Ein Spital

Ein kleines Rollenspiel

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Escartin
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Ein Spital

Beitrag: # 211163Beitrag Escartin
3.2.2005 - 15:27

Belli erwachte und blickte sich um. Wieder schnarchte der Finanzbeamte, der im Bett auf der anderen Seite des Raumes seine Operation auskurierte. Womit hatte er das nur verdient? Dieses Gesundheitssystem war wirklich bedenklich.

Bereits zwei Tage nach seinem umjubelten Sieg in der Lombardei hatte Belli Schmerzen in seiner Brust verspürt und hatte seinen Arzt aufgesucht, der ihn mit einem bedrückten Gesicht an diese Klinik verwiesen hatte.

Und was hatte man hier diagnostiziert? Belli hatte es am Herzen. Die genaueren Ausführungen des behandelnden Arztes hatte er nicht wirklich verstanden, aber ihm war doch klar geworden, dass er seine Karriere wohl würde beenden müssen. Der Italiener glaubte nicht an Wunder.

Nun, es galt also, sich nach einer anderweitigen Beschäftigung im Radsportzirkus umzusehen. Belli richtete sich auf, griff nach der Zeitung und suchte nach Artikeln, die den Beschluss, der in ihm heranreifte, bestärken konnten.
"Wittgenstein pondered what time it could be on the sun (it was a nonsensical question, he concluded)." - The Economist

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Escartin
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Beitrag: # 211906Beitrag Escartin
6.2.2005 - 16:40

Von seinem Krankenbett aus versandte Wladimir Belli folgende Bekanntmachung:

Der Weltradsport steht vor einer großen Umwälzung. Erstmals wird der Radsportweltverband eine demokratisch legitimierte Führung erhalten. Dieser große Moment bringt für die Radprofis aber auch eine große Verantwortung. Es muss unbedingt ein fähiger Präsident gewählt werden, der die katastrophale Situation des Radsports verbessern kann.

Ich selbst, Wladimir Belli hatte gehofft, unter dem Dach eines neuen Radsportweltverbandes noch eine schöne Saison auf den Straßen Europas absolvieren zu können. Leider hat eine Erkrankung dies verhindert, ich darf keinen Leistungssport mehr betreiben.

Ich möchte dem Radsport dennoch verbunden bleiben. Ich habe mich schon länger sportpolitisch engagiert und kann von mir behaupten, eine gewisse Rolle bei den Entwicklungen der letzten Zeit gespielt zu haben. Daher erscheint es mir nur logisch, mich auch an der Weiterführung des von mir anbgestoßenen Prozesses zu beteiligen. Deshalb kandidiere ich für das Amt des UCI-Präsidenten.

Ich fühle mich noch immer als aktiver, daher stehe ich auch für eine Politik, die sich für die Interessen der Fahrer einsetzt. Ich selbst habe Rennen an den unmöglichsten Orten mitmachen müssen, weil irgendwelche Sponsoren es so wollten. Solche Fehlentwicklungen darf es nicht mehr geben. Vom letzten Jahr ganz zu schweigen. Jeder Radprofi, ob Sprinter, ob Kletterer, ob Zeitfahrer verdient seine Chancen. Auch dafür stehe ich. Wir aben es verdient, mehr zu sein, als nur die Kühe, die von den Sponsoren und den Medien gemolken werden.

Wofür meine Konkurrenten stehen weiß ich nicht.

W. Belli
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Escartin
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Beitrag: # 211993Beitrag Escartin
7.2.2005 - 11:31

Dankbar hatte Belli festgestellt, dass sein Krankenhaus einen etwas größeren Saal hatte, der sich für eine Pressekonferenz nutzen ließ. Also hatte er sich ausgebeten, diesen für einen Vormittag nutzen zu dürfen. Daraufhin hatte er eine Rundmail an alle wichtigen Sportredaktionen versand, um diese zu der Pressekonferenz des zukünftigen UCI-Vorsitzenden einzuladen.

Jetzt sazß Belli also auf einem kleinen Podium, hinter einem etwas wackligen Tisch, auf dem ein Mikrofon aufgebaut war und blickte in den Raum, der sich nur langsam füllte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es noch 15 Minuten bis zum festgesetzten Termin waren.
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Stephen Roche
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Beitrag: # 211994Beitrag Stephen Roche
7.2.2005 - 11:32

Stephen kam sich albern vor, zumal die Blumen in seiner Hand schon dem Welken nahe waren. 13,60 € hatte der Halsabschneider im Spital-Shop dafür verlangt und ihn zudem mit einem Lächeln verabschiedet, dass zu sagen schien Gute Besserung auch der Dame. Von wegen Dame. Nein, vielmehr stand Stephen unentschlossen vor dem Zimmer, in dem nach Auskunft einer gleichermaßen übergewichtigen wie unfreundlichen Krankenschwester Wladimir Belli lag. Wenn er denn lag, dachte Stephen.

Nach kurzem, aber festen Klopfen trat er nach einem keineswegs kränklich klingenden Si in das mit Blumen bereits reich geschückte Krankenzimmer ein.

Wladimir, ist das die richtige Art einen Lombardei-Sieg zu feiern? Stephen wusste, dass Belli Mitleid weder wollte noch nötig hatte.
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Stephen Roche
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Beitrag: # 211999Beitrag Stephen Roche
7.2.2005 - 11:58

Verwirrt bemerkte Stephen, dass die Stimme, die er ohne weiteres Belli zugeornet hatte, gar nicht von diesem stammen konnte. Ein Mann mit Hornbrille saß aufgerichet in einem der beiden Betten, einen Stapel Aktenordner vor sich aufgebart, und blickte Stephen verdutzt an.

Äh, sorry, Mister. Ich dachte, dies wäre das Zimmer von Wladimir Belli.

Den darauffolgenden Ausführungen des Mannes konnte er nur die Worte conferenza und cinque minuti entnehmen, der Rest ging in einem Schwall italienisch klingender Sätze unter.

Stephen entschuldigte sich nochmal für die Störung, vergaß die Blumen und ging aus dem Zimmer.
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