Der Kontrast

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

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Hoffi
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Beitrag: # 314741Beitrag Hoffi
19.10.2005 - 21:20

(Fortsetzung)

Der Rennverlauf

Der noch jungen Saison entsprechend, startete das Peloton träge die anstehenden 201 Kilometer von Gent nach Lokeren – eine Situation, die knapp 50 Kilometer anhalten sollte, ehe van Petegems Davitamon-Lotto-Mannschaft das Feld zu kontrollieren versuchte und vage Anzeichen einer notwendigen Selektion vorzubereiten, die erfolgen musste, sofern ihr Kapitän das Rennen tatsächlich gewinnen wollte. Zu diesem Zeitpunkt war dem Feld jedoch schon ein Ausreißer-Trio entwischt. Roberto Lochowski (Wiesenhof), Marc Scanlon (Ag2r) und Christophe Agnulutto (Agritibel) hatten sich nach 83 Kilometern, als die Muur von Geraardsbergen passiert werden musste, einen durchaus beachtlichen Vorsprung von knapp sechseinhalb Minuten erarbeitet – im Feld wurde allerdings, trotz Davitamon-Kontrolle, ein moderates Tempo gefahren.

Das änderte sich mit der Muur schlagartig – Davitamon initiierte eine erste Attacke, die etliche Pedaleure aus dem Peloton katapultierte und die eindeutig dokumentierte, dass van Petegem gewillt war, das Rennen zu gewinnen; denn einige Teamchefs hatten dies vor Rennbeginn noch bezweifelt, obzwar der 35-jährige Belgier zuvor unmissverständlich seinen Siegesansprüche formuliert hatte.

Bei Rennhälfte, 20 Kilometer später, stand fest: Die Muur war nur der Beginn einer Selektion, die Davitamon fortan durchführte und die peu à peu das Peloton dezimierte. Die zugleich innerhalb der nächsten 25 Kilometer zu überquerenden vier Hellingen, Kleiberg, Eikenberg, Leberg und Berendries, halfen der belgischen Equipe bei ihrem Vorhaben freilich. Als sich nach 135 Kilometern der Molenberg näherte und sich vor van Petegem in Leon van Bon, Bart Dockx und Nico Mattan noch immer drei Helfer gespannt hatten – die Gruppe umfasste etwa 50 Fahrer –, griff van Petegem selbst an. Drei Fahrer konnten ihm folgen: Leif Hoste (Discovery), Ludovic Capelle (Landbouwkrediet) und Roger Hammond (Discovery).

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Peter van Petegem siegte erstmals seit seinem Triumph bei Paris-Roubaix 2003.

Als nach 150 Kilometern auch vier weitere, unmittelbar auf den Molenberg folgende Kopfsteinpflasterpassagen zurückgelassen waren, war das Rennen bereits entschieden. Die vier Angreifer, die das ehemalige Führungstrio währenddessen eingeholt hatten, lagen nach drei Viertel des Rennens zwei Minuten vor den nächsten Verfolgern, einer etwa 25-köpfigen Gruppe. Und weil vorne vier Gleichgesinnte fuhren und hinten niemand an einer adäquaten Verfolgung interessiert schien, konnte sich das Quartett bereits in Sicherheit wägen, den späteren Sieger stellen zu können.

So entwickelte sich der restliche, einst spannende Teil des Omloop Het Volk heuer zu einer beispiellosen Triumphfahrt des Peter van Petegem. Auf den letzten fünf Pflasterpassagen, zwischen Kilometer 165 und 185, platzierte er eine weitere Attacke, die einzig Hoste kontern imstande war zu kontern. Gemeinsam mit dem Discovery-Mann konnte er einen beruhigenden Vorsprung zu Capelle und Hammond aufbauen. Doch auf den letzten 500 Metern in Lokeren musste sich Hoste seinem überragenden Landsmann beugen und den Sieg überlassen – van Petegems erstem seit nahezu zwei Jahren. Das Verfolger-Duo, angeführt von Capelle, erreichte das Ziel 1:41 Minuten, die dritte Gruppe 3:27 Minuten später. In dieser überquerte auch Boonen, mühelos wirkend, den Zielstrich – als Achter.

Resultate
1 Peter van Petegem (DVL) 4:55:54
2 Leif Hoste (DSC) gl. Zeit
3 Ludovic Capelle (LAN) + 1:41
4 Roger Hammond (DSC) gl. Zeit
5 Nico Eeckhout (JAC) + 3:27
6 Stefano Zanini (QST) gl. Zeit
7 Leon van Bon (DVL) gl. Zeit
8 Tom Boonen (QST) gl. Zeit
9 Andreas Klier (TMO) gl. Zeit
10 George Hincapie (DSC) gl. Zeit
11 Stijn Devolder (DSC) gl. Zeit
12 Sébastien Rosseler (QST) gl. Zeit
13 Daniele Nardello (TMO) gl. Zeit
14 Frank Vandenbroucke (MRB) gl. Zeit
15 Ludo Dierckxens (LAN) gl. Zeit
"There are only 10 types of people in the world: Those who understand binary, and those who don't."

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JeremyAndrews
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Beitrag: # 314882Beitrag JeremyAndrews
20.10.2005 - 16:18

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005[/size][/b][/color]
SEITE 5: TITEL

KUURNE - BRÜSSEL - KUURNE
Tag der Kleinen

Erneut hoffte man in Belgien das Duell der Giganten bewundern zu können, doch ein anderer stahl ihnen die Show, wieder einmal gab es keine Erkenntnisse im Kampf van Petegem geg. Boonen.

Zum 58sten mal wurde das Rennen um den kleinen Ort Kuurne ausgetragen. Wieder einmal war es das Rennen am Tage nach dem „richtigen“ Saison start. Seit eh und je steht Kuurne - Brussels - Kuurne im Schatten des großen Bruders. Doch dies tut ihm keinen Abbruch, dennoch sind es jedes Jahr die, die hier an den Start gehen, die Gleichen die man auch beim Omloop, einen Tag zuvor, bewunderte.

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Beim Omloop noch triumphierend, war van Petegem in Kuurne nicht vom Glück verfolgt

Nach dem es beim Omloop Het Volk nicht zum großen Duell zwischen Peter Van Petegem und Tom Boonen kam freute man sich in Belgien umso mehr es nun hier sehen zu können. Doch ein anderer war der Hauptprotagonist des Tages, Kevin van Impe war der Mann auf den alle hätten achten müssen.

Enttäuscht war man vor allem bei Quickstep, denn Tom Boonen trudelte nur im Mittelfeld ein, unmittelbar hinter van Petegem, der aber ebenfalls unzufrieden war: „Wir haben viel gearbeitet, aber am Ende fehlte mir der Punch um in einem Sprint noch mal was zu bewegen.“ So van Petegem.

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Tom Boonen musste kämpfen

Tom Boone selber hat sich nicht einmal zu seiner Leistung geäußert sondern verschwand schnell vom Ort des Geschehens. Lefevre aber gab die Antworten: „Tom hatte unterwegs Magenprobleme.“ Entschuldigte sein Sportlicher Leiter. Van Impe dagegen war über glücklich über seinen Sieg: „Das war einfach mein Tag, schon als ich heute Aufstand fühlte ich mich gut und wusste das ich was bewegen konnte.“ Das es zum Sieg für sich und dem Team Chocolade Jacques reichen würde, habe er sich allerdings nicht erträumen lassen.

Der Rennverlauf

Das Rennen verlief wie man es in Hollywood nicht besser hätte schreiben können. Zum Anfang eines jeden Rennens geht es gleich los, die unbeschriebenen Blätter des Radsportes versuchen sich einen Namen zu machen und nehmen Reißaus. Es wahren auch die Teams, die mussten, die Nachführarbeit leisteten, nicht das Team um Vorjahressieger Steven De Jongh, sondern Quickstep und Davitamon - Lotto.

Alle sahen zu wie van Petegem und Boonen ihre Männer Organisierten um die Vorweggegangene Gruppe wieder einzuholen. Etwas früh holte man frühe Ausreißer wieder ein, so war es kein Problem die Kopfsteinpflasterpassagen für Selektionen zu nutzen. Es bildeten sich wieder Gruppen, die erste dieser Gruppen war mit Fahrern die man nicht unbedingt erwartet hatte.

Kevin van Impe, Andy Flickinger und Gerben Löwik fuhren dem Rest davon, scheinbar hatte man sie unterschätzt, zu spät hatte Davitamon wieder das Tempo übernommen, wogegen man bei Quickstep von nun an gar nichts mehr tat.

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Van Impe siegte einst noch für Lotto

Am Ende schaltete sich sogar Cofidis mit ein, doch es sollte verdammt knapp werden. Andy Flickinger holte man sogar noch ziemlich schnell ein, Löwik war erst auf den letzten Kilometern geschluckt, aber van Impe erwies sich als besonders hartnäckig, auf der Ziellinie holten De Jongh und O’Grady ihn zwar noch ein, doch van Impe rettete den Sieg über den Strich. Die Hauptprotagonisten, Van Petegem und Boonen, kamen zwar mit Van Impes Zeit ins Ziel landeten aber nur auf schmeichelhafte Plätze 13 und 16.

Resultat
1 Kevin Van Impe (JAC) 4:02:59
2 Stuart O’Grady (COF) gl. Zeit
3 Steven De Jongh (RAB) gl. Zeit
4 Kurt-Asle Arvesen (CSC) gl. Zeit
5 Bernhard Eisel (FDJ) gl. Zeit
6 Leon Van Bon (DVL) gl. Zeit
7 Roger Hammond (MRB) gl. Zeit
8 Jimmy Engoulvent (COF) gl. Zeit
9 Luca Paolini (QST) gl. Zeit
10 Erik Dekker (RAB) gl. Zeit
"If it doesn't matter who wins or loses, then why do they keep score?" (Vince Lombardi)

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HansFuchs
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Beitrag: # 315172Beitrag HansFuchs
22.10.2005 - 13:26

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG 28. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 6: TITEL

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Belgiens Aushängeschilder in den Siebziger Jahren - de Vlaeminck (l.), Merckx und Maertens

RÜCKBLICK
Belgische Dominanz – Eine Rückblende auf die sechzigjährige flandrische Ouvertüre

Traditionell eröffnen zwei ruhmreiche Halbklassiker die Rennsaison in Belgien. Auch an diesem Wochenende prägten die Männer aus dem Vielvölkerstaat in Westeuropa wieder das Renngeschehen in ihrer ganz eigenen Art und Weise – wie schon seit 60 Jahren.


Es ist ungemütlich dieser Tage in Belgien, nichts ungewöhnliches für diese Jahreszeit, meint man. Die Quecksilberskala erreicht nur mit viel gutem Willen die Fünf Gradmarke, etwas alltägliches Ende Februar hier im Norden des Landes.
„Zum Glück ist das Schneechaos ausgeblieben.“ hört man immer wieder von den Flamen. Diese sind frohen Mutes, dass Sie am Samstag etwas zu feiern haben werden. Dabei spielt wohl nur nebensächlich eine Rolle, ob ein Belgier oder viel lieber ein Flame beim Auftakt der belgischen Straßensaison triumphiert.
Die Zuschauer an der Strecke kommen zwar vornämlich, um wagemutige Rennfahrer zu sehen, wissen doch die meisten auch, dass an diesem 26.Februar vor genau 60 Jahren jenes ruhmreiche Frühjahresrennen zwischen Gent und Lokeren zum ersten Mal gestartet wurde.

Seitdem weißt die Siegerliste des „Omloop Het Volk“, organisiert von der Zeitung „Het Volk“ bis auf sieben Ausnahmen nur belgische Erfolge auf. Dies beweist die Wichtigkeit dieses Halbklassikers in der noch frühen Radsportsaison für die Belgier.

Der Premierensieger ist Jean Bogaerts, natürlich ein Einheimischer. Es dauerte eine lange Zeit bis die belgische Überlegenheit durchbrochen wurde, bis 1959 um genau zu sein. Insgesamt 13 Jahre in Serie dominierten die Belgier dieses Rennen nach belieben, ungeachtet der Tatsache, dass in der Anfangszeit fast ausschließlich Landsleute aus Flandern und die ungern gesehenen Wallonen an diesem Eintagesrennen teilnahmen.

Ausgerechnet ein Ire, ein Mann von den Inseln, konnte den Frühjahreskönigen ein Schnippchen schlagen: Seamus Elliott gelang dieses Kunststück im Diensten der Mannschaft ACBB-HELYETT-LEROUX und auf dem Podium stand er zwischen zwei Belgiern.
Ein Jahr später fiel das Rennen ins Wasser, nicht etwas weil die Organisatoren ob des unhöflichen Iren beleidigt gewesen wären, nein, ein Streit zwischen dem damaligen Radsportweltverband und den Rennverantwortlichen verhinderte einen Start.

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Erster nicht-belgischer Sieger des "HetVolk" - der Ire Seamus Elliot

Danach siegten wieder die Belgier. Bis 1965 Johan de Roo aus den Niederlanden ein zweites Mal Belgien 1966 in tiefes Tal der Tränen stürzte. Doch dann kamen die siebziger Jahre und bekanntermaßen war diese Zeit eine Hochzeit der Belgier (Der KONTRAST berichtete). Die Erfinder dieses Rennens traten gestärkt aus dieser Niederlage hervor und triumphierten dreizehn Jahre lang in Folge.

Es war zweifellos die stärkste Periode der Belgier und brachte auch die erfolgreichsten Rennfahrer hervor: Herman van Springel eröffnete 1968 das belgische Spektakel, ein Jahr später trat Roger de Vlaeminck mit diesem Erfolg erstmals in den Vordergrund und bildete damit die Grundlage für fast nicht enden wollende Palmarés. Auch Eddy Merckx ließ es sich natürlich nicht nehmen diesem Rennen seinen Stempel aufzudrücken. Dies tat er 1971 und 1973 mit seinem MOLTENI Rennstall in eindrucksvoller Art und Weise. MOLTENI bestimmte fortan die Siegerliste des Omloop Het Volks. Der dreimalige Champion Joseph Bruyère siegte 1974 und ein Jahr später. Ein drittes Mal gelang ihm das 1980 und er ist damit bis heute hinter Peter van Petegem, dem Rekordhalter, der Erfolgreichste. Auch Freddy Maertens, zweimaliger Straßenweltmeister und weltbester Sprinter der siebziger Jahre, konnte „Het Volk“ im Doppelpack 1977 und 1978 gewinnen.

1981 war es erneut ein Niederländer, der die Dominanz der Belgier durchbrach. Jan Raas gelang dies in Diensten der legendären TI-RALEIGH Formation, jedoch entpuppte sich auch dieser Erfolg erneut nur - im wahrsten Sinne des Wortes - als Eintagsfliege.

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Nach van Petegem am erfolgreichsten beim "Het Volk" - Joseph Bruyere

Die Achtziger Jahre waren weitaus weniger spektakulär wie das vergangene Jahrzehnt. Alfons de Wolf und Eddy Planckaert gewannen den „Omloop Het Volk“ jeweils im Doppelpack von 1982 bis 1985. Ende dieser Dekade siegten erneut die Belgier bis 1990, unterbrochen von einigen niederländischen Erfolgen. Seither setzt sich jenes Wechselspiel zwischen Belgiern und ausländischen Radprofis fort.
Die drastische belgische Überlegenheit in der Anfangszeit des „Omloop Het Volk“ ist verblasst, in den letzten vier Jahren triumphierten nur Belgier, das spricht Bände oder eben nicht.

(Fortsetzung folgt.)
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HansFuchs
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Beitrag: # 315493Beitrag HansFuchs
24.10.2005 - 15:59

(Fortsetzung)

Belgische Dominanz (2) –Wenn die Niederländer zu Störenfrieden werden

Neben dem „Omloop Het Volk“ zählt der Halbklassiker „Kuurne-Brüssel-Kuurne“ zu einem weiteren berühmt berüchtigten Kopfsteinpflasterrennen im Norden Belgiens. Nicht selten führt die Strecke über 200 Kilometer und verlangt den Rennfahrern bereits früh in der Saison alles ab. Im Gegensatz zum „Het Volk“ sind bei diesem Eintagesrennen keine kurzen, steilen Rampen vorhanden, ein Rennen also für endschnelle Leute.

Bild Bild Bild Bild
Belgische Protagonisten der Achtziger und Neunziger Jahre und Pioniere aus Holland: Edwig van Hooydonck (l.), Johan Museeuw & Jan Raas und Piet Rentmeester

Alles begann 1946 mit einem fast rein belgischen Starterfeld, so fiel es den Einheimischen nicht schwer die Siege unter sich auszumachen. 16 Jahre lang ging das nach Belieben, 14 unterschiedliche Sieger traten in der Anfangszeit hervor. Nur ein Name trat doppelt in der Siegerliste von „Kuurne-Brüssel-Kuurne“ auf. Jef Planckaert triumphierte 1955 sowie 1960 und es war nicht das letzte Mal, dass ein Planckaert ganz oben stand.

Die sechszehnjährige Triumphfahrt der Belgier beendete ausgerechnet mit Piet Rentmeester ein Niederländer im Jahr 1962, ein Szenario, welches sich 18 Jahre später erneut wiederholte. Jan Raas beflügelt vom Flair des Regenbogentrikots, dass er ein Jahr zuvor in Valkenburg in seiner Heimat den Niederlanden vor dem Deutschen Thurau und Jean-René Bernardeau aus Frankreich ergatterte, beendete eine Serie von 17 belgischen Erfolgen in Reihe und wurde der zweite Ausländer, der diesem flämischen Halbklassiker für sich entschied.

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Dazwischen lag eine glorreiche Generation mit Roger de Vlaeminck (1970, 1971) und Walter Planckaert (1973, 1979), eine schier endlos dauernde Erfolgsserie bis 1980 Jan Raas Belgiens Dominanz bei „Kuurne-Brüssel-Kuurne“ durchbrach. Raas gewann 1983 ein zweites Mal. Zwischen 1985 bis 1991 schienen sich die Belgier erholt zu haben, der berühmteste Sohn dieser Epoche war Edwig van Hooydonck, zweimaliger Gewinner der Flandernrundfahrt, siegte 1989.
1992 sorgte Olaf Ludwig für ein abruptes Ende dieser Erfolgserie. Nachdem das Rennen 1993 ausgefallen war, stieg ein Jahr später ein neuer Stern auf. Johan Museeuw bestimmte fortan die Klassiker im Nordwesten Europas und triumphierte auch bei „Kuurne-Brüssel-Kuurne“ doppelt (1994, 1997).
Peter van Petegem, Andrej Tchmil und Jo Planckaert wurden zu den neuen belgischen Aushängeschildern und trugen sich in den neunziger Jahren ebenfalls in die Siegerliste des Rennens ein.

Seit 2002 allerdings gab es keinen belgischen Erfolg mehr bei diesem Halbklassiker, dafür aber zwei niederländische. Störenfriede eben.
#fragschusti

Artifex
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Beitrag: # 315644Beitrag Artifex
25.10.2005 - 18:00

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 6: PORTRÄT

GEORGE HINCAPIE
Der Druck wächst

Der US-Amerikaner George Hincapie zeigt Jahr für Jahr exzellente Leistungen bei der Tour de France, gewinnt Preise und wird von Kollegen und Kritikern gleichermaßen ob seiner Vielfältigkeit beinahe in den Himmel gelobt – warum sich der New Yorker dennoch in einer schwierigen Situation befindet, lesen Sie im Porträt.

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Am 29. Juni 1973 wurde in New York in den Vereinigten Staaten von Amerika George Hincapie als Sohn einer kolumbianischen Einwandererfamilie geboren. Die Hincapies wussten damals noch nicht, dass ihr Sohn später einmal die Hoffnung einer ganzen Nation werden würde. Nein, sie wussten nur, dass die Geburt des kleinen Georges der glücklichste Moment und auch ein Wendepunkt in ihrem Leben war, das bis dahin von lauter Querelen nach der Flucht aus Kolumbien und der Einwanderung in die USA geprägt war. „Von Georges Geburt an, war unser Leben von Glück erfüllt“, sagt Vater Hincapie, der mit seiner Familie in ein kleines Haus im Stadtteil Queens zog und sofort versuchte, den jungen George für den Radsport zu begeistern. Hincapie Senior, selbst ein „Radsportfanatiker“, erinnert sich noch heute: „Ich weiß noch, dass ich George sehr früh das Fahrrad fahren beibrachte und immer zu versuchte, in ihm die Begeisterung für diesen Sport zu entfachen, die ich damals so wie heute noch verspüre.“ Dabei wurde es dem Vater jedoch nicht leicht gemacht, in einer Stadt, in der man vor lauter Knicks, Rangers, Islanders, Yankees, Jets und Mets kaum an Radsport denkt.

Und so kam es zunächst, wie es kommen muss: Hincapie zog es immer häufiger aus dem Stadtteil Queens nach Downtown New York, wo er im Central Park Basketball spielte, Musik hörte und eben das normales Leben eines New Yorker Teenager lebte. Bis eines Tages ein Fernseher den Haushalt der Hincapies beglückte und dort eine Radsportzusammenfassung – damals noch ein echtes Unikat im amerikanischen Sportfernsehen – lief. „Ich war sofort hin und weg“, sagt Hincapie. „Der Kampf um jeden Zentimeter, die Grimassen, die die Fahrer dabei vor Anstrengung machten, das alles faszinierte mich so sehr, dass fortan ein Rennrad mein sehnlichster Wunsch war“. Am dreizehnten Geburtstag war es schließlich soweit: George Hincapie bekam sein erstes Rennrad und fuhr oft den ganzen Nachmittag durch die Queens. „Irgendwann wurde mir das Fahren in meinem Stadtteil jedoch zu langweilig, also fuhr ich irgendwann alleine nach Downtown New York“, erzählt Hincapie. „So entwickelte ich im Prinzip meinen ersten Trainingsplan. Ich fuhr jeden Tag nach der Schule mit dem Rad nach New York, drehte im Central Park ein paar Runden und fuhr dann wieder nach Hause – jeden Tag dieselbe Strecke!“

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Hincapies erster Trainingsplatz: Der Central Park in New York

Nachdem sich George für den Radsport entschieden hatte, machte er den, für einen talentierten Jungen wie ihn, typischen Weg zum Radsportprofi: George trat in einen Radsportclub in New York ein und fuhr seine ersten Jugendrennen mit überraschendem Erfolg. „George kam neu in die Mannschaft und stellte sofort alle in den Schatten“, weiß sein erster Trainer Ray Davis noch heute. „Er besaß schon als Vierzehnjähriger eine ungeheure Ausdauer auf dem Rad und gewann häufiger Rennen mit zehn Minuten Vorsprung, weil niemand sein Tempo halten konnte.“ Daher kam auch die Nominierung in das Juniorenteam der USA nicht überraschend. In dieser Zeit fuhr Hincapie zehn Siege auf nationaler Ebene ein, später gewann er sogar zwei internationale Rennen mit dem „Star Spangled Banner“ auf dem Trikot. Als Belohnung für diese außergewöhnlichen Leistungen bekam Hincapie zweimal den Mary-Cappy-Award für besondere sportliche Leistungen im Juniorenbereich verliehen – und endlich meldeten auch die Profiteams Interesse. Seinen ersten Vertrag unterschrieb Hincapie 1994 beim Team Motorola, wo er sich als schneller Sprinter mit guten Leistungen für eine Vertragsverlängerung empfahl und dem Team auch nach der Übernahme von US Postal angehörig blieb.

Im ersten Jahr unter US Postal wurde George Hincapie bei der Ronde van Vlaanderen ins kalte Wasser geworfen. Frankie Andreu, der damalige Mannschaftskapitän, weiß noch heute seine Erinnerungen an diesen Tag in Worte zu fassen: „Es war eine ganz besondere Ronde. Ein schnelles Rennen, bei dem es trotz der Trockenheit viel Stürze durch Gerangel und Defekte gab – kurzum: Es war verdammt schwierig! Aus unserem Teambus drang ein einziges Gefluche und Gestöhne, da fast jeder mehrfach gestürzt war. Irgendwann fragte ich George, ob ihm das Rennen gefallen hätte und ich rechnete mit der stereotypen Antwort aller Leute, die zum ersten Mal einen Klassiker über Kopfsteinpflaster fahren und diese dämliche Idee verfluchen, doch zu meiner Überraschung sagte George, dass er das Rennen liebte und ab sofort jedes Jahr fahren wolle.“ Eine Erklärung für dieses Phänomen zu finden, ist für Andreu eine Leichtigkeit: „George war bis dahin immer der Sprintertyp. Für ihn kam es immer auf die letzten zwei Kilometer an, dort musste er voll konzentriert sein und durfte sich bei den Positionskämpfen keine Fehler erlauben. Und dann fuhr er zur Ronde van Vlaanderen, wo die Positionskämpfe, die Rangelei, schon auf den ersten zwanzig Kilometern beginnen. Das Rennen war wie geschaffen für ihn!“

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Hincapie fand die Begeisterung für die Kopfsteinpflasterrennen bei seinem ersten Auftritt bei der Ronde van Vlaanderen.

Hincapie selbst sieht das ganz ähnlich: „Das Rennen begann und sofort wurde gerangelt und geschubst und dabei ein ordentliches Tempo gefahren. Ich kam mir dabei vor wie bei einem Massensprint und versuchte nicht daran zu denken, dass noch über 250 Kilometer vor mir lagen.“ Kaum verwunderlich bei diesen Worten, dass Hincapie Paris-Roubaix als absolutes Lieblingsrennen nennt und inzwischen eine ganz besondere Beziehung zu den alten Klassikern über Kopfsteinpflaster hegt und pflegt.

Artifex
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Beitrag: # 315748Beitrag Artifex
26.10.2005 - 13:53

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 6: PORTRÄT

Teil 2

Hincapies Entwicklung vom Sprinter zum Klassikerspezialisten war damit so gut wie abgeschlossen, zumal zur Saison 1997 ein gewisser Lance Armstrong als bisheriger Klassikerjäger des Teams fehlte. Hincapie schaffte jedoch lediglich nur einen Tagessieg bei der Katalanischen Woche, versank 1997 ansonsten im Mittelmaß und wurde den hohen Erwartungen, Lance Armstrongs Lücke zu füllen, nicht gerecht. „Es war ein schwieriges Jahr für mich, für uns alle. Ich habe viel an Lance gedacht und meine Aufgaben dabei wohl zu sehr verdrängt“, meint Hincapie heute. „Sportlich gesehen war das Jahr sehr durchwachsen, das stimmt, aber über all diesem stand die Genesung von Lance, die uns allen im Team und ihm ganz besonders neuen Lebensmut gab und uns allen auch heute noch Antrieb gibt.“ Tatsächlich scheint Hincapie jedoch aus dem bewegenden Kampf Lance Armstrongs gegen den Krebs gelernt zu haben, denn 1998 gewann Hincapie nicht nur den Meistertitel der USA, sondern kämpfte auch im Sommer über eine Woche lang bei der Tour ums gelbe Trikot mit und empfahl sich so erfolgreich bei Armstrong, der seinen Angriff auf die Tour ’99 ankündigte.

Bei besagter Rundfahrt unterstützte er Armstrong tatkräftigst bei dessen Erfolg beim „größten Radrennen der Welt“ und wurde somit Teil des „größten Comebacks des Jahrhundert“. Darüber hinaus präsentierte sich Hincapie bei Paris-Roubaix in exzellenter Form und wurde Vierter, bei der Tour von Luxemburg ließ er vergessen geglaubte Sprinterqualitäten aufblitzen und gewann die Punktwertung. Zum ersten Mal hörte man das Wort „Allrounder“ in Bezug zu Hincapie, gleichzeitig wurde jedoch auch die Kritik lauter, Hincapie fehle der letzte Punch zum Siegfahrer wie sein großer Landsmann Armstrong einer war und weiter bleiben sollte.
Erst 2001 klappte es bei dem prestigeträchtigem Halbklassiker Gent-Welvegem. „Ich war natürlich erleichtert, denn die Leute sollten wissen, dass ich mich mit vierten oder achten Plätzen auf Dauer nicht zufrieden gab“, so Hincapie, der im Jahr nach der Jahrtausendwende außerdem bei Paris-Roubaix, Mailand-San Remo, der Züri Metzgete und dem Gesamt-Weltcup eine gute Figur abgab. Nachdem der Knoten geplatzt war, blieben weitere Erfolge bei Eintagesrennen jedoch aus. Stattdessen fuhr Hincapie nun regelmäßig im Sommer zu Höchstform auf und verhalf seinem Freund und Kapitän Lance Armstrong zu weiteren Tour-Siegen. Als der „Tourminator“ aus Texas Hincapie schließlich aufgrund dessen durchschlagender Fähigkeiten in der Ebene, im Mannschaftszeitfahren und in den Bergen zum wichtigsten Helfer deklariert, verschwinden zunächst auch die leisesten Kritiker von der Bildfläche.

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Auch in der Vorbereitung desöfteren gemeinsam unterwegs: George Hincapie und Lance Armstrong

Doch damit das auch so bleibt, muss Hincapie in den nächsten Jahren endlich mal einen großen Erfolg einfahren. Denn mit Lance Armstrong tritt nächstes Jahr der größte Sportler des Landes, der die US-Amerikaner mit ständigen Erfolgen auf der großen Bühne des Radsports verwöhnte, ab und hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schließen ist. Dennoch wird man Siege, großartige Siege, erwarten und dabei vor allem auf den New Yorker Hincapie setzen. Chris Horner, Bobby Julich, Levi Leipheimer und David Zabriskie sind alles große Fahrer und haben dennoch nicht die Veranlagung, eines der Monumente zu gewinnen, wie George Hincapie sie hat. „Natürlich bin ich mir bewusst, dass man viel von mir erwartet“, sagt Hincapie, „ich bin jedoch auch zuversichtlich, werde noch Chancen bei der Ronde oder auch bei Paris-Roubaix kriegen und diese irgendwann auch nutzen.“ 2006 als Tour-Kapitän zu fungieren hält Hincapie derweil für ausgeschlossen. „Die Teamführung und ich haben das bisher nicht in Erwägung gezogen, wir haben ja auch genug andere starke Fahrer im Team, die Kapitän werden können.“ „Außerdem“, betont Hincapie, „ist die Planung für 2006 zurzeit absolut zweitrangig. Ich möchte Lance unbedingt zu seinem siebten Toursieg verhelfen, alles andere muss sich dahinter anstellen.“ Dennoch weiß Hincapie, dass er immer noch Amerikas größte Hoffnung auf einen Klassikergewinn ist und dass der Druck Ära „nach Armstrong“ auf ihm weiter wachsen wird.

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Beitrag: # 316264Beitrag Artifex
29.10.2005 - 14:13

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 8: INTERVIEW DER WOCHE

MAGNUS BACKSTEDT
„Ich möchte keine Eintagesfliege sein!“

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Der KONTRAST sprach mit einer der Überraschungen der letzten Saison, Magnus Backstedt. Der Schwede enthüllte seine Saisonplanungen, seine Ideen für die Zukunft und warum Paris-Roubaix für ihn eines der schönsten Rennen der Welt ist.

KONTRAST: Herr Backstedt, Ihr Name wurde in den Startlisten beim Omloop Het Volk und Kuurne-Brüssel-Kuurne schmerzlich vermisst?
Magnus Backstedt: Tatsächlich?
KONTRAST: Am Start waren Sie ja nicht, oder?
Backstedt: Nein, aber dass man mich schmerzlich vermissen würde, hatte ich nicht erwartet.
KONTRAST: Als Titelverteidiger bei Paris-Roubaix sind Sie ja aber auch kein Unbekannter mehr. Jetzt mal im Ernst, sah Ihre Vorbereitung keine Teilnahme am in offiziellen Start der Klassikersaison vor?
Backstedt: Jein. Das ist insofern richtig, dass ich eben nicht teilgenommen habe. Die Entscheidung fiel jedoch kurzfristig, vor ungefähr einer Woche. Mir fehlte so ein bisschen die Sicherheit, die Rennhärte, und deshalb habe ich lieber für mich weiter trainiert. „Ich möchte nicht die Eintagesfliege sein!“
KONTRAST: Beunruhigt Sie Ihre derzeitige Form angesichts der Auftritte Ihrer Konkurrenten Peter van Petegem, Leif Hoste, Tom Boonen beim Omloop?
Backstedt: Beunruhigung? Nein, auf keinen Fall, ich bin in einer ordentlichen Verfassung und daher auch sehr ruhig und zufrieden.
KONTRAST: Eben sagten Sie dennoch, dass es Ihnen noch an Rennhärte fehle. Haben Sie vielleicht auch deshalb noch keinen Saisoneinstand gefeiert?
Backstedt: Halt. Ich meine keinesfalls, dass ich in schlechter Form bin. Die Sache ist einfach die, dass mein Trainingsziel die Woche von der Ronde und Paris-Roubaix ist. Wäre ich Belgier, müsste ich mir über mein Fernbleiben beim Het Volk Gedanken machen, da ich aber aus Schweden komme, hat dieses Rennen keine besondere Wichtigkeit für mich.
KONTRAST: Dennoch die Frage: Wann ist mit Ihrem Saisonauftakt zu rechnen?
Backstedt: Nun, prinzipiell reizt mich der Klassiker Mailand-Turin, spätestens werde ich jedoch in zwei Wochen bei einem der beiden ProTour-Rennen Paris-Nizza oder dem Tirrenno-Adriatico in die Saison starten.

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Backstedt tritt seit Beginn der Saison für Liquigas-Bianchi in die Pedalen.

KONTRAST: War diese Entscheidungsfreiheit, die man Ihnen bei Liquigas-Bianchi bietet, ein Grund für den Wechsel?
Backstedt: Nicht wirklich. Bei Alessio durfte ich auch entscheiden, wann ich bereit für mein erstes Rennen bin, insofern hat sich in dieser Hinsicht nicht viel verändert.
KONTRAST: Dennoch die Frage: Warum der Wechsel von Alessio zu Liquigas, lief es bei Alessio doch so gut?
Backstedt: Das hat zwei einfache Gründe. Zum einen war da mein Bauchgefühl sehr entscheidend. Ich habe die Transferpolitik von Liquigas sehr interessiert verfolgt und festgestellt, dass sich dort ein sehr interessantes Team gefunden hat. Außerdem war die Zeit für einen Wechsel einfach gekommen.
KONTRAST: Die „Zeit für einen Wechsel” scheint bei Ihnen recht häufig zu kommen? Liquigas ist mittlerweile ihr sechster Rennstall innerhalb von neun Profijahren. Ein Wert, der in den Statistiken größtenteils seinesgleichen sucht. Wie erklären Sie sich das?
Backstedt: Ich persönlich kann für mich sagen, dass ich kein Wandervogel bin und meine Teams auch nicht nach Laune wechsele, wie es mir manchmal vorgeworfen wird. Zwar ruft diese Statistik, wenn man denn so will, solche Vorstellungen hervor, dennoch muss man auch die Umstände der Wechsel sehen. Ich denke, dass viele Wechsel aufgrund von Teamveränderungen und ähnlichem stattfanden, lediglich die Wechsel von Palmans zu Crédit Agricole, damals noch Gan, und von Alessio zu Liquigas waren Entscheidungen, die ich selber trief.
KONTRAST: Was war denn die zweite Motivation?
Backstedt: Die ProTour! Ganz klar, ich wollte unbedingt bei den größten Rennen der Welt dabei sein und diese sind nun mal in der Klasse der ProTour eingestuft. Und die Chancen auf eine Lizenz standen bei Alessio-Bianchi leider nicht sehr gut, also wurde der Wechsel dadurch natürlich noch notwendiger für mich.
KONTRAST: Haben Sie nicht das Gefühl, Ihr Team im Stich zu lassen?
Backstedt: Fragen Sie das jeden anderen Fahrer auch? Ich habe dieses Gefühl jedenfalls nicht. Ich denke, dass ich den Anspruch auf einen Platz in der ProTour habe und wenn man mir den bei Alessio-Bianchi nicht bieten kann, dann muss ich für mich entscheiden, ob ich damit leben kann oder nicht.
KONTRAST: Das klingt ziemlich hart.
Backstedt: Ist es aber nicht. Wir haben uns in aller Freundlichkeit getrennt, es gibt ja auch keinen Grund irgendwie wütend aufeinander zu sein. Ich denke, dass ich bei Alessio ordentliche Leistungen abgeliefert habe und darüber waren die sportlichen Leiter auch sehr zufrieden.
KONTRAST: Spielte Geld eine Rolle?
Backstedt: Dass das Gehalt bei einem ProTour-Team höher sein würde, als bei einem einfachen Rennstall wie Alessio einer ist, kann sich glaube ich jeder selber denken. Das war jedoch kein wichtiger Aspekt für mich, das Geld spielte also keine Rolle.
KONTRAST: Abschließend zu diesem Thema: Was war dann für Sie der entscheidende Aspekt?
Backstedt: Ich möchte nach dem Sieg bei Paris-Roubaix unbedingt an meine Leistungen anknüpfen. Ich möchte später nicht als Eintagsfliege, nicht ewig der Überraschungssieger bei Paris-Roubaix sein. Ich möchte weitere Erfolge bei namhaften Rennen feiern und dazu muss ich in der ProTour starten können.

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Wechselte ebenfalls von Alessio in die ProTour: Pietro Caucchioli (C.A.)

KONTRAST: Paris-Roubaix ist dieses Jahr dennoch Ihr großes Ziel?
Backstedt: Sagen wir es mal so: Als Titelverteidiger habe ich natürlich einen Anspruch darauf, bei Paris-Roubaix ein gutes Rennen zu zeigen und zumindest in die Top10 zu fahren. Dennoch ist es natürlich ein sehr großes Risiko, sein ganzes Training auf Paris-Roubaix zu konzentrieren?
KONTRAST: Warum?
Backstedt: Weil es dort einfach sehr leicht zu Stürzen und Defekten kommen kann, die einem dann nicht nur das Rennen sondern auch die ganze Vorbereitungszeit zerstören. Das macht Paris-Roubaix meiner Meinung nach auch zu einem der schönsten Rennen der Welt, der schmale Grat zwischen Glück und absoluter körperlicher Höchstleistung.
KONTRAST: Wo sehen Sie abseits des Kopfsteinpflasters Ihre Stärken?
Backstedt: Ich denke, dass ich eine gesunde Härte besitze und einen fitten Körper, zudem kann ich in den Sprints eine ordentliche Geschwindigkeit erreichen.
KONTRAST: Trotzdem dürften Sie bei Klassikern wie Mailand-San Remo oder auch Paris-Tours gegen die Petacchis, McEwens, Boonens eigentlich keine Chancen haben.
Backstedt: Das ist natürlich richtig.
KONTRAST: Wo sehen Sie sich denn dann in ein paar Jahren?
Backstedt: Ich würde in einigen Jahren sehr gerne auf Erfolge bei Eintagesrennen, die aufs gesamte Jahr verteilt sind, zurückblicken können. Dazu gehört neben dem Frühjahr natürlich auch der italienische Herbst und die Rennen nach der Tour.
KONTRAST: Ist das nicht ein bisschen naiv, aufs ganze Jahr verteilt Erfolge feiern zu wollen?
Backstedt: Nein, ich denke nicht. Man muss flexibel und bereit sein, etwas Neues auszuprobieren, wenn man Erfolg haben möchte.
KONTRAST: Sicher? Lance Armstrong beweist Jahr für Jahr das Gegenteil!
Backstedt: Armstrong ist auch ein Rundfahrer, ganz im Gegenteil zu mir. Ich möchte Eintagesrennen gewinnen und werde versuchen, meine Vielseitigkeit deshalb in den nächsten Monaten weiter zu trainieren.
KONTRAST: Abschließend noch eine Frage: Wie groß schätzen Sie die Chance auf die Titelverteidigung ein?
Backstedt: 20 Prozent.

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Escartin
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Beitrag: # 317968Beitrag Escartin
12.11.2005 - 11:54

Was ist los? Lese den AAR sehr gerne und hoffe, ihr habt den Elan nicht verloren!
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JeremyAndrews
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Beitrag: # 318074Beitrag JeremyAndrews
12.11.2005 - 23:59

Es ist weniger der Elan der uns fehlt, sondern viel mehr die Zeit.
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Alejandro V.
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Beitrag: # 318094Beitrag Alejandro V.
13.11.2005 - 1:42

(Falls ich kurz einspringen darf) Hoffi berichtet über die Valencia-Rundfahrt, war (oder ist?) aber krank, schreibt dazu ne Menge Klausuren und hat auch noch Provider-Probleme. Geht aber auf jeden Fall weiter ;)
Bill Simmons über den WAS-ATL-Trade: "There's only one silver lining: the chance that Bibby and Rashard Lewis will run their high screen in Washington and immediately get attacked by cadaver-sniffing dogs."

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Hoffi
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Beitrag: # 319391Beitrag Hoffi
21.11.2005 - 21:40

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005[/size][/b][/color]
SEITE 9: DIE RENNEN DER WOCHE

VOLTA A VALENCIA
Spanische Comeback-Feiern

Nach mehr als zweijähriger Leidenszeit vollziehen die spanischen GT-Helden Angel Luis Casero und Joseba Beloki den ersten Schritt auf dem Weg zurück in die Weltklasse – während Alessandro Petacchi seine Ausnahmestellung untermauert.

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Sieger in Westspanien: Angel Luis Casero.

Vor drei Jahren noch hätten Joseba Beloki und Angel Luis Casero die Frage, ob sie gewagt hätten, von einem derartigen Ergebnis bei der Volta a Valencia auch nur zu träumen, nicht mehr als ein Schmunzeln abverlangt. Damals, im Frühjahr 2002, wurde Casero von seinen Landsleute als amtierender Vuelta-Sieger verehrt, und in Beloki, zweimaliger Tour-Dritter und späterer Zweiter, erhofften sich die Spanier einen Nachfolger von Indurain und Armstrong bei der Frankreich-Rundfahrt. Doch Casero wie Beloki durchlitten zuletzt die schlimmsten Jahre ihrer Karriere, Comebackversuche scheiterten, die Hoffnung auf eine Rückkehr der alten, erfolgreichen Jahre schwand.

Dieser Zeiten mögen sich Casero und Beloki zumindest ansatzweise entsinnt haben, als der vierte Tagesabschnitt der heurigen Valencia-Rundfahrt, der Königsetappe, mit einer Bergankunft auf dem Alto del Campello endete. Casero triumphierte vor Teamkollege Carlos Garcia Quesada, übernahm das Leaderjersey und ließ es sich am letzten Tage nicht mehr ausziehen. „Obschon der Stellenwert dieser Rundfahrt nicht allzu hoch einzuschätzen ist, ist es ein überwältigendes Gefühl, nach dreieinhalbjähriger Durststrecke mal wieder auf dem Podest zu stehen“, frohlockte Casero. „Ein solches Resultat zu Saisonbeginn schafft ein Fundament für den restlichen Teil der Saison.“

Bild
Aufkeimender Hoffnungsschimmer: Joseba Beloki.

Ebenso wie Joseba Beloki, letztlich Gesamtvierter, der sein Comeback nach mehr als zwei Jahren endlich als geglückt bezeichnen darf, dämpft der 32-Jährige jedoch die Erwartungen mit Blick auf größere Rennen: „Der Radsport ist ein schnelllebiges Geschäft.“ Dagegen sei es für Beloki zunächst einmal von höchster Priorität, derlei Leistungen konstant abzurufen, an Tour und Vuelta verschwende er momentan keine Gedanken. Denn „es wäre töricht, den Stellenwert dieses vierten Platzes zu überschätzen“, mahnt der 31-jährige Saiz-Schützling. „Er ist nicht mehr als ein erster Schritt auf einem harten und beschwerlichen Weg zurück in die Weltspitze.“

Zumal man bedenken müsse, dass sich die Konkurrenz zuvörderst aus Athleten zusammengesetzt habe, die die Rundfahrt lediglich zum Formaufbau genutzt hätten, überdies „klaffen gravierende Unterschiede zwischen einer Rundfahrt, die mit einer Bergetappe in fünf Tagen und einer mit sieben in 21 Tagen aufwartet“. Neben der diffizilen Bergankunft auf dem Alto del Campello durfte sich ausschließlich die Sprintergilde profilieren.

Alessandro Petacchi, Oscar Freire und Olaf Pollack entpuppten sich nach vier Tagen als die Endschnellsten. Freire gewann die erste Etappe aus einem dezimierten Feld, Pollack tat es ihm tags darauf, ebenfalls aus einem arg minimierten Hauptfeld, gleich. Als es Petacchis Fassa-Bortolo-Mannschaft am dritten und fünften Tag jedoch gelang, einen reinen Massensprint zu erzwingen, unterstrich Petacchi abermals, dass er „das Schnellste“ schlechthin personifiziert. Beide Male war der 31-Jährige imstande, Freire recht problemlos zu distanzieren – weshalb Petacchi durchaus angebrachten Optimismus versprüht: „Ich wähne mich in einer akzeptablen Konstitution und zweifle nicht daran, Mailand- San Remo zu gewinnen.“ Bis dahin sind es noch drei Wochen – Beloki und Casero können sich da mehr Zeit lassen auf ihrem Weg zurück.

(Fortsetzung folgt.)
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José Miguel
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Beitrag: # 319426Beitrag José Miguel
22.11.2005 - 13:35

Schön, dass der AAR (und das RPG) weitergeht :D
RZ: Punktewertung Vuelta 2006 und 2008, Etappensieg TdF 2010, 2011 und Giro 2012&2014, Berg Giro 2012, 2013, 2014 / Rad-Tipp: Giro dell'Emilia, Paris-Tours 2008, Tour de Romandie 2011, Eneco-Tour 2011, WM-Zeitfahren 2011 / Frauenfussball-Weltmeisterschaft 2007 / Fussball-Bundesliga 11-12
SKI: Whitney Houston Award 10/11, 11/12, 12/13, 13/14

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Hoffi
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Beitrag: # 319672Beitrag Hoffi
23.11.2005 - 22:02

(Fortsetzung)

Der Rennverlauf

1. Etappe
Auf den 149 Auftaktkilometern, die auf einem hügeligen Rundkurs um Xabea ausgetragen wurden, führten zwei kurze Steigungen, die insgesamt achtmal passiert werden mussten, vornehmlich zu Rennende eine Selektion herbei. Das Feld wurde an den letzten Anstiegen zerrissen – und aus der Sprinterschar überlebte lediglich Oscar Freire, der folgerichtig den ersten Etappensieg vor Landsmann Angel Vicioso im Sprint einer etwa 60 Fahrer starken Kopfgruppen mitsamt allen Favoriten verbuchen konnte.

2. Etappe
Auch am zweiten Tage verhinderte ein diffiziler Parcours den von Alessandro Petacchi erwünschten Massensprint: Einen zehn Kilometer langen Anstieg, der nach 120 von 148,5 Kilometern, die zwischen Xabea und Calp absolviert werden mussten, anstand, nutzten ein Dutzend Fahrer, darunter Casero, Beloki, Mancebo oder Samuel Sanchez, zur Attacke. Unmittelbar vor dem Gipfel fuhren sie die einstige Spitzengruppe auf, in der sich auch Olaf Pollack befand; und weil sich der T-Mobile-Profi als zäher Kämpfer erwies, konnte er im Schlussspurt seine Sprintfähigkeiten ausspielen und vor Ricardo Serrano sowie Patrick Calcagni triumphieren.

3. Etappe
Erst am dritten Tag – für Petacchis Geschmack deutlich zu spät – schaffte die Equipe des Sprintmonarchen das, was sie an den ersten beiden Tagen verfehlt hatten: das Peloton zu einem klassischen Massensprint zwingen. Trotz einer recht selektiven Bergwertung unmittelbar vor dem Ziel konnte die Ferretti-Equipe das Hauptfeld zusammenhalten und ihrem Kapitän die optimale Situation bescheren – die der 32-Jährige nutzte. Petacchi siegte auf den 197, anfangs durchweg flachen Kilometern, von Calp nach Port de Sagunt vor Oscar Freire.

4. Etappe
Wie von der Organisation konzipiert, sollte die vierte Etappe über 158 Kilometer von Sagunt auf den Alto del Campello, ein Schlussanstieg, der zuvörderst aufgrund seiner extremen Steilheit auf den letzten Kilometern besticht, über den letztendlichen Ausgang der Rundfahrt entscheiden. Die Kelme-Mannschaft dominierte die Schlusskilometer mit permanenten Attacken, sicherte sich durch Angel Luis Casero und Carlos Garcia Quesada vor den zeitgleichen Alberto Lopez de Munain und Pablo Lastras den verdienten Doppelsieg; Mancebo, Beloki und Co. wurden auf die Plätze verwiesen.

5. Etappe
Wegen der wesentlichen flacheren Topographie war Fassa Bortolo am Schlusstag ohne nennenswerte Probleme imstande, ihrem Kapitän zum zweiten Male einen Massensprint zu bescheren. Da die zweite Hälfte der 165,5 Kilometer rund um Valencia ohne jegliche selektive Anstiege bespickt war, waren sämtliche Gruppen der Chancenlosigkeit ausgesetzt – ebenso wie Petacchis Konkurrenz nach nahezu vier Stunden Fahrzeit am Ende im Sprint: Der Italiener erspurtete sich seinen zweiten Sieg, abermals vor Freire.

Resultate
Gesamtwertung
1 Angel Casero (ECV) 19:19:26
2 Alberto Lopez de Munain (EUS) + 0:13
3 Samuel Sanchez Gonzalez (EUS) + 0:22
4 Joseba Beloki (LSW) + 0:31
5 Josep Jufre (REF) + 0:34
6 Francisco Mancebo (IBA) gl. Zeit
7 José Luis Arrieta (IBA) + 0:54
8 Luis Leon Sanchez (LSW) + 1:11
9 Pablo Lastras (IBA) + 1:34
10 Carlos Garcia Quesada (ECV) + 1:44

1. Etappe
1 Oscar Freire (RAB) 3:32:05
2 Angel Vicioso (LSW) gl. Zeit
3 José Luis Arrieta (IBA) gl. Zeit
4 Samuel Sanchez Gonzalez (EUS) gl. Zeit
5 Maarten Den Bakker (RAB) gl. Zeit

2. Etappe
1 Olaf Pollack (TMO) 3:13:34
2 Ricardo Serrano (KAI) gl. Zeit
3 Patrick Calcagni (LIQ) gl. Zeit
4 Patrice Halgand (C.A.) gl. Zeit
5 Saul Raisin (C.A.) gl. Zeit

3. Etappe
1 Alessandro Petacchi (FAS) 5:24:10
2 Oscar Freire (RAB) gl. Zeit
3 Mario Cipollini (LIQ) gl. Zeit
4 Olaf Pollack (TMO) gl. Zeit
5 Viktor Rapinski (PHO) gl. Zeit

4. Etappe
1 Angel Casero (ECV) 3:20:04
2 Carlos Garcia Quesada (ECV) gl. Zeit
3 Alberto Lopez de Munain (EUS) gl. Zeit
4 Pablo Lastras (IBA) gl. Zeit
5 Josep Jufre (REF) + 0:14

5. Etappe
1 Alessandro Petacchi (FAS) 3:48'00
2 Oscar Freire (RAB) gl. Zeit
3 Olaf Pollack (TMO) gl. Zeit
4 Viktor Rapinski (PHO) gl. Zeit
5 Fabrizio Guidi (PHO) gl. Zeit
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JeremyAndrews
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Beitrag: # 319857Beitrag JeremyAndrews
24.11.2005 - 23:02

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 10: AUSZEICHNUNG

Der Fahrer der Woche

Peter Van Petegem (35)

Bild

Name: Van Petegem, Peter
Nationalität: Beglien
Geburtstag: 18.01.1970
Team: Davitamon - Lotto
Profi-Siege: 20

Bereits seit 1992 ist der alte Hase Peter Van Petegem Profi, damals fing er beim Team PDM an, ein Jahr später trug er dann bereits dass erste mal das Trikot von Lotto. Es folgte ein Jahr bei Trident, wo Van Petegem beim Scheldeprijs seinen ersten Profisieg feierte und 5 Jahre für das Team TVM, bevor dieses zum Team Farm Frites wurde. Bei TVM konnte der Belgier dann auch zum ersten mal die Ronde van Vlaanderen gewinnen.

Nach einem Jahr bei Mercury, 2001, wo er immerhin 3 Siege hatte, trug er wieder das Lotto Trikot, dem er bis Heute treu blieb und auch seinen bislang größten Erfolg feierte, dem Doppelsieg Ronde van Vlaanderen + Paris-Roubaix.

Eine, bislang schon sehr erfolgreiche Karriere, wurde nun auch Heuer wieder fortgesetzt. Mit seinem, nun vierten, Sieg beim Omloop Het Volk meldete sich Van Petegem, nach einem erfolglosen Jahr, eindrucksvoll zurück. Seinem schärfsten Konkurrenten, und gehandelten Nachfolger, Tom Boonen will Peter Van Petegem noch mal den Kampf ansagen.
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Alejandro V.
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Beitrag: # 320037Beitrag Alejandro V.
25.11.2005 - 19:52

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005[/size][/b][/color]
SEITE 11: REPORTAGE

Radsport Hintergrund
Zwei gegen den Rest der Welt
Italien und Spanien – ein Synonym für hochklassigen Radsport. Doch woran liegt es, dass diese beiden Länder eine solche Vormachtstellung besitzen? Und wieso gehört Frankreich nicht mehr dazu? Welche Nationen könnten mittelfristig aufschließen? Fragen, denen der KONTRAST nachgegangen ist und dabei viele Antworten gefunden hat

Was haben der Giro-Sieger, das Vuelta-Podium, der Weltcupsieger, der Tour-Dritte und der letzte Führende der Weltrangliste gemeinsam? Sie alle kommen aus den Radsporthochburgen Italien und Spanien. In beiden Ländern scheint das Reservoir an Spitzenfahrern unerschöpflich, Radsportler aus beiden Ländern sind auch bei ausländischen Teams immer wieder sehr willkommene Gäste. Der Erfolg des Radsports in Südeuropa liegt selbstverständlich auch in einer langen Tradition begründet: Bereits in den 40er Jahren elektrisierte das Duell Bartali gegen Coppi ganz Italien und spaltete eine Nation. Spätestens seit diesem Zeitpunkt hat sich der Radsport tief im Bewusstsein der Menschen verankert, weshalb sich immer wieder neue Weltklassefahrer in den Vordergrund drängen. Gastone Nencini und Graziano Battistini traten die Nachfolge Coppis an, später kamen Stars wie Francesco Moser, Mario Cipollini oder Marco Pantani aus dem Appennin. Dabei kamen aber auch Klassikerspezialisten wie Francesco Ballerini, Andrea Tafi oder aktuell Paolo Bettini nicht zu kurz, so dass sich bereits anhand dieser kurzen Auflistung feststellen lässt: Fahrer aller Gattungen werden in Italien perfekt an die Weltklasse heran und in diese hinein geführt.

Das ist auch schon ein merklicher Unterschied zu den Spaniern: In Spanien gibt es überproportional viele Kletterer, aber kaum Sprinter. Klassikererfolge resultieren, sofern es überhaupt welche gibt, eher aus dem Zufall heraus, echte Spezialisten gab es für dieses Terrain bisher kaum. Federico Bahamontés, der „Adler von Toledo“, zog Millionen seiner Landsleute in seinen Bann, als er 1959 die Tour de France gewann. Stolz war man, als Luis Ocana 1972 Eddy Merckx an den Rand einer Niederlage brachte und nur durch einen Sturz den sicher geglaubten Toursieg verlor, ihn sich aber ein Jahr später endgültig holte, wenn auch in Abwesenheit Merckx'. Pedro Delgado und Miguel Indurain sorgten mit ihren Erfolgen für einen neuerlichen Radsport-Boom und für eine kurzzeitige Wachablösung an der Weltspitze: Für einen Moment schien Spanien Italien überholt zu haben. Heutzutage heißen die Aushängeschilder Roberto Heras, Iban Mayo oder Alejandro Valverde. Besonders letzterem wird vielerseits zugetraut, der dominante Fahrer der Zukunft zu werden: Stark am Berg, an kurzen Anstiegen und im Sprint muss er sich lediglich noch im Zeitfahren verbessern. Mit diesen Eigenschaften findet er sich in bester Gesellschaft mit dem anderen Superstar seiner Altersklasse, der, wie sollte es anders sein, Italiener ist.

Der Stern Damiano Cunegos ging 2004 auf, als er den Giro del Trentino gewann und anschließend den Giro d'Italia beinahe nach Belieben dominierte, dabei eine wahre Glanzeleistung bei einer schweren Dolomiten-Etappe nach Falzen vollbrachte und nach einem achtzig Kilometer langem Solo gewann. Der Newcomer des Jahres fuhr im Herbst eine ansprechende Vuelta, verfehlte nur knapp den WM-Straßentitel und rundete mit dem Erfolg beim Monument Giro di Lombardia ein mehr als gelungenes Jahr ab, das er auf Platz eins der Weltrangliste beendete. Allerdings wuchs damit vor allem in Italien die Erwartungshaltung an den Jungstar drastisch, der im KONTRAST-Interview (Ausgabe 2, Seite 12) schon erste Zweifel durchklingen ließ: „Ich bin mir bewusst, dass dieses Jahr um einiges schwieriger wird als das Letzte“, und damit unbewusst auf ein Problem in solchen Radsporthochburgen verwies: Junge Talente gibt es zuhauf, doch nicht alle werden so früh mit so viel Druck fertig.

Bild
Italiens neueste Radsporthoffnung: Damiano Cunego

Ein warnendes Beispiel in dieser Hinsicht gibt ebenfalls eine traditionelle, in den letzten Jahren wieder stärker aufkommenden Radsportnation: In Belgien finden am Wochenende zig Jugendrennen statt, die für die Lokalpresse ein riesiges Spektakel darstellen. Dementsprechend werden die Sieger dieser Rennen hochgejubelt und die Erwartungen steigen ins Unermessliche, sollte ein belgischer Amateur einen Profivertrag unterschreiben. Beispiele gibt es genug von Fahrern, die dem Druck nicht standhalten konnten, das jüngste ist Frank Vandenbroucke. Oftmals wollen die Medien aber solche Fehler nicht eingestehen: „Meiner Meinung nach ist die belgische Radsportpresse ziemlich ausgewogen in ihrer Berichterstattung. Ich verstehe nicht, warum wir für Frank Vandenbrouckes Probleme verantwortlich sein sollen“, sagt Eric de Falleur von La Dernière Heure, sondern sucht das Problem eher beim Fahrer selber: „VDB war ein Opfer der Umstände. Er steht sich aber auch selbst im Weg, insbesondere im Umgang mit der Presse. Sowohl er als auch sein Team suchten immer die Öffentlichkeit.“ Die Quintessenz: Heute steht Vandenbroucke gerade mal sechs Jahre nach seiner herausragenden Vuelta a Espana vor dem Karriereende.
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Alejandro V.
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Beitrag: # 320199Beitrag Alejandro V.
26.11.2005 - 15:13

Nicht sehr viel anders geht es jungen Talenten in Spanien oder Italien. Bestes Beispiel ist das Baskenland, wo drei täglich erscheinende Sportzeitungen umfassend über den Radsport informieren. Der Presse bleibt nichts verborgen und ein Fahrer kann sich keinen Fehltritt erlauben, ohne dass er ihn am nächsten Tag in der Zeitung lesen könnte. So fordert auch Vicente Belda, Verantwortlicher bei Comunidad Valenciana und Entdecker zahlreicher Talente: „Die Profis können sich den Medien nicht verschließen, das geht einfach nicht mehr. Deshalb ist es die Aufgabe von uns als Teamchefs, insbesondere junge Fahrer im Umgang mit den Medien zu trainieren und sie darauf vorzubereiten. Leider gelingt das nicht immer und die jungen Burschen heben ziemlich schnell ab. Ich will nicht sagen, dass die Presse die komplette Schuld hat, aber eine Teilschuld fällt auch ihr zu. Sie jubelt verständlicherweise Fahrer nach guten Leistungen sehr schnell hoch, ohne an die möglichen Folgen zu denken und verklären dabei das reale Leistungsniveau eines Fahrers.“ Immerhin scheint Damiano Cunego die Zeichen der Zeit erkannt zu haben: „Ich habe mittlerweile verstanden, wie das System des Sportgeschäfts läuft: Genauso schnell, wie du oben bist, kannst du auch ganz schnell wieder unten sein“, erklärte er im KONTRAST.

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Vorzeigeprodukt einer radsportverrückten Nation: Tom Boonen

Allerdings verweist auch der Streit zwischen Teamchefs und Presse unbewusst auf einen ganz großen Vorteil, der die Vormachtstellung Italiens oder Spaniens im internationalen Radsport zementiert: Beide Länder verfügen über einen unglaublichen Talentepool und sehr professionelle Strukturen im Nachwuchsbereich. So wächst immer wieder eine neue Generation hungriger und motivierter Fahrer heran, die in sehr professionellen Strukturen geformt wurden: So unterhalten viele Teams eigene Nachwuchsabteilungen und eine ganze Schar an Scouts, die das komplette Jahr die Heimat nach noch unentdeckten Rohdiamanten durchforsten. Allerdings erwächst den Südeuropäern langsam aber sicher Konkurrenz: Besonders die Niederlande setzten in den vergangenen Jahren verstärkt auf Nachwuchsarbeit und das U23-Team Rabobanks gilt als das stärkste europa- , wenn nicht sogar weltweit. Dabei sind die besten Fahrer unterschiedlichster Gattungen vereint und werden nach und nach an die Weltspitze herangeführt. Auch Belgien produziert Radsportjuwele am Fließband, besonders für Klassiker. Paradebeispiel ist Tom Boonen, der seine Profikarriere aber in den USA bei US Postal begann.

„Über kurz oder lang wird der Radsport aber internationaler werden. Wir werden unsere Vormachtstellung nicht auf alle Ewigkeiten so manifestieren können, dass wir alle anderen Länder in Grund und Boden fahren. Man muss sich doch nur mal die BeNeLux-Länder und Deutschland ansehen, um zu erkennen, dass diese Nationen mehr und mehr aufschließen.“ In der Tat ist auch Deutschland unverkennbar am aufholen. Beflügelt durch die Erfolge von Jan Ullrich und Erik Zabel, haben sich weitere Fahrer wie Jens Voigt, der 2001 eine Tour-Etappe gewann und das gelbe Trikot trug, Andreas Klier, der 2003 Gent-Wevelgem gewann, Steffen Wesemann, 2004 Sieger bei der Ronde van Vlaanderen oder Andreas Klöden, 2004 Zweiter der Tour de France sowie 2000 Gewinner von paris-Nizza und der Baskenland-Rundfahrt, in der Weltspitze etabliert. Nicht wenig spricht dafür, dass es auch in Zukunft mit Leuten wie Fabian Wegmann, Matthias Kessler, Markus Fothen oder Sebastian Siedler alles andere als schwarz aussehen wird. Luxemburg erlebt einen für seine Verhältnisse regelrechten Radsportboom, dessen Fahnenträger Benoit Joachim, Kim Kirchen und Frank Schleck sind.

Auffällig ist, dass vor allem Mittel- und Westeuropa aufholen. Ganz Westeuropa? Nein, denn ein Land schwindet mehr und mehr aus dem Kreise der Radsport-Weltelite. Ausgerechnet die „Grande Nation“ hat nach den Tourerfolgen Bernard Hinaults den Anschluss verpasst und ist, nachdem es zuvor auf einer Stufe mit Italien und Spanien stand, immer mehr ins Hintertreffen geraten. Auch Laurent Fignon, Laurent Jalabert oder Richard Virenque konnten in den 90er Jahren nicht über den stetigen Verfall des französischen Straßenradsports hinwegtäuschen. Eine Tour ohne französischen Etappenerfolg war früher undenkbar, heute ist man dankbar, wenn man überhaupt einen erreicht. Jean-René Bernaudeau, der sportliche Leiter von Bouygues Telecom (ehemals Brioches la Boulangere), klagt an: „Seit Jahren versuche ich, die größten französischen Talente bei mir zu vereinen. Diese Arbeit mache ich auch gerne und mit viel Freude. Wenn man sich aber über das fehlende sportliche Niveau beklagt, muss man einfach feststellen: Wir haben keinen guten Nachwuchs mehr. Sylvain Chavanel hat unbestritten Talent, aber er wird nie die Tour gewinnen können. Dennoch ist er unsere größte Hoffnung, das sagt doch alles. Einen großen Rundfahrer oder Kletterer zu suchen, habe ich aufgegeben, der letzte war Richard Virenque. In diesem Bereich sind uns andere Nationen, vor allem Italien und Spanien sowie der Rest Westeuropas und Deutschland um Jahrzehnte voraus. Sehen sie sich doch mal die Jugendrennen an: Wir haben keinen hoffnungsvollen Sprinter und keinen hoffnungsvollen Kletterer. Die Zukunft unseres Radsports liegt eher bei kurzen Rundfahrten oder Klassikern.“

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Schwindender Stern: Sylvain Chavanel gehört zu den wenigen großen Talenten Frankreichs

In der Tat scheint es so, als ob Frankreich für lange Zeit den Anschluss an die führenden Nationen verloren hat. Unfreiwillig gibt die Gránde Nation ein warnendes Beispiel für Italien oder Spanien ab, das verstanden wurde: „Wir dürfen uns nie auf unseren Lorbeeren ausruhen, nie zum Stillstand kommen. Was in anderen Sportarten gilt, gilt für uns erst recht: Stillstand bedeutet Rückschritt. Allerdings sehe ich momentan keinen Grund, warum wir nicht auch in Zukunft führend im Radsport sein sollten“, sagt Claudio Corti, sportlicher Leiter und Teammanager bei Lampre, dem Team von Damiano Cunego. Auch Eusebio Unzue blockt ab: „Wenn ich mir unseren Nachwuchs ansehe, mache ich mir keine großen Sorgen um unsere Zukunft. Die Anzeichen sind gut, dass wir auch in Zukunft viele große Champions rausbringen werden.“ Champions, die dann selber beim Giro oder der Vuelta oben stehen und Vorbilder für die nächste Generation sind. Vieles spricht dafür, dass auch in Zukunft der Giro-Sieger, der Vuelta-Sieger oder der ProTour-Sieger eine Gemeinsamkeit haben...

Alejandro V.
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JeremyAndrews
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Beitrag: # 320876Beitrag JeremyAndrews
30.11.2005 - 22:57

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005[/size][/b][/color]
SEITE 12: HINTERGRUND

FRIEDENSFAHRT
Gerettet im letzten Moment
Vom Automobil Hersteller zum Friedenskämpfer? Oder doch nur der Retter in letzter Minute? Wie man Skoda nun huldigen will, sind sie es die diese Geschichtsträchtige Rundfahrt, genannt Court de la Paix, für die Radsportwelt gesichert hat.

Keine „Tour de France des Ostens“ mehr? So sah es lange Zeit aus, die Friedenfahrt, oder Course de la Paix, stand vor kurzem noch in argen Finanziellen Nöten da. Als auch der Deutsche Fernsehsender MDR fast komplett ausstieg sah sich die Rennleitung fast gezwungen das Rennen für das Jahr 2005 ganz abzusagen.

Bild
Die Taube, das Symbol der Friedensfahrt

„Es sieht dünn aus.“ So der Pressesprecher Maik Märtin. Denn lange Zeit hatte man nicht einmal eine Streckenplanung gemacht. Das 1948 ins Leben gerufene Rennen, die Friedensfahrt, galt einst als das wichtigste Amateurrennen. Die Rundfahrt Vereint seit je her Polen, die Tschechische Republik und Deutschland (bzw. vor der Wende die DDR) auf sportlicher Basis. Jetzt bringen, Zeitgleich stattfindenden Rundfahrten in Thüringen und Rheinland-Pfalz, das Problem des Konkurrenzkampfes.

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Vorjahrssieger: Michele Scarponi

Aber Rettung nahte, der Vizepräsident des Tschechischen Radsportverbandes CCS Cestmir Kalas, gab bekannt dass es nun doch eine Friedensfahrt 2005 geben werde. Durch den einstieg des Automobil Herstellers Skoda als Hauptsponsor wurde die Friedensfahrt nun doch noch gerettet. Ob nun sich Skoda damit jetzt schon den großen Werbeboom versprach, indem man als Retter glänzte oder ob sie sich nun auch Langfristig engagieren, scheint vorerst unwichtig, Hauptsache Scarponi hat die Chance seinen Titel noch dieses Jahr verteidigen zu können.
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Beitrag: # 322661Beitrag Alejandro V.
14.12.2005 - 21:51

Was lange währt, wird endlich gut - nach einigem Klausurenstress geht's weiter, hoffentlich regelmäßiger als zuletzt.
[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005[/size][/b][/color]
SEITE 13: MEINUNGEN

Die Stärke der ProTour ?

Der Nachwuchs rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt: Stars wie Valverde oder Cunego oder hoffnungsvolle Talente wie Contador, Dekker oder Gilbert – sie alle haben mitgeholfen, den Junioren- und Amateurradsport aus seinem Schattendasein zu holen, das er bisher gefristet hat. Ausgerechnet die von vielen gescholtene ProTour wird dem gerecht und bietet jungen Fahrern einzigartige Möglichkeiten, von den ganz großen zu lernen. Durch den dichten Terminkalender können Teams jetzt 28 Fahrer verpflichten – viele Teams füllten die freien Plätze mit Neoprofis auf. So werden die neuen Talente wie Konstantin Siutsou, Vincenzo Nibali, Daniele Colli oder Linus Gerdemann von Fahrern wie Basso, Petacchi oder di Luca unbezahlbare Ratschläge und Tipps erhalten.

Freilich haben, wie nicht anders zu erwarten, die meisten Neoprofis einen italienischen oder spanischen Pass, denn die Neoprofis sind nicht selten Spiegelbild des momentanen Status eines Landes im Radsport. So scheint es auch nicht weiter verwunderlich, wenn nur wenige französische Talente verpflichtet wurden, auch wenn die französischen Teams auc auf dem heimischen Markt kräftig zuschlugen. Aber genau diese Entwicklung wird den Vorsprung der momentan führenden Länder weiter erhöhen, schließlich schnuppern deren Talente bereits früh Profiluft.

Hier lauert auch die Gefahr für den gesamten Radsport: Langfristig könnte so der Radsportzirkus zum elitären Kreis weniger Nationen werden, zumindest, wenn es um wichtige Siege geht. Hier sind Funktionäre und Verantwortliche gefragt, um dieser Entwicklung entgegenzutreten. Man muss Länder belohnen, die viel für den Nachwuchs machen – sei es durch Prämien, eine höhere Fahrerzahl bei den Weltmeisterschaften oder ähnlichen „Prämien“. Schließlich liegt uns allen der Radsport auch in Zukunft am Herzen und in dieser soll auch Abwechslung geboten werden.

So sehr sich Spanien und Italien ihre momentane Vormachtstellung verdient haben, so erfreulich ist aber auch, dass die Belgier und Deutschen in die absolute Weltspitze drängen. Auch die US-Amerikaner haben einige vielversprechende Talente in petto, so dass wir uns um die nähere Zukunft in Sachen Vielfalt keine Sorgen zu machen brauchen. So kann man auch ruhig guten Mutes sein, dass wir demnächst den Radsporthochburgen Italien und Spanien mindestens zwei weitere hinzufügen können – was nur im Sinne des Sports und der Fans, der Fahrer und Teams, der Verantwortlichen und Funktionäre, kurz gesagt: Im Sinne aller wäre.
Bill Simmons über den WAS-ATL-Trade: "There's only one silver lining: the chance that Bibby and Rashard Lewis will run their high screen in Washington and immediately get attacked by cadaver-sniffing dogs."

Artifex
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Beitrag: # 323891Beitrag Artifex
25.12.2005 - 23:12

Nach einer vorweihnachtlichen Pause geht es natürlich auch hier weiter:
[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 14: MEINUNGEN

EIN RUNDBLICK DURCH DIE (FACH)PRESSE
Das meinen die anderen

Das Radsportfrühjahr begann am letzten Sonntag und die Meinungen von Europas führenden Sportzeitschriften hätten kaum unterschiedlicher sein können

In Belgien wurde der Beginn des hiesigen Radsportfrühlings herbeigesehnt und dementsprechend auch kommentiert. La dernière heure dazu:
„Mit dem Het Volk beginnt das erste Kapitel des Radsportjahrs 2005: Die Zeit der Vorbereitung ist vorbei, ab sofort gilt es: Wer kommt am besten mit den belgischen Buckelpisten zurecht, wer widersetzt sich dem kalten Wetter, kurz: Wer wird der König des Radsportfrühjahrs 2005? Fest steht, dass es bei der drückenden Dominanz von Boonen und van Petegem sowie etlichen großen Talenten für alle Ausländer schwer sein wird, die belgische Bastion Ronde van Vlaanderen einzunehmen.“

In Spanien sucht man derweil immer noch nach dem Sinn der saisonalen Begeisterung ihrer Mitmenschen aus dem Raum Belgien. Die Marca schrieb:
Jahr für Jahr beginnt in Belgien der gleiche Schabernack aufs Neue. Und jedes Jahr stellt sich die Frage, wen es am dollsten trifft, welcher Fahrer mit der größten Verletzung aus dem Kampf der Lebensmüden hervorgeht. All das stets in der Begleitung der frenetisch feiernden Nordwesteuropäer, denen es anscheinend gefällt, wenn sich andere im Dreck wälzen. Derweil müssen sich alle Radsportfans, die die harten Kämpfe am Berg gegenüber dem Glücksspiel auf dem Kopfsteinpflaster, auf eine anstrengende Zeit einstellen.

Für eine Einschätzung der deutschen Erfolgschancen nahm sich das Hamburger Abendblatt Zeit und Platz:

Nur unterbrochen von Rennen wie Paris-Nizza und Mailand-SanRemo beginnt mit den Frühjahrsklassikern nun bereits die erste ernsthafte Phase der Saison. So auch für die beiden deutschen ProTour-Teams T-Mobile und Gerolsteiner. Während die Chancen der Eifel-Truppe eher gering sind, kann der Radsportriese aus Bonn gleich mit zwei Fahrern aufbieten, die die Sprache des Kopfsteinpflasters sprechen und definitiv zu den Favoriten gezählt werden müssen. Steffen Wesemann und Andreas Klier haben beide die Veranlagung, eines der Monumente im frühen April zu gewinnen und profitieren dabei sicherlich auch von der Tiefe ihres Kaders, welche es so kein zweites Mal geben. Sollte nicht ein Defekt dazwischen kommen, werden Wesemann und Klier sicherlich ein Wort um den Sieg mitreden und den Boonens und van Petegems Konkurrenz machen.

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Kim Kirchen
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Beitrag: # 324107Beitrag Kim Kirchen
28.12.2005 - 1:12

man jungs, ihr könnt so tolle berichte schreiben, aber momentan läuft der laden nich so gut!?

nach dieser "vorweihnachtlichen pause" wünsche ich mir wieder angenehmen lesestoff und -genuss aus der zeitungsabteilung 'kontrast'. die zeitung ist echt spitze. man muss nicht mal zum kiosk (ähnlich wie bams-nachhause service mitm basler)

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Beitrag: # 324528Beitrag Artifex
30.12.2005 - 23:32

Ok, ok, es ist meine Schuld! Aber der sonstigen Unterbrechungen des Beitragsfluss sind wir uns sehr wohl bewusst. Um mal ein beliebtes Zitat aus dem Fußballgeschäft zu benutzen: Die Gespräche laufen! 2006 gehts mit neuem Schwung weiter.

[color=white][b][size=100]AUSGABE 8, MONTAG, 28. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 15: SCHLUSSSPURT

NACHGEHAKT BEI
Nick Nuyens

Bild

KONTRAST: Nick Nuyens, auch für Sie begann mit dem Het Volk der erste interessante Abschnitt der noch jungen Saison. Wie bewerten Sie den Auftakt?
Nick Nuyens: Ich habe die beiden Rennen am Wochenende als sehr angenehm empfunden, da ich von meiner Person her die Organisation und Kaderplanungen sehr öde finde. Umso froher bin ich, dass es nun endlich los geht und ich dabei sein darf.
KONTRAST: Stand Ihre Nominierung denn zur Frage?
Nuyens: Das müssen Sie unseren sportlichen Leiter fragen. Auf jeden Fall haben wir eine hohe Leistungsdichte in unserem Kader und gerade auch was die Rennen in naher Zukunft über Kopfsteinpflaster angeht, da haben wir in unserem Team eine ganze Hand voll junger Talente, von denen keiner den Anspruch auf einen Platz im Kader hat, sich aber dennoch jeder beweisen möchte und auch muss.
KONTRAST: Zählen Sie sich zu diesen jungen Talenten?
Nuyens: Natürlich! Für alles andere fehlt mir die Erfolge und auch die Erfahrung. Aber beides möchte ich mir während der nächsten Jahre aneignen.
KONTRAST: Am Wochenende schrammten Sie zweimal knapp an den Top25 vorbei. Sind sie auch sportlich mit dem Rennen zufrieden?
Nuyens: Von den Platzierungen her, erfüllten die Ergebnisse her natürlich noch nicht meinen normalen Anspruch, aber man muss das auch unter dem Gesichtspunkt sehen, dass unsere Ambitionen eingeschränkt waren. Wir wollten einen ordentlichen Auftakt feiern und nicht um jeden Preis den Sieg erringen. Das haben wir uns für andere Rennen vorgenommen.
KONTRAST: Die da wären?
Nuyens: Natürlich Paris-Roubaix und besonders die Ronde van Vlaanderen, für uns Belgier ein echtes Ereignis, dass in der Gesellschaft eine hohe Beachtung erfährt und sehr bedeutend ist. Da haben wir Belgier alle ein Interesse daran gut abzuschneiden.
KONTRAST: Wann gewinnen Sie Ihren ersten Klassiker?
Nuyens: Wenn ich soweit bin. Noch ist es meine Aufgabe, Tom Boonen zu unterstützen und das werde ich auch mit vollem Einsatz erledigen.

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