Wie aus einer anderen Zeit...

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

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Beitrag: # 6815072Beitrag Strandkorb
24.5.2010 - 15:53

Damiano Cunego

Am Morgen der sechsten Etappe, der Königsetappe der Rundfahrt Tirreno-Adriatico, die sich langsam, aber sicher der Adriaküste näherte, hatte es Damiano Cunego vermieden, in irgendeinen Kontakt mit den Medien zu kommen. Er hatte so verhindern wollen, die Erwartungen seiner Nation zu spüren. Dass die Italiener aber alle auf den kleinen Cunego hofften, war ihm auch so schnell klar geworden. Wobei hofften hier wohl das falsche Wort war, denn es waren keine Hoffnungen, Cunego musste es einfach richten. Die italienische Nation hatte bislang auf ganzer Linie enttäuscht – außer Cunego lag nur noch Alessandro Ballan in den Top-10. Jetzt galt es, die Kohlen aus dem Feuer zu holen.
Auf dem Papier hatte Cunego eigentlich schon vorher gewonnen: Wenn alles normal lief, würden ihm Fahrer wie Cancellara und Chavanel nicht folgen können. Nicht an einem Anstieg wie dem Sasso Tetto, über 13 Kilometer lang und über 7 Prozent im Schnitt steil. Das war nichts für solche Fahrer. Aber gerade diese Sicherheit machte die Mission Gesamtsieg so gefährlich. Cunego hatte die Konkurrenz schon am Montelupone gewaltig unterschätzt und so den Sieg verschenkt. So etwas wollte er nicht noch einmal zulassen!
Cunego rollte demnach hochmotiviert an den Start. Es galt aber zunächst, Kräfte zu sparen. Eine Ausreißergruppe, unter anderem mit den Kletterspezialisten Arroyo und Anton, war schnell gefunden. Bei der Etappenlänge von weit über 200 Kilometern musste Cunego sich lange gedulden. Er schaffte es, obwohl ihm an diesem Tag ein kürzeres Rennen lieber gewesen wäre.

Cunego verbrachte die lange Anfahrt zum entscheidenden Anstieg damit, die Landschaft zu beobachten und immer wieder den Sasso Tetto im Kopf durchzugehen. Er war ihn im Vorfeld dieser Rundfahrt schon mehrfach gefahren und wusste, wo man sich absetzen konnte. Es galt, dieses Wissen nun auch in einen Vorteil einzutauschen.
Cunego musste zusehen, wie seine Mannschaft lange Zeit alleine für die Nachführarbeit sorgen musste. Keiner wollte helfen, obwohl Cunego noch nicht einmal das Leadertrikot inne hatte. Scheinbar hatte sich Cancellaras Saxo Bank-Mannschaft schon mit dem Verlust der Führung abgefunden. Etwa 90 Kilometer vor dem Ziel – endlich – kam dann Unterstützung von Fuji, die wohl wieder für den Montelupone-Sieger Rodriguez fuhren. Den würde Cunego gewiss nicht mehr unterschätzen!
Der Anstieg näherte sich mit großer Übersetzung. Cunego entdeckte die Bergstrecke wohl als Erster, logisch, er hatte hier ja auch mehrfach trainiert. Die karge Landschaft schimmerte unter dem blauen Märzhimmel. Es war nicht mehr weit, aber auch im Anstieg konnte Cunego noch nicht sofort davonziehen. Er musste taktisch fahren. Oft war er die Taktik mit Di Fermio durchgegangen. Sie konnte eigentlich nur aufgehen. Zwei der vier Ausreißer wurden in diesem Moment gestellt. Die anderen beiden hatten noch etwa vier Minuten Vorsprung. Cunego war sich sicher, dass es nach dem Anstieg keine ganze Minute mehr sein würde.

Und dann ging es los! Cunego pedalierte neben dem ehemaligen Teamkollegen Ballan in den wohl entscheidenden Anstieg dieser Rundfahrt. Kaum hatte die Steigung begonnen, waren sämtliche Fuji-Trikots von der Spitze verschwunden. Lampre hatte sofort die Kontrolle übernommen, Lorenzetto, Codol und Visconti hatten die Aufgabe, das Feld zu zerreißen und die schwächeren Fahrer früh auszusortieren. Cunego blickte sich um. Die Gruppe war noch riesig, bislang hatte kaum jemand abreißen lassen. Über 100 Fahrer waren es in jedem Fall noch. Es musste jetzt etwas passieren!

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Cunego hielt den Blick immer nach vorne gerichtet. Lorenzetto konnte das Tempo vorne nicht lange durchhalten, kein Wunder, weil er sich schon vorher viel in der Führung aufgerieben hatte. Codol übernahm für den Sprinter, der an diesem Tage einen tollen Job verrichtet hatte. Cunego nickte ihm zu, als Lorenzetto zurückfiel. Solche Helfer brauchte man, um großes zu vollbringen. Lorenzetto hatte absolut 100 % gegeben und konnte nun einfach nicht mehr.
Der Vorsprung nach vorne schmolz, genau, wie Cunego es geahnt hatte. Wäre vorne nicht so ein exzellenter Bergfahrer wie Arroyo gewesen, man hätte die Ausreißer schon auf den ersten Kilometern der Steigung gestellt. Codol vorne legte ein äußerst gutes Tempo vor, hinten musste Fahrer um Fahrer reißen lassen. Genau deshalb hatte Di Fermio Codol ja auch verpflichtet, der Oldie war richtig gut darin, ein hohes Tempo über eine lange Zeit zu halten.
Das Rennen wurde mehr und mehr zum Ausscheidungsfahren. Cunego blickte sich noch einmal um, die Gruppe war zwar immer noch groß, aber enorm in die Länge gezogen. Er ging noch einmal aus dem Sattel, fuhr wieder in die erste Reihe vor. Neben ihm waren Andy Schleck und Jens Voigt positioniert, letzterer hatte gerade einmal einen Rückstand von 3 Sekunden auf Cunego. Und noch sah der Deutsche ziemlich gut aus.
Vier Kilometer vor dem Gipfel war dann auch für Codol Schluss, der aber auf jeden Fall ein verdammt gutes Rennen gefahren war. Auch bei ihm bedankte sich Cunego mit einem kurzen Nicken, danach musste er den Blick aber direkt wieder nach vorne richten. Arroyo war schon deutlich weiter oben im Anstieg zu erahnen, sein ehemaliger Begleiter, Paulinho, wurde in diesem Moment eingeholt und sofort durchgereicht. Cunego blickte sich noch einmal um, suchte das Feld nach Cancellaras Führungstrikot ab. Er entdeckt es ziemlich weit hinten. War es das für den Schweizer? Würde man bei Saxo Bank nun auf Jens Voigt setzen, der immer noch fast direkt neben Cunego unterwegs war? Er stellte sich viele Fragen, zu viele für seinen Geschmack. Eigentlich musste er sich doch nur auf sich selbst konzentrieren, wer sollte ihn denn bitte stoppen?
Der Bergpass konnte nicht mehr weit sein und als Cunego wenig später eine weitere Kehre durchfuhr, wurde er bestätigt: Ein Kilometer wurde hier angezeigt. Plötzlich durchbrach ein Fahrer seinen Blick und Cunego fuhr sofort hoch. Ein Ceramica-Trikot entfernte sich, das konnte nur Riccardo Ricco sein! Cunego blieb sitzen. Der Rest der Steigung war zu kurz, um einen großen Vorsprung herauszufahren, zumal in diesem Moment Andy Schleck das Tempo übernahm und noch einmal in eine neue Dimension schraubte. Nichts desto trotz schoss ein Quick Step- Fahrer, einer von Fuji, den Cunego sofort als Joaquin Rodriguez identifizieren konnte, und Ballan hinterher. Cunego ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Die Abfahrt war lang, da würde man wieder nach vorne kommen.
Als Cunego die Bergwertung durchfuhr, kamen ihm erste Zweifel. Cancellara und Voigt hatten Probleme, sodass Schleck das Tempo drosselte, und Visconti wieder die Arbeit aufnehmen musste.
Die Abfahrt, steil, aber relativ wenig kurvenreich, stellte sich als schwieriger heraus, als Cunego gedacht hatte. Auch wenn jetzt weitere Fahrer, wie Popovych und auch der starke Sylvain Chavanel, mitarbeiteten, wurde der Vorsprung nach vorne nicht kleiner. Ganz weit entfernt waren die vier Spitzenreiter zwar immer im Blick, aber doch verdammt weit weg. Hatte sich Cunego schon wieder verkalkuliert?

Die Abfahrt zog sich in die Länge, der Vorsprung der Vierergruppe wurde aber nicht im Geringsten kleiner. Zumindest soweit Cunego das beurteilten konnte. Giovanni Visconti hatte inzwischen auch keine Kraft mehr und so musste Cunego höchstpersönlich mitarbeiten. Wäre er doch nur mitgegangen! Cunego fühlte sich auch heute richtig stark, aber das half ihm jetzt wenig.
An der nächsten kleinen Gegensteigung wurde es ihm dann zu bunt, er verschärfte das Tempo. Keiner wollte oder konnte ihm folgen, alleine nahm er die Verfolgung des Spitzenquartetts auf. Alleine konnte er ihm nun doch deutlich kurvenreicheren Teil mit hohem Risiko die Lücke schrumpfen lassen. Cunego investierte mehr als die vier Spitzenreiter und hatte sie bei der vorletzten längeren Steigung schon wieder im näheren Blickfeld. Sein großer Kampf war schnell belohnt worden.
Doch bevor er das Gruppenende ganz erreichen konnte, trat vorne Weltmeister Alessandro Ballan an. Die anderen drei konnten diesem explosiven Antritt nichts entgegensetzen und mussten ihn ziehen lassen. Die Steigung war nicht sonderlich steil und so konnte Ballan seine ganze Kraft ausspielen.

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Cunego konnte nichts machen. Er erreichte zwar wenig später die Gruppe, aber Ballan war schon ein ganzes Stückchen weggezogen. Cunego blieb nur eine Wahl: Die sofortige Verfolgung. Er ruhte sich keine Sekunde aus, sondern trat sofort wieder an. Seine Oberschenkel brannten, aber er musste unbedingt an Ballan herankommen. Sein Angriff brachte die erhoffte Wirkung, es gelang ihm, eine Lücke zu reißen. Er ging wieder in den Sattel und versuchte, einen guten Rhythmus zu finden. Zu seinem Glück konnte er sich wenig später über die Kuppe stürzen und sich ein bisschen ausruhen. Ballan war nicht uneinholbar weggekommen. Cunego wagte einen kurzen Blick nach hinten, wo nun wieder vier Fahrer zusammen waren. Irgendjemand hatte die Lücke also noch schließen können. Noch bevor Cunego seinen Blick wieder abwandte, kam die erste größere Gruppe über die Kuppe. Die vier würden gleich eingeholt werden.

Es waren noch etwa 20 Kilometer, ein weiter Weg. Cunego musste die Verfolgung ruhig angehen, ein ruckartiges Vorpreschen nach vorne war nicht der richtige Weg. Auch, wenn er Ballan erst auf der Zielgerade stellen würde, wäre das immer noch früh genug. Erst einmal ging es nun aber weiter bergab, dann eine ganz kurze, aber ziemlich steile Gegensteigung, ehe der Anstieg zum Ziel begann. Cunego trat auch in der Abfahrt weiter, aber Ballans Vorsprung blieb etwa gleich.
In der Gegensteigung ging Cunego aus dem Sattel. Er musste den Vorsprung unbedingt schrumpfen lassen, die Schlusssteigung war nicht so lang, um dort viel Zeit aufzuholen. Cunego biss noch einmal richtig und an der Kuppe hatte er Ballan tatsächlich so gut wie eingeholt. Der mögliche Sieg kam immer näher. Cunego blickte noch ein letztes Mal zurück, sah Rodriguez und Ricco in einem irren Tempo den Berg hochrauschen, aber ihr Vorsprung würde zu spät kommen. Cunego konzentrierte sich voll auf das Duell mit Ballan!

In der Abfahrt konnte er die letzten Meter dann zufahren. Ein Duell, wie man es sich besser nicht vorstellen konnte. Cunego hätte Teil eines Krimis sein können, denn die Spannung kochte nun über. Er versuchte ruhig zu bleiben, aber das gelang nicht. Ballan verlangsamte sein Tempo und Cunego rauschte vorbei, aber der Weltmeister war sofort am Hinterrad, auch, weil Cunego irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes auf die Straße brachte. Die 3000-Meter-Marke wurde durchquert. Am Horizont konnte Cunego schon das Ziel sehen, aber die Situation nun war nicht die beste.
Zugegeben, Cunego war noch nie ein wirklicher Taktikexperte gewesen, aber an diesem Tag hatte er sich wieder einmal heftig verschätzt. Er machte einen etwas unbeholfenen Schlenker, als, aus seiner Sicht wie aus dem Nichts, Philippe Gilbert an ihm vorbeirauschte. Ballan bliebt deshalb nichts anderes übrig, als an seinem Landsmann vorbeizugehen. Im Windschatten Gilberts hatte sich auch noch Stijn Devolder nach vorne gesaugt, wodurch aus dem Duo ein Quartett wurde. Cunego war kurze Zeit völlig verwirrt. Wie waren die beiden noch nach vorne gekommen? Er blickte zurück, Ricco und Co. waren noch ein Stück zurück. Würden sie auch noch die Lücke schließen?
Gerade noch rechtzeitig, nämlich am Teufelslappen, bekam Cunego seine Nerven in den Griff und konnte sich wieder voll auf das Rennen konzentrieren. Ballan führte das Rennen an, dann schon Cunego, dahinter Gilbert und Devolder, die sich, nachdem sie sich nicht hatten absetzen können, am Ende eingereiht hatten. Cunego war jetzt wieder voll fokussiert. Er durfte nicht zu früh in den Wind gehen, aber auch nicht zu lange warten. Er fühlte sich ausgezeichnet und wollte das Ding hier gewinnen. Ballan wartete lange, aber Cunego blieb ruhig und geduldete sich. 500 Meter vor dem Ziel kam dann der Antritt von Ballan. Stark, ohne Frage, aber Cunego schaffte es, ziemlich locker zu folgen. Das musste einfach der Sieg sein! 200 Meter vor dem Ziel beschleunigte Cunego und rauschte klar als Erster über die Ziellinie.

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Er hatte gewonnen! Cunego brauchte ein bisschen Zeit, das zu realisieren. Am Ende war alles so schnell gegangen. Mit der ehemaligen Taktik hatte der Rennausgang wenig zu tun gehabt, aber das war jetzt völlig egal. Von hinten rauschte Giovanni Visconti heran und wäre vor Freude fast vom Rad gefallen. Nacheinander kamen auch die restlichen Fahrer ins Ziel. Cunego brauchte ein bisschen Erholungszeit, konnte dann aber doch in den Lampre-Jubel eintauchen.
Als letzter erreichte Di Fermio das Ziel. Cunego konnte ihn kaum verstehen, so laut war es im Zielraum: „Klasse… Wahnsinn… Girosieg…“. Mehr bekam er nicht mit. Aber das war auch nicht nötig, um Di Fermios Worte zu deuten!
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Beitrag: # 6815079Beitrag ScÔtt
24.5.2010 - 17:03

Mit welcher Auflösung spielst du denn? Weil das is schärfer als ich und das heiß was :D
"Wenn du Kritik vermeiden willst: tu’ nichts, sag’ nichts, zeig’ nichts." Stephen Roche

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Beitrag: # 6815096Beitrag Strandkorb
24.5.2010 - 20:29

Paolo di Fermio

Die Feierlichkeiten am letzten Abend hatten viel Zeit in Anspruch genommen und so waren die Erwartungen bei Paolo di Fermio auf einen weiteren Spitzenplatz bei der Abschlussetappe gering gewesen. Letztes Ziel war es, das weinrote Punktetrikot von Alessandro Petacchi zu verteidigen, was angesichts der Tatsache, dass theoretisch nur noch Philippe Gilbert und Sylvain Chavanel Chancen auf die Führung hatten, eigentlich ein Selbstläufer sein sollte. Ein weiteres mögliches Etappenpodium sah di Fermio als Bonus an – die Rundfahrt war auch so schon richtig erfolgreich gewesen!
Nachdem sich frühzeitig sechs Ausreißer abgesetzt hatten – Bestplatzierter war Maxim Iglinskiy als 33. mit mehr als 10 Minuten Rückstand, also für Cunego überhaupt keine Gefahr – übernahm di Fermios Mannschaft aber einmal mehr die Kontrolle im Feld. Wenig überraschenderweise fanden sich aber an diesem Tage auch viele andere Teams, die mithalfen, die Spitze nicht zu weit entweichen zu lassen, denn natürlich wollte jeder noch einmal einen Etappensieg einfahren, um eine vielleicht völlig misslungene Rundfahrt noch zu retten. Gerade deshalb rechnete sich di Fermio vorher keine großen Chancen aus.

Einziger Aufreger einer über weite Strecken langweiligen Fahrt war dann noch der Sturz vom Argentinier Juan José Haedo, der in einer der wenigen scharfen Kurve den Halt verlor und auf dem Asphalt landete. Er bekam von seinem Team keine Unterstützung und kam alleine nie wieder ins Hauptfeld zurück.
Apropos Unterstützung: Die der anderen Teams wurde im Verlauf der Etappe dann auch immer weniger. Gegen Mitte des Rennens waren di Fermios Mannen an der Spitze des Feldes wieder einmal alleine. Und so sehr sich die Fahrer auch aufrieben, gegen die sechs Spitzenreiter war es ein ganz harter Kampf. Der Abstand wurde zu langsam kleiner. Vierzig Kilometer vor dem Ziel waren es noch 6:30 Minuten und immer noch erbarmte sich keiner der Hilfe. Scheinbar hatten alle zu viel Angst vor Petacchis Endschnelligkeit. Selbst Cunego arbeitete mit, aber das half nicht viel – die Etappe war für die Sprinter gelaufen. Als es 30 Kilometer vor dem Ziel noch immer 6 Minuten Differenz zur Spitze waren, kamen sie plötzlich alle an. Wie aus dem Nichts waren viele Mannschaften an der Spitze zu erkennen. Zu spät. Di Fermio war stinksauer, auch wenn damit das Punktetrikot endgültig in sicheren Tüchern war.
Alle sechs Ausreißer retteten sich vor dem Feld über die Ziellinie, Stangelj vom italienischen Liquigas-Team war am Ende der stärkste und sicherte sich den prestigeträchtigen Sieg. Petacchi hatte zu allem Überfluss auch noch einen schlechten Tag erwischt und ließ so seinem einmal mehr extrem starken Anfahrer Lorenzetto den Vortritt. Die Plätze 10 und 11 waren es für die beiden am Ende – wenig für die viele Arbeit.

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Einige Stunden nach dem Zieleinlauf konnte di Fermio auf der Abschlussfeier dann aber schon wieder lachen. Cunego und er waren die meistfotografierten Personen und Interviewpartner. Immer wieder waren es dieselben Fragen: „Wie haben sie das gemacht, Damiano? Wieso sind sie so stark, Damiano? Ist Cunego nun auch für den Giro sicherer Kapitän, Paolo di Fermio?“ Beide beantworteten diese Fragen mit den gewöhnlichen Antworten: Viel Training, gute Tagesform, wahrscheinlich, aber sicher sein kann man sich nie. Abgesehen von diesen Interviews, die di Fermio nach einer Zeit doch schon gewaltig auf den Nerv gingen, war es ein gelungener, weil lustiger Abend. Di Fermio und seine Jungs waren endgültig auf Wolke Sieben angekommen.
Dennoch beorderte di Fermio seine Jungs um Mitternacht ins Bett. Milan – San Remo, der nächste absolute Saisonhöhepunkt, war schon ganz nah. Wenn es nach di Fermio gegangen wäre, hätte das Rennen noch am gleichen Abend stattfinden können!

Tirreno-Adriatico:
Gesamtwertung:
1 Damiano Cunego Lampre - N.G.C 27h08'39
2 Stijn Devolder Quick Step + 45
3 Alessandro Ballan Silence-Lotto + 51
4 Sylvain Chavanel Cofidis, le Crédit en Ligne + 1'04
5 Yaroslav Popovych Astana + 1'39
6 Philippe Gilbert Française des Jeux s.t.
7 Joost Posthuma Rabobank + 2'25
8 Fabian Cancellara Team Saxo Bank + 2'27
9 Riccardo Riccò Ceramica Flaminia - Bossini Docce + 2'33
10 Jens Voigt Team Saxo Bank + 2'52
11 Luca Mazzanti Team Katusha + 3'57
12 Lars Boom Rabobank + 4'02
13 René Mandri Ag2r La Mondiale + 4'19
14 Joaquím Rodríguez Oliver Fuji-Servetto + 4'22
15 Andy Schleck Team Saxo Bank + 4'54
Punktewertung:
1 Alessandro Petacchi Lampre - N.G.C 30
2 Mirco Lorenzetto Lampre - N.G.C 26
3 Damiano Cunego Lampre - N.G.C 23
4 Philippe Gilbert Française des Jeux 21
5 Sylvain Chavanel Cofidis, le Crédit en Ligne 18
Bergwertung:
1 Timothy Gudsell Française des Jeux 11
2 Luca Paolini Acqua & Sapone - Caffè Mokambo 9
3 Riccardo Riccò Ceramica Flaminia - Bossini Docce 5
4 Luca Mazzanti Team Katusha 5
5 Josep Jufré Pou Fuji-Servetto 5
U25-Wertung:
1 Lars Boom Rabobank 27h12'41
2 René Mandri Ag2r La Mondiale + 17
3 Andy Schleck Team Saxo Bank + 52
4 Francesco Masciarelli Acqua & Sapone - Caffè Mokambo + 53
5 Vitaliy Buts Caisse d'Epargne + 1'21
Teamwertung:
1 Team Saxo Bank 81h35'56
2 Rabobank + 1'01
3 Astana + 3'02
4 Silence-Lotto + 5'32
5 Lampre - N.G.C + 7'04
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2010 - 2015: 12. + E10 | 1. + E18 + E19 | 12. + E7 | 2. + E19 | 3. | 5. + E1 + E6
2019: 2. + E6
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29.5.2010 - 12:51

3. Kapitel: Zeit der Wahrheiten

Paolo di Fermio

Der Tag, an dem Milan – San Remo im Jahr 2009 ausgetragen werden sollte, würde noch vielen lange im Gedächtnis bleiben. Di Fermio war diese Tatsache schon lange vor dem Rennen klar – es sollte aber anders kommen, als er es vor dem Rennen hätte annehmen können. Wie hätte er auch.
Di Fermio fuhr mit dem klaren Ziel des Sieges zur Classicisima nach Mailand, von wo aus die Strecke über fast 300 Kilometer bis zum Küstenort San Remo führen sollte. Nach den Erfolgen von der Vorwoche waren die Medien noch euphorischer als sowieso schon, di Fermio kam mit seinem Auto kaum durch, als er sich gerade auf dem Weg zum Start befand. Er war ungewöhnlich spät dran, scheinbar machten ihn die letzten Erfolge sicher. Sicher, auch hier zu siegen. Von der Gazzetta Dello Sport war Alessandro Petacchi vor dem Rennen mit fünf von fünf Sternen ausgezeichnet worden, die Buchmacher führten ihn mit einer Spitzenquote von 2,5. Wer sollte ihn schlagen?

Den ganz großen Namen gab es in diesem Jahr im Vorfeld nicht. Klar war aber auch, dass man Petacchi im Vorfeld des Massensprints an Cipressa und Poggio di San Remo schwächen musste, wenn man eine Chance haben wollte.
Aber selbst für den Fall, dass das Rennen für Petacchi zu schwierig sein sollte, hatte di Fermio vorgesorgt. Lorenzetto, der bei Tirreno-Adriatico vor allem als Anfahrer von Petacchi geglänzt hatte, war heiß auf seine Chance, Gasparotto, der bei Paris-Nizza eine gute Leistung abgeliefert hatte, ebenso. Und für ein ganz selektives Rennen war dann noch Giovanni Visconti dabei. Damiano Cunego fehlte. Krankheitsbedingt, denn di Fermio hätte ihn gerne als Joker dabei gehabt. Für Cunego wäre es der einzige Klassiker vor dem Giro gewesen – und mit der Motivation, das erste Mal bei Milan – San Remo zu siegen, wären dem kleinen Mann vielleicht wie beim Rundfahrtsieg vor einer Woche Flügel gewachsen!
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Beitrag: # 6816912Beitrag Strandkorb
11.6.2010 - 19:16

Damiano Cunego

So aber konnte er das Rennen nur vor dem Fernseher verfolgen. Lange Zeit war es ein langweiliges: Lampre kontrollierte das Rennen, nachdem sich früh eine kleine Ausreißergruppe abgesetzt hatte. Man würde sie wieder deutlich vor dem Ziel stellen, das war klar.
Damiano Cunego brauchte früh eine Nebenbeschäftigung und griff nach der neuesten Gazzetta dello Sport. Er blätterte bis zu den Favoriten des Rennens vor. Hier hatte einzig und allein sein Teamkollege Alessandro Petacchi die volle Anzahl von fünf Sternen bekommen, kein Wunder nach seinen bisherigen Leistungen. Dahinter bekamen Tom Boonen und Oscar Freire immerhin noch vier Sterne. Beide hatten den eher unüblichen Weg über Paris – Nizza zur Vorbereitung auf diesen Klassiker gewählt, aber nur Tom Boonen hatte dort gewinnen können. Cunego kombinierte, das Freire nicht wegen seiner guten Leistungen so weit oben stand, sondern nur weil man ihn immer auf der Rechnung haben musste.
Mit drei Sternen war von den Sprintern lediglich Daniele Bennati ausgezeichnet, dessen letzter Sieg von der Katarrundfahrt allerdings auch schon Wochen zurücklag. Daneben standen die Namen Alejandro Valverde und Alessandro Ballan. Alejandro Valverde hatte, wie Cunego dem kleinen Text neben seinem Namen entnahm, bei Paris – Nizza drei Etappen sowie die Gesamtwertung für sich entschieden. Die Vergabe von drei Sternen an ihn wirkte somit mehr als berechtigt. Ganz anders bei Alessandro Ballan, der keinen einzigen Sieg mit auf den Weg nach San Remo nahm. Zwei Sterne wären für ihn definitiv ausreichend gewesen, befand Cunego. Wie viele Sterne hätte man ihm in Relation zu Ballan wohl gegeben? Fünf wohl mindestens.

Aber Cunego war nicht dabei und saß nun auf seinem Sofa. Der Turchino-Pass wurde passiert, nichts passierte. Lampre war immer noch mit einigen Fahrern an der Spitze zu sehen, der Vorsprung der Ausreißer wurde auf zehn Minuten vermutet. Die Kommentatoren de Spiaggia und Poltrona führten sinnlose Zwiegespräche, aber vom Renngeschehen gab es auch wirklich nichts zu berichten. Kilometer um Kilometer spulten die Fahrer herunter, ohne dass etwas Spannendes passierte. Gelegentlich probierten zwar Fahrer sich zu lösen, sie wurden aber allesamt direkt wieder eingefangen. Als es ins Finale ging, bereute Cunego, den Tag nicht zum Training genutzt zu haben.
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