Schär-Preis Sommer 2010

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

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arkon
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Schär-Preis Sommer 2010

Beitrag: # 6827063Beitrag arkon
4.8.2010 - 11:56

Hallo liebe Leute,
dann ist es also wohl soweit. Ich rufe den Schärpreis "Sommer 2010" aus! Die Frist ist der 11. September 2010, 23:59 Uhr. Ich bin zu dem Zeitpunkt in China, also wird die Auswertung sich u.U. ein wenig hinziehen. KEINE SORGE: Alles findet statt!
Das MOTTO ist ein Zitat:
"Auf dem Velo ist er ein Tier, da hält ihn nichts zurück und man muss sich manchmal fragen: Was macht er jetzt wieder?"
Alex Zülle im Frühjahr 1998 über Richard Virenque. Zum Motto unter mehr

Der Schärpreis ist ein Kurzgeschichtenwettbewerb. Schreiben darf jeder, außer mir natürlich. Die Geschichten könnt ihr hier im Thread posten, am Ende der Frist, 11. September 2010, 23:59 Uhr, werden wir sie bewerten und dann einen Sieger küren. Soviel zur Kürze.
Der Grund für diesen Aufruf ist ganz einfach: Die Sattlerei ist mittlerweile voll mit guten Schreibern. Der AAR-Sektor ist auf einem hohen Niveau angekommen und es wird in vielen Geschichten gleichzeitig geschrieben, regelmäßig und auch zum Teil schon erfreulich lange. Nun hatte ich die Idee, diesen erfreulichen Fakt zu nutzen und alle „Schreibtalentierten und die, die sich dafür halten“ aufzurufen, ihr Talent zur Schau zu stellen.
Warum dafür extra einen Kurzgeschichtenwettbewerb? Ein guter Grund ist einfach der, das man in eine kleine Geschichte oft viel mehr Energie investieren muss als in einen langen Text. Kurzgeschichten sind kurz, und daher hat man nicht viel Platz seine Charaktere auszubreiten. Es ist also eine besondere Herausforderung und ich bin einfach sehr gespannt auf die Texte, die dabei heraus kommen. Zum anderen ist es auch gute Eigenwerbung für den Schreiber: Wem eine Kurzgeschichte gefällt, der kann auch gleich anfangen, den AAR desjenigen zu lesen. Und vor allem ist es eine gute Chance für noch-nicht Autoren: Sie können hier locker und flockig ausprobieren, ob sie Talent haben und möglicherweise den Spaß am Schreiben entdecken. Gute Idee? Gute Idee!

So, jetzt zu den Regeln. Der Wettbewerb startet natürlich ab sofort, Abgabeschluss ist der 11. September. Ihr habt ein paar Wochen Zeit eine Idee zu entwickeln und umzusetzen. Sollte reichen.
Als Thema könnt ihr euch alles aussuchen. Besser gesagt alles, was mit Radsport zu tun hat. Es muss kein Rennen sein, es kann beispielsweise auch eine Szene um ein Rennen herum sein, oder eine Trainingseinheit, oder etwas völlig anderes (wie sich einer Nudeln kocht etc.). Lasst euch was einfallen! Es würde mich nichts trauriger machen als später hier 20 Geschichten über eine Weltmeisterschaft zu lesen. Abwechslung ist gut, und originelle Ideen sind immer ein Plus!
Das Motto ist also KEINE genau Vorschrift, um was es gehen sollte. In unserem konkreten Fall muss die Geschichte also nichts mit Virenque, nichts mit Zülle und auch nicht mit 1998 zu tun haben. JEDOCH sollte ein Bezug erkennbar sein. Bei diesem Zitat denke ich an eine überraschende Aktion, an einen animalischen Fahrer der fährt wie ein Verrückter, der das Rennen auf den Kopf stellt und alle überrascht, Angst und Schrecken verbeitet... Wenn ihr an etwas anderes denkt: Gar kein Problem! Ihr habt es in der Hand. Aber ich will erkennen wo und wie das Zitat eure Geschichte beeinflusst hat. Und selbstverständlich ist auch die Art und Weise ein Bewertungskriterium.
Die Jury wird für den Moment abgeschafft. Als Experiment wird die Bewertung wie folgt ablaufen: Jeder, der sich danach fühlt, kann alle Geschichten lesen, einen Kommentar dazu schreiben, sie bewerten und mir das Ganze schicken. Ich entscheide dann ob derjenige lieber zurück in die Grundschule sollte oder ob seine Meinung wertvoll ist. Das ist natürlich nicht besonders transparent, aber es ist ja auch mein Preis. Ätsch.
Bewertet wird eine Geschichte mit einer Prozentzahl. 100% wäre eine perfekte Geschichte, 0% wäre ein weißes Blatt. Die Kriterien sollten mehr oder weniger klar sein, beispiele gibt es in den vorigen Threads. Fühlt euch bei eurer Bewertung bitte nicht davon gebunden das die beste Geschichte so bei 80-90% und keine unter... NEIN! Wenn eine Geschichte scheiße ist kriegt sie 0%. Fertig. Die Autoren bekommen selber die Gelegenheit Kritik zu zensieren. Niemand muss sich hier öffentlich beleidigen lassen.
Der Bezug zum Radsportmanager, gleich welcher Version, ist rein optional. Das heißt: Ihr dürft selbstverständlich das Rennen dort spielen und die Ergebnisse posten, ihr könnt sie aber auch völlig frei erfinden. Anders als bei normalen AARs werden in diesem Wettbewerb auf die Wertung nicht-textueller Teile eines Beitrags verzichtet. Heißt auf Deutsch: Bilder und alles, was euch sonst noch an Schnick-Schnack einfällt ist willkommen, fließt aber nicht mit in die Wertung ein.
Ich weiße nochmal darauf hin, dass die grundsätzlichen Regeln dieses Unterforums gelten. Heißt: Kein Doping. Lasst es einfach außen vor, beschäftigt euch nicht damit. Keine Firmenpleiten. Und: Der gute Anstand sollte gewahrt bleiben. Wenn ihr grenzwertige Dinge vorhabt, werdet ihr es wissen. Lasst euren gesunden Menschenverstand walten.
Der Name des Preises leitet sich aus dem Namen des ersten Gewinners des Grünen Trikots der Tour de France ab, Fritz Schär. Dem Sieger dieser Austragung steht ein Signatur-Bildchen zur Verfügung, welches sich an diesem orientieren wird (die endgültige version mach ich nachher):
Bild
Und noch einmal: Dieser Wettbewerb soll vor allem Leute aus den Löchern locken, die sonst nichts schreiben. Ich hoffe auf viele Teilnehmer, aber: Wenn ihr nur ein Rennen im RSM spielt und darüber schreibt „Dann greift Ulle an, dann kontert Merckx…“ dann seit ihr hier wohl nicht so richtig. Es sollte schon eine Geschichte sein.
Noch ein Wort zum Ablauf: Ihr postet einfach hier eure Geschichten. Ab dem 11. September, 23:59 Uhr seit ihr dann gefragt: Kommentieren, kommentieren, kommentieren. Aber das ganze als PN, nicht als Nachricht in den Thread. Jedenfalls wenn ihr vorhabt eure Meinung als wertvoll gelten zu lassen.
Ich rechne dann die jeweiligen Durchschitte aus (wobei meine Zahl natürlich nur anteilig gerechnet wird) und poste sie hier.
Zu GEWINNEN gibt es ausserdem noch eine Urkunde und den berühmten Wanderpokal, der derzeit in Karlsruhebei Grabba weilt. Ich hoffe sehr das er versucht seinen Titel zu verteidigen. Und dann in einem dramatischen Finish geschlagen wird ;). Ausserdem ist es Usus ein Bild von sich selbst, Pokal und Urkunde zu machen und es hier zu posten. Denkt einfach kurz an die Arbeit, welche die anderen Autoren und auch ich selbst in diesen Preis investiert haben. Und drückt auf den Auslöser.

Damit wünsche ich euch allen viel Spaß und Erfolg beim Schreiben!

arkon

ps: dabei sein ist alles!
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

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Grabba
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Beitrag: # 6827619Beitrag Grabba
8.8.2010 - 12:39

Anm. 1: Dieser Thread ist angepinnt (damit ihr ihn wiederfindet).
Anm. 2: Vergangener Schaer-Preis nicht mehr.
Anm. 3: Kurzgeschichtensammlung ist aktualisiert.

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Flame of Za-i-ba
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Jack

Beitrag: # 6830283Beitrag Flame of Za-i-ba
2.9.2010 - 14:41

Jack

Ey du
Wer
Ja du
Ich
Ja
Was
Was was? Was tust du da?
Wonach sieht es denn bitte aus?
Scheiße man, was soll das?
Leck mich
Arrogantes Arsch
Und jetzt?
Jetzt hol ich mir den Sieg
Na dann

---

Viele Jahre zuvor.

Soviel ich weiß, ist der nächste Ort 70 Meilen entfernt. Wenn du unterwegs nicht zu viel vor dich hin fluchst, kannst du es vielleicht schaffen. Auf Wiedersehen!

Dieser Film war cool. Er fand ihn einfach cool. 70 Meilen. Hastig kramte er eine Karte der Umgebung aus dem Schrank und maß ungenau 70 Meilen ab. Das kommt hin, dachte er sich und packte sie wieder weg. Dann ging er hinaus. Es regnete. Er fluchte. Er musste wieder an den Film denken, lächeln, lachen. Schwungvoll stieg er auf den Drahtesel und fuhr los. 70 Meilen. Bis um 18 Uhr. Auf gehts.

Ein paar Stunden und mindestens fünf mal so viele Regenverwünschungen später.

Der kleine Zeiger stand auf der 6, der große auf der 21. Auf der Zugfahrt nach Hause hatte er genug Zeit, Gründe seines Scheitern zu finden. Die Müdigkeit, dann war er noch vom Tag abgelenkt, aber am schlimmsten war das Wetter. Ein paar Tage später versuchte er es erneut. Und er schaffte es. Zwar wieder mit Regen, aber ohne zu fluchen.
Er wurde älter, schaffte es bis 17:30, bis 17:00 und letztendlich bis 22:00 Uhr, schließlich war er mit der Schule fertig geworden und musste tagsüber arbeiten. Der Job interessierte ihn jedoch eher weniger. Sogar so wenig, dass er nach wenigen Monaten kündigte. Eine neue Beschäftigung suchte er sich nicht. Er hatte also Zeit. Für Radsport, für Feten, für Frauen. Seine Mutter hatte Geld. Sein Vater hatte ihr das Geld hinterlassen. Er hatte also Geld und er war überall ein Held.

---

Lass meine Freundin in Ruhe.
Ann?
Nein.
Sue?
Halts Maul.
Okay.
Jetzt lass sie in Ruhe.
Ich bin nicht multitasking fähig.
Nimm deine Flossen endlich von Mary.
Mary heißt du also, Süße.
Es reicht.
Mary, sag doch auch mal was.
Sie flüsterte ihm etwas.
Ich glaub wir müssen gehen.
Du gehst nirgendwo hin.
Wer zuschlagen will, der soll zuschlagen und nicht quatschen!
Puff-Peng
Autsch.
Ich glaube jetzt hast du kein Problem mehr damit, wenn wir gehen.

---

Gemütlich saß er in seinem Sessel, die Füße locker auf einem Hocker abgelegt. Auf dem kleinen Tisch neben ihm stand ein alter Scotch Whiskey und ein Aschenbecher. In seiner einen Hand hatte er irgendeine Cohiba, in der Anderen sein, nur noch zu einem Viertel gefülltes, Glas. Die Flüssigkeit bewegte sich zum Rhythmus der Musik, es lief Enrico Morricone, die er mit seiner Hand nachstellte. Seine Augen waren geschlossen, aus seinem Mund kam Rauch. Auf seinem Kopf trug er einen lässigen Cowboy Hut. In seinen Gedanken sah er einen Kerl mit einem Revolver. Er schoss. Moment, es war ein komisches Schussgeräusch. Der Kerl verschwand und die steppen ähnliche Landschaft wich einer Luxus-Wohneinrichtung. Wieder dieses Schussgeräusch. Er zog an seiner Zigarre und wünschte sich, es würde nicht noch einmal geschossen. Es wurde. Klingel dich doch zu Tode, dachte er sich. Es blieb still. Hoffentlich habe ich die Tür abgeschlossen. Es knarrte. Verdammt, heute klappt nichts. Genervt schaute er in Richtung Eingang. Ein vornehm gekleideter Mann trat ein und erschrak, als er sich beobachtet sah.

Es tut mir Leid, die Tür war auf. Ich bin Ryan, Ryan O'Connor, mein Kollege hat meinen Besuch angekündigt? - Pause – Sie sind also Jack?
Der bin ich.
Und weiter?
Einfach nur Jack.
Gut, gut. Sie wollen also in unser Team?
Laut ihrem Kollegen möchten Sie mich lieber in ihrem Team.
Ja, das ist natürlich richtig … 10 000 Euro würden wir Ihnen bezahlen.
Ich hatte eher an 20 000 gedacht.
Das können wir uns nicht leisten. 20 000 pro Monat verdient keiner unserer Fahrer.
Pro Woche.
Bitte?
20 000 pro Woche, bitte.
Sie sind verrückt.
Danke.
Nun gut, ich werde sehen was sich machen lässt.
Das werden Sie.
Wir verlangen aber auch viel von Ihnen.
Erwarten Sie mehr.
Sie halten einiges von sich, oder?
Tz.
Eine Frage noch, Jack. Warum wir?
Ich mag ihre Trikots.

Der Vertrag wurde beschlossen. Die Konditionen waren verrückt, aber er hatte tatsächlich unterschrieben. Minutenlang starrte Teamchef Ryan O'Connor zuhause auf das Blatt Papier. Das Kronjuwel des Radsports hatte sich für sein Team entschieden. Es könnte der Deal seines Lebens sein, möglicherweise aber genauso der Flop und sein Jobverlust. Jack war wie Roulette. Entweder man hatte Glück und die Pistole war nicht geladen und würde stattdessen den Gegner in die Knie zwingen, oder man war einfach nicht mehr lange auf der Bildfläche. 80 000 im Monat, plus Prämien. Er war günstiger davon gekommen, als er gedacht hatte. Aber wer weiß, ob Jack nicht mitten in der Saison die Lust verlässt oder er plötzlich mehr verlangte. Er hielt nicht viel von Verträgen. Das wussten alle Teams, aber letztendlich wollten sie ihn doch. Wieder musste Ryan O'Connor lächeln. Auf die Gesichter der anderen Teamchefs war er gespannt. Jack mochte ihr Trikot, die Designer durften stolz auf sich sein.

---

Bis zum Juli verlief alles optimal. Jack gewann und gewann und Ryan O'Connor freute sich wie ein Kleinkind. Bei jedem respektvollen Schulter klopfen wurde er rot. Die wichtigste Rundfahrt des Jahres stand aber noch an. Ryan O'Connor wusste, dass annähernd jeder mit einer Topform antreten würde um Jack zu schlagen. Und der hielt nicht soviel von dieser Tour. Tatsächlich konnte man nur hoffen, dass er nicht ganz die Lust verlieren würde. Zum Glück hatte Jack Wochen zuvor alle gegen sich aufgebracht. Das hatte er einfach drauf. Zugegeben, nach einem Massensturz, wenn alle Betreuer und Fahrer ihren Teamkollegen helfen und das Rennen unterbrochen ist, sein Rad zu nehmen, es durch die Reihen, der am Boden liegenden Sportlern zu tragen und anschließend gemütlich weiter zu fahren, ist nicht die feine englische Art, aber Jack war ja auch Amerikaner. Alle gegen Einen konnte seine Motivation möglicherweise doch noch retten und ihn bei Laune halten.

---

Dann ging es zu dieser Rundfahrt.

Gesamtstand vor 20. Etappe

1.Jack.
2. + 14 Minuten und 27 Sekunden

Am Morgen der 20. Etappe:

Verdammt Jack, geh ran, Jack, bitte, nicht heute, du Idiot, Jack geh ran!
Mmh?
JACK, endlich. Wo steckst du verdammt. - Pause – Jack?
Anwesend.
Wo bist du?
-Pause-
In meinem Bett.
Du bist noch im Hotel? Verflucht, scheiße.
Was denn.
Du musst gleich starten. Man, Jack! Was soll der Mist.
Jaja, ist ja gut, ich mach mich fertig.
Gib Gas, bitte Jack, lass uns nicht im Stich.
Ist gut.
Bis gleich.
Ryan?
Ja, was?
Mach mir ordentlich Aspirin in meine Flaschen.
Jetzt seh zu.

Der Schweiß lief Ryan O'Connor in Strömen hinunter. Er tänzelte auf der Stelle, als wenn er verdammt dringend auf Toilette müsste. In der Tat könnte er sofort aufs Klo gehen. Und kotzen. Sein Magen spielte Achterbahn. Warum hatte er Jack erlaubt später nach zu kommen? Wahrscheinlich hatte er sich abends nach dem Mannschaftsessen noch in eine Bar aufgemacht und sich volllaufen lassen. Vielleicht waren auch Nutten im Spiel, dann wurde es wohl noch später. Um 13:18 musste er starten. Jetzt war es gerade erst 12:00 Uhr. Dreißig Minuten brauchte er sicher vom Hotel. Es würde eng werden, das Einfahren musste vielleicht ausfallen, aber er müsste es schaffen. Das hoffte Ryan O'Connor zumindest.

Währenddessen im Hotel

Immer wieder kamen einzelne Bilder der vergangenen Nacht in seine Gedanken. Da war dieser Irish Pub, diese Karaoke Party oder war es doch der gleiche Ort? Jedenfalls war da noch diese Blondine. Er liebte Blondinen und vor allem diese. Ein Stechen im Kopf zeigte ihm jedoch auch die Schattenseite der Nacht auf. Gegen einen Ruhetag hätte er nun wirklich nichts einzuwenden.
Erfrischend prasselte das Wasser auf seinen Kopf und brachte ihm ein menschliches Gefühl zurück. Ein paar Minuten später war er fertig. Nun war es Zeit für die Entscheidung. Die Dusche war nötig, um eine faire Beurteilung zu gewährleisten. Ab ins Bett oder ab aufs Rad. Sein Spiegelbild machte ihm klar, dass er immer noch verdammt mies aussah. Zehn weitere Minuten verbrachte er im Badezimmer, um zumindest nicht als Leiche durchzugehen. Dann verließ er das Hotel.

20. Etappe – Zeitfahren – 28,30 Kilometer

Starter: JACK ; Startnummer: 66 ; Platzierung 1. ; Startzeit 13:18

13:18 – Die Zeit läuft.
13:19 – Verwunderung, Gelächter
13:20 – Viele Fragezeichen
13:21 – Jack erscheint
13:22 - Jack startet

Eine dreiviertel Stunde, rund 29 Kilometer und einen neuen Gesamtstand später.


1. Jack
2. + 7 Sekunden


Wie froh war er, das Kopfkissen wenig später unter seinem schmerzenden Kopf zu spüren. Schlaf, Erholung, mehr wollte er nicht.

---

Herzlich Willkommen zur 21., der letzten und entscheidenden Etappe. Beim gestrigen Zeitfahren konnte Jack sein Führungstrikot gerade noch so eben mit in sein Bett retten. Die Frage wird sein, wie fit ist er Heute.

Jetzt entscheidet es sich, dachte Ryan O'Connor. War es der Deal oder der Flop seines Lebens. Würde er Teamchef bleiben oder nicht. War der Revolver geladen und würde ihn erschießen oder würde Jack doch gewinnen. Er begann zu beten. Komisch. Er betete für einen Mann, der von Gott absolut gar nichts hielt. Vielleicht hatte er aber einen guten Tag und würde auch für ihn gnädig sein.

Die Etappe verläuft leicht hügelig, doch 40 Kilometer vor dem Ziel wartet noch einmal ein Berg der höchsten Kategorie. Anschließend geht es noch in eine rasante Abfahrt zum Ziel. Dann ist die Rundfahrt vorbei. Dann werden wir wissen, wer gewonnen hat.

Jack, es geht los.
Ich weiß.
Heute ist der Tag.
Ich weiß.
Keine Spielchen.
Okay.
Gewinne einfach.
Ist gut.
Versprochen?
Kennst mich doch.
Eben drum.
Es geht los.
Ich weiß. Viel Glück.

Die ersten 100 Kilometer waren langweilig. Es passierte nichts. Kurz darauf hatte Jack einen Defekt. Sofort jagte das Feld los. Ryan O'Connors Kopf versank in seinen Händen. Verdammt, dachte er sich. Alle gegen einen. Kurze Zeit später sah er Jack am Straßenrand stehen. Ganz gemütlich wartete er dort auf den Materialwagen. Ein Mechaniker schrie Jack etwas zu, dieser winkte ihn nur zu sich ran. Sie unterhielten sich kurz, dann griff der Mechaniker in seine Hosentasche und reichte Jack etwas. Jack verstaute es in seiner Trikottasche. Ryan O'Connor verschlug es den Atem. Der Mechaniker hatte nichts an seinem Rad gemacht, Jack du willst doch wohl nicht …
Doch er wollte. Jetzt hatte er seinen Spaß. Einer gegen alle. Er war topfit. Nun würde er allen zeigen, was er drauf hatte. Mit schnellen Tritten nahm er wieder Fahrt auf. Das Feld war bestimmt schon drei, vielleicht vier Minuten vorne. Er nickte kurz. Die Rechnung ging auf. Jetzt würde es spannend werden. Endlich fühlte er den Kick, den er die ganze Rundfahrt vermisst hatte. Die Konkurrenz war ihm ebenbürtig. Er musste sich anstrengen. Seine Lunge begann zu brennen, die Beine waren vollends angespannt. Er spürte förmlich dass er lebte und beschleunigte noch einmal.

Vorne im Feld ging es ähnlich zu. Es schien, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre. Eigentlich war es nur Jack, aber einige hassten ihn sicherlich mehr als den Teufel. Viele Fahrer mussten bereits abreißen lassen. Beispielsweise Tom. Tom wollte eigentlich noch für seinen zweitplatzierten Kapitän arbeiten, aber diese Hetzjagd war zu schnell für ihn. Ein paar Kilometer lang versuchte er noch andere Zurückgefallene für eine Verfolgung zu motivieren, doch die meisten schüttelten nur den Kopf. Dann lies auch Tom die Beine hängen. Es gab noch Zeiten, da war die letzte Etappe einer solchen Rundfahrt die reinste Entspannung. An der Seite tobten die Fans. Immerhin die waren noch wie früher, dachte Tom. Sie jubelten ihm zu. Er fühlte sich groß, womit hatte er das nur verdient. Sie wurden lauter, immer lauter. Dann raste etwas an ihm vorbei. Dieser Typ war unglaublich. Über Funk gab Tom seinem Teamchef die Nachricht durch. Zwei Minuten müsste er noch Rückstand haben. Jack konnte nicht von dieser Welt sein. Einen Moment hing er sich an sein Hinterrad, dann musste er es sein lassen. Von da an konnte er nur noch hoffen, dass Jack das Rennen nicht gewinnen würde. Los Igor, du schaffst es. Igor war sein Kapitän.

Zu Beginn des letzten Anstieges waren noch etwa 20 Fahrer vor Jack. Zwei Teamkollegen waren Igor geblieben. 7 Sekunden hatte er nur noch Rückstand in der Gesamtwertung. Er würde es dem arrogantem Typen schon zeigen. Kurz vor einer Kurve blickte er sich um. Es war niemand zu sehen. Vor der nächsten Kurve schaute er wieder hin und dieses Mal sah er ihn. Scheiße, dachte Igor und zeigte seinen Teamkollegen was los war. Sie verstanden und erhöhten das Tempo. Sofort fielen andere Fahrer zurück. Nur wenige Sekunden später wurden sie von Jack gestellt. Igor wurde nervös. Seine Teamkollegen schauten ihn enttäuscht an. Tut mir Leid man, war in ihre Gesichter geschrieben, dann war Igor alleine. Er war so nah dran. Aber vielleicht lies Jack sich noch auf ein Spielchen ein. Eine Antwort auf seine Hoffnung erhielt er prompt. Mit einem Lächeln zog Jack an ihm vorbei. Igor musste es einfach zugegeben: Jack war der Beste.
Seine Motivation fiel. Eben noch hatte er den Sieg für möglich gehalten, alles war perfekt für ihn gelaufen, der Defekt, die Zusammenarbeit und jetzt war es vorbei. Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er schaute auf. Rechts von ihm fuhren zwei Fahrer vorbei. Da wurde Igor klar: Immerhin das Podium musste er noch schaffen. Von Jack war weit und breit nichts mehr zu sehen.

Das Gefühl, dass Jack die letzte Stunde erfüllt hatte, verflog nun. Wieder einmal hatte er alle hinter sich gelassen. Er wusste, dass niemand ihm folgen konnte, aber zusammen vor ihm fliehen, konnten sie anscheinend auch nicht. Wie gerne hätte er einen wahren Gegner. Jemanden, der ihn forderte. Ein paar hundert Meter vor ihm sah er den Gipfel, die Bergwertung, Wohnmobile und viele Fans. Außerdem stand dort ein kleiner Eiswagen. Er wurde langsamer. Die Langeweile nahm wieder die Oberhand ein. Er hatte einfach keine Lust mehr. Sein Rad kam zum Stehen. Gemütlich stieg er ab. Die Fans verstummten. Suchend fummelte er in seiner Trikottasche herum. Ein paar Meter weiter sah er die Tafel, die er gründlich studierte. Ein Softeis Vanille, sagte er. Der Mann am anderen Ende des Tresens sah ihn mit riesigen Augen an. Sie sind doch Jack?, fragte der pummelige Kerl. Haben Sie ein Problem damit? Hastig schüttelte er den Kopf und reichte ihm sein Eis. Jack bezahlte und ging einige Schritte weiter. Dürfte ich bitte? Ohne die Antwort abzuwarten setzte er sich auf einen Camping Stuhl. Gerade als er es sich gemütlich machen wollte, rauschte es in seinem Ohr.

Jack, was treibst du da???
Ich hab Hunger.
Du bist gleich im Ziel.
Ryan, ich habe nichts in der Verpflegungszone bekommen. Reg dich ab.
Du hattest auch keinen Defekt.
Erwischt.
Jetzt fahr endlich wieder los. Du hast es mir versprochen.

Tatsächlich hatte er jetzt überhaupt keinen Bock mehr. Schnell entfernte er den Kopfhörer und schmiss ihn weg. Auf Ryan O'Connors Geschrei konnte er nun wirklich verzichten. Aber auch der Kameramann nervte ihn. Ohne Rücksicht hielt er ihm sein Arbeitsgerät direkt vor die Nase. Keine Erholung. In der Ferne wurde es lauter. Jack sah ein Motorrad und kurz dahinter Igor, dessen rotes Gesicht seine Anstrengung zeigte. Er musste grinsen. Erstrecht, als Igor ihn da sitzen sah. Auch er wurde langsamer und hielt an. Sie mochten sich nicht besonders.

Ey du
Wer
Ja du
Ich
Ja
Was
Was was? Was tust du da?
Wonach sieht es denn bitte aus?
Scheiße man, was soll das?
Leck mich
Arrogantes Arsch
Und jetzt?
Jetzt hol ich mir den Sieg
Na dann

Igor fuhr los. Jack blieb sitzen und schloss die Augen.

Ryan O'Connor fehlten die Worte als er bemerkte, dass Jack seine Kopfhörer entfernt hatte. So sollte es also enden. Ein Tropfen floss seine Wange hinunter. War es Schweiß oder eine Träne? Der geladene Revolver war auf ihn gerichtet. Er würde seinen Job verlieren. Es war aus. Jack hatte versagt. Er selber hatte versagt. Warum hatten sie den Teamwagen auch verboten den Berg mit hoch zu fahren? Zu enge Straßen, lächerlich. Die neutralen Materialfahrzeuge durften auch hoch. Mit ihm im Rücken hätte Jack es sich nicht getraut. Schwachsinn. Natürlich hätte er. Gegen diesen Sturkopf konnte man nichts anstellen. Vielleicht sahen die Sponsoren es ähnlich und würden ihn noch einmal verschonen. Aber selbst wenn. Ohne Jack hatten sie niemanden mehr, der bei wichtigen Rennen gewinnen konnte. Außerdem würden sie bankrott gehen. Das Geld für den Rundfahrtsieg hatten sie eingeplant. Ryan hatte sich gnadenlos verspekuliert. Dann horchte er auf, traute seinen Ohren nicht. Er drehte das Tour-Radio lauter, noch lauter. War das real oder bildete er es sich nur ein? War Jack tatsächlich wieder aufs Rad gestiegen und raste nun die Abfahrt hinunter? Er musste lächeln. Eine Tropfen gelang auf seine Lippe. Er schmeckte kurz daran. Es war eine Träne.
"Alle lachen mich aus, weil ich anders bin - Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

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Beitrag: # 6830407Beitrag arkon
3.9.2010 - 4:44

danke für den ersten beitrag. virenque hätte sich sicher gewünscht, auch selbst mal ein solches "tier" zu sein ;). sehr unterhaltsam, wie man es von dir gewohnt ist.

an die anderen: hopp, hopp, ran an den speck. acht tage habt ihr noch, das sollte mehr als genug sein für einen ordentlichen beitrag (genau genommen: zwei tage, länger sollte es sowieso nicht dauern das ding zu schreiben. der rest darf dann für planung genommen werden)
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Stef98
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Beitrag: # 6830419Beitrag Stef98
3.9.2010 - 8:54

draf man hier auch kommentare abgeben?

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Beitrag: # 6830421Beitrag arkon
3.9.2010 - 9:23

mir wäre es lieber wenn du dir deine meinung notierst, nebst einer bewertung, das für alle geschichten machst und mir das ganze abschließend zuschickst.
für den moment wäre es mir lieber diesen thread hier wertungsfrei zu halten. um die öffentliche meinung nicht zu beeinflussen (so hätte der letzte einen deutlichen nachteil: seine geschichte wurde noch nicht in den himmel gelobt)
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Beitrag: # 6831456Beitrag arkon
10.9.2010 - 14:57

so *indiehaendeklatsch*:
noch etwas über einen tag. das ist eigentlich genug, um eine kurzgeschichte zu schreiben. hängt euch rein, schreibt mir was schönes.
und für die, welche diesen thread noch nicht bemerkt haben: einfach mitmachen. oben steht, worum es geht. ihr schreibt ne kurzgeschichte, und wenn ihr gewinnt, gibts nen wanderpokal. hurra!
viel spaß!
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Valverde3007
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Beitrag: # 6831710Beitrag Valverde3007
11.9.2010 - 19:37

Die Quittung

„Hey kleiner, verpiss dich. Autogramme kannst du dir nachher holen.“
Der große bullige Mann stieß mich brutal zur Seite und bahnte sich seinen Weg durch die umherstehenden Teambetreuer hin zum luxuriösen Mannschaftsbus. Er drehte sich noch einmal kurz um und warf mir Blicke wie Giftpfeile zu. Was erlaubte sich dieser eingebildete Schnösel eigentlich? Glaubte er, nur weil er eine halbe Million mehr als ich verdiente und im letzten Jahrzehnt reihenweise Radrennen gewonnen hatte, sei er etwas Besseres als ich. Na gut, seine Fans mochten das vielleicht genau so sehen, aber immerhin war ich gerade dabei, was er wahrscheinlich nicht wusste, ein letztes Gespräch mit seinem Teammanager zu führen, der mir für die nächste Saison einen Platz an der Seite des großen Antonio Pieroni, jenem Großkotz, verschaffen wollte. Wahrlich kein guter Start für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Klar, ich bin nicht besonders groß und war noch sehr jung, immerhin befand ich mich mit meinen vierundzwanzig Jahren erst in der zweiten Saison als Profi, trotzdem konnte ich Pieroni nicht mehr wie früher als Idol ansehen, sondern lernte ihn als den kennen, als der er im Radsportzirkus bekannt war, ein ungehobelter, arroganter Egomane. Damals hatte ich ein ziemlich schlechtes Gefühl, bei seinem Rennstall einen Vertrag zu unterzeichnen und für ihn Helferdienste zu verrichten, aber zum Glück kam es anders.

Es war wie immer, wie seit Jahren. Pieroni, der zur Legende geworden war, als er im Frühjahr nach der Vuelta und der Tour zum ersten Mal den Giro gewann, war auch bei der Tour de France erneut auf Siegkurs. Glücklicherweise hatte er im Winter nach Unstimmigkeiten mit der Teamleitung unsere Mannschaft verlassen und sich einem anderen Rennstall angeschlossen, so dass wir nicht als Kollegen, sondern als Konkurrenten in Frankreich aufliefen. In der Zwischenzeit hatte ich mir einen Namen gemacht und war durch Siege und gute Platzierungen bei Bergetappen zum Kapitän meiner Equipe avanciert. Das erste lange Zeitfahren hatte Antonio gewonnen, wobei er mir, der ich als leichter Kletterer im Flachen Probleme habe, mehrere Minuten abnahm, anschließend kontrollierte er in den Pyrenäen das Rennen und erwehrte sich der Angriffe, die ich und Gleichgesinnte fuhren. Nun ging es auf die Alpen zu und bei einem Vorsprung von zweieinhalb Minuten auf den zweitplatzierten und sogar vier Minuten auf mich als fünften galt er als großer Favorit auf den Gesamtsieg und keiner schien in der Lage zu sein, seine Dominanz zu brechen. Die Nächstplatzierten waren überwiegend Rouleure und hatten weder die Kraft noch die Eier, Antonio im Gebirge in Gefahr zu bringen, ich selbst hatte das Problem, dass ich im letzten Zeitfahren viel zu viel einbüßen würde. Eigentlich gab es fast keine Chance, ihn vom Siegen abzuhalten, keiner seiner Gegner war stark genug. Und doch hatte ich unsere erste Begegnung letztes Jahr nicht vergessen und sehnte mich immer noch nach einer Revanche. Eine Bergetappe hatte ich schon gewonnen, die Gesamtwertung war für mich nicht mehr interessant, höchstens das Bergtrikot. Ich hatte nichts zu verlieren und keine Angst vor der sportlichen Konfrontation, wie viele andere. Vielleicht war kein Fahrer stark genug, Antonio zu schlagen, aber ich hatte einen Plan, wie es funktionieren könnte.

Saisies, Aravis, Colombière, Joux-Plane. Diese Kombination der Berge, die zum Ziel nach Morzine führte, war schon zweimal der Schauplatz von einzigartigen Ereignissen geworden, die mich für diesen Tag inspiriert hatten. Erst hatte man den damaligen Seriensieger, Lance Armstrong dort das einzige Mal in seiner langen Dominanz an seine Grenzen gebracht, so dass er einbrach und einige Jahre später nutzte sein Landsmann Floyd Landis das gleiche Profil für eine unvergessliche Soloflucht. Ich wollte es ähnlich angehen, am Saisies attackieren und Antonio zum Arbeiten zwingen. Der Abstand zu mir war zwar groß, aber zu knapp, um mich fahren zu lassen. Also musste er zwangsläufig selbst hinterher gehen, wenn er seine Führung nicht gefährden wollte. Bis zum Saisies kontrollierten meine Helfer das Rennen, bis sie in die Offensive gingen. Vom ersten Kilometer, der anstieg, wollte ich höchstes Tempo haben und spätestens beim steilen Abschnitt in der Mitte würde ich attackieren. Nacheinander mussten meine Helfer dem Tempo Tribut zollen und fielen zurück. Als ich nur noch meinen besten Berghelfer Enrique an meiner Seite hatte, kam Antonio zu mir vorgefahren.
„Spinnt ihr? Was soll das? Es sind noch über hundert Kilometer.“
„Fährst du schon am Limit? Ich kann noch schneller.“
Ich ging aus dem Sattel, beschleunigte und gab das Kommando, noch eine Schippe draufzulegen. Antonio wurde nun noch wütender.
„Bist du bescheuert? Gleich hast du keine Männer mehr. Hör auf, es bringt doch nichts.“
„Wie du meinst Antonio, ich dann gehe ich eben alleine attackieren. Wir sehen uns im Ziel.“
Und mit diesen Worten ging ich aus dem Sattel und griff an. Antonio war zunächst zu verdutzt zu kontern, dann organisierte er die Verfolgung. Doch es war zu spät, ich war auf und davon und ich war dabei, die Tour zum Platzen zu bringen.

Unterwegs holte ich einige Fahrer ein, die ursprünglich eine Ausreißergruppe gebildet hatten, unter anderem Guiseppe, einen Helfer von Antonio. Als ich ihn überholte, nahm ich ein paar Tritte raus.
„Grüß dich, Guiseppe. Lass dich mal besser zurückfallen, Antonio hat Probleme. Der alte wird heute richtig lang gemacht.“
Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, als ich mit einem Zwischenspurt dem wütenden Domestiken davonfuhr. Antonio sollte die Sache so persönlich nehmen wie ich, er sollte die gleiche Wut spüren und die Kontrolle verlieren. Dann würde er unüberlegt handeln und ich wäre am Ziel. Ich erkundigte mich bei meinem sportlichen Leiter wie die Situation aussah.
„Antonio hat noch zwei Helfer bei sich, die fahren Vollgas. Du liegst knapp zwei Minuten vorne. Es sind noch knapp zwanzig Mann.“
„Wie sieht Antonio aus?“
„Souverän. Wie immer. Allerdings hilft ihm keiner. Warum auch, würden wir ja genauso wenig. Ach ja, er scheint ein bisschen gereizt zu sein. Enrique hat ihn über dich fluchen hören.“
Ich lachte und konzentrierte mich wieder aufs Rennen. Nacheinander überquerte ich die drei ersten schweren Gipfel und baute meinen Vorsprung kontinuierlich aus. Dabei winkte ich immer wieder in die Kamera und versuchte mich nach außen hin locker zu geben, weil ich wusste, dass die anderen Teammanager Möglichkeiten hatten, die Livebilder mitzuverfolgen. Enrique informierte ihn immer wieder über die Situation hinten. Antonio war nun isoliert und wurde von den anderen Fahrern attackiert. Die Lücken musste er alle selber schließen. Gleichzeitig war der Rhythmus so unkonstant, dass mein Vorsprung weiter wuchs, erst wurden es drei, dann dreieinhalb und schließlich vier Minuten. Nun kam ich in die Reichweite von Antonio, nach einer Weile kam sogar der Hinweis, dass ich das virtuelle gelbe hätte. Deshalb hörte Antonio nun mit den Spielereien auf und erhöhte von sich aus das Tempo. Gegen einen starken Bergfahrer wie mich musste er ans Limit gehen, um Zeit aufzuholen, doch es gelang ihm. Nun setzte ich alles auf eine karte. Ich wollte, ich musste vorne bleiben. Am Colombière holte ich mir die Punkte, danach zog ich mir eine Windjacke über und stürzte mich mit höchstem Risiko in die Abfahrt. Als Antonio drei Minuten später denselben Punkt passierte, hatte er nur noch drei Begleiter. Und es waren noch über sechzig Kilometer.

Auf der Abfahrt holte ich den letzten Ausreißer ein. Das war insofern gut, dass man zusammen immer besser arbeitet als allein und gegen Antonio brauchte man sowieso mehrere Fahrer, um im Flachen Zeit gewinnen zu können. Außerdem bekam ich mittlerweile die Quittung für mein Harakiriunternehmen. Die Beine wurden schwer und ich konnte nicht weiter einen flüssigen Tritt halten. Noch schaffte ich es, aber für den Joux-Plane würde es nicht mehr reichen. Ich wandte mich an meinen sportlichen Leiter.
„Puh. Ich kann nicht mehr lange. Wie weit ist es noch?“
„In fünf Kilometern kommst du zum Joux-Plane, es folgen zehn Kilometer bergauf und die Abfahrt ins Ziel.“
„Und sonst?“
„Du kriegst nachher das Bergtrikot, wenn nichts mehr passiert. Mit gelb wird es nichts. Antonio liegt nur noch zwei Minuten zurück. Trotzdem, er wird müde.“
Ha! Hatte ich es geschafft. Das Bergtrikot für mich und Schwierigkeiten für Antonio. Wer scherte sich schon um einen zweiten Etappensieg? Abgesehen davon, dass ich sowieso nicht unbedingt gewonnen hätte. Nächstes Jahr wäre ich wieder dran, oder vielleicht schon bei der Vuelta.

Am Joux-Plane suchte ich meinen Rhythmus und fuhr mit moderatem Tempo die steilen Rampen hinauf. Mein Akku war leer gefahren, ich brauchte eine Pause. Nachdem ich eine Weile das Tempo gedrosselt hatte, ging es mir wieder besser, dafür war mein Rückstand nahezu komplett zusammen geschmolzen. Als ich mich umdrehte, sah ich sie ankommen. Der wutentbrannte Antonio an der Spitze und dahinter der zweitplatzierte Spanier Juan Hernandez und der drittplatzierte Russe Igor Semchov. Antonio führte das Trio an mich heran und kam wie einige Stunden zuvor an meine Seite gefahren.
„Du spinnst doch. Siehst du jetzt wie unnötig das war. Ich habe dich doch gekriegt. Du wirst heute noch Minuten fressen.“
„Das werden wir ja sehen. Glaubst du schon wieder, dass das alles war?“
Ich wusste genau, dass ich keinerlei Chancen mit einem Angriff haben würde und doch konnte ich mich nicht zurückhalten. Es war eine Genugtuung bei einem kurzen Blick zurück zu sehen, wie Antonio alle Kräfte aufbringen musste, um mir wieder hinterher zugehen. Ein paar hundert Meter hielt ich es durch, in kurzen Intervallen eine Attacke nach der nächsten zu setzen und immer wieder im Wiegetritt das letzte Quäntchen Geschwindigkeit herauszuholen. Bis zur vollkommenen Erschöpfung attackierte er und erst als ihm langsam die Sinne schwanden, setzte er sich und scherte aus. Nur noch am Rande nahm er wahr, wie Hernandez attackierte. Semchov folgte ihm und Antonio… Antonio brach ein. Ich musste unweigerlich grinsen, es hatte tatsächlich funktioniert. Zwischendurch hatte ich stellenweise tatsächlich gezweifelt, ob mein Unterfangen nicht nur lächerlich und kindisch war und ich mich vor aller Welt blamierte, aber in diesem Moment spürte ich ein bisschen Stolz. Als ich langsam zu meinem Lieblingsgegner auffuhr, gratulierte ich mir selbst. Ich war der erste, der ihn ans Ende brachte, er war doch nicht unbesiegbar. Ich fuhr an seine Seite.
„Ich spinne also? Ich bekomme nachher das Bergtrikot. Welches kriegst du?“
Antonio keuchte nur schwer und war nicht in der Lage mir zu antworten. Es schien so, als hätte er einen Hungerast und ich war mir sicher, dass er sich nicht mehr erholen würde. Eine Weile hielt ich sein Hinterrad, dann erwachte mein Kampfgeist. Als es etwas flacher wurde, ließ ich Antonio wieder stehen. Seine Moral war gebrochen und er ließ mich einfach so ziehen. Letztendlich schaffte ich es zwar nur, mich so weit abzusetzen, dass ich außer Sichtweite kam, aber das reichte mir. Bis zum Joux-Plane wurde ich noch von zwei weiteren Fahrern überholt, als ich in Morzine ankam, war ich fünfter, wie vorher.

Die Reporter stürzten sich auf mich, fragten mich nach meiner Soloflucht aus, gratulierten mir zum Bergtrikot. Und sie wollten wissen, wo der Sinn hinter der Aktion lag.
„Ach wisst ich, es hat einfach Spaß gemacht. Ich bin zwar total ausgelaugt, aber, hey, ich hab das Bergtrikot.“
Als die Reporter ihre Mikrofone wegnahmen beziehungsweise ausschalteten, fügte ich mit einem Zwinkern hinzu: „Und wer kann schon von sich behaupten, den großen Antonio Pieroni gestürzt zu haben?“
Danach lehnte ich alle weiteren Interviewwünsche ab und orientierte mich zu meinem Mannschaftsbus. Bei der Siegerehrung sah ich Hernandez, der das erste gelbe Trikot seiner Karriere überreicht bekam, dann nahm ich das Bergtrikot entgegen. Als ich die Bühne verließ, sah ich Antonio, der immer noch Interviews gab. Gerade fragte ihn ein Reporter nach mir.
„Auf dem Velo ist er ein Tier, da hält ihn nichts zurück und man muss sich manchmal fragen: Was macht er jetzt wieder? Heute war so ein Tag. Die Fahrweise konnte man sich nicht erklären, erst jetzt weiß ich, was es vorhatte. Er wollte mich stürzen und das hat er geschafft. Aber er ist kein Champion, sondern nur ein unreifer Junge.“
Wahrscheinlich hatte er Recht. Wahrscheinlich war ich noch kein Champion, aber der Rest seiner Aussage ließ mich zwischen Belustigung und Selbstbestätigung schwanken. Ich war also wie ein Tier? Vielleicht. Vielleicht musste man ein Tier sein, um außergewöhnliche Rennen zu fahren. Vielleicht musste man ungewöhnliche Aktionen starten, bei denen allen anderen die Sorgenfalten auf der Stirn standen. Ach, was heißt vielleicht, sicher musste man das. Es machte einfach am meisten Spaß. Und es machte einen unsterblich.

Auf den letzten Drücker. Aber der gute flame soll ja wenigstens ein bisschen Konkurrenz haben.

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arkon
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Beitrag: # 6831919Beitrag arkon
13.9.2010 - 3:54

erstmal danke an die beiden schreiberlinge. sind ganz ordentliche geschichten geworden.
so, und bevor ich mich jetzt hier lang und breit auslasse: freitag abend (also am 17.) um 24:00 deutscher zeit ist einsendeschluss für ein eventuelles jury-mitglied.
meine bewertungen stehen schon, ihr könnt euch also hier im thread ab sofort auslassen. feuer frei!
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

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Flame of Za-i-ba
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Beitrag: # 6832388Beitrag Flame of Za-i-ba
17.9.2010 - 11:51

Leute, dass kann doch nicht sein. Erst schreibt hier niemand was und Jurymitglied will auch niemand sein.

Sagt doch immer hin einmal warum? Was stört euch am schaer Preis? Solche Geschichten sind doch deutlich besser und motivierender als ein irrsinnig langer AAR, aber trotzdem versuchen sich mehr daran, als an so einer Story? Warum?

Was ist mit Sciby, Grabba und dem Rest, der eigentlich mal teilnehmen wollte?
"Alle lachen mich aus, weil ich anders bin - Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

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Skâl
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Beitrag: # 6832404Beitrag Skâl
17.9.2010 - 15:14

Ich bin nicht in der Stimmung jetzt die zwei Storys großartig zu zerfleddern. Darum mach ich's (für meine Verhältnisse) kurz und bündig.


Flame of Za-i-ba
, du hast es auf dich genommen die erste Story zu posten. Das ist auf der einen Seite doppelt schwer, weil man sich nicht von den Ideen der Anderen inspirieren lassen kann, auf der anderen Seite kann man aber auch ganz unbeschwert losschreiben. Du klaust weder jemanden den Einfall, noch kann man's wirklich versauen. Aufgefallen ist mir bei deiner Story der lange Zeitraum den du abdeckst. Hier hätte ich mir gewunschen weniger von den Zeitsprüngen mitmachen zu müssen. Such dir lieber für eine Kurzgeschichte ein paar wenige wichtige Szenen zusammen und schmück die schön aus. Deine Dialoge kommen allesamt etwas abgehackt auf mich rüber. Leider kann ich deinen Jack nicht ausstehen und deshalb mag ich deine Story nicht so sehr.
Insgesamt ist deine Story gut durchdacht.
Deinen AAR finde ich im Übrigen sehr gelungen und ich les diesen sehr gerne.
Flame of Za-i-ba, ich sehe deine Story bei 62%.

Valverde3007, deinen Schreibstil kenn ich schon aus deinem AAR. Kurzgeschichte wie auch AAR habe ich gerne gelesen. In deiner Kurzgeschichte nimmt es ein junger Bursche (ein bisschen Mitleidkomplex) mit eben genau so einem Egomanen auf, wie ihn Flame of Za-i-ba als Hauptcharakter erwählt hat. Ein unreifer Profi auf Rachetour, nett geschrieben. Für die Einen die extra Würze, für mich zu viel des Guten und übertrieben ist das Bergtrikot am Ende. Einfach Antonio zu stürzen bzw. in Bedrängnis zu bringen hätte auch gereicht. Genauso wäre ein alternatives ebenso gutes Ende gewesen wenn dein Hauptcharakter infolge seiner Leistung während der Tour Antonios Respekt zu bekommen. Ich hoffe du verstehst was ich meine, du hast diese Tour für Antonio zerstört (Ziel der Kurzgeschichte) und gleichzeitig zu einem Triumphzug deines Charakters gemacht. Eines von beidem hätte definitv gereicht.
Valverde3007, ich sehe deine Story bei 74%.



Warum hab ich eure Storys jetzt mit Prozenten bewertet? Klar, ich hätt schreiben können, Valverde3007 (1.), Flame of Za-i-ba (2.). Doch was hätte es gebracht. Ich wollte euch Beiden etwas mitgeben, ich wollte euch mitgeben, dass ich eure Ideen respektiere, eure Ausführung und die Mühen anerkenne und gleichzeitig versucht habe euch konstruktive Kritik mit auf den Weg zur neuen, nächsten Kurzgeschichte zu geben. Meine Prozente am Schluss drücken aus, wieviel Potenzial ich für die Zukunft bei euch beiden noch sehe. Wieviel fehlen euch, zu meinen persönlichen, 100%!

Desweiteren möchte ich eine kurze Erklärung abgeben, warum ich selbst nichts geschrieben habe. Den eine Konfrontation mit Anderen bzw. das schreiben einer Kurzgeschichte scheue ich nicht. Ich war schlichtweg zur betreffenden Zeit im Urlaub. Start und Ende des Einsendezeitraumes waren während meines Urlaubes.


LG
Skâl

Skâl
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Beitrag: # 6832405Beitrag Skâl
17.9.2010 - 15:23

arkon hat geschrieben:Die Jury wird für den Moment abgeschafft.
arkon hat geschrieben: freitag abend (also am 17.) um 24:00 deutscher zeit ist einsendeschluss für ein eventuelles jury-mitglied.
Mag ja sein, dass ich schwer von Begriff bin, aber du widerschreibst dir.
Flame of Za-i-ba hat geschrieben:Leute, dass kann doch nicht sein. Erst schreibt hier niemand was und Jurymitglied will auch niemand sein.
Der Grund könnte in den beiden oben angezeigten Zitaten von arkon liegen.
Vielleicht, das ist für euch beide Schreiber ein Hoffnungsschimmer, war meine Beurteilung ein Steinchen mit weitreichenden Folgen...

LG
Skâl

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arkon
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Beitrag: # 6832412Beitrag arkon
17.9.2010 - 16:00

ups... das erste bezog sich auf die bisherige form der jury. ich wollte das system öffnen und mehr leute einbeziehen. eigentlich genau so, wie du das gemacht hast. danke!

wenn sich also noch jemand veranlasst fühlt, etwas ähnliches abzuliefern: bitte sehr!
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sciby
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Beitrag: # 6832416Beitrag sciby
17.9.2010 - 16:33

Das Problem ist meiner meinung nach die Themasetzung, die mir das Genick gebrochen hat, da mir schier keine Idee in den Sinn kam, die dieses Thema aufgreift und dabei nicht zu plumpt wirkt
Ex-Profi Cédric Vasseur via Twitter: "Der Radsport wurde wieder einmal vor der ganzen Welt lächerlich gemacht...Bravo!!!"

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Beitrag: # 6832500Beitrag arkon
18.9.2010 - 3:52

wirklich? ich habe das thema ganz bewusst gewählt weil ich dachte, dadurch wird es einfacher eine Geschichte zu schreiben... noch irgendwelche meinungen dazu? gerade von den beiden aktiven autoren?
meine bewertung kommt später.
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Andy92
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Beitrag: # 6832512Beitrag Andy92
18.9.2010 - 12:02

Bei mir ist es ähnlich wie bei sciby - ich war zwar nicht im Urlaub, dafür aber im Trainingslager/Urlaub. Das mit dem Motto fand ich dagegen sehr gut, da es einem durchaus hilft, Ideen zu finden. Außerdem wird der Wettbewerb dazu mehr zu einem solchen, als wenn alle Autoren eine Story zu ganz unterschiedlichen Themen schreiben. Die Geschichten werden dann einfach schlechter vergleichbar. Und darüber hinaus kann man durch die Vorgabe eines Mottos tatsächlich eher den besten Schreiberling ausfindig machen, da sich jeder Autor darauf beziehen muss - wer seine Künste auch an einem kleinen Zitat beweisen kann, der hat den Titel allemal verdient.
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Grabba
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Beitrag: # 6832724Beitrag Grabba
20.9.2010 - 14:10

Besser spät als nie.

"erstmal danke an die beiden schreiberlinge. sind ganz ordentliche geschichten geworden."
Das trifft den Nagel eigentlich auf den Kopf. Sind ordentliche, ich würde sagen gute, Geschichten geworden, aber leider wieder keine ganz großen Meisterwerke.

Das Motto regt schon dazu an, etwas Absonderlich, beinahe irreales zu schreiben. Flame lässt sich davon tragen und entführt uns in ein Reich der Phantasie mit einem Radstar, der wirklich von einem anderen Stern zu sein scheint. Doch wenn ich im Reich der Phantasie lande, dann möchte ich dort schwelgen können, möchte wirklich, und wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, den Kontakt zur Realität verlieren. Das gelingt Flame nicht.
Valverde hingegen überschreitet die Schwelle zwischen Realität und Fiktion nicht sondern bleibt bei einem Charakter, der bestenfalls an der Schwelle kratzt. Er beeindruckt durch seinen Willen und Kampfgeist, wenngleich die Idee nicht originell ist - böse Zungen behaupten gar, sie sei ein Floyd-Landis-Plagiat.
Flame hingegen ist wieder einmal sehr unkonventionell. Was Schreibstil, was die Formattierung, aber auch was die Idee an sich angeht. Das gefällt mir. Weniger gefällt mir allerdings das weiche, versöhnliche Ende - das hat die Geschichte nicht verdient.
Das Ende von Valverde gefällt mir besser. Natürlich ist es auch nur weich, ein Mittelding, kein Extrem, aber es ist das Ende, das ich mir gewünscht habe, das Ende, das passt. Ebenso passt die völlig harmonische Einbindung des Zitats. Und die letzten Sätze, die Schlussfolgerungen usw., die sind toll.

Das Fazit bleibt damit klar: Valverdes Geschichte gefällt mir besser. Aber ich könnte es auch vollauf verstehen, wenn Flame zum Sieger erklärt wird, denn seine Geschichte hat ebenso ihre starken Elemente.



"btw: bei der durchsicht der alten threads vom schärpreis ist mir aufgefallen an was eigentlich alle geschichten kranken (bis auf flames erste siegergeschichte): zu viel gewollte kunst, zu viel konzentration auf sprache, konstrukte, etwas tieferes. kaum einer hat einfach ne WIRKLICH gute idee gehabt und losgeschrieben. und genau diesen unterschied fand ich damals an flames ersten versuch so charmant."
Dachtest du, mit einem Motto könntest du genau das verbessern? Durch das Motto ist, finde ich, erwartungsgemäß eher das Gegenteil eingetreten.
Ich persönlich möchte nicht behaupten, dass ich ohne Motto teilgenommen hätte. Aber ich hätte zumindest eine gute Idee gehabt. Mit (diesem) Motto hätte ich wohl nicht einmal teilgenommen, wenn ich Zeit gehabt hätte.

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Beitrag: # 6832820Beitrag Flame of Za-i-ba
21.9.2010 - 13:56

Ist das Ende meiner Geschichte tatsächlich versöhnlich?

Ansonsten danke für die Ausführung und Bewertung.
"Alle lachen mich aus, weil ich anders bin - Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

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