Erst einmal einen herzlichen Dank an die jetzt vermehrt kommenden Kommentare. Ich freue mich über jedes einzelne
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Wenn dieser Post aus der Reihe zu tanzen scheint dann deshalb, weil er es tut: Grabba hat mir gestanden, das er schon die Hoffnungen an dieses Projekt aufgegeben hatte, als ich mit meiner letzten Pause begann. Es ist einer Reihe an anderweitigen Verpflichtungen geschuldet, keinesfalls aber meinem abnehmenden Interesse an diesem Projekt. Daher will ich euch für die nächste Episode auch gar nicht lange auf die Folter spannen und poste daher zum ersten Mal ohne lange Korrektur.
Viel Spaß!
Endlich. Er hatte sich lange auf diesen Tag gefreut. Das nächste Rennen stand vor der Tür. Drei Wochen waren vergangen. Eigentlich viel zu viel für seinen Geschmack, aber er musste sich wohl damit abfangen. Er war in letzter Zeit sehr fleißig trainieren gewesen, ein Grund mehr, warum er den Wettkampf herbei sehnte. Immer wieder waren ihm bei seinen Ausfahrten Bilder der Red Boulder Classics durch den Kopf geschossen und hatten ihn zu kleinen Zwischensprints animiert. Wer würde dieses Mal am Start stehen? Insgeheim hoffte er natürlich, Terence wieder zu treffen, wobei ihm natürlich klar war, das dieser ernsthafte Konkurrenz bedeuten würde.
Am Freitag fuhr er mit Marc hinaus, um einen Leistungstest, wie er es nannte, durch zu führen. Sein Lehrer hatte ihn dazu überredet, als er gerade angefangen hatte, leistungsmäßig Rad zu fahren. Sie hatten sich damals eine Strecke ausgesucht, die er zwei Mal abgefahren war. Jedesmal hatten sie die Zeit genommen. Zusätzlich hatten sie an charakteristischen Stellen der Strecke "Zwischenzeiten" montiert. Im Klartext hieß das einfach, dass Eusébio an der vereinbarten Stelle auf seinem Tacho einen Knopf drückte. Es war zwar ungenau, reichte aber fürs erste für ihre Ansprüche.
Er fuhr die Strecke zwei Mal ab. Das erste Mal eher lasch, um sich an den Parcours zu gewöhnen, das zweite Mal dann mit aller Kraft. Keuchend kam er im Ziel an, rollte aus, kehrte dann um und kam schließlich neben Marc zu stehen. Er stieg ab und beugte sich über sein Rad, um Atem kämpfend. Widerwillig machte er ein paar Schritte und trank einen Schluck während sein Lehrer ihm die Zeit mitteilte und eine neue Flasche anreichte.
"35 Minuten, 12 Sekunden. Ein neuer Rekord!" strahlte er ihn an.
Eusebio lächelte zurück, trank noch einen Schluck und stieg dann wieder auf sein Fahrrad um sich auszufahren. Obwohl es natürlich nur ein ungefährer Richtwert sein konnte machte es ihm doch Mut. Er war noch stärker als bei seinem letzten Rennen. Dieses Mal würde er sicher gewinnen.
Am Samstag fuhren sie wieder los. Es war Nachmittag, der Frühling war noch nicht so recht angekommen und dunkle, dicke Wolken taten ihr bestes, um die ohnehin trostlose Szenerie von Detroit noch unfreundlicher zu gestalten. Kurz nachdem sie sein Rad im Auto verstaut hatten fielen schon die ersten Regentropfen und prasselten gegen das Dach und die Windschutzscheibe. Ihn fröstelte leicht beim Anblick der überraschend unfreundlichen Szenerie, die Detroit bot, als sie aus der Stadt heraus fuhren. Er war froh, sie wieder einmal für einige Zeit hinter sich lassen zu können.
Der Rest der Reise verlief ziemlich routine- und wunschmäßig: Sie kamen pünktlich an, Eusbio konnte noch eine kleine Runde drehen bevor sie sich schlafen legten im Hotel, welches Marc schon im Vorhinein für sie gebucht hatte. Am nächsten Tag standen sie pünktlich auf, aßen gemeinsam und fuhren sich warm. Auch das Rennen bot keinerlei †berraschung für ihn: Auf dem welligen Parcours bröckelte das Fahrerfeld schnell auseinander, immer selektiver wurde das Tempo und schließlich begannen die Attacken. Wieder einmal kam Eusbio seine Menschenkenntnis zu Gute, als er routiniert die gefährlichen von den harmlosen Fahreren unterscheiden konnte und sich so schnell in einer kleinen, ernsthaften Gruppe wiederfand. Erst hier wurde ihm klar, das Terence nicht am Start war: Er wäre hier mit Sicherheit vertreten gewesen. So war es für ihn keine Herausforderung, in ausreichender Zielnähe selber zu attackieren, das Tempo noch einmal zu verschärfen um lästige Begleiter abzuschütteln und dann die Pose, welche er sich diesmal extra vor dem Spiegel eintrainiert hatte, zur Schau zu stellen.
Nicht routinemäßig waren allerdings die beiden Herren im grauen Anzug, die nach der Siegerehrung zu ihm kamen. Von der Statur konnte man klar erkennen das sie ein Team formten: Muskeln und Gehirn.
Der etwas untersetze Mann, der von einer beginnenden Glatze geplagt wurde, stellte sich vor.
"Ich bin Mr. Howard Stinson. Wir kommen von der US Cycling Association."
Die Hoffnung, hier schon entdeckt zu werden machte urplötzlich einem dumpfen Gefühl in der Magengegend Platz.
"Können wir uns vielleicht einen Moment mit ihnen unterhalten?"
Seine Körpersprache machte deutlich, das die Bitte nicht so unverbindlich gemeint war, wie sie unter Umständen verstanden werden konnte. Eusébio nickte matt und trottete in die Richtung, die ihm vom Koloss der beiden gewiesen wurde.
Sie nahmen in einem anonymen, ältlichen Wohnwagen Platz. Das Interieur war schmutzig und abgenutzt, überall lagen Papiere herum nebst Funkgeräten und anderem technischen Krims-Krams, den er nicht genau identifizieren konnte. Zweifelsohne wurden hier Rennen organisiert.
Stinson knipste eine etwas schummrige Lampe an, die dem Innenraum mit ihrem gelben Licht einen noch schmutzigeren Eindruck verlieh, und setzte sich, einen Stapel Papiere beiseite schiebend, ihm gegenüber auf eine Sitzbank. Das Polster war arg ramponiert und an vielen Stellen drang die Fütterung nach außen.
"Lassen sie uns ersteinmal die Gelegenheit ergreifen und ihnen zu ihrem Sieg gratulieren." Das dünne Lächeln, das ihm entgegengebracht wurde, hätte eher zu einer Krebsdiagnose gepasst.
"Unglücklicherweise für sie ist das ihr zweiter Sieg. Das ist an sich nichts schlimmes. Aber wir sind grundsätzlich an talentierten Jugendlichen interessiert und sehen uns daher in solchen Fällen den Sieger genauer an."
Eusébio schluckte. Es ging also mit Sicherheit nicht um ein Jugendförderprogramm eines europäischen Rennstalls.
"Wie sie sich denken können sind wir in ihrer Akte vor allem über eine Tatsache gestolpert: Ihr Alter."
Von unzähligen Besuchen im Büro des Rektors wusste er, wie er zu reagieren hatte: Gar nicht. Er versuchte, den Blickkontakt zu halten, seine Hände ruhig zu halten und sich nicht zu verkrampfen.
"Nun ist es unglücklicherweise auch unser Problem, da sie offenbar keine Probleme hatten, trotz ihrer 17 Jahre an diesen Rennen teil zu nehmen. Daher ist es für beide Seiten das Beste, wenn diese Geschichte nicht publik wird. Da sie ein außergewöhnliches Talent sind, dass ganz offensichtlich eine Zukunft als Radprofi hat, werden wir ihnen einen Bonus einräumen. Wenn sie nach unseren Regeln spielen."
Wieder schwieg Eusébio. Das versprach, interessant zu werden.
"Wenn sie bereit sind, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen und bis zu ihrem 18. Geburtstag an keinem Rennen mehr teilnehmen, dann werden wir sie nicht auffliegen lassen."
"Eine Verschwiegenheitserklärung?" Kein alltägliches Wort im Ghetto.
"Ein Vertrag, der sie dazu verpflichtet, Stillschweigen zu Bewahren. Wir werden das Regelwerk für diese Rennklasse rückwirkend anpassen, auf diese Weise sind sie quasi legal mitgefahren. Wenn diese Siege später in ihren Palmares auftauchen haben sie nichts zu befürchten."
"Und was passiert, wenn ich Rede?"
"Das wird im Vertrag festgelegt. Eine Geldstrafe plus ein Verbot zur Teilnahme an jeglicher Veranstaltung, die von uns Ausgerichtet wird. Hausverbot."
Eusébio schwieg, starrte seinen Gegenüber an. Sie hatten Scheiße gebaut und nun wollten sie ihre Fehler auf seine Kosten ausbügeln. Er lachte trocken.
"Vergesst es. Ich werde nichts unterschreiben. Und ich werde weiter fahren. Ich werde euch nicht verpfeifen, aber das war es auch schon."
Er lehnte sich vor.
"Wenn ich auffliege dann ihr mit mir. Das ist eure Sicherheit, das ist meine Sicherheit."
Das Schweigen war plötzlich und erdrückend. Der kleine Kolumbianer starrte seinen Gegenüber an, in seine Blicke die Härte und Kälte, die ihm etliche Jahr des Kämpfens um jeden Millimeter in einer der berüchtigsten Gegenden beigebracht hatten. Dieser sah erst nervös auf die Tischplatte und dann hinüber zu seinem Kollegen. Dieser lehnte sich vor in den Lichtkegel der trüben Deckenlampe und machte zum ersten Mal seinen Mund auf.
"Hör mal zu du kleiner Scheißer. Das Angebot ist das Beste, was wir unterbreiten werden, aber sicher nicht das einzige, was wir unterbreiten können. Also wisch deinen bescheuerten und aufgesetzten Stolz beiseite und schalt dein Gehirn ein.
Du willst doch irgendwann einmal Profi werden?" Er hielt einen Moment inne und obwohl die Frage mehr rhetorisch gemeint war nickte Eusébio unwillkürlich mit dem Kopf.
"Wenn du also nicht eine ganze Kategorie besser als Lance Armstrong bist wirst du uns, deinen Verband, brauchen. Wenn wir wollen können wir dir ganz erheblich in die Suppe spucken, denn noch kennt dich keiner, noch bist du auf uns angewiesen. Also unterschreib das Ding, geh nach Hause und sei heilfroh, das du so glimpflich daovn gekommen bist."
Wieder entstand eine Pause, die der Angesprochene dazu nutze, seine Optionen durch zu gehen.
"Haben sie den Vertrag hier?"
Stinson blickte zu seinem Kollegen und in seinem Blick lag Erleichterung über den nahenden Sieg. Dieser aber fokussierte sich weiter auf sein Opfer.
"Nein. Die Entscheidung kam relativ spontan nachdem wir heraus gefunden haben, wie alt du bist. Glaub mir, ich hätte dich noch vor der Siegerehrung hoch genommen. Du hast es Mr. Stinson und seinem Vertrauen in deine Fähigkeiten zu verdanken, das ich es nicht getan habe."
Eusébio blickte zu dem kleinen, fast glatzköpfigen Mann und realisierte erst in diesem Moment, das er das Duo völlig falsch eingeschätzt hatte. Jetzt erwiderte er seinen Blick und zum ersten Mal sah er in seinen Augen die Bewunderung, die Verehrung seiner Fähigkeiten, die schon seit ihrer Begnung darin gelegen hatte.
"Ok, ich stimme zu. Schicken sie mir den Vertrag zu. Eine Bedingung habe ich aber noch"
Er hielt inne um seinen Zuhörern die Gelegenheit zu geben, nach eben dieser zu fragen. Alles, was er bekam, war eine erhobene Augenbraue des Hünen.
"Ich will an den Landesmeisterschaften teilnehmen."
Stinson blickte seinen Partner an und grinste. Offensichtlich hatte er darauf gehofft.
"Geht klar, wenn du dann schon 18 bist."
Eusebio atmete auf.
"Bin ich."
"Dann haben wir einen Deal"
Sie beide reichten ihm die Hand, um die Absprache zu besiegeln. Der eine der beiden nutzte die Gelegenheit, um sich vorzustellen.
"Marshall Cuddles" Seine riesenhafte Pranke packte hart zu und erdrückte seine winzige Hand in einem Berg aus Fleisch. Als Eusébio hinaus zu Marc ging wurde er das ungute Gefühl nicht los, dass dies nicht seine letzte Begegnung mit Cuddles gewesen sein würde.