"Le Coq Français"- Brathähnchen in Spitzenqualität

Ein kleines Rollenspiel

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Stephen Roche
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"Le Coq Français"- Brathähnchen in Spitzenqualität

Beitrag: # 187313Beitrag Stephen Roche
14.10.2004 - 14:34

Stephen bevorzugte Irish Coffee. Deshalb fiel es ihm nicht schwer, sich zwischen dem stickigen Gerwerkschaftsbus, der mehr als eine Farce war, und dem zwar nicht noblen, aber doch soliden Bistro um die Ecke zu entscheiden. Nachdem beide, natürlich animiert vom sich in dieser Atmosphäre scihtlich wohlfühlenden Etxe, jeder einen Broiler ( :wink: ) bestellt hatten, lehnte sich Stephen zurück.

Und?
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ETXE
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Beitrag: # 187378Beitrag ETXE
14.10.2004 - 16:46

Etxe hatte sich für einen scharf gewürzten Broiler entschieden und dazu etwas Kartoffelsalat genommen. Lustige Leute rannten hier herum.

Nach dem Essen orderte er einen Milchkaffee mit etwas Kakao. Er wollte Roche noch etwas zappeln lassen.

Schließlich begann er:
"Was ist mir sauberer Sport wert? Dazu müsste man zunächst wissen, was sauberer Sport ist, hihi :D :? . Wovon sollte Sport unbefleckt sein. Vom Funktionärstum, der damit verbundenen Korruption?"

David nahm einen Schluck von seinem Kaffee und versuchte dabei, seine Gedanken zu sammeln und zu ordnen...
"Also, wir alle in der Kommission sollten wissen, wie es in unserem Sport zugeht. Es geht um knallharte Geschäfte, es geht um Geld. Es geht um die Existenz einiger Beteiligter. Das alles ist abhängig von unserer Leistung und jeder, wirklich jeder Fahrer versucht seine Leistungsmöglichkeit auszuschöpfen. Es gibt mehrere Wege, um zu einer optimalen Leistungsnutzung zu kommen. Das fängt beim konsequenten Essen an. Wenig oder gar kein Fleisch, ..." David schaute auf abgenagte Knochen und musste grinsen, "das ist es, was uns allen sehr schwer fällt, genauso der Verzicht auf Alkohol. Dazu kommt das unheimlich disziplinierte Training, selbst im Urlaub müssen wir radfahren. Beine hochlegen ist nicht. Aber was erzähle ich das einem Giro-, Tour- und WM-Sieger? Eine weitere Möglichkeit, an der eigenen Leistung zu schrauben, ist Doping. Das ist nichts neues, zu deiner Zeit gab es ebenso Doping wie heutzutage. Der Unterschied ist nur der, daß die Mittel immer raffinierter werden. Aber, zum Glück, wird Doping mittlerweile nicht mehr als Kavaliersdelikt empfunden. Joop Zoetemelk hat doch die Tour nur deswegen nicht häufiger gewonnen, weil er bei zwei Touren jeweils eine Zehn-Minuten-Strafe wegen Einnahme verbotener Mittel aufgebrummt bekam. das hat aber immerhin noch zum zweiten Platz gereicht."

Wieder nahm er einen Schluck. Roches Blick war auf David fokussiert. Etxe versuchte eine Regung in Stephens Gesichtszügen auszumachen, doch eine solche blieb aus.

"Okay, zurück zur Gegenwart. Du weißt, in welchen Teams ich gefahren bin, und du kannst dir ausrechnen, wie die "medizinische Kontrolle" bei Manolo oder bei Fundacion Euskadi funktioniert hat. Klar haben wir alle was genommen. Bei einigen hat es was genutzt, will sagen, die waren erfolgreich, bei vielen hat es nichts gebracht, ganz im Gegenteil, einige haben gesundheitliche Schäden davongetragen, teilweise irreparabel. Andere sind abhängig geworden und müssen lange nach dem Ende ihrer Karriere Drogen nehmen, die sie sicherlich nicht nehmen wollten, wären sie nicht süchtig. Ich selbst habe enorme Probleme gehabt mit "Speed", mit Amphetaminen. Ich habe zwei Entziehungskuren hinter mir, jetzt bin ich clean und will damit nichts mehr zu tun haben, auch ein Grund übrigens, daß ich ein eigenes Team gegründet habe.
Seit nunmehr drei Jahren versuche ich, "drogenfrei" meinen Sport zu betreiben, nur bis auf wenige Ausnahmen, bleiben die ganz großen Erfolge aus, obwohl ich mein Trainingspensum zwangsläufig erhöhen musste."


David nahm den letzten Schluck und bestellte noch einen Espresso.

"In dieser Saison hatte ich zum ersten Mal seit meiner Jugendzeit das Gefühl, in einem sauberen Peloton zu fahren. Ich kann bestimmt nicht für jeden die Hand ins Feuer legen, aber es ist ein Gefühl so "aus dem Bauch heraus". Wenn tatsächlich immer noch gedopt wird und Ludwigs Aussagen lassen diesen Schluß zu, wäre ich ziemlich enttäuscht, denn dann wäre es klar, daß trotz neuer Organisation, Ausdünnung des Feldes und besserer Kontrollmöglichkeiten mehr als nur ein paar "User" dahintersteckt. Dann ist die ganze logistische und organisatorische Ebene involviert.
Eine "Säuberung" des Sports wäre schließlich gleichbedeutend mit der Zerschlagung der Strukturen. Für ältere Fahrer wie Jens, Roberto und mich hieße dies sicherlich auch, daß unsere Karriere gefährdet ist, denn ein neuer, sauberer Überbau wird nicht von heute auf morgen präsent sein.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie weit ich bereit bin, zu gehen. Ich wünsche mir den sauberen, fairen Sport, so ganz nebenbei ist dieser Sport aber auch mein Beruf und meine Existenzgrundlage. Soll ich den Ast absägen, auf dem ich sitze?
Oder gibt es eine Möglichkeit, die Doping- und Korruptions-Äste abzusägen, ohne den Baum nachhaltig zu schädigen?"


Der Espresso kam. David nahm die kleine Tasse und kippte ihn in einem Zug.

"Es gibt aber noch etwas, was mir bei der ganzen Angelegenheit nicht gefällt. Das ist die Zwietracht, die durch dummes Gerede ins Peloton gebracht wird. Der Konkurrenzdruck ist enorm hoch, der Existenzdruck ist enorm hoch. Reibereien gibt es immer und nicht jeder kann jeden leiden. Das ist vollkommen normal und okay so. Nun kommt es aber zu, pardon, Anscheißereien, Verpetzen und Unkollegialitäten. In diesem Klima ist es schwierig, die Integrität zu bewahren und das Interesse der Fahrer weiter vertrauensvoll zu wahren."

David bemerkte ein leichtes Zucken um Stephens Mundwinkel. Also versuchte er, seinen 'Vortrag' zum Ende zu bringen.

"Von der moralischen Warte aus bin ich bereit, so ziemlich alles für den sauberen Sport zu tun, denn ich möchte nicht, daß weiterhin Jugendliche und Heranwachsende zu 'Sportzombies' gemacht werden zum Wohle und Profit der Sponsoren und Veranstalter.
Realistisch gesehen, weiß ich nicht, ob ein David Etxebarria oder Stephen Roche, ob eine Fahrergewerkschaft oder eine UKDVV die Chance haben, den Sport sauber zu machen???"
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Stephen Roche
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Beitrag: # 187394Beitrag Stephen Roche
14.10.2004 - 17:11

Stephen hörte einem Mann zu, der ihn ob seiner Tiefgründigkeit, mehr noch aber ob seiner Ehrlichkeit - auch gegen sich selbst - mehr und mehr verblüffte. Das war nicht jener Etxe, der unbekümmert und stets ein Lächeln auf den Lippen schnell die Fahrer anderer Teams und die Herzen der Fans für sich einzunehmen verstand. Stephen begriff, dass hier ein Mann vor ihm saß, der nicht wusste, ob er bereit für etwas war, was er in seinem tiefsten Inneren längst für richtig befunden hatte. Einen Mann, der sich selbst auf die Fahnen geschrieben hatte, etwas für den Sport und seine Akteure zu tun, aber genau wusste, dass jeder Weg der sich ihm darbot, Opfer erfordern würde, dass jede Entscheidung, die er traf, das Ende einiger Freundschaften bedeuten konnte.

Mein Freund, sagte er nach einigem Bedenken, ich danke Dir ehrlich für Deine Offenheit. Glaube nicht, dass ein Ignorant vor Dir sitzt, der die Augen vor den Realitäten des Sports verschließt und Zuflucht sucht in den morbiden Vorstellungen von Ethik und Moral. Ich weiß, dass den Schweiß, den Schmerz und die Jahre, die uns dieser Sport kostet, kaum jemand wahrzunehmen bereit ist. Ich weiß, dass die Existenzgrundlage vieler, der meisten Radfahrer auf dem Erfolg basiert, den sie erzielen. Ich weiß, dass der Glanz nur eine Illussion ist, geschaffen für Zuschauer, die Geld bringen für die, die Euch bezahlen.

Auch er winkte der Bedienung nach einem weiteren Kaffee zu. Es war noch Zeit.

Aber unabhängig davon, dass wir den Sumpf nicht trockenlegen werden, dass es noch duzende Kommissionen wie diese geben wird, in denen all die Versprechungen und Proklamationen sich wiederholen werden, bis die Leute des Hinhörens überdrüssig werden, unabhängig davon, dass das System korrupt ist und einige Fahrer auch - ich denke, es ist der falsche Weg, nichts zu tun. Weiterhin zu schweigen, duldend eine Kreislauf zu ertragen, der unsere Kinder irgendwann erfasst wie er uns erfasst hat, oder die Kinder eines Bekannten oder irgendwelche gottverdamten Kinder, die einem Freire, einem Belli, einem Extebarria nacheifern wollen, im Glauben an einen Sport, der in dieser reinheit niemals existierte.

Der Kaffee wollte nicht recht schmecken.

Ich weiß, welche Gefahren damit für einige von Euch verbunden sind. Und gerade deshalb möchte ich von Dir wissen: Wo stehts Du?
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ETXE
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Beitrag: # 187436Beitrag ETXE
14.10.2004 - 18:10

Der Mann aus dem fernen Irland, das doch so viele Gemeinsamkeiten mit seiner baskischen Heimat hatte, wurde David immer sympathischer.

"'Which side are you on?' hat schon Billy Bragg gesungen, ..." sagte David, mehr so zu sich selbst, "... eine wichtige Frage! Wenn ich absolut keinen Sinn in der Kommission sehen würde, hätte ich sie nicht in die Gänge gebracht! Ich hoffe nur, daß dies nicht zum Kampf gegen die Windmühlen verkommt.
Auf der anderen Seite bin ich nie jemand gewesen, der es gescheut hat, für eine wichtige Sache zu kämpfen. Und wie lautet das alte Sprichwort: 'Wir verlieren nicht in unseren Kämpfen, sondern in den Schlachten, die wir nicht führen!'"

David ballte eher zufällig die Faust bei diesem Spruch und musste deswegen grinsen.
Dann schaute er auf die Uhr und sagte: "Ich glaube, wir müssen mal wieder weitertagen :D . Keine Sorge, ich denke nicht, daß die Kommission umsonst tagt. Mit Jens und Roberto sind schließlich auch vernünftige, schlaue und erfahrene Leute dabei, die auch wissen, was auf dem Spiel steht!"
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Stephen Roche
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Beitrag: # 187494Beitrag Stephen Roche
14.10.2004 - 20:12

Hoffen wir, dass Du recht behälst. Ich zahle.

'You never walk alone', summte Stephen nachdenklich vor sich hin.
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Beitrag: # 201205Beitrag Stephen Roche
15.12.2004 - 12:27

Stephen saß in dem kleinen Imbis, Reste des zerlegten Brathähnchen noch vor sich, und sah die Übertragung des Rennens Paris-Tour auf einem kleinen, fettverschmierten Fernsehapparat, der über den Köpfen einer belgischen Reisegruppe thronte. Die Fluchtgruppe war zum Scheitern verurteilt. Auch egal, dachte er bei sich. Einen Bericht über dieses ehemalige Weltcup-Rennen zu schreiben, hielt er weder für nötig noch für angemessen. Die Vorkommnisse rund um SdC, UCI, und wie sie alle hießen waren weitaus wichtiger. Wen kümmerte da schon eine Sprintankunft in Frankreich, derer es im Laufe glorreicherer Tage schon viele gegeben hatte. Ihn jedenfalls nicht und seine Leser wohl auch nicht, zumal ein renommierter Fernsehsender trotz aller Querelen nun seine Berichterstattung zu intensivieren schien.

Nein, was ihn umtrieb war das Große, die Zukunft einer ganzen Sportart, die Frage nach dem Wohin des Profiradsports. Jetzt, wo Verbruggen zurückgetreten war, dieser unsägliche Verbandsmensch, der früher sicherlich zurecht eine tragende Figur der Radsportwelt war, zuletzt aber nur für ein Gespräch zu gewinnen war, wenn man nahe einer gut gefüllten Bar saß und bereit war seine Rechnung zu übernehmen, nun also durfte man keinesfalls innehalten und sich mit dem Erreichten - was war das denn schon? - zufrieden geben. Ludwig schien aus der Angelegenheit Profit schlagen zu wollen und sicherlich gab es die ein oder andere Figur im Hintergrund, die es ähnlich hielt. Die Fahrer waren sich keineswegs so einig, wie es die Öffentlichkeit glauben sollte. Aber es würde gelingen. Ruhelos verfolgte Stephen das Rennen weiter, vor sich noch immer die Reste seines Hähnchens. Mieser Service, dachte er bei sich.
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Beitrag: # 209047Beitrag Stephen Roche
25.1.2005 - 15:16

Dieser verdammte Schweinhund, dachte Stephen bei sich, als er die letzten Minuten der Lombardeirundfahrt auf dem kleinen Überkopfbildschirm verfolgte, gewinnt der doch tatsächlich sein Rennen.
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Beitrag: # 210769Beitrag luttenberger
1.2.2005 - 19:29

Puh, da brodelt es aber ordentlich unter der Decke dachte Pierre Püsikl als er der Pressekonferenz den Rücken zukehrte und sich hungrig in Richtung Stadtzentrum aufmachte. Neue Organisation, neue Teams, neuer Rennkalender und als I-Tüpfelchen auch noch ein neuer Präsident, ich denke es war doch eine ganz kluge Idee sich nicht durch die alten Statuten durchzuackern, hehe schmunzelte der Journalist, wissend dass dieser, sein erster Kontakt zum Profisport kein besserer hätte sein können.

Hmm, "La Finestra"....sieht nett aus, aber hoffnungslos überfüllt, mal sehen ob es nicht etwas Ruhigeres in dieser Gegend zu finden gibt.

Püsikl vertrat sich noch etwas die Beine und hielt Ausschau nach einem für diesen Moment passenden Schuppen. Er musste sich sortieren, die Summe der einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammenführen, Radsportluft inhalieren und eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Das schlabbrige Croissant heute morgen auf der Raststätte hatte längst seine Wirkung verloren, so es denn je eine gehabt hatte.

Ah ja, das hier müsste passen, "Le Coq Francais", las Pierre die halb leuchtenden, halb blinkenden, auf jeden Fall verblassten und längst auf den verdienten Ruhestand wartenden Reklamebuchstaben über der Eingangstür zu einem kleinen Restaurant und betrat selbiges.

Eine Kneipe in der der Kaffee noch nach Arbeit schmeckt, genau das richtige dachte der Schreiberling, setzte sich an den nächsten Tisch und gab der Kellnerin ein Zeichen welches zu verstehen gab dass er bereit für eine Bestellung sei. Ein Bier, ein halbes Brathuhn....ja, pomme de terre, gerne und ein kleines Brötchen bittesehr.....baguette, oui, oui.

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Beitrag: # 210807Beitrag Stephen Roche
1.2.2005 - 20:33

Stephen hatte das italienische Restaurant recht bald verlassen. Es war die Feier der Fahrer, außerdem war ihm weder nach Pasta noch nach Pizza. Vielleicht würde er später noch einmal reinschauen. Vorerst schlenderte er ein wenig durch die umliegenden Straßen. Ohne rechtes Ziel. Bis, ja bis er im Le Coq Francais, dessen ausladenden Scheiben immer einen Blick hinein erlaubten, ein ihm bekanntes Gesicht erblickte. Noch nicht lang bekannt, aber immerhin.

Er betrat das kleine Lokal, setzte sich auf einen freien Platz in der Nähe Püsikls und bestellte ein Guinness. Seit er öfter kam, führten sie her auch richtiges Bier. Er lächelte die Bedienung an, trank einen Schluck des köstlichen Getränks und blickte zu Püsikl.

Ich komme gern her. Die Kellnerin sieht aus wie Cate Blanchett, finden Sie nicht?
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Beitrag: # 210895Beitrag luttenberger
2.2.2005 - 9:14

3 hinuntergeschluckte Pommes Frittes später, erwiderte Püsikl, die Augen zur Kellnerin richtend: "Nun, wenn Sie die Cate Blanchett aus Elisabeth meinen, dann ja. Streng, unnahbar, geheimnisvoll und interessant wie die Tiefen des Marianengrabens. Sollten Sie aber jene Blanchett aus..." fuhr er fort, um sich nun dem Absender der Frage zuzuwenden, "jene Blanchett aus Coffee and Cigarettes meinen - in der Rolle der Cousine des Stars - dann gebe ich Ihnen insofern Recht, als dass in ihren Augen eine gewisse Hoffnungslosigkeit wiederzufinden ist, ja. Guten Abend....Hr. Roche"

Damit musste man nicht rechnen. Ausgerechnet einer der Protagonisten der nachmittags absolvierten Pressekonferenz tauchte plötzlich in diesem Lokal auf, dessen Charme sich, liebevoll gesagt, nicht gleich beim ersten Anblick dem Besucher eröffnete. Die zweifellos vorhandene Ausstrahlung der Kellnerin war aber auch Pierre nicht verborgen geblieben und so wunderte ihn die Frage von Roche nicht weiter.

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Stephen Roche
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Beitrag: # 210897Beitrag Stephen Roche
2.2.2005 - 9:21

Was führt Sie eigentlich ins Radsportbusiness, Mr. Püsikl, so war doch der werte Name, nicht wahr?

Stephen musterte den Journalisten kurz. Nein, wie ein ehemaliger Aktiver sah er nicht aus, aber das tat er selbst, wenn man der Wahrheit die Ehre gereichen wollte, ja auch nicht.
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Beitrag: # 210906Beitrag luttenberger
2.2.2005 - 10:35

"Ins Radsportbusiness bin ich gewissermassen wie die Mutter zum Kinde gekommen", antwortete Püsikl und lächelte dabei wie jemand der in einem fremden Land nach dem Weg gefragt wird.

"Wissen Sie, mit Sport hatte ich in meiner bisherigen Journalistenlaufbahn wenig bis gar nichts zu tun. Bis vor einem Monat war ich in der aussenpolitischen Redaktion unseres Blattes beschäftigt. Mit Neujahr wechselte ich das Ressort und so bin ich nun schwerpunktmässig beim Radsport gelandet. Die Pressekonferenz heute war mein Prolog, wenn man so will."

Püsikl betrachtete den Iren unauffällig und war über dessen überraschende Gesellschaft gar nicht unglücklich. Als säße ich in einem Brüsseler Bierladen mit Javier Solana, verglich er für sich die Situation.

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Beitrag: # 210907Beitrag Stephen Roche
2.2.2005 - 10:44

Tja, Profisport ist auch nichts anderes als Politik. Alles dreht sich ums Geld. Auch im Radsport. Ohne Geld, keine Rennen. Ohne Rennen, keinen Gehälter. Ohne Gehälter, keine Profis. Ohne Profis, kein Leistungssport.

Stephen bemerkte, dass dieses Lamento zu nichts führen konnte, und wandte sich deshalb unvermittelt wieder der beruflichen Situation Püsikls zu.

Für welche Zeitung schreiben Sie?
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Beitrag: # 210914Beitrag luttenberger
2.2.2005 - 11:47

"Da haben Sie Recht Messieur, alles ist Politik. Mal mehr, mal weniger", wollte Püsikl diese Floskel noch schnell an den Mann bringen, bevor er weitersprach: "Süddeutsche Zeitung. Man plant für die kommende Wochenendausgabe ein 'Radsport-Spezial-Thema' abzuhandeln, um dem immer größer werdenden Radsportinteresse in Deutschland Rechnung zu tragen und auch um den Leser über die tiefgreifenden Veränderungen in diesem Sport zu unterrichten. Was halten Sie, unter uns gesagt, von den Plänen die vorliegen? Ist der Radsport für Sie persönlich auf dem richtigen Weg?"

Den Block ließ er in der Tasche stecken, er wollte Roches inoffizielle Ansichten hören, keine Pressediktionen hier an diesem Ort erhalten. Erst jetzt fiel ihm das MR. CHRONO-Gemälde, welches über der Eingangstür angebracht war ins Auge. Ein mässig begabter Fan, kein Künstler der den Pinsel geführt haben muss, dachte Püsikl.

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Stephen Roche
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Beitrag: # 210927Beitrag Stephen Roche
2.2.2005 - 13:12

Unter und gesagt, Stephen konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, glaube ich, dass der Radsport auf dem richtigen Weg ist. Man hat mit David Etxebarria, das Gesicht Püsikl nahm einen leicht grüblerischen Ausdruck an, dem Gewerkschaftsvorsitzenden, fügte Stephen deshalb hinzu, einen engagierten und fähigen Mann an die Spitze des Peletons gesetzt. Dessen Arbeit trägt erste Früchte, die UKDVV ist ein Beleg hierfür. Nur fehlt es noch an einer Führung des Verbandes selbst. Selbstorganisation schön und gut, nur machen das die Sponsoren auf Dauer nicht mit. Dieses Problem wird demnächst gelöst werden, Sie wissen, es stehen die Wahlen an. Die Fahrer bestimmen ihre Führung, eine andere Gestaltungsmöglichkeit bestand nicht angesichts der Abgründe, die sich innerhalb der UCI auftaten. Und ich bin mir sicher, sie werden eine gute Wahl treffen.
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Beitrag: # 210943Beitrag luttenberger
2.2.2005 - 14:22

"Naja, wie sagt der Sachse so schön: 'Nä Biésem kiern gât'. Wenn Sie den frischen Wind gutheißen, dann glaub ich Ihnen das gerne", antwortete Püsikl und winkte der Kellnerin zu: "Cate...äh Mademoiselle, und autre biere, s'il vous plait"

"Trotzdem ungewöhnlich, nicht wahr? Die Fahrer wählen ihren Präsidenten, stellen Sie sich das im Fussball mal vor"
musste Pierre bei der Vorstellung an die Funktionärslegionen im DFB lachen. "Wie sind Sie zum Radsport gekommen? Lassen Sie mich raten: 10 Jahre per Fahrrad zum Rugbytraining?" witzte der Journalist und war sich gleichzeitig sicher wieder öfter einen Trinken gehen zu müssen. Er mochte es nicht wenn ihm bereits ein Bier leicht zu Kopf stieg und seine Zunge mit den Autonomiepapieren winkte.

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Beitrag: # 210944Beitrag Stephen Roche
2.2.2005 - 14:28

Ach, der Radsport, ein altes Hobby von mir. Hab mich auch mal ein paar Jahre als Profi versucht, doch Sie wissen, wie das mit den Erfolgen ist - der eine erringt sie, der andere nicht. Man wird bescheiden.

Er selbst bestellte noch ein Guinness.

Pierre, sagen Sie, sind Sie eigentliche Franzose, oder woher rührt der Name?
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Beitrag: # 210955Beitrag luttenberger
2.2.2005 - 14:54

"Nein ich bin geborener Liechtensteiner, Vaduz, lebe aber seit Jahren in Deutschland. Mein Vater ist Franzose, daher der Vorname. Er war ironischerweise sogar mal Radprofi, oder zumindest Halbprofi, ich war allerdings noch zu klein um das mitzubekommen, kann mich nur noch daran erinnern dass er oft unterwegs war. Viel spricht er nicht darüber, mit mir zumindest nicht, das wird sich in Zukunft aber wohl ändern." plauderte Püsikl zur Überraschung des Iren plötzlich los, "sein Keller ist vollgeräumt mit allen möglichen Pokalen von irgendwelchen Rennen in der Bretagne. Aber ich will Sie nicht mit privaten Belanglosigkeiten langweilen. Entschuldigen Sie mich bitte kurz, das Bier...Sie wissen schon" zwinkerte Pierre seinem Gegenüber zu und erhob sich um auf der Toilette zu verschwinden.

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Beitrag: # 210969Beitrag luttenberger
2.2.2005 - 15:37

Püsikl entleerte was zu entleeren war und dachte nochmal zurück an die Weihnachtsfeier, die so unsäglich zu Ende ging.

Beim Waschbecken reinigte er seine Hände gründlich, der Tag war bereits ein langer. Im Spiegel sah er dass hinter ihm an der Wand noch so ein Ölbild mit einem Fahrradfahrer drauf platziert war. Ein richtiges Radsportnest hier, dachte er, drehte sich um und war schockiert:

Bild

Unter dem Bild der Schriftzug "STEPHEN ROCHE, World Champion 1987".

Ach du Scheiße! Roche, Stephen, Weltmeister, Er! Ich Trottel! Na, 10 Jahre zum Rugbytraining mit dem Rad gefahren? Ich könnte mich ohrfeigen.

Püsikl ging zurück an seinen Platz, nahm einen tiefen Schluck von dem französischen Bier und wandte sich wieder dem Iren zu: "Wie reagierte Irland eigentlich auf Ihren Weltmeistertitel anno dazumals, auf der Insel wachsen die Champions ja nicht gerade auf den Bäumen" versuchte er so zu tun als sei er natürlich im Bilde über die Laufbahn von Hr. Roche.

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Beitrag: # 210974Beitrag Stephen Roche
2.2.2005 - 15:48

Ach, die Iren sind schon ein merkwürdiges Volk. Sie lieben Sean Kelly und Rugby, obwohl weder Kelly noch irgendein irisches Rugby-Team jemals Weltmeister war.

Er lächelte.

Mr. Püsikl, ich weiß um die Situation der medialen Berichterstattung über den Radsport. Demnächst wird sich in diesem Bereich eine Lücke auftun, ach, was red' ich, die einst so breite Berichterstattung, die Rundfahrten, Klassiker und Championate begleitet hat, ist längst auf ein Minimum geschrumpft. Ich setzte große Hoffnung auf neue Leute wie Sie, die mit Engagement und Fachwissen den Karren endlich aus dem Dreck fahren. Oder ihn zumindest nicht völlig dem treibsand überlassen.

Er nickte seinem Gegenüber anerkennend zu. Ich weiß, dass das Bild, das sich Ihnen bei Amtsantritt darbot, verworren, wenn nicht sogar abschreckend wirken musste. Doch glauben Sie mir: Wenn der Radsport Sie einmal gepackt hat, lässt er Sie nicht mehr los. Was man nicht weiß, kann man lernen, nein, man lernt es automatisch. Das Peleton, die Verbände, die Betreuer sind eine kleine Welt in der großen Welt. Und deren Akteure haben Aufmerksamkeit verdient.
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Beitrag: # 211101Beitrag luttenberger
3.2.2005 - 9:51

Der gute Roche wusste natürlich nicht welches Bild dem Journalisten soeben wirklich einen Schrecken versetzte.

Püsikl folgte den Ausführungen des Iren, an die aktuelle Situation der Medien im Radsport hatte er bisher noch keinen Gedanken verschwendet und ihm war nicht besonders wohl zumute wenn er daran dachte wie er hier überhaupt gelandet war. Hier im Radbusiness. Hätte die Gattin des Aufsichtsratmitglieds ihn nicht unter Einfluss all des konsumierten Alkohols bei dieser Feier provoziert, er wäre wohl nie auf die Idee gekommen das Kännchen Sauce Bernaise über ihrem Haupte auszuleeren...
Und jetzt sollte er, der Neuling, schon daran mitwerken den Karren aus dem Dreck zu ziehen, wie der Ex-Weltmeister es formulierte. Das schien ihm zuviel der Ehre und doch, andererseits, einen strategischen günstigerern Zeitpunkt dürfte es in den nächsten 20 Jahren nicht mehr geben um "einzusteigen", das wurde Pierre immer bewusster. Also wenn, dann richtig und dann jetzt.
Peloton, Klassiker, Champions, Welt in der Welt, klingt doch gar nicht mal so übel.

"Nun, Mr. Roche, wie schon erwähnt, unsere Zeitung plant sich in Hinkunft verstärkt dem Radsport zu widmen. Der Zeitpunkt ist gut, die Deutschen wollen mehr wissen über diesen Sport der Franzosen, Belgier, Italiener und Spanier. Und Iren natürlich", lächelte Püsikl und fuhr fort, "in wie weit hat sich dieser Sport verändert, seit Ihrer aktiven Zeit?"

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