![Bild](http://img383.imageshack.us/img383/3340/etappen.jpg)
Links oben: Die 1.Etappe über 159 Kilometer; Rechts oben: Die 2.Etappe über 184 Kilometer; Links unten: Die 3.Etappe über 215 Kilometer; Rechts unten: Die 4.Etappe über 162 Kilometer
Die Stimmung am Tisch des Team Telekom war generell gut. Jens Heppner und Jan Ullrich scherzten ein bisschen und amüsierten sich über einen ungeschickten Angestellten des Hotels, der gerade einen Teller fallen gelassen hatte. Rudy Pevenage kam dazu und lachte aus purer Gewohnheit einfach mit, ohne den Grund dafür zu kennen. Das löste bei den restlichen Teammitgliedern heiteres Gelächter aus. Nur Ete konnte nicht einstimmen. Er saß mit düsterer Miene am Ende des großen Tisches und schmollte vor sich hin. Nachdem er sich nach den ersten Rennerfolgen in einer guten Form gewähnt hatte, hatten ihm die letzten vier Tage Angst gemacht. Als haushoher Favorit war er zu Tirreno-Adriatico angetreten, nach dem vierten Tagesabschnitt konnte er sich als er große Verlierer sehen. Es hatte nichts, rein gar nichts gepasst. Klar, das Team hatte Erfolge gefeiert. Heppner war auf der zweiten Etappe zweiter geworden und hatte das Bergtrikot erobert, Ulle hatte sich problemlos im vorderen Feld gehalten und Giovanni hatte zwei Platzierungen unter den besten acht ersprintet. Doch er, Ete Zabel, der eigentliche Kapitän der Mannschaft war erfolglos geblieben. Er wusste nicht woran es lag, ob es nur die schlechte Taktik und die Tagesform gewesen waren, aber die Lage war bedenklich. Nur noch sieben Tage blieben bis zu Mailand-San Remo, seinem ersten Saisonhöhepunkt, sieben Tage, an denen er vielleicht noch korrigieren konnte, was im Moment falsch lief.
Auf der ersten Etappe hatte er sich mit seinen Sprinterkollegen verkalkuliert und eine Ausreißergruppe zu weit weggelassen. Das Feld kam der Gruppe auf den letzten Kilometern zwar gefährlich nahe, doch der Belgier Peter van Petegem bewies seine Qualitäten, im Finale der Etappe die letzten Körner aus sich herauszuholen, um den Tagesabschnitt in Klassikermanier zu gewinnen. Im Sprint des Feldes vierzig Sekunden später, hätte Ete trotzdem immerhin noch den zweiten Platz ergattern können. Einige Sprinter, darunter Mario Traversoni und Mario Cipollini waren durch einen Massensturz zurückgefallen. Damit schien der Weg frei zu sein. Typisch für diese unglücklichen Tage, lief es anders, als Ete es sich dachte. Er wurde im Sprint eingeklemmt und landete auf einem enttäuschenden achten Platz, noch hinter seinem Anfahrer Giovanni Lombardi.
Auf der zweiten Etappe lief es kein Stückchen besser. Jens Heppner schaffte es in die Gruppe des Tages, was den Druck vom Team nahm, im Umkehrschluss aber auch bedeutete, dass es noch eine Mannschaft weniger gäbe, die sich um die Arbeit im Feld kümmerte. Der Vorsprung wuchs zwar nie uneinholbar an, doch im Finale der Etappe schaffte es eine illustre Gruppe um Serpellini, Bellini, Gonchar und Balducci zum verbliebenen Spitzenduo Heppner/ Beat Zberg aufzuschließen. Aus dieser Gruppe fiel auf den ansteigenden letzten beiden Kilometern schließlich auch die Entscheidung, wobei sich Heppner, der den ganzen Tag an der Spitze gearbeitet hatte mit einer bravourösen Leistung den zweiten Platz im Tagesklassement hinter Bellini erkämpfte. Weniger gut lief die Schlussphase im Hauptfeld. Lombardi und überraschenderweise Ulle geleiteten Ete zwar vorbildlich auf die letzten Meter und zogen ihm den Sprint perfekt an, doch Ete war nicht stark genug zu vollenden. Er war nicht einmal in der Lage aus dem Windschatten seines Edeldomestiken zu gehen, sondern blieb hinter ihm zurück und beendete die Etappe auf einem enttäuschenden zehnten Platz.
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Am ersten Tag gewann Peter van Petegem (TVM) aus einer Ausreißergruppe, genau so wie Marco Bellini (Asics) auf der zweiten Etappe.
Damit war der Tiefpunkt aber lange noch nicht erreicht. Der dritte Tag war der schlimmste für Ete. Die gesamten 215 Kilometer der Etappe wurden mit höchstem Tempo gefahren, immer wieder entstanden neue Ausreißergruppen mit hochkarätigen Fahrern, erst fuhr Gotti in einer Gruppe mit, später Barbero, Museeuw und Bettini. Die italienischen Teams waren mit keiner dieser Besetzungen einverstanden und ließen mit der Tempoarbeit zu keinem Zeitpunkt der Etappe nach. Als zwanzig Kilometer vor dem Ziel die italienischen Klassikerspezialisten anfingen, um den Sieg zu fahren, war der Akku bei Ete längst alle. Mit Mühe hielt er sich am Schwanz des Feldes, während vorne Faresin, Noe und Bartoli den entscheidenden Angriff setzten. Mit Ulles Hilfe schaffte er es zwar mit höchstem Krafteinsatz auf die finalen ansteigenden zwei Kilometer, es gelang ihm aber nicht, in den Sprint um den Tagessieg einzugreifen. Letztendlich wurde er durchgereicht und beendete das Rennen auf einem enttäuschenden 37. Platz.
Die vierte Etappe bot kein anderes Bild. Escartin, Boogerd und wieder Gotti initiierten eine starke Ausreißergruppe, die vom ersten Kilometer an gejagt wurde. Später folgten Konishev, di Grande und Bartolis Edelhelfer Bettini der Gruppe und stellten fünfzig Kilometer vor dem Schluss den Kontakt her. Das bedingte ein weiterhin hohes Tempo im Feld, das Ete auf den letzten zwanzig Kilometern nicht mehr mitgehen konnte. Während sich an der Spitze eine fünfzehnköpfige Gruppe der Favoriten absetzte, hing Ete in der zweiten Gruppe fest. Lafis, Lombardi und Ulle arbeiteten zwar hart, um den Anschluss herzustellen, doch beim Blick auf die Tafeln der Begleitmotorräder wurde es Ete bewusst, dass eine weitere Chance vertan war. Als er den Sprint seiner Gruppe gewann, war der Tagessieger Bartoli bereits eineinhalb Minuten im Ziel. Das Fazit des Auftakts von Tirreno war klar. Gegen die Kapitäne der italienischen Teams, besonders gegen Michele Bartoli, hätte er in dieser Verfassung keine Chance. Er musste auf ein Wunder hoffen. Bei seinem Formaufbau war irgendetwas schief gelaufen. Er schaute zu Ulle hinüber. Bei ihm schien alles in Ordnung zu sein, er hatte alle Ziele erreicht, die er sich gesteckt hatte.
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Michele Bartoli (MG Technogym) dominierte die hügeligen Etappen, egal ob er gegen Noe im Sprint gewann, oder als Solist erfolgreich war.
Ulle lachte über einen Witz, den sein Zimmerkollege Jens Heppner gerade erzählt hatte. Er hatte richtig gute Laune und genoss die positive Atmosphäre im Team. Alle waren gut gelaunt, bis auf einen. Ete saß mit einem missmutigen Gesicht am Ende des Tisches und sprach kein Wort. Ulle konnte die Laune des Sprinters nachvollziehen. Die letzten Resultate sprachen nicht für ihn und gefährdeten seine gesamte Saisonplanung. Wenn sich nicht bald die Erfolge einstellten und er in San Remo scheiterte, wäre auch die Tour de France für ihn in Gefahr. Auf jeden Fall wäre er dann auf sich alleine gestellt, weil das Team keinen speziellen Helfer für ihn entbehren würde, sondern ganz auf die Gesamtwertung setzen würde. Eigentlich wäre das die perfekte Situation für Ulle gewesen, doch Ete tat ihm im Moment leid. Deshalb hatte Ulle auf den ersten Etappen alles versucht, ihm zu helfen, gute Resultate einzufahren. Auf den ersten beiden Etappen hatte er im Finale hart gearbeitet und mit seinen Zeitfahr- und Bergqualitäten den drittletzten Platz im Sprintzug vor Lombardi und Ete eingenommen. Jedes mal hatte er seine Arbeit gut erledigt, aber Ete konnte kein einziges mal vollenden.
Dadurch war auch Ulle unruhig geworden. Auf der schweren dritten Etappe hatte er schließlich entschieden, auf die eigene Kappe etwas zu probieren. An einem der schweren Anstiege hatte er eine Attacke lanciert und war mit Miceli und Piccoli einige Kilometer vor dem Feld gefahren. Im Finale wurde er zwar von der Gruppe um Bartoli wieder gestellt, trotzdem hatte er ein Ausrufezeichen gesetzt und ein Signal an die Weltspitze gesendet, dass er wieder da war und in eine gute Verfassung kam. Auf der vierten Etappe rollte er ebenso in der Gruppe um Ete knapp eineinhalb Minuten hinter dem Sieger ins Ziel, ohne an seine Grenzen gegangen zu sein. Ulle konnte sich problemlos in der zweiten Gruppe halten und sah keinen Grund, in den roten Bereich zu gehen, um ein paar Sekunden zu gewinnen. Nach vier Etappen lag er auf einem guten 23. Gesamtplatz, mehr erwartete er zu diesem Zeitpunkt der Saison auch nicht. Er hatte sein Formloch des Winters überwunden und war auf dem aufsteigenden Ast. Zwar klaffte immer noch eine Lücke zwischen ihm und der absoluten Spitze, er nahm die Hügel Norditaliens aber nicht besonders ernst. Sobald es schwieriger würde und ins Hochgebirge ging, hätten Fahrer vom Kaliber eines Bartoli keine Chance mehr gegen ihn.
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Ulle ging bereits in die Offensive, während Ete meist hinterherfuhr und im Feld festhing.
Ergebnisse:
1.Etappe
1. Peter van Petegem TVM 3h40:36
2. Andre Korff Festina 0:40
3. Fabio Baldato MG Technogym s.t.
4. Endrio Leoni Aki s.t.
5. Luca Mazzanti Mobilvetta s.t.
10. Erik Zabel Team Deutsche Telekom s.t.
33. Jan Ullrich Team Deutsche Telekom s.t.
2.Etappe
1. Marco Bellini Asics 4h13:52
2. Jens Heppner Team Deutsche Telekom s.t.
3. Beat Zberg Mercatone Uno s.t.
4. Sergei Gonchar Aki s.t.
5. Gabriele Balducci Mobilvetta s.t.
9. Erik Zabel Team Deutsche Telekom 1:05
21. Jan Ullrich Team Deutsche Telekom s.t.
3.Etappe
1. Michele Bartoli 4h58:16
2. Andrea Noe Asics s.t.
3. Gianni Faresin Mapei 0:34
4. Dario Frigo Saeco 0:43
5. Andrea Ferrigato Roslotto s.t.
37. Erik Zabel Team Deutsche Telekom s.t.
44. Jan Ullrich Team Deutsche Telekom s.t.
4.Etappe
1. Michele Bartoli MG Technogym 3h50:14
2. Gianni Faresin Mapei 0:31
3. Mariano Piccoli Brescialat s.t.
4. Dario Frigo Saeco s.t.
5. Andrea Vatteroni Scrigno s.t.
16. Erik Zabel Team Deutsche Telekom 1:35
30. Jan Ullrich Team Deutsche Telekom s.t.
Gesamtwertung:
1. Michele Bartoli 17h00:16
2. Andrea Noe Asics 0:45
3. Gianni Faresin Mapei 1:15
4. Marco Bellini Asics 1:23
5. Mariano Piccoli Brescialat 1:30
6. Dario Frigo Saeco 1:34
7. Gentili Cantina Tollo s.t.
8. Andrea Vatteroni Scrigno s.t.
9. Andrea Ferrigato Roslotto s.t.
10. Bo Hamburger TVM s.t.
17. Erik Zabel Team Deutsche Telekom 2:38
23. Jan Ullrich Team Deutsche Telekom s.t.
Sprintwertung:
1. Michele Bartoli MG Technogym 24
2. Gianni Faresin Mapei 18
3. Peter van Petegem TVM 17
Bergwertung:
1. Michelangelo Cauz 10
2. Jens Heppner Team Deutsche Telekom 5
3. Angel Edo Kelme 5