Leichtathletik

Alles über Sport außer Radsport

Moderatoren: RobRoe, Klaus und Tony

Steini
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Beitrag: # 6986896Beitrag Steini
12.8.2017 - 1:07

Die Lösung wäre ein 8,5-Kampf.

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RobRoe
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Beitrag: # 6986913Beitrag RobRoe
12.8.2017 - 16:06

Ich vermute, dass es über die 800 Meter für diese Testis mit dem zeitlich wenigsten Training möglich ist, in die Weltspitze zu laufen. Aber wenn das nächste - wohl abschließende - Urteil dem keinen Einhalt gebietet, dürften demnächst sicher auch die Sprint- und Wurfdisziplinen überschwemmt werden. Was mich zu der Erkenntnis führt, dass das Urteil so nicht ausfallen wird. Kann ja keiner wollen.

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Stephen Roche
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Beitrag: # 6986914Beitrag Stephen Roche
12.8.2017 - 16:15

Im Übrigen sind das aber erfrischende Weltmeisterschaften. Bisweilen herrlich überraschende Ergebnisse. (Und nein, ich fand es nie überraschend, dass statt eines Kenianers ein Äthiopier gewinnt ...)

Ich habe festgestellt, dass ich eher bereit bin, auf ANA-Russen zu halten. Es fällt zudem auf, dass die Polen erstaunlich gut aufgestellt sind und dass die Deutschen wohl ein gravierendes Strukturproblem haben, während andere europäische Nationen da auf einem besseren Weg sind.
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Rad-Schumi
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Beitrag: # 6986915Beitrag Rad-Schumi
12.8.2017 - 16:55

Zur Testosteron-Thematik möchte ich kurz auf einen meiner Auffassung nach gelungenen Artikel der NZZ zu dem Thema hinweisen.

Die in Lausanne diskutierte Frage, halte ich eigentlich für absurd. Floyd Landis wurde 2006 wegen Testosteron-Dopings sein Tour-Sieg aberkannt und er wurde gesperrt. 2017 diskutiert man ernsthaft darüber, ob Testosteron einen Vorteil bringt. Hört man dann bei entsprechendem Urteil auch mit dem Test auf?
Die Frage ist doch eher, ob auch der natürliche Testosteronwert ein unfairer Vorteil sein kann. Dahinter steht in meinen Augen die eigentliche Frage, ob man dem Menschen Caster Semenya sagen kann und darf, dass sie, für den Sport zumindest, keine Frau ist. Denn nur dann kann man darin einen unfairen Vorteil sehen, andernfalls ist es doch nicht mehr als ein körperlicher Vorteil, den man sonst auch nicht "korrigiert".

Dieser Satz aus obigem Artikel
Die Richter in Lausanne haben einen schweren Entscheid zu fällen. Dass dies in einer Zeit geschieht, in der weltweit eine Gender-Debatte geführt wird, macht es nicht einfacher. Doch die Testosteronregel der IAAF ermöglicht es, dass Intersexuelle und sogar Transsexuelle frei über ihr soziales Geschlecht bestimmen und dann auch in der von ihnen gewählten Kategorie Sport treiben können.
hat mir zumindest aber eine Perspektive eröffnet, die ich bisher nicht gesehen hatte. Es muss in einem Testosteron-Grenzwert nicht die Antwort auf die aufgeladene Frage gesehen werden, wer eine Frau ist und wer ein Mann, sondern man kann ihn als sportliche Nichteinmischung in diese gesellschaftliche Frage sehen.
Wenn man einen solchen Grenzwert festlegt und akzeptiert erstickt man jegliche Ansätze einer Hexenjagd, wie sie auf Semenya stattgefunden haben im Keim, weil man nicht mehr "nachmessen" muss, wer eine Frau ist. Frau kann dann (auch oder zumindest) im Sport sein, wer sich als Frau fühlt. Nur muss man eben einen objektiv messbaren Parameter erfüllen, um auch in den Frauenwettbewerben starten zu dürfen. Das ist auf den ersten Blick kein großer Unterschied, aber nicht anders hält es doch z.B. die FIFA mit Nationalitäten. Sie verbietet keinem Spieler, eine andere Nationalität anzunehmen, wenn er sich dieser eher zugehörig fühlt als seiner ursprünglichen. Aber sie regelt, ob dieser Spieler auch für die neue Nation an internationalen Wettbewerben teilnehmen darf (eine Regelung die auch der Leichtathletik nicht schaden würde, aber das ist ein anderes Thema).

Konsequent nennt man das Rennen dann auch einfach 800m mit Testosteronwert < X, um die Mann/Frau-Diskussion ganz außen vor zu lassen. Aber das geht vielleicht auch ein bisschen zu weit.

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Kobelix
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Beitrag: # 6986916Beitrag Kobelix
12.8.2017 - 19:26

Ich verkneife mir mal einen allzulangen ethischen Exkurs, aber kurz gefasst wäre ich sehr vorsichtig damit, das Problem durch einen semantischen und juristischen Trick zu lösen. Das wäre dann doch ein gesellschaftlicher Bärendienst.

Ich setze mal voraus, dass wir nicht nur über ein ästhetisches Problem reden, auch wenn das oft sogar so sein mag.

Wenn man also der Meinung ist, dass der Testosteronwert im 800m Lauf (oder wo auch immer) so kategorisch entscheidender ist als sagen wir mal die Körpergröße im Hochsprung, dann braucht man dafür ein starkes Argument, warum man dann nicht "Gewichtsklassen" wie z.B. im Kampfsport einführt. Warum dann auch nur eine Grenze? Und nicht 5 verschiedene Klassen? Oder 12? Und ab wann ist denn eine körperliche Vorraussetzung so entscheidend? Das Problem kennt man sehr stark aus dem Behindertensport, eine besonders gute Lösung wurde da nie gefunden, eine ideale gibt es ziemlich sicher auch einfach nicht.

Wenn das aber nicht der Punkt ist, sondern es eben doch darum geht, dass man speziell Männer und Frauen in vielen Wettkampfsportarten trennen will, dann muss man da auch einfach gewillt sein die Gender und Sexualitätsdebatte zu führen.

Von daher darf der Sport natürlich eine Regel für sich finden, vergleichbar der Nationenzugehörigkeit. Aber nicht losgelöst vom gesamtgesellschaftlichen Kontext, sondern gerade in Bezug auf den. Das heißt ja noch lange nicht, dass es da keine individuellen Lösungen gibt, die auch den speziellen Bedürfnissen des Sports gerecht werden. Sich ausklammern und sein eigenes Ding machen... das geht meiner Meinung nach aber nicht.

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Klaus und Tony
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Beitrag: # 6986921Beitrag Klaus und Tony
12.8.2017 - 23:44

Wenn das aber nicht der Punkt ist, sondern es eben doch darum geht, dass man speziell Männer und Frauen in vielen Wettkampfsportarten trennen will, dann muss man da auch einfach gewillt sein die Gender und Sexualitätsdebatte zu führen.

Man will nicht trennen, man muss trennen.

Denn die Unterscheidung zwischen Mann und Frau ist im Sport ja nur aus einem Grund etabliert: Damit Frauen Wettkämpfe gewinnen können.

Natürlich könnte man zwischen den Männer und den Frauen noch ein paar "Gewichtsklassen" etablieren. Aber solange das nicht passiert, sind Grenzwerte vielleicht nicht die dümmste Idee.

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PepsiLight
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Beitrag: # 6986922Beitrag PepsiLight
13.8.2017 - 4:47

Ich fand Steinis Vorschlag gut. Wer hat den eigentlich rauseditiert?
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#28

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Kobelix
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Beitrag: # 6986925Beitrag Kobelix
13.8.2017 - 9:04

Klaus und Tony hat geschrieben: Man will nicht trennen, man muss trennen.

Denn die Unterscheidung zwischen Mann und Frau ist im Sport ja nur aus einem Grund etabliert: Damit Frauen Wettkämpfe gewinnen können.

Natürlich könnte man zwischen den Männer und den Frauen noch ein paar "Gewichtsklassen" etablieren. Aber solange das nicht passiert, sind Grenzwerte vielleicht nicht die dümmste Idee.
Ob Du lieber das dramatischere "müssen" statt "wollen" bemühst, ist mir ehrlich gesagt völlig wurst für den Punkt den ich machen wollte. Ich habe ja überhaupt kein Problem mit der Unterscheidung. Es gibt offensichtlich sehr gute Gründe dafür und ich glaube nicht, dass es eine große Bewegung gibt, dass Männer und Frauen doch bitte gemeinsam Speerwerfen sollten.

Das Argument geht darum, dass man auch im Sport der Diskussion nicht ausweichen darf, wer ein Mann und wer eine Frau ist. Die Kritik war ja nur, dass man nicht so tun darf, dass das Geschlecht ein Kriterium unter vielen wie Körpergröße oder Gewicht ist. Wenn man also aus der Hilflosigkeit heraus, dass es schwerer ist jemandem zu sagen "Du bist ein Mann" als "Du wiegst mehr als 100kg" eine Testosterongrenze einführt, dann kann man das schon machen, aber eben meiner Meinung nach nur, wenn man es nicht behandelt als würde man eine beliebige Gewichtsgrenze einführen. Das tut man nämlich nicht.

Das richtete sich also nur gegen das aufgebrachte "sportliche Nichteinmischen" was Schumi ansprach, weniger gegen die eigentliche Grenze.

Steini
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Beitrag: # 6986926Beitrag Steini
13.8.2017 - 9:42

PepsiLight hat geschrieben:Ich fand Steinis Vorschlag gut. Wer hat den eigentlich rauseditiert?
Das war ich selbst: nüchtern betrachtet fand ich mich etwas zu forsch. Und ich möchte doch die zahlreichen Kinder hier schützen.

Rad-Schumi
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Beitrag: # 6986927Beitrag Rad-Schumi
13.8.2017 - 11:15

Dass das Geschlecht ein Kriterium unter vielen ist, möchte ich gar nicht sagen. Dass der Unterschied zwischen Mann und Frau ein anderer ist der zwischen großem Mann und kleinem Mann, zeigt sich ja schon darin, dass es eben den Mann-Frau-Dualismus in fast allen Sportarten gibt. Und selbst wenn man diesen Fakt und jegliche gesellschaftliche Komponente außen vor lässt zeigt er sich auch darin, dass wohl keine Frau in keinem Sport in dem es entfernt um körperliche Fähigkeiten geht, mit Männern konkurrieren kann (das stimmt für andere körperliche Faktoren sicher nicht in der Generalität, man vergleiche nur Skispringer und Gewichtheber). Will man also Frauen nicht von jeglichem sportlichen Wettbewerb ausschließen (um das gewinnen geht es ja gar nicht), muss man trennen.

Also hat man irgendwann einen Dualismus geschaffen, wahrscheinlich zu einer Zeit, als man dachte, Mann/Frau wäre eine ähnlich trennscharfe Unterscheidung wie über/unter 1,80m. Jetzt zeigt sich immer mehr, dass es Menschen gibt, die nicht in diesen Dualismus passen. Dafür muss man gesellschaftliche Lösungen finden und man muss eine für den Bereich des Sports finden.

Mein genereller Gedanke ist wohl der, dass man gesellschaftlich mit der Frage nach dem Geschlecht großzügiger umgehen kann als im Sport. Schon deshalb, weil man gesellschaftlich gleichzeitig mehr und mehr dazu übergeht, zwischen den Geschlechtern keine Unterschiede zu machen, wohingegen das Geschlecht im Sport ein ganz wichtiges Unterscheidungskriterium ist.
Nun ist aber der Sport der Bereich, in dem man zeitnah eine in gewissem Maße absolute Antwort erwartet. Die Antwort die ich für die Frage des Sports für die richtige halte, entspricht dabei nicht unbedingt der, die ich für die gesellschaftliche Frage für die richtige halte.
Und da ich das schon für mich selbst nicht unter einen Hut bringen kann, würde ich einfach die Frage im Sport umformulieren wollen. Natürlich ist es ein Winkelzug jemandem zu sagen, sie sei eine Frau aber dürfe nicht bei den Frauen starten. Aber unter der Prämisse, dass es Menschen gibt, denen man weder das Frau-Sein absprechen will noch sie bei den Frauen starten lassen will, sehe ich keinen besseren Weg.
Diese Prämisse ist ein wackliger Grundstein und kann kritisiert werden. Aber wenn es bei den Geschlechtern nicht nur schwarz und weiß gibt, schadet ein bisschen Grau in der Lösung vielleicht auch nicht.

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Kobelix
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Beitrag: # 6986928Beitrag Kobelix
13.8.2017 - 11:48

Im Endeffekt sind unsere Meinungen da vielleicht gar nicht soweit auseinander wie es scheint, ich sehe nur eben keinen Grund die Frage zu ändern, nur weil uns das unangenehm ist.

Der Grund warum wir (und viele andere) das diskutieren ist doch eben nicht "Oh guck mal die hat doch einen viel zu hohen Testosteronwert", sondern "Ist das echt eine Frau?". Dieses Problem einfach umzuformulieren halte ich für der Sache nicht angemessen.

Das schließt überhaupt nicht aus, dass das Ergebnis das Gleiche ist, nämlich zum Beispiel einen entsprechenden Wert zu setzen und eben danach zu agieren, genau wie Du sagst. Es macht aber im Prozess darin einen Riesenunterschied, wenn man sagt "Na ja, um die Frage ob ihr Frauen seid geht es gar nicht". Das wär einfach verlogen.

Stattdessen sollte man sich Mühe geben die Diskussion genau darum zu führen (und damit auch nach dem Setzen einer Regel nicht aufhören) und dann einfach die eigene Unzulängligkeit sich da eingestehen und sagen "Wir werden da einigen Unrecht mit tun, wenn wir sie nicht als Frauen behandeln, das tut uns leid... aber dem möglichst fairen Wettkampfsport zuliebe, müssen wir das trotzdem so machen."

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Stephen Roche
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Beitrag: # 6986930Beitrag Stephen Roche
13.8.2017 - 12:12

Ihr seid übrigens inhaltlich nicht "soweit auseinander", sondern fast gar nicht.

Man sollte sich vor Augen führen, dass es bei ethischen und normativen Fragestellungen kein "wahr" oder "falsch" gibt. Es geht darum, Gründe und Begründungen zu finden, mittels derer verschiedene als legitim anerkannte Zwecke (z.B. Persönlichkeits- und Startrechte der Betroffenen einerseits, Wettbewerbsfähigkeit und ein Mindestmaß an Chancengleichheit andererseits) anderen Zwecken vorgezogen werden. Es gibt keine absolute Gleichheit und damit auch keine allein richtige Gleichbehandlung. Es gibt auch keinen absoluten Vorrang bestimmter Zwecke, Argumente, Konzepte.

Die Entscheidung, wie auch immer sie aussieht, wird am Ende nicht absolut begründet werden können. Da ist ein Akt der Stellungnahme und Wertung erforderlich, man muss sich zwischen verschiedenen Gründen und Folgen entscheiden. Und das kann man dann kritisieren oder loben, aber selbst Kritik und Lob sind nur relativ begründbar.

Es kann also bei alledem nur um Transparenz gehen: Man sollte die Wertungsgrundlagen offenlegen und klar kommunizieren, warum man dieses Regelung jener vorzieht. Aber das ist hier ja bereits alles auch so ähnlich schon gesagt worden.


P.S. Mich interessiert Steinis Vorschlag, Kinder hin oder her. :lol:
IONO1

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