Ganz davon abgesehen, dass ich den Untergang von Gerolsteiner wirklich sehr schade finde, diesen Fahrerbrief kaufe ich ihnen nicht ab.
Der wurde eindeutig von Anwälten geschrieben und nicht von Berufsradfahrern, ausgebildeten Landwirten oder wem auch immer. Dass sie jede "Mitwisserschaft" und jede "Duldung" "aktiv" und "passiv" abstreiten, lässt sie juristisch völlig weiß bleiben (eine abgestrittene Mitwisserschaft alleine hätte juristisch nicht ausgereicht, denn eine Duldung bedarf keiner Mitwisserschaft sondern kann Ausdruck beabsichtigter Unwissenheit sein)
Naja, Spaß beiseite, denn soviel Spaß hat man als deutscher Radsportfan dieser Tage gar nicht. Die ARD und das ZDF schließen doch nur das Kapitel, angefangen die letzten Seiten zu zählen, haben sie doch bereits nach Ullrichs Abgang. Es gab doch für deutsche Medien nicht mehr viel, worüber man im Radsport berichten konnte. Zabel wurde schächer und andere Fahrer kannten auch nur die, die auch mal über den Tellerrand der Tour hinweggeschaut haben. Mit Schumachers Siegen bei der Tour hatte man ja ein wenig den Eindruck, dass es nun teilweise bergauf gehen würde. Gerdemann hätte sich neben Schumacher wohl auch noch in den Mittelpunkt der ARD-Berichterstattung schieben können, aber da die D-Tour kaum jemand geschaut hat, können viele Deutsche mit dem Namen Gerdemann nichts anfangen. Wenn nun also der einzige berichtenswerte deutsche Fahrer des Dopings überführt wird, dann ist es doch nur logisch, dass die ARD die Schotten dicht macht. Hier kommt leider die große Tragik des deutschen Patriotismus zum Tragen: Man sagt zwar immer, dass die Deutschen keinen Nationalstolz hätten, aber wenn es um den Sport geht ist das anders. Kaum ein Deutscher kann sich freuen, wenn ein Italiener, Spanier, Franzose, Brite oder Holländer besser im Sport ist. Dieses gesellschaftsfeindliche Nationaldenken, dass durch Nationalmannschaftssportarten (v.A. Fußball) so stark geprägt wurde, dass sich sogar rechte Politikströme dessen gerne bedienen (nicht zuletzt diese dumme Boulevardzeitung, die die feindliche Stimmung zwischen Polen und Deutschland vor der EM dermaßen geschürt hat, dass es nicht mehr feierlich war), hat sich in den Köpfen der Leute leider eingeprägt. Wenn ich keine Ahnung von einer Sportart habe, bin ich grundsätzlich für Deutsche. Wenn es keine Deutschen gibt, schaue ich den Sport nicht oder bin für die Österreicher oder Schweizer (Provokant behauptet: so halten sich Tennis und Wintersport im Fernsehen). Eine Ausnahme bilden natürlich die klugen Fans. Die interessieren sich für den Sport ansich und nicht für dieses kleinkarrierte Konkurrenzdenken zwischen den Staaten. Denen ist es egal, wer gewinnt, hauptsache sie genießen den Sport. Hand aufs Herz, Deutschland ist kein Radsport-Land und die Radsport-Fans sind dermaßen gnadenlos in der Unterzahl, dass sie keine Chance haben. In Tschechien wird Radsport gezeigt, in Polen wird Radsport gezeigt, in SChweden wird Radsport gezeigt und sicherlich auch in vielen anderen Ländern, die in letzter Zeit keine extrem erfolgreichen Radsportler hervorgebracht haben. Es gibt dort auch nicht verhältnismäßig mehr Fans, aber eben noch Menschen, die den Sinn des Sports zu würdigen und schätzen wissen. Entweder in Deutschland gibt es einen in einer Sportart erfolgreiche Person oder die Sportart verschwindet im Nichts. Wer hat sich schon vor 5 Jahren für Handball interessiert?
Beim Radsport kommt erschwerend hinzu, dass es keine leichte Kost ist. Man muss nunmal 3 Stunden vor dem Fernseher ausharren, um einen Rennüberblick zu haben und das am besten bei jeder Etappe. Boxen ist da einfacher. Unten läuft eine Uhr mit, wenn einer eine auf die Mütze kriegt, sieht man das und länger als 12 Runden dauert so ein Kampf auch nicht. Beim Fußball dasselbe. Pinkelpausen können durch die Halbzeit geplant werden, ein Spiel dauert 90 Minuten, das Team mit der höchsten Zahl neben sich gewinnt. Dass Radsport taktischen Anspruch hat, zeitaufwendig ist, der eigene Kampf nicht zwischen den Fahrern, sondern innerhalb eines Fahrers selbst ausgetragen wird und die Vielschichtigkeit machen den Radsport zu einem Sport, der dem deutschen Durchschnittszuschauer einfach zuviel ist. Wenn dann auch noch ein Deutscher-Dominator fehlt, der uns glauben lässt, dass wir besser sind als die Franzosen, Italiener und Spanier (wem kommt das bekannt vor?) dann gibt es doch schlicht und einfach nichts mehr zu berichten. Wenn Gerdemann nächstes Jahr die Tour dominiert (jaja, ist ja nur theoretisch gemeint), ist die ARD der erste Sender, der wieder aufspringt. So ist das nunmal.