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Hoffi
8.9.2004 - 7:59
Fabian Rolff
Meine Woche
5. Woche vom 25. bis 31. Januar 2004
Wie angekündigt führten wir zunächst einmal die Gespräche mit Santos Gonzalez und José Enrique Gutierrez weiter. Schnell kristallisierte sich heraus, dass die Phonak-Mannschaft ein ebenso großes Interesse an einer der beiden hegte, wie wir auch. So konnten weder die Gespräche, die sich um sportliche Hinsichten handelten, noch die ersten konkreten Vertragsangebote eine Entscheidung bringen. Erst als Phonak und wir beiden Fahrern die jeweils siebten oder achten überarbeiteten Kontrakte vorlegten, hatten Gutierrez und Gonzalez eine differenzierte, für alle Parteien jedoch optimale Lösung: Ersterer wählte unser Team GBC, Letzterer Phonak. Es folgte am Freitag einzig noch der formale Akt, ehe wir auch unsere letzte Verpflichtung und die Komplettierung unseres Kaders bekannt geben konnten.
So hatten wir gerade passend zur Saisonvorbesprechung alle 24 Sportler an Bord – und es kamen auch alle. Wir wollten das Ganze zunächst als eine offene Diskussionsrunde gestalten, bei dem jeder Fahrer sein Anliegen – sprich das, was er in diesem Jahr erreichen will, etc. – äußern sollte. Wortführer, das zeigte sich relativ schnell, waren dabei die Älteren: Jens Voigt, José Azevedo und Juan Antonio Flecha. Vier Stunden wurde meist friedlich miteinander geredet und dabei eigentlich jede offen stehende Frage einvernehmlich geklärt. Hier die Ergebnisse unserer Runde, die vornehmlich einer Fahrer-Beschreibung gleichen, da genaue Rennpläne natürlich noch fehlen, sondern einzig die Aufteilung bei den großen Rennen festgelegt wurde – auch wenn unser Start bei vielen noch in den Sternen steht.
Valero Agnoli (19)
Er ist noch jung und in seinem ersten Profijahr, soll sich erst einmal reinfinden und lernen. Je nach „Entwicklungs-Status“ wird er dann bei den jeweiligen Rennen eingesetzt. Eines steht jedoch: er wird viel fahren.
José Azevedo (30)
Er ist unser Kapitän für die Vuelta, auch wenn es sicherlich darum sicherlich ein wenig Trubel geben wird: Wir sind ein spanisches Team und haben in Iban Mayo einen Weltklasse-Rundfahrer, den wir dort nicht einsetzen werden. Iban Mayo soll er außerdem in Frankreich unterstützen, des weiteren will er unbedingt die Volta a Portugal, also zuhause gewinnen.
Daniel Becke (25)
Ich bezeichne ihn als „Multikulti-Helfer“. Denn der Bogen seiner Aufgaben ist weit gespannt: Den Sprintern den Spurt anziehen, Ausreißer einfangen oder Iban Mayo und José Azevedo in den jeweiligen Mannschaftszeitfahren zu nicht als zu viel Zeitverlust verhelfen. Doch auch seine eigene Chance darf er in den Zeitfahren oder bei vereinzelten Ausreißversuchen wahrnehmen.
Daniele Bennati (23)
Ein junger, aber schon sehr weiter Sprinter. Er soll beim Giro als Chef an den Start gehen und möglichst viele gute Platzierungen einfahren; den Anspruch eines Etappensieges stellen wir jedoch (noch) nicht an ihn – zumindest beim Giro. Bei kleineren Rundfahrten ist dies schon im Bereich des möglichen.
Antonio Bucciero (22)
Er ist auch der Sprinter-Typ, allerdings noch lange nicht so weit wie Bennati. Er muss sich erst noch in die ganze Härte der Massenspurts hineinfinden, soll daher bei vielen Rennen als letzter Anfahrer für Bennati oder Hushovd agieren. Sein persönliches Ziel: ein Saisonsieg.
Fabian Cancellara (21)
Unglaublich weit für sein Alter. Ein Prologspezialist, der sich nun mehr und mehr auf die längeren Distanzen wagen soll, um auch dort die besten schlagen zu können – im Moment ist dies nur bei unter zehn Kilometer langen Zeitfahren machbar, sein Hauptziel ist daher der Gewinn des Prologs bei der Tour de Romandie und Tour de France. Außerdem soll er Sprints anziehen und unter Umständen Flecha auf Kopfsteinpflaster helfen.
Juan Antonio Flecha (26)
Wie angekündigt einer der Köpfe des Teams. Eigentlich ist er einer für die Klassiker, doch da dort Michele Scarponi Kapitän sein wird, soll er sich auf Etappensiege konzentrieren, einzig die Pflaster-Rennen soll er als Chef angehen. Auch als Anfahrer für die Sprinter kann er einspringen.
Angel Gomez (22)
Ein Helfer durch und durch. Hart gesagt: Um dieses Jahr irgendwo als Kapitän aufzutrumpfen, bedarf es einer riesigen Überraschung, daher soll er seine Chefs unterstützen. Doch ist er noch jung und soll sich entwickeln, auch wenn ihm nicht so eine Zukunft wie Cancellara, Bennati oder Sella bevorsteht.
Jonathan Gonzalez (22)
Eigentlich könnte ich die Worte von Gomez wiederholen und auch hier unter diesem Namen notieren: Noch ist er zu schwach, um diverse Rennen für sich in Anspruch zu nehmen, er muss lernen und helfen.
Hector Guerra (25)
Ein guter Mann, vor allem ist er tempofest, kann somit vor allem in Ausreißergruppen und bei der Verfolgung selbiger glänzen. Der Kampf gegen die Uhr gehört daher zu seinen Stärken; er soll ähnliche Arbeiten wie Becke verrichten.
José Enrique Gutierrez Cataluña (29)
Verlässlich am Berg, stark im Zeitfahren. Bei den Grand Tours wird er zwar nicht als Kapitän, sondern als Edel-Adjudant für Mayo oder Azevedo starten, doch soll er bei zahlreichen kleineren Rundfahrten vorne mit dabei sein.
Ignacio Gutierrez Cataluña (25)
Ein Mann ohne besondere Stärken und Schwächen; zu schwach, um als Kapitän zu starten, zu stark, um nur als Helfer zu dienen. Ein vielseitiger Mann, bei dem es gilt, den Mittelweg zu finden.
Thor Hushovd (25)
Seine Devise lautet: Siegen, egal wie. Vor allem bei der Tour und wahrscheinlich auch der Vuelta soll dies der Fall sein. Aber auch Etappen bei kleineren Rundfahrten soll er seinen Stempel ausdrücken. Er ist unser Top-Sprinter mit Allround-Fähigkeiten.
Samuele Marzoli (19)
Für ihn gilt dasselbe wie für Bucciero: Er soll in den harten Massensprints lernen – durch Anfahren für Hushovd oder Bennati.
Iban Mayo (26)
Seine Ziele standen schon vor der Diskussionsrunde. Ganz oben steht die Tour de France, es folgt die Baskenland-Rundfahrt und unter Umständen auch Lüttich–Bastogne–Lüttich. Seine Konzentration liegt eindeutig auf dem Juli, wo wir versuchen werden, ihm ein schlagkräftiges Team zur Seite zu stellen – vor allem, um im Mannschaftszeitfahren nicht all zu viel Zeit zu verlieren, und um in den Bergen Zeitfahr-Prävention zu betreiben. Das Ziel lautet Podium.
Aketza Peña Iza (22)
Auch er ist ein Neo-Profi und es ist dementsprechend das erste Jahr für ihn. Die Umstellung ins Profigeschäft ist riesig, von daher gesehen lautet auch seine oberste Divise: lernen.
Ruben Plaza (23)
Bei ihm ist das so eine Sache. Bei dem ein oder anderen Rennen könnte er vielleicht vorne mitfahren, doch wir haben uns dazu entschieden, ihn durch zu verrichtende Helferaufgaben aufzubauen – auch wenn er nie wirklich einer der ganz Großen werden wird.
Luis Leon Sanchez (19)
Ein Riesentalent – vor allem im Zeitfahren gehört er zu unseren besten, die Chancen einer Teilnahme an Tour und Vuelta sehe ich daher für sehr groß an. Auch wenn dies dann ein umfangreiches Programm für einen gerade erst Volljährigen wäre – er ist wichtig für uns, vor allem im Mannschaftszeitfahren. Doch auch in den Bergen kann er schon einige Qualitäten aufweisen. Entwickelt er sich gut, kann er ein ähnlicher Fahrertyp wie ein David Millar oder Michael Rogers werden: Weltklasse im Zeitfahren, gut in den Bergen.
Michele Scarponi (24)
Sein Programm wurde in den Medien schon von vorne bis hinten, doppelt und dreifach durchgekaut. Sein erster Formhöhepunkt soll Ende April sein, wenn die Ardennen-Klassiker stattfinden, ob er vorher schon bei Mailand–San Remo startet, hängt von der Form ab, die er dann besitzt. Je nachdem wird er auch den Giro d'Italia fahren – wir vier raten es ihm ab, und hoffen, dass er sich für die italienischen Eintagesklassiker im Herbst entscheidet. Denn genau dann soll auch der zweite Formhöhepunkt sein. Denn auch die HEW Cyclassics, der Clasica San Sebastian und Züri Metzgete finden in diesem Zeitraum statt. Eine längere Pause mit minutiöserer Vorbereitung wäre da natürlich besser. Je nach Weltcupstand und Form entscheiden wir dann noch, ob er die Lombardei-Rundfahrt fährt – und das will er unbedingt, ebenso wie den „Primavera“, da sie die einzigen beiden italienischen Weltcupveranstaltungen sind; er weiß, wie wichtig den Medien dortzulande ihre heimischen Rennen sind. Realisiert er alles, würde er sieben Weltcuprennen fahren – eine Zahl, die Chancen auf einen ganz vorderen Gesamtplatz macht.
Emanuele Sella (22)
Ein ganz großes Talent, vergleichbar mit Scarponi; seine Zukunft könnte ebenfalls bei Klassikern liegen, aber auch das Hochgebirge gehört zu seinen Stärken. Eine Tendenz in dieser Hinsicht herauszufinden, ist einer der Ziele in dieser Saison. Ein anderes natürlich die Weiterentwicklung.
Ricardo Serrano (25)
Zu alt, um wirklich noch ganz vorne mitfahren zu können, zu jung, um schon ganz abgeschrieben zu werden. Wir werden ihn vornehmlich natürlich als Helfer einsetzen – es sei denn, er schafft doch noch den Durchbruch.
Jens Voigt (32)
Wie bereits erwähnt ist Jens einer der Köpfe des Teams, auch wenn er die Sprache der Spanier nicht versteht. Er ist beliebt und wird anerkannt – durch seine Menschlichkeit im Peloton ebenso wie durch seine sportlichen Erfolge, vor allem für unsere Jungen ist er wichtig. Zwei Ziele hat er sich in dieser Saison gesteckt: Ein Sieg beim Critérium International und der Gewinn der Deutschland-Tour. Aber auch bei anderen Rennen wird er uns anführen, zunächst einmal bei Paris–Nizza.
Constantino Zaballa (25)
Um bei dreiwöchigen Touren oder den HC-Rundfahrten vorne dabei zu sein, fehlt ihm das Potenzial, jedoch kann er kleinere – vornehmlich spanische – mehrtägige Rennen vorne beenden, und bei den ganz großen Rundfahrten auf Etappensiege fahren oder als Helfer seinen Kapitänen zur Seite stehen; und das in fast jedem Gelände.
"There are only 10 types of people in the world: Those who understand binary, and those who don't."