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09.05.2009 - Die grosse Teamvorstellung
Seit Donnerstag steht fest, welche fünf Fahrer für die Equipe Besenwagen (EBW) den Giro d'Italia bestreiten werden. Lesen Sie hier eine detaillierte Vorstellung der Athleten.
Das Team
Nach Topstars oder Skandalnudeln sucht man in der Mannschaft vergebens. Das Team selbst ist der Star. Und zwar ein Star mit Tradition. Die Equipe Besenwagen existiert seit der Tour 2005 und hat seit diesem Zeitpunkt nur ein einziges Rennen verpasst. Ergo steht, nach dem äusserst erfolgreichen Jubiläum an der Vuelta, nun die elfte Grand Tour für die Mannen von Ernesto P. Origano auf dem Programm. Zeit also, nach 10 Rennen einmal zurückzublicken. Obwohl bisher noch kein Gesamtsieg zu Buche steht, so liest sich die Teamhistorie wie eine einzige Erfolgsgeschichte. Nachstehend die wichtigsten Resultate:
Tour 05: 2 Etappensiege
Vuelta 05: Gesamtränge 3 und 4, 3 Etappensiege
Giro 06: Gesamtrang 2, 3 Etappensiege (darunter der doppelte Sieg durch Fabiano und Dani)
Tour 06: 3 Etappensiege (das legendäre Triple des Orfeus)
Vuelta 06: Gesamtrang 9, 1 Etappensieg
Giro 07: 4 Etappensiege
Tour 07: Gesamtrang 8, 1 Etappensieg
Giro 08: 1 Etappensieg
Tour 08: Gesamtrang 4, 3 Etappensiege (alles durch Pepe Leicht erreicht)
Vuelta 08: Gesamtrang 3, Doppelsieg in der Punktewertung
Zählt man alle Etappenerfolge zusammen, kommt man bei 10 Starts (bei der Vuelta 07 trat das Team nicht an) auf ganze 21 Siege, was einem Schnitt von über 2 Erfolgen pro Rundfahrt entspricht. Ausserdem kommen 3 Podestplätze im Gesamtklassement (alle durch Fabiano) und insgesamt 4 weitere Top10-Platzierungen zusammen. Dank José Miguel Manuel konnte zudem im letzten Jahr in Spanien erstmals ein Trikot gewonnen werden. Was der Mannschaft noch fehlt, sind Siege in Einzel- und Teamwertung.
Bislang fuhren 13 verschiedene Fahrer für die Equipe Besenwagen; Tobi Kancellara ist nun Nummer 14. Dies ist eine grosse Zahl. Teammanager Origano dazu: "Leider sehen uns viele Leute nach wie vor als Ausbildungsteam. Hoffnungsvolle Jungtalente kommen, werden bei uns gefördert und verlassen uns, sobald sie etwas erreicht haben." Dabei denkt er wohl an Fahrer wie Pepsario Lipoccini, Orfeus und Co. Trotzdem: "Fahrer kommen und gehen, der Erfolg jedoch bleibt." Wie Sie oben stehender Übersicht entnehmen können, hat Origano damit nicht Unrecht; auch mit ständig wechselnder Besetzung wurden immer wieder schöne Siege gefeiert.
Die beiden bislang erfolgreichsten Fahrer der Teamgeschichte sind Fabiano Eposteroido sowie Orfeus mit je 5 Etappensiegen. Eposteroido könnte also beim Giro die alleinige Führung in dieser ewigen Bestenliste erreichen. Der Tessiner jedoch meint dazu bloss: "Wichtig ist die Mannschaft, persönliche Erfolge stehen dabei im Hintergrund." Eposteroido ist dazu der einzige Fahrer, der bisher für die EBW Podestplätze herausholen konnte; bislang stehen zwei dritte Ränge sowie ein zweiter Platz zu Buche. Insgesamt holte er 4 der bisherigen 7 Top10-Ränge; die anderen drei teilen sich unter drei verschiedenen Fahrern auf. Dennoch will er nicht als "Star" angesehen werden: "Der Star ist die Mannschaft. Ohne ein starkes Team im Rücken könnte auch ich nichts erreichen."
Doch nun genug des Rückblickes, kommen wir nun zur Vorstellung des Giro-Teams:
Eposteroido, Fabian (SUI)
Der Rundfahrer aus dem Tessin ist der erfahrenste Mann im Team von Manager Ernesto P. Origano. Der sportliche Leiter über ihn: "Fabiano ist ein ganz grosser Rennfahrer und ein riesiges Vorbild für die nächste Generation. Er hat schon so viele Erfolge herausgefahren, ist aber trotzdem immer bescheiden geblieben. Er ist ein Glücksfall für unsere Mannschaft!"
Der Fahrer selbst über die Einschätzung seines Chefs: "Es freut mich natürlich, wenn der sportliche Leiter so über mich redet. Aber es gibt auch überhaupt keinen Grund, irgendwie abzuheben. Die anderen Jungs machen alle auch einen sensationellen Job. Und gewonnen habe ich schliesslich auch noch nichts." Das Tiefstapeln zumindest hat er drauf. Auch in seiner Einschätzung zum Giro: "Mein grosses Ziel in diesem Jahr ist die Vuelta. Wenn es mir schon jetzt in Italien gut läuft, werde ich natürlich alles versuchen, um ganz vorne mitzufahren. Allerdings wird dies angesichts der riesigen Konkurrenz extrem schwierig. Sollte ich merken, dass ich nicht in Form bin, werde ich selbstverständlich meinen Teamkollegen helfen. Ich setze mir resultatmässig kein Ziel. Ich möchte nur am Ende der Rundfahrt zu mir selbst sagen können, dass ich alles gegeben habe. Dann werde ich zufrieden sein."
Der designierte Leader sieht sich also nicht als solcher. Dies gibt vielleicht anderen Fahrern die Chance, diese Position zumindest für den Giro zu übernehmen. Dass der Schweizer aber Klasse hat, das lässt sich an seinen bisherigen Erfolgen ablesen:
Die Erfolge von Fabiano Eposteroido:
Tour 04: Gesamtrang 8, 3 Etappensiege
Vuelta 05: Gesamtrang 3, 1 Etappensieg
Giro 06: Gesamtrang 2, 2 Etappensiege
Vuelta 06: Gesamtrang 9, 1 Etappensieg
Giro 07: 1 Etappensieg
Vuelta 08: Gesamtrang 3
Insgesamt kommen bei ihm also 8 Etappensiege sowie 3 Podiumsplätze im Gesamtklassement zusammen. Zweifellos ist er einer der erfolgreichsten Fahrer der letzten Jahre. Ob er aber am diesjährigen Giro gross auftrumpfen kann, wird sich ab heute zeigen.
Kabel, Erich (SUI)
Der zweite von drei Schweizern im Team ist ein relativer Neuling; seine erste Rundfahrt bestritt er vor einem Jahr hier in Italien. Danach wurde er vom Team nicht mehr aufgeboten. Ernesto P. Origano zur Rückkehr des Riesentalents: "Letztes Jahr zeigte Erich beim Giro hervorragende Ansätze, unter anderem bei seinem grossartigen Etappensieg. Für Tour und Vuelta wollten wir jedoch den arrivierten Fahrern noch eine Chance geben. Vor allem nach seiner starken Vuelta wurde er diesen Frühling wieder zum Thema für uns. Er war dann der Erste, der auf unsere Ausschreibung nach dem Abgang von Lipoccini reagierte, so dass uns die Entscheidung für ihn nicht schwer fiel."
Der Bergfahrer sieht seine Rückkehr ähnlich: "Ich bin glücklich darüber, wieder in das Team zurückkehren zu können, das mir den Karrierestart ermöglicht hat. Ich denke, dass die Mannschaft trotz, oder vielleicht gerade wegen der Abgänge sehr stark ist. Jeder von uns hat das Potential für einen Top10-Rang. Ich wäre nicht verwundert, wenn am Ende einer von uns in den Top5 oder gar auf dem Podium stehen würde. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ohne Etappensieg aus Italien abreisen werden."
Zu seinen persönlichen Zielen meinte er: "Ich möchte natürlich meinen Etappensieg aus dem Vorjahr wiederholen. Als Bergfex werde ich versuchen, in den Bergen zu glänzen und auch im Kampf um das Bergtrikot ein gewichtiges Wörtchen mitzureden."
Er gilt nach wie vor als grosses Talent, das bereits am Anfang seiner Karriere sein Können aufblitzen liess. Diese Karriere ist schnell geschildert:
Die Erfolge von Erich Kabel:
Giro 08: 1 Etappensieg
Vuelta 08: Gesamtrang 15
Noch ist Kabel also ein reichlich unbeschriebenes Blatt. Keine Frage, dass er dies in Italien zu ändern versuchen wird.
Kancellara, Tobi (SUI)
Der dritte Schweizer in der Equipe Besenwagen ist als bergfester Zeitfahrer bekannt. Er fährt sein erstes Rennen in Diensten des Schweizer Rennstalls, allerdings nicht seine erste Rundfahrt überhaupt. Ernesto P. Origano zu seiner Verpflichtung: "Tobi hat bisher zwei nicht sehr überzeugende Rundfahrten abegliefert. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass er deutlich mehr Potential besitzt. Den Ausschlag für seine Verpflichtung gab in erster Linie sein Alter, kombiniert mit der Nationalität. Wir wollen junge Schweizer Talente fördern. Ich bin sicher, dass wir unsere Wahl nicht bereuen werden."
Kancellara selbst sieht dies etwas skeptischer: "Ich bin mir bewusst, dass ich bisher nicht gerade geglänzt habe. Allerdings bin ich sehr glücklich, dass ich in eine so gute Mannschaft aufgenommen wurde. Ich fühle mich hier rundum wohl. Meiner Meinung nach ist das Team sehr stark. Wir haben zwar in Italien keinen eindeutigen Kapitän, was aber nicht heisst, dass wir nicht auf die Gesamtwertung fahren. Ganz im Gegenteil, wir können während des Rennens entscheiden, für wen wir fahren. Das ist ein sehr grosser Vorteil, denn unsere Gegner wissen nicht, auf wen sie ihren Fokus richten sollen!"
Auf die Ziele für seine erste Rundfahrt in Diensten der EBW angesprochen, gab er Folgendes zu Protokoll: "Zwar fahre ich hier meinen ersten Giro, ich habe aber letztes Jahr bei Giro und Tour bereits GT-Erfahrung sammeln können. Auch wenn es für einen Zeitfahrer blöd tönen mag, ist das Bergtrikot eines meiner Ziele; dieses durfte ich ja letztes Jahr bei der Tour bereits für zwei Tage tragen. Zu Beginn werde ich mich aber auf die Gesamtwertung konzentrieren. Ich denke, dass ich auch als "hauptberuflicher" Zeitfahrer gute Chancen habe, mit den Besten am Berg mithalten zu können. Wenn dies allerdings nicht klappt, werde ich mich auf das Bergtrikot und auf Etappensiege, vor allem in den Zeitfahren, konzentrieren."
Der Schweizer hat also grosse Ziele. Leider müssen wir an dieser Stelle darauf verzichten, seine Erfolge aufzulisten - bisher hat er schlicht noch keine eingefahren. Die Mannschaft ist aber zuversichtlich, dass sich dies noch bei diesem Giro ändern wird.
Klettermaxxxiniii, Ivan (ITA)
Der Italiener Klettermaxxxiniii geht als wohl grösste Hoffnung der Besenmänner in den Giro. Als derzeit formstärkster Rundfahrer seiner Mannschaft soll er mit Hilfe seiner Mitstreiter ein gutes Ergebnis herausholen. Ernesto P. Origano über ihn: "Der Giro ist Ivan's Saisonziel Nummer 1, weshalb er ganz besonders stark für dieses Rennen trainiert hat. Wir sind froh, dass wir ihn halten konnten; bisher hat er ja zweifellos vielversprechende Leistungen für unsere Mannschaft gezeigt. Er ist ganz besonders heiss auf dieses Rennen. Allerdings hat auch er den Kapitänsstatus nicht auf sicher. Hier werden wir die ersten Etappen abwarten."
Der Fahrer selbst teilt diese Einschätzung: "Natürlich werde ich nicht die Kapitänsrolle für mich beanspruchen, wenn ein Anderer stärker ist. Denn in unserem Team kann wohl jeder ganz vorne rein fahren. Für mich ist der Giro natürlich der Saisonhöhepunkt, deshalb erwarte ich von mir selbst auch sehr viel. Nach zwei 14. Rängen sollten die Top10 eigentlich in meiner Reichweite sein - es darf aber auch gern etwas mehr sein."
Auch der Italiener schaut sehr zuversichtlich auf die kommende Rundfahrt und spricht erneut die Stärke des Teams an. Seine grössten Erfolge waren, wie schon genannt, die zwei 14. Gesamtränge bei Tour und Vuelta im letzten Jahr. Der Italiener bestreitet sein 4. Rennen für die EBW - dies in seinem 4. Rennen überhaupt. Das nennt man dann wohl Treue.
Manuel, José Miguel (ESP)
Um den Spanier gab es im Vorfeld des Giros immer wieder sich widersprechende Gerüchte. Einmal hiess es, er startet nicht, ein anderes Mal konnte man vernehmen, er starte zwar, aber nicht für die EBW. Nun, er hat uns alle eines Besseren belehrt und startet zum 6. Mal für die Besenwagen-Mannschaft. Origano über den Iberer: "Wir sind froh, dass José letztlich doch bei uns geblieben ist. Wir hoffen, dass er seine sensationellen Leistungen, die er jeweils bei der Vuelta abzuliefern pflegt, nun auch beim Giro zeigen kann. Des Weiteren hoffen wir, dass wir die Vuelta mit ihm bestreiten können. Soweit ist es aber noch nicht, erst einmal kommt der Giro dran."
Der erfahrene Allrounder zu den Worten seines Vorgesetzten: "Mich freut es natürlich, dass mich die Mannschaft behalten wollte. Ich denke, dass wir jetzt genau die richtige Mischung in der Mannschaft haben. Wir sind nicht auf einen einzelnen Fahrer ausgerichtet, dafür auf jedem Terrain stark. Wir werden einmal mehr als Mannschaft brillieren und nicht durch so genannte "Stars". Das ist unser ganz grosses Plus."
Zu seinen eigenen Zielen meint er: "Ich möchte auch gerne mal ausserhalb Spaniens meine Bestform abrufen können. Da die Tour dieses Jahr nicht in meinem Rennkalender steht, kann ich den Giro voll fahrern und werde dies auch tun. Mal schauen, was herausschaut."
Sollte es in Italien tatsächlich klappen für ihn, wäre dies beileibe nicht sein erster grosser Erfolg. Sein Palmarès auf einen Blick:
Die Erfolge von José Miguel Manuel:
Vuelta 06: Gewinn des Punktetrikots
Vuelta 08: Gewinn des Punktetrikots
Obwohl er kein reinrassiger Sprinter ist, so hat er doch schon oft bei solchen Ankünften bewiesen, dass er kräftig punkten kann. Seine grosse Stärke ist, dass er eigentlich keine Schwäche hat. Man darf gespannt sein, wie er dies in Italien zeigen kann.
Fazit:
Alle Fahrer betonen, dass man keinen fixen Kapitän habe, dass aber alle die Möglichkeit hätten, unter die besten 10 zu kommen. Die besten Chancen dazu räumen wir aber trotz allem Fabiano Eposteroido und Ivan Klettermaxxxiniii ein. José Miguel Manuel dürfte im Kampf um das Punktetrikots ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Für Kancellara und Kabel geht es hauptsächlich darum, Erfahrungen zu sammeln. Letztlich haben aber auch sie das Potential, in die Bresche zu springen, wenn es den beiden Erstgenannten nicht läuft. Tatsächlich ist die grosse Ausgeglichenheit in der Mannschaft die Stärke. Hoffen wir, dass man sich bei so vielen möglichen Kapitänen nicht verzettelt. Heute Abend werden wir schon etwas klarer sehen.