KA: Herzlich Willkommen zur ersten Etappe der Tour de France 2005 von Fromentine nach Noirmutier-en-I'lle. Tony, dieses Jahr gibt es also schon zum Auftakt ein langes Zeitfahren statt eines kurzen Prologs. Welche Auswirkungen hat das auf das Rennen?
TR: Die Sprinter können nicht mehr vor dem Mannschaftszeitfahren ins gelbe Trikot fahren, was zu verstärkten Ausreißversuchen führen wird.
KA: Wer sind eine Favoriten heute? Echte Zeitfahrer oder noch die Prologspezialisten?
TR: Sicherlich die reinen Zeitfahrer. Topfavorit ist für mich Lance Armstrong zusammen mit Jan Ullrich. Aber natürlich sind auch Namen wie McGee, Rogers oder Cancellara zu nennen.
KA: Laut einer Zuschauerbefragung sähe das Podium in Paris wie folgt aus: Sieger Armstrong, zweiter Ullrich, dritter Basso. Knapp hinter Basso wird Vinokourov gesehen. Was hältst du davon?
TR: Sicherlich ein realistischer Tipp. Allerdings sehe ich persönlich Vinokourov noch vor Basso, aber ansonsten stimme ich überein.
KA: Zwei verirrte befragte nannten Petacchi als Favoriten fürs grüne Trikot.
TR: Aber der ist doch gar nicht dabei?
KA: Eben, da hat uns wohl jemand gestern nicht zugehört.
TR: So eine Präsentation ist ja auch nicht gerade interessant. Ich persönlich sehe Boonen als Favoriten für grün.
KA: Der wurde von unseren Zusehern gar nicht genannt. Gleichauf liegen bei Ihnen, verehrte zuschauer, McEwen, Freire und Zabel. Einer von den jetzt vier genannte Sprintern wird es dann wahrscheinlich auch machen. Kommen wir zum Bergtrikot, wen hast du da auf der Rechnung?
TR: Ein ganz schwer vorherzusagendes Trikot. das kann entweder ein Klassementsfahrer per Zufall abräumen, aber auch Fahrer, die sich auf das Trikot konzentrieren, haben eine Chance. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich Simoni oder Sevilla sagen.
KA: Interessant, denn die beiden tauchten bei unseren Zuschauern ebenfalls nicht auf. Dafür wurden Mayo, Mancebo, Azevedo, Vinokourov und Armstrong genannt. Das weiße Trikot hingegen dürfte klarer sein, oder?
TR: Cunego oder Valverde. Aber eher Cunego.
KA: Der ist auch Favorit bei den Umfrageteilnehmern. Bleibt noch das stärkste Team. T-Mobile oder Discovery Channel?
TR: Eher T-Mobile, da sie auch auf eine Dreierspitze setzen. Bei Discovery werden potenzielle Klassementsfahrer zu sehr für Armstrong verpulvert.
KA: Das war ein kleiner Überblick. Jetzt kann es endlich losgehen, die Live-Bilder sind da.
Die Nummer 119, Nicolas Portal, hat das Rennen aufgenommen und damit die Tour eröffnet.
TR: Hoffen wir, dass er gute Bedingungen hat. Das ist immer ein Lotteriespiel.
KA: Wohl wahr. Als nächster Fahrer verlässt die Nummer 109, Thomas Voeckler, die Rampe.
TR: Heute entscheidet sich, was sein Ziel bei dieser Tour ist. Wenn er aufs Klassement fahren will, fährt er heute schon volles Rohr. Wenn er aber, was ich eher glaube, auf Etappensiege geht, werden wir das an der ersten und einzigen Zwischenzeit merken.
KA: Ich denke auch, dass für ihn ein Etappensieg im Vordergrund steht. Den hat er ja letztes Jahr knapp verpasst, dafür aber Gelb bekommen.
TR: Der erste gute Zeit- und Klassementsfahrer steht bereit. Mit der Nummer 139 kann ich Haimar Zubeldia erkennen.
KA: Für ihn wird es schon heute darauf ankommen, eine gute Zeit hinzulegen. Wie ist die Taktik bei so einem Zeitfahren, Tony?
TR: Es ist nichts halbes und nichts ganzes. Wenn man sich sofort voll reinhängt, ist man nach der halben Strecke leer. Am besten ist es wohl, wenn man sich im ersten Teil ein paar Körner spart, die man dann zum Ende hin braucht.
KA: Noch haben wir keine Zwischenzeiten, aber den nächsten Starter, ein absoluter Topfavorit heute. Die Nummer 81, das ist Bradley McGee.
TR: Mal sehen, was er heute zu leisten im Stande ist.
KA: Ein geschwollenes Wort, Tony. Übrigens haben wir endlich die erste Zwischenzeit. Thomas Voeckler hält momentan mit 13'28'' die Bestzeit. Für einen, der eigentlich als Zeitfahrmuffel gilt, nicht schlecht, oder?
TR: Ich bin überrascht. Zwar wird er am Ende des Tages im Mittelfeld verschwinden, aber anscheinend fährt er, so gut er kann.
KA: Allerdings wird Zubeldia diese Zeit knacken, keine Frage. Was meinst du, kann diese Tour von einem Bergspezialisten gewonnen werden, der wie Voeckler im Zeitfahren einiges verliert?
TR: Eigentlich sind diese Zeiten vorbei. Aber einem Mayo kann man immer zutrauen, zwei oder drei Minuten rauszufahren. Allerdings auch nur einmal, danach wird er sich nicht mehr von den Klassementsfahrern lösen können.
KA: Alejandro Valverde steht zum Start bereit.
Unterdessen hat Zubeldia erwartungsgemäß mit 13'12'' eine neue Zwischenbestzeit aufgestellt. Mal sehen, ob er noch zulegen kann.
TR: Das sollte er jedenfalls, denn ansonsten sehe ich für die Top 10 heute schwarz. Noch ein Wort zu Valverde: Viele hoffen ja, dass er schon dieses Jahr unter die ersten fünf der Tour fährt. Das halte ich persönlich für ausgeschlossen, da er Mancebo wird helfen müssen und im Zeitfahren noch nicht stark genug ist. Ein Etappensieg traue ich ihm dennoch zu.
KA: Wir werden ja sehen, wie er sich schlägt heute.
TR: McGee mit neuer Zwischenbestzeit! Allerdings ist er nur vier Sekunden schneller als Zubeldia.
KA: Die Frage lautet jetzt: Ist der Baske so stark oder der Aussie so schwach?
TR: Eher scheint mir McGee einen schlechten Tag erwischt zu haben.
KA: Wie dem auch sei, Erik Zabel hat das Rennen aufgenommen.
Kann er dieses Jahr in grün Paris erreichen? Das ist die Frage.
TR: Dafür müsste er auch die Zwischensprints mitnehmen. Diese kosten aber Kraft fürs Finale, also eine echte Zwickmühle. Aber er wird es auf jeden Fall probieren.
KA: Ist der Druck auf ihn jetzt größer, da er mit Pollack einen Anfahrer hat?
TR: Der Druck bleibt gleich, denn das Team ist ja immer noch eindeutig aufs Gesamtklassement ausgerichtet. Aber er kann natürlich zunehmen, wenn er bis zu den Vogesen nichts gewinnt.
KA: So langsam trudeln die ersten Fahrer im Ziel ein. Voeckler mit 22'18'' und Zubeldia mit 21'50'', also fast eine halbe Minute Abstand.
TR: Da hat sich im Vergleich zum ersten Teil also wenig getan, beide sind ihr Tempo gleichmäßig weitergefahren. Die Zeiten werden aber noch deutlich schneller werden, ich erwarte sie am Ende bei um die 21 Minuten.
KA: Ui, da hat Bradley McGee aber Glück gehabt. Ganze vier Sekunden liegt er im Ziel vor Zubeldia.
TR: Das wird bei weitem nicht zum Sieg reichen, das steht jetzt schon fest. Schade, von ihm habe ich mir eindeutig mehr versprochen, vor allem nach der Tour de Suisse.
KA: Unbemerkt von den Kameras ist direkt nach Zabel Jens Voigt auf die Strecke gegangen.
TR: Valverde ist an der ersten Zwischenzeit sogar eine Sekunde langsamer als Voeckler. Das kann heute schon zum Auftakt eine richtige Packung geben. Jetzt ist wohl allen klar, dass er nur Helfer ist.
KA: Da habe ich persönlich mehr erwartet. Aber diese Zeit spricht auch für Voeckler.
TR: Auf jeden Fall. Er hat sich hier teuer verkauft. Dennoch eine schwache Leistung von Valverde.
KA: Zwei deutsche an der ersten Zwischenzeit: Zabel 13'46'' und Voigt knapp hinter McGee: 13'11''. Zabel scheint sich hier überhaupt nicht anzustrengen.
TR: Wieso sollte er auch? Das gelbe Trikot wird er eh nicht erreichen können in den nächsten Tagen und Punkte würde er auch nicht abkriegen.
KA: Was macht Valverde?
Er kommt ins Ziel. 22'20'' lautet seine Zeit, womit er exakt 34 Sekunden auf McGee verloren hat.
TR: Ein deutliches Indiz für den Einbruch McGees: Valverde hat 21 Sekunden auf dem ersten Teil liegen lassen, aber nur 13 auf dem zweiten.
KA: McGee ist wohl das Rennen einfach zu schnell angegangen. Blicken wir nach Fromentine, wo Jean-Patrick Nazon auf der Rampe steht:
Er wird wohl, ähnlich wie im letzten Jahr, die erste Flachetappe gewinnen wollen.
TR: So ein Sieg ist ganz wichtig fürs Selbstvertrauen. Wer den ersten Sieg landet, hat gute Chancen, direkt am nächsten Tag den zweiten einzufahren. Ob Nazon dieses Niveau schon hat, wird sich erst zeigen.
KA: Der nächste Favorit rollt auf die Strecke: Christophe Moreau.
TR: Auch einer, der aufs Bergtrikot gehen könnte. Sein Ziel ist aber der Toursieg, worüber ich nur müde lächeln kann...
KA: Aber in drei Wochen kann viel passieren. Paolo Savoldelli ist jetzt auch gestartet. Der Giro-Sieger als Edelhelfer, wann hat es das zuletzt gegeben?
TR: Gotti 1999 für Virenque.
KA: Danke, Tony. Der erste ganz ganz große Favorit startet: Mit der Nummer 131 beginnt Iban Mayo das Rennen!
TR: Währenddessen haben Zabel und Voigt das Ziel erreicht. Zabel mit 22'48'', Voigt mit 21'49''. Damit ist der Mecklenburger zweiter.
KA: Nachher wird er im Talk mit Ulli und Karsten erklären, was heute funktionierte bei ihm und was nicht. Hier der Zwischenstand:
1. McGee 21'46''
2. Voigt +0'03''
3. Zubeldia +0'04''
Und damit gehts zur Werbung nach Paris. Bis gleich!