16. Etappe: Bergzeitfahren L`Alpe d`Huez
Ein Herzliches Willkommen aus L´Alpe d`Huez, liebe Zuschauer. Daniel Becke vom Team ILLES BALEARS BANESTO steht bereit, und wir sich in wenigen Augenblicken als erster Akteur auf den Weg hinauf von Bourg d`Oisans nach L`Alpe d`Huez machen. 1110 Höhenmeter sind auf 15,5 Kilometer zu bewältigen, ein mörderisch hartes Bergzeitfahren, dass den Helden der Landstraße – so werden die Radfahrer ja gerne genannt – alles abverlangen wird.
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Wir sehen bei Kilometer 9,5 in Huez-en-Oisans den 122. der Gesamtwertung, Fabian Cancellara vom Team FASSA BORTOLO. Der Schweizer gilt als Zeitfahrspezialist, doch auch er wird sich heute nicht ganz vorne einreihen können. Bei der Zwischenzeitnahme kann er sich aber zunächst einmal vor dem momentan führenden Baden Cooke / FDJEUX.COM platzieren:
Cancellara kann seinen Vorsprung behaupten, liegt im Ziel nun 9 Sekunden vor Baden Cooke. Aber, wie gesagt, liebe Zuschauer, die Fahrer, die wir momentan auf der Strecke sehen, werden mit dem Ausgang des heutigen Zeitfahrens nichts zu tun haben. Es handelt sich somit momentan nur um Momentaufnahmen. Auch ein Bobby Julich, den wir jetzt als 62. der Gesamtwertung auf der Strecke sehen, wird sich nicht unter den Top 30 platzieren:
Für den Fahrer aus der dänischen CSC-Mannschaft heißt es heute „Kräfte schonen“ – wird er doch morgen wieder an der Seite von Ivan Basso über die letzten Berge der Alpen gehen. Wir müssen uns noch ein wenig Gedulden, ehe echte Top-20-Anwärter auf die Strecke gehen. Aus dem Ziel erhalten wir soeben die Meldung, dass auch George Hincapie / US POSTAL SERVICE die Zeit von Cancellara nicht unterbieten kann. Ein feiner Erfolg für den Schweizer, dessen Zeit an der Spitze nun aber abläuft:
Jens Voigt kann sich deutlich an die Spitze setzen. Interessant wird auch das Duell um das weiße Trikot des besten Nachwuchsprofis. Patrik Sinkewitz / QUICK STEP – DAVITAMON liegt nach 9,5 Kilometern 20 Sekunden hinter Philippe Gilbert / FDJEUX.COM. Sein Vorsprung in dieser prestigeträchtigen Wertung ist damit auf exakt eine Minute geschmolzen. So langsam wird es auch am Start spannend, die besten 20 Fahrer der Gesamtwertung gehen nun auf die Strecke. Im Ziel führt nun Jens Voigt, da fliegt Andreas Klöden / T-MOBILE an dem vor ihm gestarteten Sven Montgomery / GEROLSTEINER vorbei und setzt zur Zwischenzeit eine neue „Marke“:
Doch Klödens Bestzeit hält nicht lange, sein Teamkollege Santiago Botero nimmt ihm auf den ersten 9,5 Kilometern 25 Sekunden ab. Eine starke Vorstellung des ehemaligen Zeitfahrweltmeisters, der in den Bergen bislang so enttäuschte.
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Gleich geht es los, liebe Zuschauer, die glorreichen Sechs der ersten zweieinhalb Wochen werden sich an den Start begeben. Im Ziel führt nun Carlos Sastre vom Team CSC mit 41: 21 Minuten. Eine erste Hausmarke, die es heute zu knacken gilt. Sechs Fahrer hat die L´Equipe heute morgen auf ihrer Titelseite zu den Favoriten auf den Tagessieg erkoren. Neben Armstrong, Ullrich, Basso, Mayo und natürlich Hamilton auch Christophé Moreau von CREDIT AGRICOLE, der soeben gestartet ist:
Der Franzose ist bislang in den Bergen so engagiert gefahren, dass seine Nominierung in diesen Favoritenkreis zwar verwundert, aber sicher nicht unverdient ist. Im magentafarbenen T-MOBILE-TRIKOT ist nun auch Jan Ullrich gestartet. Für den Merdinger stehen nun ebenso 21 Spitzkehren auf dem Programm, wie für Ivan Basso, Lance Armstrong, Iban Mayo und Tyler Hamilton, die noch nach ihm starten werden.
Nachdem nun auch Hamilton die Startrampe herunter gerollt ist, sind alle Fahrer auf der Strecke. Als ersten der Favoriten werden wir Moreau bei der Zwischenzeit sehen. Momentan ist an diesem Streckenpunkt Oscar Sevilla von PHONAK, und der Spanier stellt eine neue Bestmarke auf. Noch einmal 34 Sekunden schneller als Sastre, das sollte zu einer Platzierung in den Top 10 heute reichen:
Nur wenige Minuten nach Sevilla ist Roberto Heras gestartet, über den wir noch kein Wort heute verloren haben. Ja, der Tritt des Zehnten der Gesamtwertung sieht sehr rund aus. Auch von Heras dürfen wir heute eine starke Vorstellung erwarten. Mit dem angestrebten Toursieg wird es zwar kaum etwas werden, doch die neue Bestzeit nach 9,5 Kilometern – noch einmal 32 Sekunden schneller als Sevilla – lässt einiges erhoffen:
Sie sehen selbst, Heras hat schon Sichtkontakt zu dem vor ihm gestarteten Francesco Mancebo / ILLES BALEARS BANESTO! Eine harte Nuss hat er da für die Top-Favoriten hinterlassen, wir werden gleich sehen, ob Christophe Moreau an diese Zeit heran kommt. Der Franzose wird von seinen rund anderthalb Millionen Landsleuten frenetisch gefeiert, er fährt wirklich eine grandiose Tour. Auch heute ist Moreau wieder vorzüglich unterwegs, nach 9,5 Kilometern ist er noch fünf Sekunden schneller als Heras:
Als nächstes fahren wir mit Jan Ullrich an die Zeitnahme heran. Der T-MOBILE-Capitän möchte heute angreifen, zeigte sich vor dem Start in Bourg d`Oisans zuversichtlich. Das Wetter spielt ihm sicher in die Karten, 35 ° sind sein Metier, da fühlt sich der Tourzweite von 1996, 1998, 2000, 2001 und 2003 wohl. Aber auch Jan Ullrich hat bei Steigungen um die 9 % zu schwitzen, der Merdinger egalisiert die Zeit von Moreau:
Nach Ullrich ist Lance Armstrong gestartet, nun sehen wir den direkten Vergleich mit dem Merdinger. Der Tritt des Texaners ist wie immer sehr flüssig, im Vergleich zu Ullrich fliegt er auch heute wieder den Berg scheinbar hinauf mit seinem Stakkato-Schritt. Aber wir sehen es unten links auf der Uhr, Armstrong hat die Zeitnahme noch nicht ganz erreicht, da ist die Zeit von
Moreau und Ullrich verstrichen, Armstrong folgt mit sechs Sekunden zurück:
Ein guter Auftakt aus deutscher Sicht. Sechs Sekunden sind zwar sicherlich nicht die Welt, doch eine Tendenz ist auch heute wieder zu verzeichnen: Lance Armstrong ist in diesem Jahr wahrlich nicht der gewohnte Dominator, sein sechster Toursieg in Folge in ernster Gefahr. Nach Armstrong ist mit Ivan Basso der vermeintlich schwächste Zeitfahrer gestartet, und wir sehen es: dem Italiener liegt der Kampf gegen die Uhr nicht so sehr. Mit einem Rückstand von 24 Sekunden reiht er sich zunächst auf Platz fünf ein. Jetzt aber heiß es aufgepasst:
Die Verschnaufpause war nur kurz, mit Iban Mayo kommt der Favorit auf den Tagessieg. Nach seinem überlegenen Sieg beim Dauphiné Libéré erwarten besonders die spanischen Radsportfans heute Großes vom tapferen Kämpfer. Aber die Tour ist doch ein anderes Rennen, Mayo ist zwar stark dabei, aber auch 8 Sekunden hinter dem Führungsduo zurück. Es bleibt also ganz eng, an der Spitze der Tour. Heute scheint wahrlich keine Vorentscheidung zufallen – so die Tendenz nach den ersten 9,5 Kilometern.
Wir warten nun nur noch auf Hamilton, und der Träger des Maillot Jaunes kommt soeben um die Ecke gebogen. Begleiten wir ihn auf den letzten Metern – auch Hamilton erreicht die Zeit von Ullrich und Moreau nicht, mit 6 Sekunden Rückstand reiht er sich gemeinsam mit Lance Armstrong auf Platz vier ein. Nun, da wir etwas Zeit zum Durchschnaufen haben, noch einmal ganz schnell für Sie der Zwischenstand: 1. Ullrich und Moreau, 3. Heras mit 5 Sekunden Rückstand, 4. Hamilton und Armstrong mit 6 Sekunden Rückstand, 6. Mayo 8 Sekunden zurück und 7. Basso mit 25 Sekunden Rückstand.
Wir sehen gerade aus der Sicht von Jan Ullrich, dass Christophe Moreau den Abstand auf einen so starken Fahrer wie Mancebo verkürzen konnte. Welch starkes Rennen des Franzosen, er ist heute ein heißer Kandidat auf den Sieg. In meinen Augen dürfte Jan Ullrich sein schärfster Konkurrent sein, von dem T-MOBILE-Kapitän wissen wir, dass er im weiteren Verlauf eines Zeitfahrens immer stärker wird. Dagegen ist Lance Armstrong eher als Schnellstarter bekannt, diese Taktik scheint aber heute nicht aufzugehen. Wir sehen nun Roberto Heras auf das Ziel zufahren, nur wenige Augenblicke nach Macebo erreicht er L`Alpe d`Huez:
Und – neue Bestzeit, bei 39 Minuten und 6 Sekunden bleibt die Uhr stehen. Damit ist er genau eine Minute schneller als Oscar Sevilla. Diese Zeit gilt es also heute zu knacken. Einer, der dies schaffen könnte, ist Christophe Moreau, der nun das Etappenziel erreicht. Sein Vorsprung betrug 5 Sekunden, und es wird auch jetzt knapp für den Franzosen. 39 Minuten, 1 Sekunde, 2 Sekunden und – Moreau ist im Ziel:
Bestmarke für den Kapitän von CREDIT AGRICOLE, das Publikum ist begeistert. Wenn es schon am Nationalfeiertag nichts mit dem angestrebten Sieg für die Grande Nation wurde, vielleicht haben sie ja heute Grund zum Feiern. Gleich wird Jan Ullrich im Ziel ankommen, wir erinnern uns: Ullrich lag zuletzt mit Moreau gleichauf. Wir sehen die Uhr mitlaufen, das wird ein Wimpernschlagfinale. Der Merdinger liegt vorne … nein, zeitgleich mit Moreau erreicht er L`Alpe d`Huez:
Welch Wahnsinn, bedenkt man, dass Moreau Opfer einer recht schwachen Zeitfahrmannschaft ist und nach Ambras 48 Sekunden auf Armstrong verlor, wäre für den Franzosen mit einem besseren Team im Kampf gegen die Uhr vielleicht sogar mehr drin. Aber konzentrieren wir uns nun auf Armstrong, sein Vorsprung auf Ullrich betrug vor der heutigen Etappe gerade einmal fünf Sekunden. Die sind nun verstrichen, Lance Armstrong erreicht das Ziel mit 13 Sekunden Rückstand:
Für den nun folgenden Basso geht es nur um Schadensbegrenzung, der Italiener lag zur Zwischenzeit 25 Sekunden zurück, nun sind es 43. Ein ordentliches Ergebnis für den Mann von Bjarne Riis, das ihm weitere Chancen lässt. Chancen auf den Gesamtsieg hat auch weiterhin Iban Mayo, auch wenn es heute vielleicht nicht zum Tagessieg reicht:
Der Spanier hat wie die 178 vor ihm gestarteten Spieler alles gegeben, am Ende reicht es dennoch „nur“ zu Platz fünf.: 15 Sekunden hinter Ullrich und Moreau zurück. Jetzt ist nur noch ein Fahrer auf der Strecke, und sollte er auf den letzten Metern nicht mehr einbrechen, wird Tyler Hamilton auch morgen noch das Gelbe Trikot tragen. Und das ist nicht der Fall, der Amerikaner hat sich sein Rennen heute vorzüglich eingeteilt, mit 11 Sekunden Rückstand wird Hamilton Dritter:
Damit hat er Lance Armstrong sogar noch zwei Sekunden abgenommen, es war nicht der Tag des Texaners von US POSTAL. Doch die Abstände auf den ersten Plätzen sind sehr gering, Jan Ullrich hat seine Position zwar verbessern können, aber an der Spitze ist weiterhin alles eng beisammen. Ich habe mal eben überschlagen und zwischen dem Leader Tyler Hamilton und dem sechsten Christophe Moreau dürften weniger als 80 Sekunden liegen. Die endgültige Entscheidung wird wohl erst beim Einzelzeitfahren rund um Besancon fallen. Damit zurück ins Studio…