimmer teilen und sie hatten sogar geplant, gemeinsam zu trainieren, da sie ihr Hauptaugenmerk auf dieselben Rennen legten. Pete war beruhigt, Pete an seiner Seite zu wissen, da er ihm oft half, auf dem Teppich zu bleiben und nicht noch mehr dumme Sachen als ohne ihn zu machen.
Der zweite, Luke, war genau das Gegenteil von Tom. Er verstand gar nichts vom Radsport und belächelte seine Freunde nur, weil sie einen Sport mit so zweifelhaftem Ruf betrieben. Er bot einen unglaublich starken Kontrast zu Tom, da er noch ein paar Zentimeter größer war und außerdem mindestens vierzig Kilo schwerer. Seine Freizeit verbrachte er überwiegend mit Kneipentouren und Baseballspielen. Er war im Verlauf ihres Urlaubs schon bei mehreren Gelegenheiten mit Pete aneinander geraten und beinahe wäre es zur Eskalation gekommen, wenn Tom die beiden Streithähne nicht im Zaum gehalten hätte. Pete verstand nicht, warum Tom sich mit diesem Rüpel abgab und er war genervt, ihn schon wieder zu sehen.
Es kam schlimmer als er erwartet hatte. Zunächst hatte er gehofft die beiden schnell abwimmeln zu können, doch Luke hatte Caroline brutal zur Seite gestoßen und war ins Haus getreten. Er kam auf Pete zu und begrüßte ihn mit einem Schlag auf die Schulter. Er stank wie so oft nach Alkohol und Zigaretten und seine bloße Anwesenheit machte Pete nervös. Was wollte dieses Ungetüm von ihm. Er hatte keine Probleme, sich mit jemandem zu schlagen, aber dieser Koloss war eine Nummer zu groß für ihn.
„Wo warst du kurzer. Hast dich wieder mit einer deiner Schlampen aus dem Staub gemacht? Willst uns alleine sitzen lassen. Ein Scheiß Freund bist du.“
Schon seine Wortwahl ekelte Pete an und der Inhalt schockierte ihn erst recht. Auf keinen Fall wollte er, dass Caroline eine Verbindung zwischen den beiden herstellte und falsche Schlüsse daraus zog. Leider ließen sich die Aussagen seines primitiven Pseudofreundes nicht rückgängig machen. Caroline runzelte leicht die Stirn. Kurze Zeit schien sie unentschlossen zu sein, was sie tun sollte. Entweder würde sie Luke rausschmeißen oder wollte von Pete die wissen wollen, was Luke mit seinen Andeutungen sagen wollte. Natürlich entschied sie sich für die falsche Variante.
„Schlampe? Wieder? Was redet der Kerl da? Was hast du eigentlich mit ihm zu tun.“
Hastig versuchte Pete eine Verteidigung hervorzubringen.
„Der Riesenaffe ist auch in unserer Skigruppe. Der ist aber etwas zurückgeblieben und definiert sich nur über seine schlechten Manieren und Lügengeschichten. Du darfst ihm…“
Er konnte nicht ausreden. Stattdessen drückte Luke ihn mit seiner unbarmherzigen Kraft an die Wand. Pete konnte die Adern auf seiner Stirn vor Wut pulsieren sehen, der gesamte Kopf war vor Wut rot angelaufen. Er hatte es geschafft, der größte und gewalttätigste, ihm bekannte Sadist drohte ihm.
„Wie nennst du mich? Du kleine Zecke. Ich soll Lügengeschichten erzählen. Dann erzähl du uns doch, was du zu Hause so schönes machst. Du bist nicht ohne Grund aus der amerikanischen Nationalmannschaft geflogen. Ich habe da einige unschöne Geschichten gehört.“
Tom, der bisher stumm an der Tür gewartet hatte, unterbrach den Streit. Mit ruhiger Stimme versuchte er die Eskalation zu verhindern und die unangenehme Situation zu beenden.
„Klärt das nicht hier. Was muss die arme Frau von euch denken? Ihr könnt das im Hotel ausdiskutieren.“
Immerhin ließ Luke Pete los, um sich zu Tom umzudrehen. Sonst wurde die Angelegenheit keinesfalls entschärft. Luke hatte jetzt Lunte gerochen und wollte Petes neue Freundschaft so schnell beenden, wie sie begonnen hatte. Er blieb, was er war: Ein unverbesserlicher asozialer Hooligan.
„Die arme Frau? Pete hatte schon so viele, da soll die hier ruhig vor ihm gewarnt werden. Er würde sie doch sowieso bald wieder abservieren.“
„Du weißt, dass das nicht wahr ist.“ Pete wendete sich an Caroline, die inzwischen kreidebleich geworden war. Der randalierende Mann in ihrem Haus hatte sie komplett aus der Fassung gebracht und die Geschichten, die sie über Pete hören musste, ließen sie noch unsicherer werden. Verwirrt schaute sie zwischen den drei Gästen hin und her. Die Situation war kaum noch zu retten, Luke würde Caroline ohne Zweifel viel erzählen, was sie dazu bewegen würde, alle drei zum gehen zu bitten. Er durfte es nicht so weit kommen lassen.
„Luke ist betrunken. Der ist nicht mehr bei Sinnen, seit wir hier in der Schweiz angekommen sind. Hör nicht auf ihn.“
Luke grölte nun vor lachen.
„Betrunken? Das aus dem Wort von Peter. Das ich nicht lache. Der größte Trunkenbold aus ganz Massachusetts. Erzähl mal von deinen unzähligen Gefängnisaufenthalten. Da warst du doch auch betrunken. Letztes Jahr in Mirepoix zum Beispiel. Ich habe gehört, dass der arme Mann immer noch nicht gesund ist.“
Caroline schaute schockiert in ihre Gesichter. Was sie aus Lukes Mund hören musste, erschütterte das vertraute Verhältnis, das sie und Pete in den letzten zwei Tagen aufgebaut hatte, in seinen Grundzügen. Plötzlich sah sie die Geschehnisse in der Disko und herum in einer anderen Sicht. Dazu kam, dass sie nun endgültig sicher sein konnte, dass Pete in jener Nacht betrunken war und wahrscheinlich genau das getan hatte, was der Terrier ihm vorgeworfen hatte. Sie hatte ihm ein Alibi verschafft und eine Falschaussage abgegeben, um einen mehrfach vorbelasteten Kriminellen zu unterstützen. Mit dieser Aktion hatte sie ihre berufliche Zukunft aufs Spiel gesetzt, nur, um zu erfahren, dass der Mann, den sie gerettet hatte, genau das war, wofür die Polizei ihn hielt.
„Er lügt, oder? Sag mir die Wahrheit.“ Sie zeigte auf Tom. „Stimmt das, was er sagt? Ich will es wissen.“ Sie war immer lauter geworden und hatte die letzten Worte geradezu herausgeschrieen. Tom, der froh gewesen war, nicht im Mittelpunkt zu stehen, trippelte nervös von einem Bein auf das andere. Er schaute Pete tief in die Augen, als wolle er ihm sagen, dass es ihm Leid tue, er aber nicht lügen wolle. Pete erwiderte den Blick drohend. Tom konnte ihn noch retten, wie er es so oft getan hatte.
„Luke übertreibt ein bisschen. Trotzdem hat er Recht. Pete hat letzten September betrunken einen Mann zusammengeschlagen. Hätten seine Eltern ihm nicht mit ihrem Geld geholfen, wäre er vor Gericht gekommen. Deshalb haben sie ihn in der Nationalmannschaft auch suspendiert.“
Tom hatte ihn auch verraten. Jetzt verlor er die Fassung. Seit seinem Verschwinden hatten sie nichts getan und er hatte nichts mehr von ihnen gehört. Ausgerechnet heute, zu einem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich schon wieder in Amerika sein sollten, platzten sie hier herein und versauten ihm alles. Außer sich vor Wut blaffte er Tom und Luke an.
„Was erlaubt ihr euch eigentlich? Ihr platzt hier einfach herein und beschuldigt mich mit allen möglichen Vorwürfen. Ihr seid echt beschissene Freunde.“
Tom ließ die Schimpftirade seines Freundes über sich ergehen und antwortete vorsichtig.
„Sieh das ganze doch mal aus unserer Sicht. Vorgestern waren wir zusammen feiern, dann kam die Polizei und du warst weg. Anfangs dachte ich, du wärest wie so oft durchgebrannt und würdest gerade betrunken neben einer neuen Freundin liegen. Als du dich bis gestern Mittag nicht gemeldet hattest, bin ich zur Polizei gegangen, um dich vermisst zu melden. Dort musste ich hören, dass du nur ein wenig randaliert hättest und dann mit deiner Anwältin durchgebrannt bist. Was hätte ich machen sollen, außer nach dir zu schauen? Du hättest dich ja wenigstens einmal melden können. Mach mich jetzt nicht für etwas verantwortlich, wofür ich nichts kann.“
„Aber,…“ Tom hatte natürlich Recht und ließ Pete kurz verstummen. Erst als er sich an Lukes Anwesenheit erinnerte, kehrte sein Zorn zurück.
„Was ist mit dem? Du weißt, dass ich ihn nicht leiden kann. Der ist so dumm und asozial, wie man es sich nur vorstellen kann.“
„Pass auf Freundchen, was du sagst. Du weißt, dass ich dich liebend gerne verprügeln würde.“
Luke ballte die Fäuste und trat ein paar Schritte auf Pete zu. Caroline stieß einen entsetzten Schrei aus und Tom sah aus, als wolle er dazwischen gehen, doch Pete wies ihn zurück. Er würde es zum Duell eins gegen eins kommen lassen, wie er es früher so gerne getan hatte. Normalerweise hätte er sich zurückgehalten, für Luke fühlte er aber einen so intensiven Hass, dass er ihm gerne einen Denkzettel verpasste. Dazu brauchte er etwas um sich zu verteidigen und die physischen Nachteile auszugleichen. Pete schaute sich verzweifelt nach etwas um, dass ihn vor dem riesenhaften Mann schützen konnte, oder womit er ihn ablenken konnte. Aus seinem Augenwinkel erkannte er einen Ständer für Schirme, in dem er auch einen Gehstock sah, der ihm stabil zu sein schien. Er tänzelte ein paar Schritte hinüber, Luke folgte ihm und hob seine Faust, um sie auf Pete niederschnellen zu lassen. Sein erster Schlag ging ins leere, als Pete unter seinem Arm durchtauchte und nach dem Stock griff. Als Luke sich wieder aufrichtete, schlug Pete zu. Der Stock traf Luke genau an der Schläfe.
Einen kurzen Moment war Pete unsicher, ob der Schlag die beabsichtigte Wirkung hatte, dann konnte er zufrieden aufatmen, als Luke seine Augen schloss und wie ein Baum umfiel.
Zufrieden grinsend sah Pete auf Luke herab. Seine Stärke brachte ihm jetzt nichts mehr. Pete hatte sich schon gegen stärkere Gegner verteidigen müssen. Sein stolzes Lächeln verging ihm aber ganz schnell, als er hinter sich Caroline stöhnen hörte. Er drehte sich um und sah, wie Tom sie gerade noch versuchte aufzufangen, bevor sie zu Boden ging. In ihrem Blick konnte er dieselben Gefühle erkennen, die er Luke gegenüber empfand, Ekel und Verachtung.
Eigentlich sollte es länger werden, aber hier gibt es erstmal einen Cut. Erstens, weil es halbwegs passt und zweitens, weil hier sonst bis Samstag nichts passiert wäre.
Wer war das? Wo war er? Langsam öffnete er die Augen und zuckte, als er vom gleißenden Sonnenlicht geblendet wurde. Berge, Schnee, ein wolkenloser, blauer Himmel. Carolines Haus, das war es. Der Ort, an dem er sein Glück gefunden hatte. Lange hatte er darüber nachgedacht, was er tun sollte und er hatte sich dazu entschlossen, noch ein paar Tage hier zu bleiben. Was brachte ihm sein erster Eindruck bei seinem Team, wenn er nicht sein erstes Bild bei Caroline verfestigen konnte. Im weiteren Verlauf könnte er auf dem Rad einiges wieder gut machen, sein Privatleben forderte im Moment seine volle Aufmerksamkeit.
Er räkelte sich kurz und stieß ein langes Gähnen aus, dann stand er auf und ging in Richtung Haustür, von wo er Caroline rufen gehört hatte. Abermals verblüffte ihn die teure, luxuriöse Ausstattung. Bei dem schönen Ausblick blieb er gerne länger. Es war der Himmel auf Erden. Er sah Caroline an der Haustür stehen, gegenüber standen zwei seiner Freunde, Tom und Luke, mit denen er unterwegs war, bevor ihn die Polizei erwischt hatte. Es überraschte ihn, die beiden hier zu sehen. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie ohne ihn abgereist waren, da sie seine Unzuverlässigkeit schon kennen gelernt hatten. Wahrscheinlich hatte Tom ihn nicht alleine in der Schweiz zurück lassen wollen.
Tom war ein Radfahrerkollege von ihm, mit dem Pete schon einige Rennen bestritten hatte. Manchmal hatten sie um die Kapitänsrolle gefeilscht, doch insgesamt waren sie immer relativ gut miteinander ausgekommen. Mit seinen knapp eins achtzig war er etwas größer als Pete, doch seine schlanke Figur machte ihn zu seinem ähnlich starken Bergfahrer. Nach ihren starken Auftritten im vergangenen Herbst hatten sie beide Aussichten auf einen Profivertrag. Bei einem günstigen Verlauf war es sogar möglich, dass sie in der folgenden Saison im selben Team fuhren. Bei gemeinsamen Rennen wollten sie sich das Zimmer teilen und sie hatten sogar geplant, gemeinsam zu trainieren, da sie ihr Hauptaugenmerk auf dieselben Rennen legten. Pete war beruhigt, Pete an seiner Seite zu wissen, da er ihm oft half, auf dem Teppich zu bleiben und nicht noch mehr dumme Sachen als ohne ihn zu machen.
Der zweite, Luke, war genau das Gegenteil von Tom. Er verstand gar nichts vom Radsport und belächelte seine Freunde nur, weil sie einen Sport mit so zweifelhaftem Ruf betrieben. Er bot einen unglaublich starken Kontrast zu Tom, da er noch ein paar Zentimeter größer war und außerdem mindestens vierzig Kilo schwerer. Seine Freizeit verbrachte er überwiegend mit Kneipentouren und Baseballspielen. Er war im Verlauf ihres Urlaubs schon bei mehreren Gelegenheiten mit Pete aneinander geraten und beinahe wäre es zur Eskalation gekommen, wenn Tom die beiden Streithähne nicht im Zaum gehalten hätte. Pete verstand nicht, warum Tom sich mit diesem Rüpel abgab und er war genervt, ihn schon wieder zu sehen.
Es kam schlimmer als er erwartet hatte. Zunächst hatte er gehofft die beiden schnell abwimmeln zu können, doch Luke hatte Caroline brutal zur Seite gestoßen und war ins Haus getreten. Er kam auf Pete zu und begrüßte ihn mit einem Schlag auf die Schulter. Er stank wie so oft nach Alkohol und Zigaretten und seine bloße Anwesenheit machte Pete nervös. Was wollte dieses Ungetüm von ihm. Er hatte keine Probleme, sich mit jemandem zu schlagen, aber dieser Koloss war eine Nummer zu groß für ihn.
„Wo warst du kurzer. Hast dich wieder mit einer deiner Schlampen aus dem Staub gemacht? Willst uns alleine sitzen lassen. Ein Scheiß Freund bist du.“
Schon seine Wortwahl ekelte Pete an und der Inhalt schockierte ihn erst recht. Auf keinen Fall wollte er, dass Caroline eine Verbindung zwischen den beiden herstellte und falsche Schlüsse daraus zog. Leider ließen sich die Aussagen seines primitiven Pseudofreundes nicht rückgängig machen. Caroline runzelte leicht die Stirn. Kurze Zeit schien sie unentschlossen zu sein, was sie tun sollte. Entweder würde sie Luke rausschmeißen oder wollte von Pete die wissen wollen, was Luke mit seinen Andeutungen sagen wollte. Natürlich entschied sie sich für die falsche Variante.
„Schlampe? Wieder? Was redet der Kerl da? Was hast du eigentlich mit ihm zu tun.“
Hastig versuchte Pete eine Verteidigung hervorzubringen.
„Der Riesenaffe ist auch in unserer Skigruppe. Der ist aber etwas zurückgeblieben und definiert sich nur über seine schlechten Manieren und Lügengeschichten. Du darfst ihm…“
Er konnte nicht ausreden. Stattdessen drückte Luke ihn mit seiner unbarmherzigen Kraft an die Wand. Pete konnte die Adern auf seiner Stirn vor Wut pulsieren sehen, der gesamte Kopf war vor Wut rot angelaufen. Er hatte es geschafft, der größte und gewalttätigste, ihm bekannte Sadist drohte ihm.
„Wie nennst du mich? Du kleine Zecke. Ich soll Lügengeschichten erzählen. Dann erzähl du uns doch, was du zu Hause so schönes machst. Du bist nicht ohne Grund aus der amerikanischen Nationalmannschaft geflogen. Ich habe da einige unschöne Geschichten gehört.“
Tom, der bisher stumm an der Tür gewartet hatte, unterbrach den Streit. Mit ruhiger Stimme versuchte er die Eskalation zu verhindern und die unangenehme Situation zu beenden.
„Klärt das nicht hier. Was muss die arme Frau von euch denken? Ihr könnt das im Hotel ausdiskutieren.“
Immerhin ließ Luke Pete los, um sich zu Tom umzudrehen. Sonst wurde die Angelegenheit keinesfalls entschärft. Luke hatte jetzt Lunte gerochen und wollte Petes neue Freundschaft so schnell beenden, wie sie begonnen hatte. Er blieb, was er war: Ein unverbesserlicher asozialer Hooligan.
„Die arme Frau? Pete hatte schon so viele, da soll die hier ruhig vor ihm gewarnt werden. Er würde sie doch sowieso bald wieder abservieren.“
„Du weißt, dass das nicht wahr ist.“ Pete wendete sich an Caroline, die inzwischen kreidebleich geworden war. Der randalierende Mann in ihrem Haus hatte sie komplett aus der Fassung gebracht und die Geschichten, die sie über Pete hören musste, ließen sie noch unsicherer werden. Verwirrt schaute sie zwischen den drei Gästen hin und her. Die Situation war kaum noch zu retten, Luke würde Caroline ohne Zweifel viel erzählen, was sie dazu bewegen würde, alle drei zum gehen zu bitten. Er durfte es nicht so weit kommen lassen.
„Luke ist betrunken. Der ist nicht mehr bei Sinnen, seit wir hier in der Schweiz angekommen sind. Hör nicht auf ihn.“
Luke grölte nun vor lachen.
„Betrunken? Das aus dem Wort von Peter. Das ich nicht lache. Der größte Trunkenbold aus ganz Massachusetts. Erzähl mal von deinen unzähligen Gefängnisaufenthalten. Da warst du doch auch betrunken. Letztes Jahr in Mirepoix zum Beispiel. Ich habe gehört, dass der arme Mann immer noch nicht gesund ist.“
Caroline schaute schockiert in ihre Gesichter. Was sie aus Lukes Mund hören musste, erschütterte das vertraute Verhältnis, das sie und Pete in den letzten zwei Tagen aufgebaut hatte, in seinen Grundzügen. Plötzlich sah sie die Geschehnisse in der Disko und herum in einer anderen Sicht. Dazu kam, dass sie nun endgültig sicher sein konnte, dass Pete in jener Nacht betrunken war und wahrscheinlich genau das getan hatte, was der Terrier ihm vorgeworfen hatte. Sie hatte ihm ein Alibi verschafft und eine Falschaussage abgegeben, um einen mehrfach vorbelasteten Kriminellen zu unterstützen. Mit dieser Aktion hatte sie ihre berufliche Zukunft aufs Spiel gesetzt, nur, um zu erfahren, dass der Mann, den sie gerettet hatte, genau das war, wofür die Polizei ihn hielt.
„Er lügt, oder? Sag mir die Wahrheit.“ Sie zeigte auf Tom. „Stimmt das, was er sagt? Ich will es wissen.“ Sie war immer lauter geworden und hatte die letzten Worte geradezu herausgeschrieen. Tom, der froh gewesen war, nicht im Mittelpunkt zu stehen, trippelte nervös von einem Bein auf das andere. Er schaute Pete tief in die Augen, als wolle er ihm sagen, dass es ihm Leid tue, er aber nicht lügen wolle. Pete erwiderte den Blick drohend. Tom konnte ihn noch retten, wie er es so oft getan hatte.
„Luke übertreibt ein bisschen. Trotzdem hat er Recht. Pete hat letzten September betrunken einen Mann zusammengeschlagen. Hätten seine Eltern ihm nicht mit ihrem Geld geholfen, wäre er vor Gericht gekommen. Deshalb haben sie ihn in der Nationalmannschaft auch suspendiert.“
Tom hatte ihn auch verraten. Jetzt verlor er die Fassung. Seit seinem Verschwinden hatten sie nichts getan und er hatte nichts mehr von ihnen gehört. Ausgerechnet heute, zu einem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich schon wieder in Amerika sein sollten, platzten sie hier herein und versauten ihm alles. Außer sich vor Wut blaffte er Tom und Luke an.
„Was erlaubt ihr euch eigentlich? Ihr platzt hier einfach herein und beschuldigt mich mit allen möglichen Vorwürfen. Ihr seid echt beschissene Freunde.“
Tom ließ die Schimpftirade seines Freundes über sich ergehen und antwortete vorsichtig.
„Sieh das ganze doch mal aus unserer Sicht. Vorgestern waren wir zusammen feiern, dann kam die Polizei und du warst weg. Anfangs dachte ich, du wärest wie so oft durchgebrannt und würdest gerade betrunken neben einer neuen Freundin liegen. Als du dich bis gestern Mittag nicht gemeldet hattest, bin ich zur Polizei gegangen, um dich vermisst zu melden. Dort musste ich hören, dass du nur ein wenig randaliert hättest und dann mit deiner Anwältin durchgebrannt bist. Was hätte ich machen sollen, außer nach dir zu schauen? Du hättest dich ja wenigstens einmal melden können. Mach mich jetzt nicht für etwas verantwortlich, wofür ich nichts kann.“
„Aber,…“ Tom hatte natürlich Recht und ließ Pete kurz verstummen. Erst als er sich an Lukes Anwesenheit erinnerte, kehrte sein Zorn zurück.
„Was ist mit dem? Du weißt, dass ich ihn nicht leiden kann. Der ist so dumm und asozial, wie man es sich nur vorstellen kann.“
„Pass auf Freundchen, was du sagst. Du weißt, dass ich dich liebend gerne verprügeln würde.“
Luke ballte die Fäuste und trat ein paar Schritte auf Pete zu. Caroline stieß einen entsetzten Schrei aus und Tom sah aus, als wolle er dazwischen gehen, doch Pete wies ihn zurück. Er würde es zum Duell eins gegen eins kommen lassen, wie er es früher so gerne getan hatte. Normalerweise hätte er sich zurückgehalten, für Luke fühlte er aber einen so intensiven Hass, dass er ihm gerne einen Denkzettel verpasste. Dazu brauchte er etwas um sich zu verteidigen und die physischen Nachteile auszugleichen. Pete schaute sich verzweifelt nach etwas um, dass ihn vor dem riesenhaften Mann schützen konnte, oder womit er ihn ablenken konnte. Aus seinem Augenwinkel erkannte er einen Ständer für Schirme, in dem er auch einen Gehstock sah, der ihm stabil zu sein schien. Er tänzelte ein paar Schritte hinüber, Luke folgte ihm und hob seine Faust, um sie auf Pete niederschnellen zu lassen. Sein erster Schlag ging ins leere, als Pete unter seinem Arm durchtauchte und nach dem Stock griff. Als Luke sich wieder aufrichtete, schlug Pete zu. Der Stock traf Luke genau an der Schläfe.
Einen kurzen Moment war Pete unsicher, ob der Schlag die beabsichtigte Wirkung hatte, dann konnte er zufrieden aufatmen, als Luke seine Augen schloss und wie ein Baum umfiel.
Zufrieden grinsend sah Pete auf Luke herab. Seine Stärke brachte ihm jetzt nichts mehr. Pete hatte sich schon gegen stärkere Gegner verteidigen müssen. Sein stolzes Lächeln verging ihm aber ganz schnell, als er hinter sich Caroline stöhnen hörte. Er drehte sich um und sah, wie Tom sie gerade noch versuchte aufzufangen, bevor sie zu Boden ging. In ihrem Blick konnte er dieselben Gefühle erkennen, die er Luke gegenüber empfand, Ekel und Verachtung.
Eigentlich sollte es länger werden, aber hier gibt es erstmal einen Cut. Erstens, weil es halbwegs passt und zweitens, weil hier sonst bis Samstag nichts passiert wäre.