Die Rückkehr der Legenden

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Wie kommt der AAR bei euch an?

Umfrage endete am 5.9.2004 - 17:52

Spannende Story
1
7%
Schöne Idee
2
13%
Langweilig
1
7%
AAR ist zu schlicht
2
13%
AAR ist zu schlecht
9
60%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 15

eisel92
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Beitrag: # 395129Beitrag eisel92
29.10.2006 - 10:09

blabla blubb blubb
Zuletzt geändert von eisel92 am 20.7.2010 - 2:20, insgesamt 1-mal geändert.
rz: ciclamino giro10 | maillot vert tour16
etappensiege giro [III] & tour [VI]
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CdF Buddeberg - EM2012-Europameister

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HansFuchs
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Beitrag: # 395152Beitrag HansFuchs
29.10.2006 - 12:24

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Zweiundzwanzigster Dezember, 16:42 Uhr, Brügge:

Es war eine meiner ersten Gelegenheiten Brügge etwas genauer kennen zu lernen. Was bietet sich dazu besser an, als ein Einkauf? Zu dieser Zeit natürlich nur ein Weihnachtseinkauf. Ich fragte Loter nach der schönsten Einkaufspassage in Brügge. Er zeichnete mir auf einen kleinen Zettel ein Warenhaus in Form eines Stiefels. "Das italienische Warenhaus hat die besten Angebote. Da habe ich im letzten Jahr ein paar saubillige Schuhe für meine Frau erstanden." Das war Loter.
Ich machte mich also mit Hilfe der Skizze auf den Weg in das Zentrum von Brügge. Vorbei an den großen Sehenswürdigkeiten der Stadt wie der Belfried, der Beginenhof und die Bierbar. Zeit, um dies alles aus der Nähe zu betrachten, blieb mir heute nicht. Um 17 Uhr stand bereits eine wichtige Sitzung bei der DIFLO an. Ob DIFLO oder DIRLO, spielt eigentlich keine Rolle. Einmal heißt es Fahrrad, das andere Mal Radsport. Loter bevorzugte DIFLO, obwohl DIRLO die amtliche Abkürzung war.
Ich besuchte also den großen Marktplatz Brügges. Etwas abgeschottet lag dieser große Platz in mitten der Stadt. Große Gebäude umklammerten das Zentrum. Leider konnte ich zu dieser Zeit nur ein kleines Kiosk erkennen.
Ich drehte mich und es erstrahlte ein helles Licht. Eine Art Weihnachtsmarkt fand heute statt. Das Licht blendete mich. Einige Zeit verweilte ich noch auf dem Markt, dann machte ich mich auf die Suche nach dem italienischen Warenhaus. Loters Skizze stellte sich sehr schnell als sehr großer Unfug heraus. Wie mir ein Ortsansässiger versicherte, hat es in Brügge "niemals ein Haus mit italienischen Waren gegeben". Keine Warenhaus, keine Einkaufspassage, nur ein Kerstmann im Zentrum des Weihnachtsmarkts. Der belgische Weihnachtsmann hat weit weniger Bedeutung als in weiten Teilen Deutschlands. Doch ein solches Exemplar beantwortete die Fragen der zahlreichen anwesenden Kinder. Ich lief in Richtung dieses Spektakels und ich wurde etwas stutzig. "Diesen Mensch kennst du doch." Sein Gesicht kam mir sehr vertraut vor. Dann hörte ich seine Stimme. Sie klang so unverwechselbar mit einem solch ausgeprägter skandinavischen Akzent. Es konnte nur einer sein. Sein Aufenthaltsort war bislang nur bekannt. Ich vermutete, dass er in seiner Heimat im Norden in einer Blockhütte verweilte. "Hallo Eugen.", rief ich dem Kerstmann zu. "Hallo, Hans." Er rannte auf und davon. Und fiel hundert Meter weiter um. "Ein inszenierter Unfall." so sollte er mir einige Monate später schreiben. Eugen Haagens sozialer Abstieg war offensichtlich geworden. Vom erfolgreichen Radtrainer und Geschäftsmann zum Kerstmann und Clown. Es war eine Tragödie.
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HansFuchs
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Beitrag: # 395388Beitrag HansFuchs
30.10.2006 - 18:24

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HansFuchs
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Beitrag: # 395548Beitrag HansFuchs
31.10.2006 - 15:51

Dreiundzwanzigster Dezember, 11:25 Uhr, Brügge:

Es war der Tag vor Heiligabend, mein letzter Arbeitstag in diesem Jahr und zugleich fand heute die firmeninterne Präsentation der DIFLO Rennserie 2007 statt, an deren Konzeption ich mich mehr oder weniger tatkräftig beteiligt hatte. Eins jedoch stand fest: Alle waren bis in die Haarspitzen motiviert an die Arbeit herangegangen. Das war vor gut drei Monaten. Nun waren Wochen und Monate ins Land gezogen und einzig ein kleiner Italiener namens Giorgio di Desta aus dem Piemont arbeitete mit dem gleichen Ehrgeiz wie zu Beginn.
Armin Haari, ein Belgier und verantwortlich für den topografischen Rennverlauf, Edmon Schultz, der Renndirektor aus Karlsruhe, Helmut F. Finken, ebenfalls aus Karlsruhe und Logistik Chef sowie Alexander Eckström, der stotternde Pressesprecher aus Malmö hatten sich längst der altbekannten Lethargie der Firma hingegeben. Noch vor zwei Monaten hatte Loter in der Presse von einer "Revolution sondergleichen" gesprochen, die in ihrer "Strahlkraft unübertrefflich" wäre. Doch handfeste Ergebnisse konnte das Team bisher nicht vorlegen.
Deshalb sah der Großteil des Personals für diesen 23. Dezember schwarz. Einzig di Desta, der Italiener, freute sich wie ein Kind und er hatte auch allen Grund dazu. Heute war sein Geburtstag. Doch zu feiern war dem Team bisher nicht. Alle warteten gespannt auf den Auftritt Loters, Jo Epharim Loter, gebbürtiger Belgier, mittlerweile hatte er die spanische Staatsbürgerschaft angenommen. Weshalb wusste niemand.
Dann war es soweit. Ein recht bekanntes Lied wurde eingespielt, ein spanisches Volkslied. Hübsche, in Schafswolle gewickelte Frauen, betraten tanzend den Konferenzraum. Jo Loter wurde auf einem Podest hereingefahren. Ein Spot wurde auf ihn gerichtet und er ergriff das Wort. "Seid gegrüßt, liebes Personal." Die Tänzerinnen waren indes spurlos verschwunden. Loter stieg von seinem Podium herab und setzte sich auf seinen Stuhl.
"Es ist eine Zeit gekommen, in der nur Ergebnisse zählen. Ihr wisst alle worum es heute geht. Um eure Zukunft und um die des Rentner Radsports." Kichern setzte ein. Kirschen wurden gereicht. "Herr Schultz, Herr Renndirektor, bitte. Stellen Sie ihre Ergebnisse vor." Es wurde still. "Herr Loter, werte Kollegen. Für DIFLO 2007 gilt: Wenger isst Meer. Film ab."
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HansFuchs
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Beitrag: # 396208Beitrag HansFuchs
5.11.2006 - 19:24

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Fünfundzwanzigster Dezember, 20:14 Uhr, Brügge:

Heiligabend hatte ich mit di Desta und seiner Familie verbracht. Ein traditionelles italienisches Weihnachtsfest war mir bisher noch nicht vergönnt gewesen. Bis gestern.
Der heute Tag stand im Zeichen eines groß angelegten Festes. Seit mittlerweile gut zwei Jahrzehnten lädt Jo Loter am ersten Weihnachtsfeiertag alles ein was in Belgien und um Belgien herum Rang und Namen hat. Und natürlich sein Personal. Sein sehr bescheidenes Anwesen am Rande von Brügge hatte sich mit einem schneeweißen Mantel geschmückt. Loter selbst trug einen grauen Anzug und einen Dreispitz. Die hauseigenen Tänzerinnen nur einen Dreispitz, so hatte es jedenfalls in der Einladung gestanden. Zu dieser Stunde waren noch keine Tänzerinnen zu erblicken.
Das Besondere an Loters Fest war das Festmahl, welches er selbst zubereitete. Leider schmeckte es auch so. Umso besser waren die Unterhaltungen, die man mit den Gästen führen konnte. Zum einen war da Addy Marckx, Schriftsteller aus Leidenschaft und Urologe, zum anderen Fräddy Mörtens, Unternehmer und pensionierter Golfer. Es war eine Freude den beiden Belgiern zuzuhören. Der eine sprach von überhöhten Spritpreisen, der andere über Stellenabbau im Fischfanggewerbe. Marckx & Mörtens schon die Namen klangen in den Ohren der Anwesenden wie Rum um sieben Uhr früh.
Später wurde es nostalgisch: Loter erzählte über seine unglückliche Kindheit in den Armenvierteln von Brügge. Er tat es nicht lange, denn seine Frau unterbrach ihn und korrigierte.
Der Höhepunkt des Abends war das Anstechen der zwei Meter hohen Eistorte mit Kirschen und Spekulatius. Es blieb aber auch der einzige Höhepunkt. Alles in allem aber enttäuschte Loters 18. Fest am ersten Weihnachtsfeiertag. Zum Glück stand morgen Kabarett auf dem Programm. Endlich etwas ohne diese fünf Buchstaben: L-o-t-e-r.
Ende, Aus, Loter.
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HansFuchs
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Beitrag: # 396652Beitrag HansFuchs
9.11.2006 - 17:08

CUXHAVEN KABARETT
LUDWIG: Grüße Sie.
Applaus
LUDWIG: Es geht los.
Stille - Ludwig setzt sich
LUDWIG: Was machen Sie dieses Wochenende?
Fahrrad fahren
LUDWIG: Gutes Stichwort. Danke.
Lautes Lachen
LUDWIG: Früher habe ich das oft gemacht.
Leises Lachen
LUDWIG: Aber heute fehlt mir dazu die Zeit.
Stühle werden gerückt
LUDWIG: Jetzt sitze ich hier. Und mache mit Ihnen Späße. Lustig, nicht?
Stille
LUDWIG: Spaß. Wie definieren Sie das?
ablehnendes Stöhnen
LUDWIG: Kurze Pause.
Tische werden gerückt - Getränke werden gereicht
LUDWIG: Es geht weiter. Thema? Mineralwasser. Ich trank früher am liebsten Gerolsteiner.
Lichtenauer Werbegläser verschwinden
LUDWIG: Aber heute fehlt mir dazu das Geld.
Personen verlassen die Vorstellung
LUDWIG: Jetzt genieße ich Brandy.
Weitere Personen verlassen den Saal
LUDWIG: Wieso gehen Sie?
Stille
LUDWIG:
Ludwig verschwindet hinter der Bühne
LUDWIG:
Unruhe
LUDWIG:
Ungeduld
LUDWIG:
Unmut
LUDWIG:
Ende der Vorstellung

Welch skurriles Szenario sich hinter der Bühne abspielte, entnehmen Sie bitte dem Kulturteil der Tageszeitung ihrer Wahl.
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HansFuchs
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Beitrag: # 396670Beitrag HansFuchs
9.11.2006 - 19:57

27. Dezember, 12:00, Brügge:

Der große Tag für Loters Unternehmen war gekommen. Die harte, entbehrreiche Arbeit sollte endlich Früchte tragen, es war soweit. Keine konnte sich mehr hinter den Schatten Loters verstecken. Jeder musste Farbe bekennen. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, wusste ich doch immer noch nicht wie das Projekt schlussendlich aussehen sollte.
DIFLO 2007 wurde an diesem Mittwoch in einem feierlichen Rahmen der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Schulz, Eckström, ich und natürlich der Maitre hatten auf einer Seite Platz genommen. Wir saßen hinter Mikrofonen, Saftflaschen, Aschenbechern, künstlichen Blumengestecken; vor Werbetafeln mit gelben Honigmelonen.
Wir blickten auf eine Meute von hungrigen Journalisten, fünfzehn, zwanzig, ach fast eine Hundertschaft an Pressevertretern waren anwesend. Zig Fernsehkameras, Radioteams verfolgten das Treiben und gar Künstler, die das Szenario mit dem Kreide und Kohle nachzeichneten.
Punkt elf Uhr erhob sich Loter. "Ich bitte um Ruhe. Wir beginnen."
Eine mediale Eröffnung setzte ein. Wir blickten gespannt auf den riesigen Bildschirm an der Wand des Konferenzsaals. Szenen von Radfahrern und Handwerkern wurden gezeigt, leichtbekleidete Frauen mit Sandalen strickten Pullover für die Pedaleure, Männer in Anzügen arrangierten Treffen mit steinreichen Ölbaronen. Plötzlich blieb der Film stehen. Ein Schriftzug erschien. "Die Zeiten ändern sich..." - "DIFLO auch." Es wurde geschmunzelt. Es wurde gefeixt. Es wurde geweint. Ja, bei Jo "Eisen-Jo" Loter konnte ich eine tränenähnliche Flüssigkeit entdecken. Der Mann hatte doch Gefühle.
Der Film war beendet. Es herrschte eine gespenstige Stille, beunruhigend, aber nicht bedrohend. Nach einer Weile wirkte sie gar entspannend. Wir konnten diesen Moment nutzen, um die Aktion auf die Presse zu lenken.
Eckström eröffnete den verbalen Kampf im seinem bekannten Stil: "Hhhhaaabnnnn Ssshiiiee Frrrrraagn?" Die Stille hielt an. Kein Zucken, keine Reaktion, nichts. Wie steinerne Kreaturen saßen Sie auf ihren Sitzen. Keine kritischen Blicke, keine unverständlichen Fragen, nichts. Es wurde Eckström unheimlich, er wiederholte sein Anliegen etwas deutlicher. "Kkkeine FFrrraagn?" Nein. Offensichtlich waren die Pressevertreter wunschlos glücklich. Oder glücklich wunschlos? Hatten Sie die gezeigten Bilder, die eine Revolution darstellten, noch nicht verarbeitet? Ein drittes Mal erkundigte sich Eckström nach den Wünschen der Presse. Er erhielt keine Antwort. Er hat sich bis heute nicht erhalten. Er war zu beeindruckend an jenem 27. Dezember. DIFLO eben.
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HansFuchs
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Beitrag: # 396827Beitrag HansFuchs
10.11.2006 - 20:48

28. Dezember, 8:21, Malibu:

Die letzten Tages des ausgehenden Jahres verbringe ich geschäftlich in Malibu. Das Wetter ist unbeständig, doch der große Sturm ist bisher noch ausgeblieben. Nach dem gestrigen Erfolg gönne ich mir etwas Ruhe, obwohl ich mit dem Ziel hier hergeflogen bin, soviel wie nötig zu arbeiten. Viel nötiges gibt es derzeit nicht.
Ich entspanne in der Hotel eigenen Hotelbar. Auf der Getränkekarte finde ich viel unbekanntes: Beck ´n´ bauer wird als Spezialität angepriesen. Kein Wunder – heute beginnen die bayrischen Wochen. Nichts wie ab nach Brügge.
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cunego111
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Beitrag: # 396931Beitrag cunego111
11.11.2006 - 20:48

echt cooler aar hans :D :D

am besten sind die dialoge aber auch alles andere toll geschrieben

weiter so!!!!!!
[mcol color=#5358DF][color=pink]Cunego*[/color][mcol color=#5358DF][color=pink]172[/color][mcol][color=white]Dixon[/color][mcol][color=white]Fenninger[/color][mcol][color=white]Larsson[/color][mcol][color=white]Randall[/color][mcol][color=white]Hajek[/color][mcol][color=white]Slowiok[/color][mcol][color=white]Eberhard[/color][mcol][color=white]Macabies[/color]

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HansFuchs
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Beitrag: # 396943Beitrag HansFuchs
11.11.2006 - 21:48

Danke, aber meiner Meinung nach, haben diese nicht mehr die Qualität der Ur-Dialoge. Leider. Vielleicht bringt ja die bald folgende Dialog-Woche etwas davon zurück.


31. Dezember, 23:54 Uhr, Brügge:

Die letzten Minuten eines Jahres, dass die ganzen Facetten des Lebens offenbarte: Glück, Hoffnung, Trauer, Pferdewetten. Actio et Reactio. Es war überwältigend, so sehr, dass mir nur sechs Minuten Zeit bleiben über die Geschehnisse nachzudenken.
Es begann im Januar mit dem turbulenten Intermezzo für Gerolsteiner, welches abrupt Anfang Mai endete. Darauf folgte die Gewaltherrschaft des Claudio Corti bei Lampre, der mir im Begleitfahrzeug gar das Bier trinken verbot. Es folgte der überraschend erfolgreiche Auftritt für das österreichische Nationalteam bei der WM in Verona. "Blattgold Hasel" errang im Sprint Edelmetall und schickt mir heute noch wöchentlich Grußkarten. Es schloss sich eine Zeit an, die das Jahr prägte wie keine andere. Eugen Haagen und Hitoshi Hase versprachen Spaß und Spannung bei meiner Reise durch Deutschlands Mittelgebirge.
Der Anruf eines seltsamen Mannes eröffnete mir die Möglichkeit eines Treffen mit meinem Jugendfreund Johan Koc, dessen großes Ziel eine Radsporttruppe auf den Asphalt zu stellen, letztendlich scheiterte. Der Besuch beim ehemaligen Weltklassemasseur Josef Jakobi und ein Aufenthalt in Budapest garantierten einen ruhigen Spätherbst. Der "Loter-Effekt" besorgte mir die neue Aufgabe bei der DIFLO, die in etwa drei Minuten laut Arbeitsvertrag beendet ist. Was stellt man in drei Minuten noch an? Zum meiner rechten sitzt Eugen Haagen, zum meiner linken seine charmante Schwester Trude. Am Kopf des großen Silvester Tisches hat Jo Loter samt Gattin und Butler Platz genommen. Er ließ sich es nicht nehmen, seine Kreuzfahrtreise kurzfristig abzusagen, um mit meinen Freunden und Kollegen das Jahr ausklingen zu lassen. An der rechten Sitzfront lächeln mich Johan Koc und Inspector Columbo, der ehemalige sportliche Leiter von Peugeot Shell, an. Schön, dass sie gekommen sind. Meine Schützlinge bei Peugeot sind fern geblieben, nur Richard Virenque wünschte mir per SMS alles Gute. Außer zu Udo Bölts hatte mit den anderen keinen Kontakt mehr. Ein Platz war auf der rechten Seite frei geblieben. Der von Hitoshi Hase. Ich hatte für ihn extra tiefgefrorene Sushi gekauft.
Mein DIFLO Arbeitskollege di Desta war mit seiner Frau gekommen und saß links von mir. Eckström und Schultz verspäteten sich. Aber sie würden noch kommen, das wusste ich.
Einzig der Platz für den alten Spezi und Pappenheimer Olaf Ludwig sollte die ganze Nacht frei bleiben. Seine Einladung kam ungeöffnet zurück: "Empfänger umgezogen, neue Adresse unbekannt". Ich hatte für ihn dennoch gedeckt, auch, weil ich hoffte, dass er doch noch an die Tür klopfen würde. Sein Rückzug aus der Öffentlichkeit hatte etwas Gutes: Er fiel nicht mehr negativ auf. Er ramponierte keine Bars mehr. Was Olaf für das neue Jahr vor hatte, war mir unbekannt, der Kontakt zu ihm war abgerissen und bisher nicht kittbar.
Noch eine Minute bis Ultimo. Was bleibt ist genauso ungewiss, wie wer die meisten Hefeweizen am Tisch verträgt. Bisher noch der Norweger. Aber die Nacht ist noch lang.
Wenige Sekunden bleiben noch. 25 - 20 - 15 - 10 - ... - 8 - 5 - 4 - Drei - Zwei - Eins. Das Jahr ist tot, es lebe das Jahr. Helau.
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Lance Armstrong Fan
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Beitrag: # 396946Beitrag Lance Armstrong Fan
11.11.2006 - 22:29

Klasse Jahresrückblick. Ich finde, dass der AAR keinesfalls an Klasse verloren hat und freue mich jetzt schon auf die Dialogwochen, wie ein kleines Kind auf Weihnachten. :D
Gruß LAF

Sieger: Bayernrundfahrt 08, Lombardeirundfahrt 08, Cyclassics 08
2. Platz: Giro d'Italia 08, E3 Prijs 09, Criterium International 09,
3. Platz: Paris-Roubaix 09, Baskenland 09

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HansFuchs
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Beitrag: # 396996Beitrag HansFuchs
12.11.2006 - 16:19

Danke, wenn du dieser Meinung bist, freut mich das natürlich. :wink:

LE_PELOTON – 31.Dezember 2006

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HansFuchs
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Beitrag: # 396998Beitrag HansFuchs
12.11.2006 - 16:21

Teil 2

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HansFuchs
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Beitrag: # 397148Beitrag HansFuchs
13.11.2006 - 19:49

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Prosit Neujahr!
Charles Ton

Machen wir uns auf, große Taten zu vollbringen. Schon wieder? Ja. Wir müssen. Die leidige Frage nach den großen Tagen und Taten eines Rennfahrers steht im Raum. Was ist die Voraussetzung für ein solches Erlebnis? Wille, Disziplin, Kampfgeist, Geduld. Zweifellos. All dies vereint die Möglichkeit mit der Wahrscheinlichkeit. Doch birgt diese Rechnung nicht auch unkalkulierbare Risiken? Natürlich. Unvorhersehbares gibt es überall und jederzeit. Regen, Schnee, Sturm, Hagel, kaputtes Pflaster, hinterhältige Kollegen, unzähmbare Konkurrenten. All dies kann eine schier perfekte Leistung in Sekunden in Schutt und Asche verwandeln. Wird es aber einer dieser großen Tage, dann spricht bald das ganze Dorf, später die ganze Stadt, dann das Land und schließlich die Welt über diese Tat. Diese Taten sind groß. Und selten. Aber Zeit ist vorhanden. Ganze 365 Tage. Prosit Neujahr!
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HansFuchs
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Beitrag: # 397557Beitrag HansFuchs
16.11.2006 - 20:51

2. Januar, 15:45 Uhr, Brügge:

Ich ging die Reihe rum. Alle Kollegen hatten sich fein herausgeputzt. Selbst di Desta, der sonst nur in der grauen Gabor Kiraly-Gedächtnis-Jogginghose im Büro erschienen war, hatte sich einen Hut aufgesetzt. Eckström und Schultze trugen ihre sonntägliche Uniform mit allerlei Orden, die Sie von Loter verliehen bekommen haben. Loter selbst, im dezenten Dreiteiler, begrüßte mich zuerst. "Er war mir eine Freude und eine Ehre zugleich, sie als Mitarbeiter in unseren Reihen begrüßen zu konnten. Ihre Arbeit trug Früchte. Wie alles in diesem Unternehmen. Ich kann mit Stolz verkünden, dass DIFLO 2007 ohne diesen Mann nicht stattfinden würde. Er war der Initiator eine neuen Atmosphäre in unseren Hallen. Herr Fuchs, vielen Dank für ihren Dienst." Loters Worte klangen wie Honig in meinen Ohren, leider waren sie auch genauso klebrig. Die DIFLO Zeit hatte ich genossen, auch wenn es nur eine knapper Monat war. Leider war es mir nicht vergönnt Loters Sekretärin, die hier nur als "heiße Hilde" bekannt ist, kennen zulernen.
Eigentlich hatte ich ein ähnliches Spektakel wie zu Beginn meiner Zeit hier erwartet, doch außer der warmen Worte Loters tat sich nichts. Der Alltag in Loters Firma ging weiter. Als wäre nichts passiert. Zum Abschluss schenkte mir der Boss noch eine Dauerkarte für alle 16 Rennen der DIFLO 2007 Serie, die, soviel darf ich sagen, am 10. März mit dem Monument Mailand – San Remo gestartet wird.
Mit Loter werde ich, wie abgesprochen, in Kontakt bleiben. Eine weitere Beschäftigung ist allerdings ausgeschlossen. Ich reise morgen nach Detroit, um dort Ulrich Seithofen zu treffen, der Besitzer der "Kek"-Keksfabrik.
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HansFuchs
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Beitrag: # 398251Beitrag HansFuchs
20.11.2006 - 21:12

4. Januar, 8:45 Uhr, Detroit:

Comander Miller hatte mir den Weg zu Seithofens Keksfabrik gezeigt. Die "KeK" Fabrik lag in mitten einer dunklen Waldlichtung, dessen Bäume aus hauseigenen Keksen bestanden.
Ulrich Seithofen hatte sich 1976 im Streit von seinem früheren Chef, dem Keks-Hai Chris J. Kirkland aus Kentucky, getrennt und eine eigene Fabrik gegründet, die mittlerweile immense Summen an schwarzen Zahlen Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag, schreibt.
Seithofen hatte ich vor einigen Jahren auf einer Firmenfeier eines großen Sportartikelherstellers aus Amerika, kennen- und schätzen gelernt. Er ist ein recht anspruchsloser Mensch, frühmorgens isst er drei Kekse in der Kantine, mittags bestellt er beim Chinesen und abends kocht seine Frau für ihn und seine beiden Kinder, Leonard und Michael. Seine recht knapp bemessene Freizeit verbringt Seithofen auf dem Golfplatz, im Casino oder im Schachclub.
Mit seinen Mitarbeitern spricht er nicht viel, nur notgedrungen fragt er nach der Uhrzeit oder dem Essensplan. Dennoch hat dies seinem Ansehen keinen Abbruch getan- seine bodenständige Art hilft ihm immer wieder auf die Beine, wenn er sie sich einmal selbst gestellt hat.
Der Besuch bei Seithofen hatte zwei Gründe: Der erste: Urlaub. Der zweite: Geldnot. Und eigentlich wollte ich noch zwei Tonnen Kekse schnorren.
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Steini
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Beitrag: # 398331Beitrag Steini
21.11.2006 - 14:50

:lol:

Weiterhin ein sehr schöner AAR! - Und auch der einzige, den ich verfolge.

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HansFuchs
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Beitrag: # 398796Beitrag HansFuchs
24.11.2006 - 22:30

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Heilige Drei Könige
Charles Ton

Drei gibt es. Genau drei von dieser Sorte. Drei Kaliber von Rennfahrer gibt es, die Könige sind. Alle drei fahren wieder Rad. Im März bei DIFLO Mailand-San Remo. Eine Art Rentnerausflug für Übergewichtige, Untrainierte und welche mit Geldnot. Traurig. Aber typisch.
Könige waren sie zu ihrer aktiven Zeit. In den 60ern, 70ern und 80ern. Es waren die Jahre der belgischen Dominanz mit de Vlaeminck und Maertens und Jahre später die Sturheit des Bernard Hinault aus der Bretagne, die diese Fahrer zu dem gemacht haben, was sie heute sind: Legenden mit Geschichten, mit Mythen. Doch welche Schlagzeilen wollen diese drei von sich lesen? Was soll man schreiben, wenn sie sich im Frühjahr über die Pavés quälen? Respekt, dass sie sich nochmals auf das Rad setzen? Wohl kaum. Anerkennung für ihr Durchhaltervermögen? Kommt nicht in Betracht. Unverständnis für die unnötige Rückkehr? Am ehesten. Die Presse wird sie jedenfalls mit Argusaugen beobachten.
Noch sind sie drei heilige Könige. Nur für wie lange noch? Spätestens die Hölle wird über sie richten.
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HansFuchs
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Beitrag: # 398874Beitrag HansFuchs
25.11.2006 - 21:00

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tusberg
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Beitrag: # 398875Beitrag tusberg
25.11.2006 - 21:23

wird bestimmt lustig! 8)

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HansFuchs
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Beitrag: # 399172Beitrag HansFuchs
27.11.2006 - 20:55

7. Januar, 14:14 Uhr, Brügge:

"Werde doch unser Keks-Qualitätsinspektor, Hans. Du magst doch Kekse." so lautete Seithofens Angebot nach der einstündigen Fabrikführung. "Ja, natürlich mag ich eure Kekse. Sie sind die Besten in Michigan." Das entsprach sogar der Wahrheit, denn die KEK Kekse hatten etwas besonderes. Kein anderer Butterkeks hatte bei mir eine solche Gaumenfreude ausgelöst. Es war die eine bestimmte Zutat, die Seithofens Backwaren zu einem solchen Gedicht machten. "Nicht nur in Michigan, mein Lieber, selbst die Fische im Eriesee loben unsere Kekse." Seithofens KEK Keksfabrik gelang vor einigen Jahren mit dem ehemaligen Runningback der Pittsburgh Steelers Jerome Bettis als Frontmann auf ihrer Verpackung der Durchbruch. Mittlerweile werden KEK Kekse nach Dubai, Nassau und gar nach Grönland exportiert. "Wenn du bei uns anheuerst, dann erobern wir vielleicht noch Asien und Mikronesien." Seithofens Ton klang pathetisch. "Wenn du Geld oder Kekse brauchst, darüber können wir reden." Die Euphorie, die in der Luft lag, war greifbar. "Du bekommst auch ein eigenes Büro mit Fensterplatz." Das konnte ich nicht ablehnen. "Hier nimm diese Hand voll Kekse und schlag ein." Meine Hände schlugen wild um sich, versuchten die kostbaren Kekse aufzufangen. Mein Hirn zitterte, versuchte das Erlebte zu verarbeiten. "Ulrich" sagte ich. "Ich kann dein Angebot nicht annehmen. Ich werde in Europa gebraucht. Dort ist Loter, Ludwig und sicherlich noch weitere Damen und Herren, die mein Beisein begrüßen würden. Ich komme dich im Sommer besuchen. Dann ist die DIFLO hier." Er ging enttäuscht von mir ab. Ich konnte das verstehen, denn Seithofen hatte große Hoffnungen in meine Arbeit als Keks Inspektor gesetzt, die ich leider nicht erfüllen konnte.
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