The Next Generation

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

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Andy92
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The Next Generation

Beitrag: # 6809940Beitrag Andy92
5.4.2010 - 12:08

The Next Generation

So, ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass ich die Story anfangen darf und lege einfach los. Ich bin mir sicher, das Team, die Fahrer und die Geschichte dahinter werden euch ein wenig bekannt vorkommen. Allerdings habe ich doch ein paar Veränderungen vorgenommen, vor allem was den Stil betrifft. Nicht nur, dass er sich ganz automatisch durch diverse andere Storys hier im Forum weiterentwickelt hat, nein, ich sage euch diesmal offensichtlich, um was es eigentlich geht - das letzte Mal, als ich so geschrieben habe, war das nämlich doch relativ unklar und sorgte für Verwirrung.
Deshalb: Ich schreibe ausschließlich aus der Sicht und in Tagebucheinträgen des Sportlichen Leiters und Managers vom T-Mobile Team. Es ist die selbe DB wie damals in der Story "Mit Gerdemann zum Toursieg 2009" und das selbe Spiel, nur zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen (ganz genau, ich unterbreche meine Story mit einem Wiederaufgriff, um die andere Story nach Beendigung des Wiederaufgriffs wieder aufzugreifen :P ) und unter einem anderen Schwierigkeitsgrad gespielt.

Hier die Daten in der Übersicht:
Spiel: RSM Pro 2006 ( Patch 1.0.0.8 )
DB: Orginal DB (Jahr 2010)
Schwierigkeitsgrad: Extrem

Und wie immer der Hinweis: Die gesamte Geschichte ist rein fiktiv.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Zuletzt geändert von Andy92 am 28.7.2010 - 14:57, insgesamt 2-mal geändert.
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Andy92
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Beitrag: # 6809941Beitrag Andy92
5.4.2010 - 12:09

31.12.2009

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Wenn ich das Jahr 2009 Revue passieren lasse, dann fallen mir ganz spontan die Namen dreier deutscher Radprofis ein. Den nächsten Gedanken muss ich daran verschwenden, dass mir auffällt, wie ähnlich sich diese drei doch sind: Sie fuhren unter meiner Leitung – für das T-Mobile Team; sie waren extrem erfolgreich; alle waren sie sehr zielstrebig – und doch gibt es Unterschiede: Sie sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft...

Vergangenheit:
Jan Ullrich hat dem Team Adieu gesagt. Der viermalige und bis vor einem Jahr noch einzige deutsche Toursieger in der Geschichte des Radsports schlug mein Angebot aus – irgendwo auch verständlich, andererseits auch wieder nicht. Wahrscheinlich erkannte er die Zeichen der Zeit. Doch dazu später mehr.
„Ulle“ hat sich nun mal anders entschieden, als ich es gehofft hatte. Obwohl meine Umstrukturierungen des Teams gegen ihn gelaufen wären, so wäre er doch ein wichtiger Teil des Systems gewesen. Keine Frage, er hätte einen ehrenvollen Platz eingenommen. Doch das wollte er nicht. Jetzt unterstützt er die Konkurrenz, sucht auf seine alten Tage (mittlerweile ist er 36 Jahre alt) eine neue – vielleicht die letzte – Herausforderung. Was er 2009 mit Linus geschafft hat, versucht er jetzt mit dessen schärfsten Konkurrenten Yaroslav Popovych und dem Lotto-Team. Ich wünsche ihm viel Glück und Erfolg – auch wenn ich gegen letzteres irgendwann etwas dagegen haben werde.

Gegenwart:
Und auch er wird etwas gegen einen Toursieg von Popovych haben: Linus Gerdemann. Für mich zurzeit der beste Rundfahrer der Welt – und hier muss ich meiner Einteilung dieses Eintrags einen Fehler ankreiden, denn ihm wird auch noch ein kleiner Teil der Zukunft gehören, vielleicht auch ein ganz großer?!
Nun ja, mehr fällt mir gerade zu dieser späten Stunde nicht ein, was seine Person angeht. Er ist der Kapitän, der Superstar der Szene und des Teams. Das Ziel für die kommende Saison heißt deshalb ganz klar: Seine herausragende Stellung untermauern und wieder voll angreifen!

Zukunft:
Der dritte Deutsche im Bunde heißt Marten Kebbe. Im Jahr 2007 als ungeschliffenes 19-jähriges Juwel ins Team gekommen, machte er schon in der darauffolgenden Saison auf sich aufmerksam. Von Anfang an war klar: Wenn wir seine Entwicklung behutsam steuern, kann aus ihm ein ganz Großer werden! Und spätestens seit diesem Jahr besteht daran auch unter den anderen Teams, unter sämtlichen Experten, kein Zweifel mehr.
Alles begann schon Ende April mit der Tour de Romandie. Eine solide, souveräne Leistung reichte zu einem hervorragenden siebenten Gesamtrang. Anstatt all seine Kraft in dieser Rundfahrt zu verschleudern (ich hätte ihm einen Platz auf dem Podium durchaus zugetraut), steigerte er seine Form weiterhin intelligent und geduldig von Woche zu Woche. Und dann bei der Dauphiné das erste große Ausrufezeichen: Solosieg auf der sechsten Etappe über den Col d’Izoard! Auch am nächsten Tag eine herausragende Leistung auf der Königsetappe mit Platz drei! Die Belohnung: Trotz enormer Schwächen im Zeitfahren der fünfte Rang im Endklassement. Spätestens jetzt musste ich den Jungen wieder etwas einbremsen. Er äußerte den Wunsch an der darauffolgenden Tour de France teilzunehmen! Abgesehen davon, dass bereits alle Startplätze im Team vergeben waren, hätte ihm das mit Sicherheit mehr geschadet als gut getan. Also sicherte ich ihm als „Ersatz“ einen Startplatz bei der Vuelta zu. Schon das war ein Highlight für ihn. Und so ging er auch im Training zu Werke: Es folgte eine akribische Vorbereitung auf seinen Saisonhöhepunkt, die Früchte tragen sollte...
Schon auf der ersten Bergetappe der vierte Platz! Dass er gut Klettern konnte, wusste ja mittlerweile jeder. Aber das Unglaubliche, etwas, was ich bis heute noch nicht wirklich verstehen und begreifen kann, sollte erst noch folgen. Am Alto de Aitana fand seine erste Sternstunde statt. Er düpierte Gomez Marchante, Basso, Mancebo und den Gesamtführenden Contador am Schlussanstieg und siegte Solo! Jetzt lag er nur noch eine Sekunde hinter Mancebo auf Rang drei. Contador dominierte die Rundfahrt zweifellos – er lag bereits mit drei Minuten in Führung, dank einer Soloflucht auf der ersten Bergetappe. Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich damals nicht so viel Vertrauen in Martens Fähigkeiten gesetzt habe, wie ich es hätte tun sollen. Letztendlich schmerzen die gut zwei Minuten von dieser Etappe sehr, denn nach dem Husarenritt auf den Aitana folgte sogleich die nächste Sternstunde. Es war die zehnte Etappe, ein Einzelzeitfahren über 45 Kilometer und einem acht Kilometer langen Berg zur Hälfte des Rennens. Noch nie hatte ich bei einer Rundfahrt vom Papier her so „schlechte“ Zeitfahrer dabei – alles Bergziegen. Dachte ich zumindest. Bis ich begriff, wie gut ich meine Jungs auf dieses Zeitfahren eingestellt hatte.
„Dieser Berg ist unsere einzige Chance!“
Marten übernahm auf dem Gipfel dieses „Hügels“ die zwischenzeitliche Führung und sollte sie bis ins Ziel nicht mehr abgeben! Acht Sekunden Vorsprung auf drei Fahrer, darunter Contador und Joaquin Moratón, auch er 22 Jahre alt, ein kämpferischer Baske, der am Ende der Rundfahrt, seiner ersten dreiwöchigen den vierten Platz belegen und das abschließende Bergzeitfahren gewinnen sollte. Marten wurde mit knapp zwei Minuten Rückstand zweiter hinter Contador! Die ganze Weltelite hatte mein junges Team unterschätzt. Auch Oscar Sevilla, den Überraschungssieger der Spanienrundfahrt von 2007, der in diesem Jahr noch einmal zu einem großen Rundumschlag (Bergtrikot, Solosieg auf der 18.Etappe und 7.Gesamtrang) ausgeholt hatte, war einfach nicht mehr richtig Ernst genommen worden. Angesteckt von der jungen Energie im Team feierten auch die Sprinter Baumann und Greipel drei Doppelsiege – für das Trikot reichte es leider nicht, das erhielt der junge Marten...
Jeden Tag sorgte ein anderer Kerl für Furore, während die anderen ihre Positionen absicherten – und damit rechnete von den Großen keiner. Ivan Basso beispielsweise war lange Zeit noch im Rennen um das Podium mit dabei, bis er schließlich einbrach und am Ende auf Platz 16 zurückgefallen war. Der einzige, der meine Jungs irgendwann, wahrscheinlich gezwungenermaßen, für voll nehmen musste und nicht mehr auf einen Einbruch hoffen konnte, war Alberto Contador. Er sicherte sich seinen ersten und beiläufig bemerkt längst überfälligen Sieg bei einer dreiwöchigen Rundfahrt. Mal sehen, ob er im kommenden Jahr noch mehr reißen kann – vor seiner Beschleunigung am Berg habe ich auf jeden Fall gehörigen Respekt.
Doch zurück zu Marten. Auch wenn er aufgrund eines taktischen Fehlers meinerseits auf der vierten Etappe um den Gesamtsieg gebracht wurde, so war es doch eine grandiose Rundfahrt für ihn gewesen. Wer weiß, vielleicht hätte er, wenn es anders gelaufen wäre, vor lauter Übermut am Ende einen Mancebo übersehen, oder sogar einen Fothen oder einen Gomez Marchante. So darf er auf eine mehr als großartige Saison zurückblicken, an deren Ende ein zweiter Platz bei der Vuelta steht, neben so vielen anderen Trophäen, die der Junge bereits gesammelt hat.
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Andy92
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Beitrag: # 6809956Beitrag Andy92
5.4.2010 - 16:29

1.1.2010

Junges Feuer

Da ist es also, das Jahr 2010. Und sofort begreife ich, welchen Ernst die Sache diesmal hat. Konnte ich in den letzten Jahren noch auf etablierte Superstars, auf ein eingeschworenes Team von Ausnahmeathleten zurückgreifen, mich mit einem außergewöhnlichen Trainerstab beraten, so steh ich nun doch ziemlich alleine dar. Ich bin mir darüber im Klaren, dass es ein riskantes Wagnis ist, ja fast ein Experiment. Ein langwieriges noch dazu, deren nächsten Schritte noch gravierender sein werden, als es dieses Jahr schon war. Der Sponsor, ein millionenschwerer Konzern, gibt mir das nötige Vertrauen, das ich mir in den letzten Jahren hart erarbeitet habe. Jetzt habe ich einen Namen – vier Toursiege in Folge. Natürlich will man das auch dieses Jahr von uns, oder sollte ich doch besser sagen, von mir sehen?
Der Druck ist wie jedes Jahr der gleiche – damit kann ich mittlerweile ziemlich locker umgehen. Ich weiß, was meine Jungs können. Aber genau darin liegt jetzt das Problem. Von nun an ist fast alles Neuland – ein Abenteuer. Es gibt keine alten Hasen mehr, wie einen Steffen Wesemann, oder einen Jan Ullrich, die, wenn’s brenzlig wird, die Kohlen aus dem Feuer holen. Diese Aufgaben liegen jetzt bei den jüngeren, bei Michael Rogers, bei Linus Gerdemann, bei Enrico Gasparotto, bei Lorenzo Bernucci, bei Vincenzo Nibali. Keine Frage, auch diese Leute sind absolute Ausnahmetalente, unumstrittene Könner, Stars in ihren Heimatländern, Vorbilder, Idole – doch bislang standen sie immer noch ein wenig im Schatten – unter Schutz.
„Lorenzo musste bei der Lombardeirundfahrt nicht glänzen – Jan hatte ja die Tour gewonnen.“
„Linus wird die Rundfahrt schon gewinnen – Jan wird ihm sagen, worauf er achten muss, wird ihm Rückendeckung geben, auf seine Erfahrung kann man bauen.“
Tja, wo ist jetzt diese Erfahrung? Bei mir? Bei Linus? Bei Lorenzo? Ich kann es nicht genau sagen. Ich kann lediglich hoffen, dass Jan ein wenig auf uns alle abgefärbt hat. Und nicht nur er – Andreas Klöden hat seine Karriere beendet. Er war eine wichtige Konstanz, hat mit seinem Sieg in der Bergwertung den Grundstein für einen erfolgreichen Giro im letzten Jahr gelegt, hat Morris unterstützt, als dieser schon Minuten auf Cunego verloren hatte und der Verzweiflung nahe war. Auf einmal ist sie da, die Angst vor dem Ungewissen. Wie aus dem Nichts hat sie mich gepackt und vielleicht auch einen Teil des Teams. Denn jetzt haben wir das Jahr 2010, das Jahr in dem die Richtung wie es weitergehen soll entgültig vorgegeben wird. Das Jahr, in dem alle ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen.
Oder mache ich mich verrückt? Warum bin ich auf einmal so nervös? Es war mein freier Wille, meine Entscheidung dieses Experiment anzugehen. Die Konsequenzen wird in diesem Jahr vielleicht noch nicht jeder bemerken – aber was jeder erkennen wird, ist, dass ein Baustein fehlt – Jan.

Morgen ist die Teampräsentation. Sie wird länger dauern als all die Jahre zuvor, obwohl uns einige wichtige Personen verlassen haben. Aber vielleicht ist sie gerade deshalb schneller vorbei als sonst. Die stundenlangen Befragungen der Journalisten mit Jan über sein Gewicht, seine Form, seine Ambitionen – sie werden fehlen. Die werden jetzt in Belgien beim Lotto Team stattfinden. Aber den Toursieger, den haben immer noch wir – auch wenn Jan viele Trümpfe hält und über unsre Karten bescheit weis, so haben wir immer noch die Unberechenbarkeit des jungen Feuers.
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Andy92
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Beitrag: # 6810011Beitrag Andy92
6.4.2010 - 11:44

3.1.2010

Das Konzept

Es waren Linus, Martens, Joaquins und die Erfolge aller anderen jungen Fahrer, die mich zu dieser Idee gebracht hatten. Zuerst war es nur ein stilles Verlangen in mir, der Wunsch nach etwas neuem. Nach einiger Zeit, in der Sonne des Spätsommers, in den grauen Novembertagen wuchs aus dem unterbewussten Verlangen, die Idee hervor und wurde schnell zur Vision. Eine Vision von einem neuen, einem anderen T-Mobile Team. Ich wollte ein blutjunges Team. Neoprofis. Junge, unverbrauchte Fahrer. Ich wollte mit ihnen und an ihnen arbeiten, sie und mich Erfahrungen sammeln lassen, um irgendwann Erfolge feiern zu können. Süße Erfolge, die man sich hart erarbeitet hat. Eine Talentschmiede wollte ich aufbauen. Meine eigene schlagkräftige Truppe formen.
Als ich damals im Jahre 2006 zum T-Mobile Team gestoßen bin, konnte ich auf eine voll funktionsfähige und aufeinander abgestimmte Mannschaft zurückgreifen, die auf Erfolg vorprogrammiert war. Ich konnte zwei, drei Jahre lang eigentlich nichts falsch machen. Doch jetzt ist es an der Zeit das Team ein wenig umzukrempeln. Der ganzen Sache meinen Stempel aufzudrücken, meine Ideen zu verwirklichen. Wahrscheinlich werden wir mit dieser neuen Marschrute erst einmal nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen können. Es wird schwerer werden, keine Frage. Auch die Konkurrenz wird jünger und stärker. Und wenn wir unsere Stellung als eines der besten Teams der Welt auf lange Sicht behalten wollen, dann müssen wir auch etwas dafür tun.
Die eine Möglichkeit, und diese ist zweifellos die bequemere, wäre gewesen, dass ich mit den großzügigen finanziellen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, den anderen Teams die herausragenden Fahrer abkaufe. Sozusagen die Weltelite auf einem Punkt versammeln. Doch das widerstrebt mir sehr. Ich möchte nicht einen Haufen von dreißig Radsportdiven um mich herum haben, von denen jeder etwas anderes wünscht und will. Das kann auf Dauer einfach nicht gut gehen. Deshalb habe ich die zweite Möglichkeit favorisiert. Auch die Verpflichtung und die Arbeit mit jungen Talenten erfordert sehr viel Geld. Zunächst einmal ganz einfach deswegen, weil die Erfolge ausbleiben oder zumindest nicht mehr so zahlreich sind wie früher. Reine Einnahmen durch Rennprämien von 2,5 oder gar 3 Millionen Euro wie in den vergangenen Jahren werden von nun an kaum noch möglich sein. Aber das hat dieses Team auch nicht nötig. Ich möchte auf Qualität und nicht auf Quantität setzen, und das obwohl der Kader in dieser Saison so viele Fahrer umfasst wie nie zuvor. Im Endeffekt freue ich mich auf dieses Abenteuer, in der Überzeugung, dass es mir auch gelingen wird, diese Herausforderung zu meistern.

In dieser Saison werde ich die Geschicke eines 37 Mann starken Teams leiten. Das Konzept lautet: Junge Fahrer ausbilden und etablieren. Das erklärt auch das extrem breit aufgestellte Team – so viele Fahrer hatte ich noch nie unter meiner Obhut. Aber eigentlich hätte es noch ein Fahrer mehr sein sollen. Jan Ullrich war als Mentor für die junge Generation eingeplant. Diese hätte so auf seinen unglaublich wertvollen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Doch daraus sollte nichts werden – zu spät kam meine Idee, und Jan hätte an seiner neuen Aufgabe wohl auch keine Freude gehabt. Bei Lotto hat er eben doch mehr Freiheiten. Dort ist er einer der Kapitäne, hier wäre er wahrscheinlich nur ein Edelhelfer gewesen.
Auch Andreas Klöden schlug mein Angebot aus. Nachdem er seine aktive Karriere beendet hatte, plante ich ihn als Betreuer und Sportlichen Leiter mit ein. Aber er wollte erst einmal eine Auszeit von allem beruflichen Stress, Zeit mit der Familie verbringen, was ich sehr gut verstehen kann. Wer weiß, vielleicht kann ich in einer paar Jahren wieder mit ihm rechnen – vorausgesetzt mein Plan geht bis dahin auf.
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Andy92
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Beitrag: # 6810071Beitrag Andy92
6.4.2010 - 20:06

4.1.2010

Der Kader

Was erwarte ich von meinen Jungs? Wie kann ich erkennen, ob es voran geht, oder ob wir nur noch hinterherhinken? Da man die Kriterien für solche Fragen schlecht im Kopf behält, habe ich beschlossen sie hier schriftlich festzuhalten.


Die Kapitäne:
Lorenzo Bernucci, 30 Jahre, Italien
Linus Gerdemann, 27 Jahre, Deutschland
Michael Rogers, 30 Jahre, Australien

Trotz aller Umstrukturierungen bleibt die Orientierung des Teams erhalten. In den Etappenrennen und vor allem in den großen Landesrundfahrten wollen wir nach wie vor voll angreifen. Das, was wir 2007 geschafft haben, könnten wir schon bald wieder erreichen: Der Sieg in allen drei Grand Tours! Damals siegte Jan überzeugend bei der Tour, Oscar und Linus absolut überraschend bei Vuelta und Giro.
Letzterer schlägt in diesem Jahr wieder die gleiche Marschroute an wie im vergangenen. Als Vorbereitung auf sein großes Ziel, die Titelverteidigung bei der Tour de France, wird er den Giro bestreiten und im August höchstwahrscheinlich versuchen unsere heimische Erfolgsstory bei der Deutschlandtour erfolgreich fortzusetzen.
Voll auf die Tour fokussiert ist in diesem Jahr Michael, immerhin der unangefochtene Sieger der Deutschlandtour und Gewinner des Giros 2008. Das heißt auf das Konto beider Rundfahrtasse gehen bereits mindestens ein Triumph bei einer großen Landesrundfahrt – mit Vorteilen bei Linus. Ob deshalb wieder interne Duelle um die Kapitänsrolle entfachen werden? Wenn ja, dann werde ich dafür sorgen, dass wir das vor der Rundfahrt geregelt kriegen – genug Vorbereitungsrennen gibt es ja. Aber wenn ich ehrlich bin, dann ahne ich schon jetzt, dass wir wohl wieder mit zwei Kapitänen antreten werden.
Der dritte Kapitän des Teams, Lorenzo, genießt in diesem Jahr wieder einmal viele Freiheiten. Ich bin mir sicher, dass er an die Erfolge der letzten Jahre anknüpfen kann. Nur gibt es in diesem Jahr einen Unterschied: Wir sind auf seine Erfolge angewiesen! Wer würde mir schon versichern, dass wir Linus oder Michael bei der Tour auf dem Podium platzieren können, wenn sie möglicherweise in interne Zankereien verfallen und sich am Ende bloß gegenseitig behindern? Aber ich bin zuversichtlich. Lorenzo konnte die Saison 2009 mit einem dritten Platz bei der Lombardeirundfahrt – es hatte schon mit einer Podiumsplatzierung bei Mailand-San Remo begonnen – und damit dem besten Ergebnis im vergangenen Jahr bei einem Radsportmonument abschließen..


Die Co-Kapitäne:

Enrico Gasparotto, 27 Jahre, Italien
Trent Lowe, 25 Jahre, Australien
Vincenzo Nibali, 25 Jahre, Italien
Mathieu Perget, 25 Jahre, Italien
Morris Possoni, 25 Jahre, Frankreich

Enrico ist unser Sprintkapitän bei Giro und Tour. Auch er hält am Erfolgsrezept des letzten Jahres fest. Außerdem könnte es in diesem Jahr noch besser ausgehen als im letzten. Mit 10 Flachetappen bietet der Giro wieder echte Chancen für die Sprinter das Maglia ciclamino zu gewinnen.
Trent ist ständiger Begleiter von Michael und einer, wenn nicht der wichtigste Helfer bei der Tour. Eventuell erhält er bei der Katalonienrundfahrt und bei der Deutschlandtour einige Freiheiten. Mehr kann ich von dem jungen Mann noch nicht erwarten. Er könnte ein zukünftiger Siegfahrer werden. Es hängt davon ab, welche Erfahrungen er in diesem Jahr machen wird.
Vincenzo und Morris muss ich in meinem Ausblick wohl zusammenlegen. Von ihnen verlange ich weder einen Sieg beim Giro noch bei der Vuelta. Beide haben noch ihre Schwächen, an denen wir arbeiten müssen. Die diesjährige Italienrundfahrt könnte Vincenzo aber entgegen kommen. Sie ist nicht ganz so kletterlastig wie im vergangenen Jahr und weist ein längeres Zeitfahren auf. Die wenigen Bergankünfte sprechen wiederum gegen Morris. Über allem steht aber eine sehr viel größere und bedrohlichere Hürde als das Profil: Damiano Cunego – der mit Abstand beste Kletterer der Welt fuhr im vergangenen Jahr in einer ganz eigenen Liga in Italien. Dort wird er auch noch nach seiner enttäuschenden Vuelta zum Jahresende als Held gefeiert. Auch wenn das hier Aufzeichnungen über mein Team sind, so hat Cunego diese Lobeshymne durchaus verdient.
Aber zurück zu meinen Jungs. Mathieu hat sein bisher erfolgreichstes Jahr hinter sich. Meistens fällt es gerade dann schwer an diese Erfolge anzuknüpfen oder sogar noch eins draufzulegen. Neben mittlerweile 3 Etappensiegen bei der Tour, stehen herausragende Ergebnisse bei den Ardennenklassikern und den italienischen Monumenten. Er wird das Team in Rundfahrten unterstützen und als Joker bzw. als Kapitän neben Lorenzo in den Klassikern fungieren.
Zuletzt geändert von Andy92 am 7.4.2010 - 12:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Andy92
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Beitrag: # 6810156Beitrag Andy92
7.4.2010 - 12:20

Die Routiniers:
Eric Baumann, 29 Jahre, Deutschland
André Greipel, 27 Jahre, Deutschland
Kim Kirchen, 31 Jahre, Luxemburg
Andreas Klier, 34 Jahre, Deutschland
David Kopp, 31 Jahre, Deutschland
Oscar Sevilla, 33 Jahre, Spanien

Die „alten Hasen“ sind in Wirklichkeit gar nicht so alt, wie der Titel vermuten lässt. Natürlich, einer fehlt – Jan, aber darüber habe ich mich jetzt schon genug ausgelassen. Jetzt gilt der Fokus unseren beiden Sprintern Eric und André, die beide eine äußerst erfolgreiche Vuelta im letzten Jahr bestritten haben. Auch in dieser Saison plane ich mit den beiden bei der Spanienrundfahrt und bei der Tour als Anfahrer bzw. Joker für Enrico. Der ein oder andere Etappensieg wird mit Sicherheit drin sein. Wenn es wieder so läuft wie in Spanien, dann dürfte das gar kein Problem sein.
Zu Kim kann ich nur eines sagen: Die Ardennen und kleinen Rundfahrten sind sein Zuhause. Wenn er im Frühjahr erfolgreich ist, dann nimmt er für die ganze Saison den Druck von den Schultern der jungen Garde. Er ist für die Basis, die Grundlage für ein erfolgreiches Abschneiden verantwortlich.
Das selbe gilt für Andreas und David. Sie sollen die Mannschaft früh in der Saison anführen und präsentieren. Den großen Wurf bei einem der Kopfsteinpflasterklassiker kann ich aber natürlich nicht von ihnen erwarten. Sie bringen Erfahrung mit, keine Frage, aber gegen die Giganten Cancellara, Boonen und Ballan, der aktuelle Weltmeister von Brügge, werden sie wohl keine Chance haben.
Oscar, der Spanier, der immer für eine Überraschung gut ist, übernimmt ähnlich wie Kim eine tragende Rolle in diesem Jahr. Er möchte im Frühjahr bei den Rundfahrten am Mittelmeer ein Wörtchen mitreden und soll dann fast ein halbes Jahr später die jungen Fahrer bei der Vuelta unterstützen.

In Ausbildung:
Martin Benken, 22 Jahre, Deutschland
Sebastian Blazevic, 22 Jahre, Deutschland
Nikolay Bugalo, 21 Jahre, Kasachstan
Morris Flick, 23 Jahre, Deutschland
Marten Kebbe, 22 Jahre, Deutschland
Roger Kunz, 22 Jahre, Schweiz
Julien Loubet, 25 Jahre, Frankreich
Pierino Mollo, 22 Jahre, Italien
Joaquin Moratón, 22 Jahre, Spanien
Ibon Riesco, 22 Jahre, Spanien
Franz-Josef Rodhorst, 23 Jahre, Deutschland
Marcelo Zampieri, 23 Jahre, Italien
Gabriele Zuffi, 23 Jahre, Schweiz

Fast zwei Drittel der Fahrer sind unter 24! Für viele andere Teammanager wäre solch ein Kader untragbar – für mich ist es eine Freude. Doch nicht für jedes Talent wird es nach dieser Saison bei uns einen Platz geben. Jeder der Jungs bekommt mindestens 2 Jahre Zeit sich zu beweisen – dabei müssen aber nicht unbedingt die Ergebnisse stimmen, sondern der Gesamteindruck. Wie hat sich der Fahrer taktisch, charakterlich, leistungstechnisch und von der Motivation her entwickelt, um nur einige der Kriterien zu nennen, die für einen Vertrag von Nöten sind.
Martin hat schon seine zwei Jahre hinter sich und entwickelte sich bislang nicht so, wie ich mir das vor über zwei Jahren erhofft hatte, als ich auf ihn aufmerksam wurde. Zwar bin ich nach wie vor von seinen Talenten überzeugt, doch könnte diese Saison leider schon die letzte Chance für das Rundfahrertalent sein.
Sebastian ist ein Sprinter, keine Frage. Er ist sogar schon im vierten Jahr bei uns und hat eine schwere Saison hinter sich. Aber ich denke, er wird seinen Weg gehen.
Nikolay, eine wahre Kampfsau am Berg, hat mich inzwischen restlos überzeugt. 2008 und Anfang 2009 wirkte er noch recht blass und unscheinbar, doch bei der Vuelta zeigte er einfach das, zu dem er nun mal im Stande ist. Gut, mit dem, was er dann wirklich draus gemacht hat, hätte ich nicht gerechnet – immerhin schlug er mit seinem achten Platz einen Ivan Basso und einen Damiano Cunego im Gesamtklassement. Herausragend war aber natürlich der Sieg aus einer Ausreißergruppe heraus auf der 13.Etappe am Coll de Pal. Ein Mann, mit dem man in Zukunft absolut rechnen muss!
Morris gelang 2007 der Überraschungscoup mit dem Sieg bei der Katar-Rundfahrt – in seinem ersten Profirennen gleich der Sieg. Sein Vertrag wurde anschließend aber nicht verlängert. Eine Entscheidung von mir, die ich bis heute noch nicht wirklich nachvollziehen kann. Alles lief darauf hinaus, dass er im letzten Jahr eine Art „zweite Chance“ bekam, die er jedoch nicht wirklich nutzen konnte, was zweifellos an Motivationsproblemen lag. Diese Misere muss ich mir wohl ankreiden lassen. Gerade deshalb möchte ich mit ihm noch einmal richtig zusammenarbeiten, um die Wogen vielleicht doch noch zu glätten.
Zu Marten habe ich wohl schon alles gesagt. Er steckt noch in der Ausbildung, klar. Dennoch ist er in diesem Jahr reif für seine erste Tour. Auch die Vuelta möchte er wieder bestreiten – vielleicht Zeit für eine Revanche gegen Contador? Ich muss aufpassen, dass er nicht überdreht und er seine Körner sinnlos verheizt – immerhin ist er erst 22.
Roger stieß schon letztes Jahr zu uns. Sein Lieblingsterrain sind die langen Anstiege und kurze, schnelle Antritte – ein Bergfloh eben. Bislang hatte er aber noch nicht wirklich die Möglichkeit sein Können unter Beweis zu stellen. Dazu soll er in diesem Jahr Gelegenheit bekommen. Dabei denke ich vor allem an die Schweizer Rundfahrten.
Auch Julien ist so ein Kletterass. Sein bislang größter und einziger Erfolg bei uns ist ein Touretappensieg in der Austragung von 2008. Im letzten Jahr konnte er mit einem 7.Platz beim Giro erneut Aufmerksamkeit erregen. Von allen „Azubis“ meines Teams bringt er zweifellos schon die größte Erfahrung mit sich. Doch zu seinem Ziel, einmal das Bergtrikot bei der Tour zu gewinnen, ist es wohl noch ein langer Weg.
Pierino und Marcelo sind vom Fahrerprofil her recht ähnlich. Sie sind beide die wohl größten italienischen Rundfahrertalente. Da ist es natürlich verständlich auf welches Rennen sie es abgesehen haben – den Giro. Während Pierino bei der Lombardeirundfahrt im Oktober überraschend auf Rang fünf landete, konnte Marcelo bereits ein Bergzeitfahren bei der Polenrundfahrt im vergangenen Jahr für sich entscheiden. Bei der diesjährigen Italienrundfahrt sind beide sicherlich für die ein oder andere Überraschung gut – zu viel sollte man ihnen aber noch nicht zutrauen.
Joaquin und Ibon, beides baskische Bergflöhe verhalten sich ähnlich wie die beiden Italiener zueinander. Die einzigen Unterschiede zu den Italienern sind, dass sie im Zeitfahren zum Teil noch eklatante Schwächen aufweisen und Joaquin im Gegensatz zu Ibon bereits ein Jahr länger im Profigeschäft ist. Kaum verwunderlich, dass er auch der erfolgreichere der beiden ist. Immerhin stehen da unter anderem der vierte Platz und ein Etappensieg bei der Vuelta – Hut ab! An den beiden wird die Radsportwelt noch lange Freude haben.
Auch Gabriele und Franz-Josef kann man gut miteinander vergleichen. Ihr Spezialgebiet sind die Ardennenklassiker, hier schenken sie sich wirklich nichts. Doch Gabriele ist schon seit 2007 dabei und seit einigen Monaten ist keine wirkliche Entwicklung mehr erkennbar. Aber eine Saison ist lang, da hat jeder viele Chancen zu überzeugen.


Die Neoprofis:
Sebastian Besser, 20 Jahre, Deutschland, Sprinter
Eric Khvostunov, 22 Jahre, Kasachstan, Eintagesrennen
Chu Thien Khvostunov, 22 Jahre, Kasachstan, Etappenrennen
Paulo Roberto Knüppel, 20 Jahre, Deutschland, Sprinter
Yohann Le Tallec, 19 Jahre, Frankreich, Bergspezialist
Hilko Lünsmann, 21 Jahre, Deutschland, Sprinter
Dariusz Noack, 19 Jahre, Deutschland, Zeitfahrer
Arnaldo Sapochetti, 22 Jahre, Italien, Etappenrennen
Ernesto Pravatà, 22 Jahre, Italien, Klassiker
Gilles Toffolo, 18 Jahre, Frankreich, Zeitfahrer

Zu den neuen Gesichtern kann ich natürlich noch nicht viel sagen und genauso wenig kann ich von ihnen großes erwarten. Lediglich das höchstwahrscheinlich angestrebte Spezialgebiet hinter den Namen kann Aufschluss darüber geben, wo ich die Jungs einsetzen kann. Doch auch hier müssen wir mit ihnen noch experimentieren – vielleicht schlagen manche von ihnen ja noch eine ganz andere Richtung ein, als zunächst vermutet. Vor allem bei den Khvostunov Zwillingen sind sich alle Experten im Trainerstab noch ziemlich uneins, ob es bereits sinnvoll wäre die beiden in eine Richtung zu spezialisieren – denn sie haben in fast jeder Hinsicht so viel Talent wie die beiden Schleckbrüder bei CSC.


Nationen: 14 Deutsche, 8 Italiener, 4 Franzosen , 3 Spanier, 3 Kasachen, 2 Australier, 2 Schweizer, 1 Luxemburger

Altersdurchschnitt: 24,22 Jahre

Und noch eine Notiz zum Abschluss dieses Eintrags: Nach der Präsentation führte ich ein langes Gespräch mit Linus über seine Saisonziele. Unter anderem kamen wir auf das Thema Nationalmannschaft und Weltmeisterschaften zu sprechen. Mittlerweile bin ich ja auch für diese Auswahl verantwortlich. Doch bei der WM im letzten Jahr in Brügge schnitten wir so schlecht ab wie nie zu vor. Keiner hatte wirklich die Form, um vorne mitzuhalten, als Ballan auf dem flachen Kurs kurz vor dem Ziel davon zog und solo siegte. Deshalb hat Linus für diese Saison beschlossen, dass er sich neben der Tour de France auch auf die WM konzentrieren möchte – ich könne auf alle Fälle mit seiner Form im September rechnen. Der Kurs dürfte ihm auf alle Fälle liegen. Kein absolut topfebener wie in Brügge, sondern ein anspruchsvolles, bergiges Profil in Duitama, Kolumbien!
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Andy92
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Beitrag: # 6810342Beitrag Andy92
9.4.2010 - 21:19

31.1.2010

Zweifel?

Wohl kaum. Auch wenn der Januar sehr zäh und erfolgsarm war. Es wollte halt noch nicht so richtig laufen. Die Form fehlte noch bei jedem meiner Fahrer und bei vielen die Erfahrung. Doch mit solchen harten Tagen muss ich ab jetzt wohl öfter rechnen.
Dafür war das Rennen im Januar sehr, sehr sonnig und die Temperaturen absolut hochsommerlich, fast erdrückend. Wie geht das? Ganz einfach: Auf der Südhalbkugel ist Sommer, wenn bei uns in Europa Winter ist – ach ja, und die Sonne steht im Norden. Alles halt ein bisschen „Down Under“, doch für mich nichts neues mehr. Das sahen einige unserer jüngsten schon ein wenig anders. Doch dazu möchte ich erst später etwas schreiben.
Zunächst einmal eine kurze Abhandlung über die Australischen Meisterschaften: Trent sorgte für das beste Ergebnis des Teams bei diesem Wettkampf seit ich dessen Manager bin. Er erreichte den dritten Platz hinter Rory Sutherland (Liquigas) und dem neuen australischen Meister Matt Wilson (Unibet). Auch Michael war in der Spitzengruppe mit dabei, was mich doch relativ positiv stimmte. Doch an und für sich war dieses Rennen doch recht seltsam. Die Sprinter im Finale düpiert oder vorher schon längst abgehängt. Und das ein völlig enttäuschender Simon Gerrans (Hearth Net- Mixxas) in der darauffolgenden Woche die Tour Down Under scheinbar nach belieben dominieren sollte, war nach diesem Rennen auch nicht wirklich zu erwarten.
Und da wären wir ja auch schon beim eigentlichen Thema: Die kleine einwöchige Rundfahrt auf dem australischen Kontinent sollte unseren Saisonauftakt bilden. Das mutige Aufgebot (oder sollte ich besser „wahnwitzige“ sagen) kostete mich doch einige Nerven. Andreas Klier steckte in der Kapitänsrolle – um ihn herum 6 Neoprofis und zumindest ein erfahrenerer Fahrer mit Marten Benken. Dieser hatte zum Schluss der Rundfahrt wirklich ein wenig Pech. Zwölf Punkte hatte er bereits für das Bergtrikot gesammelt, doch ausgerechnet Simon Gerrans tat es ihm gleich – aufgrund der eindeutig besseren Platzierung im Gesamtklassement (Gerrans gewann die Rundfahrt mit genau zwei Minuten Vorsprung auf Torsten Hiekmann vom Navigators Insurance Team) holte der Australier somit auch diese Wertung.
Andreas erreichte stets einen gesicherten Platz im Mittelfeld, hielt aber auch bei einigen Endspurts gut vorne mit rein. Diese dominierte übrigens erneut der Vorjahressieger Jukka Vastaranta (Bouygues), der mit Rang 3 in der Endabrechnung belohnt wurde. Für Andreas reichte es immerhin zum 23. Gesamtrang als bestes Ergebnis unseres Teams.
Die Jungen lies ich Erfahrungen sammeln. Die Khvostunov Brüder, Hilko Lünsmann, Dariusz Noack, Yohann Le Tallec und Gilles Toffolo – also wirklich die Jüngsten der Jungen – kämpften entweder in Ausreißergruppen um ein wenig Aufmerksamkeit oder im Feld um den Anschluss. Nun ja, Gilles ist erst 18. Es ist wirklich keine Schande, dass er auf dem 89. und somit letzten Platz landete. Trotzdem zeigt das Mannschaftsergebnis, was mich in diesem Jahr erwarten wird...
Trotzdem – Zweifel? Ein bisschen vielleicht, aber hatte ich diese schweren Stunden nicht schon von Anfang an erwartet?
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Andy92
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Beitrag: # 6811223Beitrag Andy92
24.4.2010 - 12:43

10.2.2010

Harter Februar

Gleich sieben Rennen stehen im nur 28 Tage kurzen Februar für meine Jungs auf dem Programm. Doch die werden wir auch brauchen, wollen wir doch schon früh in der Saison die Grundsteine für ein erfolgreiches Jahr legen. Außerdem benötigen einige Fahrer die nötige Rennhärte, um schon im März bei Paris-Nizza und Tirreno-Adriatico, den ersten Pro Tour Rennen der Saison, sowie beim ersten Monument Mailand-San Remo zu glänzen. Zudem sollen unsere „Azubis“ weitere Erfahrungen im Profigeschäft sammeln. Und da kommen die folgenden Rennen gerade recht.
Unter den sieben Wettkämpfen befinden sich lediglich zwei Eintagesklassiker. Zum einen die Coppa costa degli Etruschi zu Beginn und Kuurne-Brussel-Kuurne am Ende des Monats. Die fünf übrigen Wettkämpfe sind allesamt Etappenrennen: Mallorca Challenge, Mittelmeerrundfahrt, Andalusienrundfahrt, Algarverundfahrt und Valenciatour. Wie für den Februar übrig beschränken wir uns (bis auf den belgischen Klassiker) auf Rennen, die in den bereits etwas wärmeren Gebieten rund um das Mittelmeer ausgetragen werden. Wir unternehmen sozusagen unsere eigene Mittelmeertour und nehmen an der gleichnamigen zusätzlich teil.
Da sich die Rennen überschneiden, werde ich nicht bei allen als Sportlicher Leiter dabei sein können. Deshalb beschränke ich mich auf die Mallorca Challenge, die Algarverundfahrt, die Tour um Valencia und Kuurne-Brussel-Kuurne.

Coppa costa degli Etruschi
Dieses italienische Eintagesrennen bietet perfektes Terrain für die Sprinter. Mit Enrico, der sogar als Titelverteidiger antrat, hatten wir auch einen Mann am Start, dem das Profil sehr gut liegen sollte. Die Teamtaktik war einzig und allein darauf ausgerichtet. So weit, so gut. Ich war zu diesem Zeitpunkt, wie gesagt, schon auf Mallorca unterwegs. Deshalb kann ich nicht genau sagen, woran es letztendlich gelegen hat, dass das Rennen komplett anders verlaufen ist, als von allen Experten vorhergesagt. Wie schon 2006, in meinem ersten Jahr als Teammanager, erreichte eine Ausreißergruppe überraschend das Ziel vor dem Hauptfeld mit allen Favoriten. Damals siegte Ralf Grabsch vom Team Milram.
Genauso sollte das Rennen auch in diesem Jahr enden. Ebenfalls für das Team Milram fahrend siegte der Pole Marcin Liwandowski. Unsere Equipe hatte ebenfalls einen Mann in diese Gruppe geschickt, um sich vor der Verantwortung der Tempoarbeit zu drücken. Doch der 22-jährige Ernesto Pravata konnte seinen Fluchtgefährten im Sprintfinale nicht Paroli bieten – absolut keine Schande, auch ein siebter Rang ist ein gutes Ergebnis. Bei Enrico war dann im Sprint der Verfolger (man war sich anscheinend so uneins, dass der Rückstand am Ende über drei Minuten betrug) wohl anscheinend die Luft raus. Er erreichte lediglich den 15. Platz.

Mallorca Challenge
Dagegen verlief die Mallorca Challenge sehr erfolgreich und fast nach Plan. Mit den Khvostunov Zwillingen, Yohann Le Tellec, André Greipel, Eric Baumann und Lorenzo Bernucci hatten wir ein richtiges starkes Team dabei. Beim Auftaktkriterium in Palma lief es noch nicht allzu gut. Unser Sprinterzug musste sich erst noch finden – Eric erreichte nur den achten Platz. Doch schon tags darauf das erste Ausrufezeichen – zweiter Platz für Eric im Massensprint! Auch Lorenzo präsentierte sich schon an diesem Tag mit Rang sieben äußerst stark. Die Krönung folgte auf der darauffolgenden Etappe – es sollte noch besser werden. Und was ist wohl besser als ein zweiter Platz? Natürlich, der Sieg! Lorenzo hängte im Schlussanstieg nach Pollenca alle Konkurrenten mit einem starken Antritt ab, siegte Solo und übernahm die Führung in der Gesamtwertung. Noch nie hatte er ein Etappenrennen gewinnen können – doch diesmal schien alles nach Plan zu laufen.
2007 hatte Patrik Sinkewitz dieses Rennen in unseren Farben gewonnen. 2008 musste sich Lorenzo trotz zwei Etappensiegen dem Spanier Alejandro Valverde geschlagen geben. Doch die großen Namen fehlten in diesem Jahr. Demnach sollte der Sieg nur noch reine Formsache sein, aber wahrscheinlich gerade aufgrund dieser Selbstsicherheit und der damit verbundenen Unterschätzung der Gegner, vor allem des Kaiku Teams, sollte alles ganz anders kommen.
Auf der vierten Etappe schickte ich Chu Thien in die Ausreißergruppe, um mein Team ein wenig zu schonen, was die Tempoarbeit anging. Keine schlechte Taktik, wenn die Gruppe nicht durchgekommen wäre. Lars Yitting Bak siegte Solo. Doch nicht er, sondern der Etappenzweite und erst 22-jährige Baske Iander Morant von eben diesem Kaiku Team übernahm die Gesamtwertung mit acht Sekunden Vorsprung knapp vor Lorenzo, der sich am letzten Anstieg vor dem Ziel noch aus dem Hauptfeld gelöst hatte, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Doch auch dieser Rückstand schien auf der letzten Etappe nach Palmanova gut aufholbar zu sein. Außerdem war die taktische Ausgangslage so etwas vorteilhafter.
Doch ich hatte nicht mit der Cleverness des Kaiku Teams gerechnet. Dioni Galparsoro mit gerade mal drei Minuten Rückstand im Gesamtklassement hatten sie in der Gruppe des Tages platziert und sich damit aller Verantwortung entledigt. Doch eigentlich ging von dem Basken keine Gefahr aus, wenn mein Team nicht, wie schon am Vortag, zu schwach für das wellige Profil gewesen wäre und wir darüber hinaus auch noch keine Unterstützung durch andere Mannschaften erhielten. Am letzten Anstieg war der Vorsprung der Gruppe also immer noch beträchtlich – Galparsoro hatte sich sogar aus der Spitzengruppe gelöst und raste einem Solosieg entgegen. Lorenzo war bereits isoliert, er musste also attackieren, es blieb gar keine andere Möglichkeit übrig. Mit fünf weiteren Fahrern, darunter auch Bak, aber ohne den Gesamtführenden, setzte er sich vom Feld ab. Der Führende der Etappe hatte bereits bei den Zwischensprints einige Sekunden gesammelt und darüber hinaus einen Denis Menchov abgehängt, der einige Tage zuvor zwar gestürzt war, was aber dennoch eine grandiose physische und taktische Leistung seitens des Spaniers darstellte. Zusammen mit den 20 Bonussekunden im Etappenziel und der Tatsache, dass Lorenzo nur den vierten Platz hinter Menchov belegte, übernahm Galparsoro die Führung von seinem Mannschaftskameraden mit gerade mal sechs Sekunden Vorsprung auf Lorenzo.
Im Endeffekt muss ich dem Kaiku Team gratulieren. Sie haben das echt klasse gemacht. Gleichzeitig muss ich mich auch bei ihnen bedanken, denn sie haben mir gezeigt, wo noch unsere Schwächen liegen. Im Hinblick auf einen richtungsweisenden Monat März müssen wir diese Defizite, wie eine gewisse Tempohärte, schnellstmöglich beheben.
Trotzdem eine äußerst erfolgreiche Rundfahrt. Eric mit einem zweiten Etappenplatz im Sprint, Lorenzo mit Etappensieg, Sieg in der Punktewertung und dem zweiten Platz in der Gesamtwertung – so kann es von mir aus ruhig weiter gehen.

Mittelmeerrundfahrt
Gut, jetzt sitze ich wieder zuhause in Deutschland und bereite mich auf die Algarverundfahrt vor. Heute steht die dritte Etappe der Mittelmeerrundfahrt auf dem Programm: Ein Mannschaftszeitfahren über 18 Kilometer. Mathieu ist bei dieser Rundfahrt unser Kapitän – konnte aber gestern bei der Bergankunft auf dem Mont Faron nicht wirklich überzeugen. Dafür konnte sich Enrico ein wenig im Massensprint auf der ersten Etappe beweisen. Dort erreichte er den dritten Platz. Auch wenn ich nicht vor Ort bin, so ist es dennoch meine Pflicht das Rennen heute Nachmittag zu verfolgen. Zumal wir mit Dariusz Noack einen Fahrer dabei haben, dessen ausgewiesene Stärke wohl solche Zeitfahren zu sein scheinen. Ich bin gespannt, wie er sich präsentieren und wie geschlossen das Team arbeiten wird.
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Andy92
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Beitrag: # 6824616Beitrag Andy92
22.7.2010 - 18:42

Tut mir Leid, dass es eine so lange Pause gab. Aber die letzten Monate waren echt stressig - ich hatte so wenig Zeit, dass ich glaube ich 3 Wochen lang nicht mal aufm Rad trainieren konnte. Tägliche Freizeit pro Woche belief sich auf ungefähr 30 Minuten, unter der Woche fast ausschließlich auf 0 Minuten. Na ja, jetzt sind zum Glück bald Sommerferien. Zurzeit ist echt gar nichts mehr los bei uns und deswegen gehts hier jetzt auch weiter, ich hoffe, ihr habt noch nicht alles vergessen. Erstmal gibts einen Post, den ich schon seit Monaten bunkere.

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21.02.2010

Mittelmeerrundfahrt Teil II
Obwohl unser Team nicht allzu stark aufgestellt war, so konnte sich Mathieu in der Gesamtwertung dennoch von einem elften auf den vierten Rang verbessern. Grundlage dafür war das Mannschaftszeitfahren, welches das Team auf dem zweiten Platz mit nur 8 Sekunden Rückstand auf Cofidis beendete – das Team des Gesamtführenden Samuel Sanchez. Obwohl wir im Juli bei der Frankreichrundfahrt in einer ganz anderen Zusammenstellung antreten werden und auch die Konkurrenz eine andere sein wird, so gibt dieses Ergebnis doch einen gewissen Mut zur Zuversicht. Denn auch bei der Tour wird es ein, wenn auch viel längeres, Mannschaftszeitfahren geben.
Auf der darauffolgenden bergigen Etappe konnte sich Mathieu noch weiter nach vorne schieben, sodass er die Rundfahrt am Ende auf dem vierten Rang mit einem Rückstand von zwei Minuten und zwei Sekunden auf den Sieger Samuel Sanchez sehr zufriedenstellend beendete. Enrico, der nur im Finale der ersten Etappe mit einem dritten Platz in den Massensprint mit reingehalten hatte, nutzte die Rundfahrt wohl eher zum Warmfahren für die kommenden größeren Aufgaben.

Andalusienrundfahrt
Auch hier war ich nicht vor Ort. Dennoch kann ich sagen, dass die Form bei vielen unserer Rennfahrer mittlerweile deutlich nach oben zeigt. So konnten sich Kim und Julien jeweils auf den sechsten und den zehnten Rang in der Endabrechnung platzieren. Dominiert hatten, ähnlich wie ein Fahrer der absoluten Weltspitze bei der Mittelmeerrundfahrt mit Samuel Sanchez, die beiden Superstars Philippe Gilbert (Quickstep) und Alessandro Ballan (Lampre). Am Ende fehlten dem Belgier nur vier Sekunden – dem „Rest der Welt“ zumeist über eine Minute, darunter auch einer ihrer Konkurrenten mit Fabian Cancellara (Lotto). Auch dieser präsentierte sich, laut meiner Kollegen, bereits in exzellenter Verfassung – das Ergebnis dieser Rundfahrt spiegelt das wohl nur unzureichend wieder. Wenn das alles tatsächlich stimmen sollte, dann darf sich der Anhang des Radsports in diesem Jahr wohl auf ganz interessante und spannende Frühjahrsklassiker freuen, bei denen wir mit dieser Art von Team wohl nicht allzu viel zu melden haben.

Algarverundfahrt
Diese Rundfahrt ist für Sprinter einfach wie gemacht. Dachte ich zumindest ganz am Anfang. Vier ruhige flache Etappen mit einigen kleinen Wellen und auf der fünften dann als großes Finale eine kurze steile Rampe in Malhao. Doch die gesamte Rundfahrt auf portugiesischem Boden gestaltete sich vor allem taktisch einmal mehr schwieriger als gedacht. Mit Sebastian Blazevic, Paulo Roberto Knüppel und Sebastian Besser hatten wir drei ganz junge deutsche Nachwuchshoffnungen in Sachen Endschnelligkeit mit dabei. Das Team wurde von André und Eric als Sprinterduo angeführt – Gabriele Zuffi ergänzte das Team um einen wichtigen Begleiter im bergigen Gelände.
Schon auf der ersten Etappe ging der gesamte Plan so richtig in die Hose. Fraglich nur, ob man das als Anlaufschwierigkeiten bezeichnen kann, denn eigentlich ist die Saison ja mittlerweile doch schon ein paar Wochen alt. Eine elfköpfige Spitzengruppe rettete vor dem gesamten Hauptfeld zwei Minuten und 16 Sekunden ins Ziel – der 22-jährige Erwan Santi (FdJeux) feierte seinen ersten Profisieg und übernahm zugleich zum ersten Mal in seiner Karriere ein Führungstrikot. Er sollte es zwei Tage lang tragen.
Auf der zweiten Etappe zeigte Eric zum ersten Mal in dieser Saison so richtig was in ihm steckt. Er schnappte sich im Sprintfinale das Hinterrad von Tom Boonen (Intel-Action) der mit einer ganz neuen ungeahnten Urgewalt die gesamte Konkurrenz deklassierte. Selbst Eric, der sich im Windschatten des Belgiers befand, hatte keine Chance auch nur annähernd dessen Hinterrad zu halten. Der amtierende belgische Meister scheint sich in seinem neuen aus der Continentalliga aufgestiegenem Team, das unter anderem Ivan Basso verpflichtet hat, bereits pudelwohl zu fühlen.
Besonders interessant war während dieser Rundfahrt zu sehen, wie selektiv die einzelnen Etappen waren. Schon auf diesem zweiten Abschnitt erreichten gerade mal 39 Fahrer mit der ersten Gruppe das Ziel in Lagos. Auch am dritten Tag, als Eric wiederum einen hervorragenden dritten Rang hinter Ventoso (FDJeux) und Steegmans (Lotto) erreichte, befanden sich nur noch 36 Fahrer an der Spitze des Rennens. An einem der zahlreichen kurzen und giftigen Anstiege hatte sich auch der bis dahin gesamtführende Santi die Zähne ausgebissen, verlor auf dem Weg nach Faro zuerst den Anschluss, dann viel Zeit und schließlich das Führungstrikot. In Portimao am vierten Tag der Rundfahrt triumphierte wiederum Tom Boonen vor Eric aus einem auf 53 Mann reduzierten Hauptfeld heraus.
Der Gesamtsieg befand sich für die Sprinter nach wie vor in weiter Ferne, doch für Eric wurde so langsam aber sicher das Punktetrikot interessant. Wenige Zähler trennten ihn noch vom führenden Belgier. Am Schlusstag mit dem finalen Anstieg in Malhao würden wohl beide keine Punkte mehr bekommen. Deshalb strebten wir von Beginn an eine offensive Fahrweise an und schickten Eric mit in eine erste Fluchtgruppe, die bis zur ersten Sprintwertung tatsächlich Bestand hatte. Dort sicherte er sich in souveräner Manier die volle Punktzahl und übernahm somit virtuell das Punktetrikot.
Doch wir hatten nicht mit einem Tom Boonen in glänzender Frühform gerechnet. Während sich im Schlussanstieg Alejandro Valverde (Chocolade Jaques) und Tour Down Under Sieger Simon Gerrans (Hearth Net) ein Kopf an Kopf Duell um Etappen- und Rundfahrtsieg lieferten, setzte der zweifache Etappensieger aus Belgien zu einem fulminanten Endspurt an und sicherte sich den zehnten Rang im Tagesklassement. Eric, den wir zu Beginn der Steigung weit vorne platziert hatten und bis dato noch vor Boonen lag, ging gegen Ende des 15 %-Hammers doch noch die Luft aus – er wurde schließlich einfach durchgereicht. Die ersten drei des Tages, also Valverde, Gerrans und Monfort stellten auch in dieser Reihenfolge das Podium des Endklassements der Rundfahrt. Auf Rang vier folgte dann tatsächlich schon Tom Boonen. Eric wurde durch die unzähligen Zeitbonifikationen doch leicht überraschend neunter – da kann man sich nicht beschweren.
Am Ende war jedoch etwas anderes ein wenig ärgerlich. Durch die sechs Pünktchen, die sich Boonen noch im Schlussanstieg gesichert hatte, übernahm er wieder die Führung im Punkteklassement mit vier Zählern Vorsprung – verdient hatte er diesen kleinen Triumph aber dennoch allemal!
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Andy92
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Beitrag: # 6824898Beitrag Andy92
23.7.2010 - 20:21

28.02.210

Rund um Valencia
Die Geschichte dieser Rundfahrt ist schnell erzählt. Gleich auf der ersten Etappe wurde das Rennen entschieden. Eine Gruppe um den Tagessieger Martin Mires (Milram) konnte einen großen Rückstand gegenüber dem Feld ins Ziel retten. Mathieu Perget konnte auf den schweren nachfolgenden Etappen leider kaum etwas vom Zeitrückstand aufholen – am Ende stand für ihn als bester des Teams ein 17. Platz. Erfreulicher war da schon die Leistung von Enrico Gasparotto, der zwar ohne erhofften Etappensieg wieder abreiste, sich dafür aber in überlegener Manier die Punktewertung sicherte. Konstanz ist mittlerweile zu seiner größten Stärke geworden – inwiefern er das bei Giro und Tour in Hinblick auf das Maglia ciclamino und das Grüne Trikot nutzen kann?

Kuurne-Brussel-Kuurne
Bei zwei Grad Celsius, Dauerregen/Schneefall und extremen Windbedingungen setzte Fabian Cancellara hier ein erstes Ausrufezeichen. Begünstigt durch eine Windkante fuhr er fast das ganze Rennen zusammen mit seinem Team in einer Ausreißergruppe von vorne und siegte in beeindruckender Manier zum dritten Mal in Serie bei diesem Eintagesklassiker. Andreas Klier wurde durch die Windkante leider zurückgeworfen, beendete das Rennen dennoch auf einem respektablen 20. Rang – angesichts der starken Konkurrenz absolut in Ordnung.

Mein Fazit dieses Monats: Ganz ehrlich, wir sind etwas unter meinen eigenen und wohl auch unter den Erwartungen vieler Experten und der Presse zurückgeblieben. Doch ich sehe einen ganz deutlichen Aufwärtstrend in der Formkurve aller. Einige junge Fahrer tun sich noch etwas schwer mit dem Tempo zurechtzukommen. Das hat man vor allem bei Hetzjagden des Hauptfeldes gesehen, wo wir doch ernsthafte Probleme hatten einige Ausreißergruppen zu stellen. Doch das lag wohl tatsächlich an der oft unkonventionellen Aufstellung: Zumeist ein Kapitän scharte mehrere Neoprofis um sich, die generell dann schon zufrieden waren, wenn sie mit dem Hauptfeld das Ziel erreichen konnten. Doch auch bei den ganz jungen bin ich mir sicher, dass sie in dieser Saison noch große Fortschritte machen werden – für sie ist es schon jetzt eine ganz große Erfahrung.
Was ich auf alle Fälle vermeiden möchte, ist, diese Fahrer zu verheizen. Deshalb wird es im März zum vermehrten Einsatz unserer „heißen Eisen“ kommen. Das erfordert schon allein unsere Zielsetzung für die Fernfahrten Paris-Nizza und Tirreno-Adriatico. Nachdem wir bei diesen beiden Rennen in den letzten zwei Jahren insgesamt dreimal auf das Podium des Endklassements gefahren sind, möchten wir diese erfolgreiche Ausbeute auch dieses Jahr fortsetzen. Gute Ergebnisse nehmen der Mannschaft für das Frühjahr schon einmal den Druck, der in diesem Jahr natürlich zweifellos größer ist als die Jahre zuvor: Eine neue Marschroute, die bislang noch nicht wirklich zum Erfolg geführt hat...ich freue mich auf die neuen Herausforderungen!
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Andy92
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Beitrag: # 6825134Beitrag Andy92
24.7.2010 - 18:46

05.03.2010

Aufschwung?

„Es läuft ja richtig gut bei euch.“
Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Zuerst zweifelte ich, ob Jan das wirklich ernst meinen konnte – ich glaubte Schadenfreude aus seinen Worten herauszuhören. Doch dann begriff ich, dass er es wirklich so meinte: Pierino Mollo führte etwas überraschend das Gesamtklassement bei der Murcia Rundfahrt an – auch nach der anspruchsvollen Bergankunft am Vortag. Mathieu, der auch hier in Paris als Kapitän am Start stand, hatte gestern bei Mailand-Turin einen hervorragenden zweiten Platz erreicht. Nur Johann Vansummeren (AG2R) hatte sich noch weiter vom Feld absetzen können als der französische Meister und sein Gefährte Hugo Sabido (Barloworld). Der März hatte für uns bislang wirklich stark begonnen. Auch der Rest des Jahres war bislang nicht wirklich enttäuschend gewesen.
In diesem Augenblick begriff ich, dass Jan noch weniger von meinem jungen Team erwartet hatte als ich selbst. Und das erfüllte mich mit Stolz, ich musste lächeln. Es folgte der übliche Handschlag zwischen uns beiden.
„Vermisst nicht das T-Mobile Team?“, entgegnete ich.
Jetzt musste auch Jan lachen. „Nein, ich fühl mich bei Lotto wirklich wohl. Außerdem sind wir hier ein wenig stärker aufgestellt als ihr...du wirst dich noch wundern, wie schnell wir deine Kanarienvögel abhängen werden“, rief er und zwinkerte mir zu.

So sah man sich also wieder. Bei Paris-Nizza startete Jan Ullrich, die Ikone des deutschen Radsports, also eine seiner letzten (vielleicht DAS letzte?!) Jahre als Profi. Es war ein entspanntes fröhliches Wiedersehen. Schon allein diese Tatsache nahm mir für den Prolog jeglichen Druck.
Wir hatten keinen Zeitfahrspezialisten dabei. Mathieu war unser Kapitän, er war in Form, das stimmte mich auch für den Rest der Fernfahrt zuversichtlich. Doch ein leichtes flaues Gefühl hatte ich schon verspürt, als ich vor rund zwei Wochen begonnen hatte, das Profil der Rundfahrt genauer zu studieren. Prolog, Flachetappe, dann ging es auch schon in das Zentralmassiv: 212 Kilometer nur bergauf und bergab, dazu zwei Berge der höchsten Kategorie! Spätestens hier würde sich die Spreu vom Weizen trennen und das Gesamtklassement des Etappenrennens erste Konturen annehmen. Auf dem Weg nach Privas wurde es nicht viel einfacher, vielleicht bot sich hier sogar noch eher die Möglichkeit Attacken zu setzen – ob diese von uns initiiert werden würden, mochte ich mir im Moment lieber noch nicht fragen. Unsere Taktik sollte bis zu den letzten beiden Etappen lediglich darauf beschränkt sein, Mathieu mit den anderen Favoriten – und davon hatte es hier einige, die Rundfahrt war äußerst gut besetzt – über die Berge zu bringen. Und ein gewaltiger Koloss würde sich den Fahrern dann auf der vierten Etappe in den Weg stellen: Der Mont Ventoux, den wir alle werden überqueren müssen (zum Glück schon schneefrei, sonst hätte auch die Organisation nicht mitgespielt). Mehr möchte ich aktuell zu dieser Etappe nicht sagen, zuversichtlich bin ich in dieser Hinsicht nicht wirklich. Mathieu ist stark in Anstiegen – klar, aber an solchen?!
Da wird der nachfolgende Abschnitt nach Sisteron direkt angenehm. Am vorletzten Tag sollte es noch eine Bergankunft in Mandelieu geben, bevor ein Zeitfahren auf den Col d’Eze am letzten Tag die Fernfahrt entscheiden würde. Meiner Meinung nach die schwerste Fernfahrt Paris-Nizza seit Jahren und mit diesem stark besetzten Starterfeld würde sie noch einmal um einiges schwerer werden.

Meine Schützlinge landeten beim Prolog in Evry lediglich nur unter „Ferner-Liefen“. Mathieu war noch der beste auf Rang 28 mit 24 Sekunden Rückstand – und das übertraf meine Erwartungen dann schon fast wieder. Starker Auftritt des französischen Meisters, der ihn aufgrund seiner sonst so sträflich unterentwickelten Zeitfahrqualitäten schon fast in den Favoritenstand auf den Fernfahrtsieg erhob. Und tatsächlich sicherte sich ein Lotto Fahrer den Tagessieg – aber es war nicht Jan, sondern José Ivan Gutierrez.

Am Abend erhielt ich von meinem Kollegen in Spanien eine regelrechte Hiobsbotschaft: Pierino hatte den so sicher geglaubten Sieg bei der Murcia-Rundfahrt verspielt. Auf welligem Kurs rund um Murcia führte eine Windkante wohl zur Entscheidung – über fünf Minuten hatte Pierino verloren – am Ende dennoch Platz 12 in der Gesamtwertung, denn das Feld hatte es so weit zerrissen, dass lediglich 22 Fahrer das Ziel mit der ersten Gruppe erreichten – ausgerechnet José Rujano, das kolumbianische Leichtgewicht, wurde dadurch am Ende zum Sieger dieser Rundfahrt. Trotzdem, auch wenn Pierino erst mal untröstlich war, seinen ersten Profisieg so verloren zu haben, war es dennoch ein Schritt nach vorne für ihn und auch für die Mannschaft. Vor allem aus Niederlagen kann man positive Rückschlüsse für spätere Siege ziehen – eine Devise, die mir in diesem Jahr noch öfter begegnen sollte?
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Andy92
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Beitrag: # 6825153Beitrag Andy92
24.7.2010 - 20:03

07.03.2010

Am Tag vor dem Ventoux
Alles für Perget! Alles für Mathieu!
Die Flachetappe war enttäuschend und gestern hatte es tatsächlich kein anderer geschafft außer Mathieu mit den Favoriten mitzuhalten – aber: Wie er mitgehalten hatte! Trotz des französischen Etappensieges durch Pineau, war der mittlerweile auf Rang 11 vorgerückte Perget der Favorit der Franzosen auf den Gesamtsieg. Seit diesem Tag hatten gerade mal 26 Fahrer noch Chancen auf den Gesamtsieg, der Rest hatte gestern über 6 Minuten kassiert, so selektiv war das Rennen von Lotto und Co gestaltet worden. Mathieu war zwar großartig unterstützt worden, doch weder Julien, noch Joaquin (Moratón), Franz-Josef (Rodhorst), Marcelo (Zampieri) noch Ibon (Riesco), der sich aber immerhin in Sachen Bergwertung in Szene gesetzt hatte, konnten Mathieu im Finale unterstützen – ganz zu Schweigen von unseren Sprintern Sebastian (Blazevic) und David (Kopp).
Und dann kam heute die Etappe nach Privas: Vielleicht die 150 intensivsten Kilometer meiner Karriere. Ibon, dann Joaquin in den stetig versprengten Ausreißergruppen und schließlich Julien. Endlich, zur Hälfte des Rennens löste sich die Gruppe, aber auch mit Samuel Sanchez (Cofidis), der zu den besten 26 Fahrern der Gesamtwertung zählte. Dennoch lies das Feld die Gruppe ziehen – meinem Team konnte ich die Verfolgung nicht mehr zumuten, deshalb konzentrierten wir uns auf den letzten zu überquerenden Pass vor dem Ziel und rollten einfach mit. Dass „Sami“ Sanchez zu diesem Zeitpunkt der Etappensieg und wohl auch der Gesamtsieg der Rundfahrt nicht mehr zu nehmen war, lies ich zunächst außer Acht. Denn auch auf den nachfolgenden Etappen konnte sich noch einiges im Gesamtklassement bewegen.
Während der Baske vorne einsam seine Kreise zog und ein bestechendes Solo auf die Straße zauberte, schien Mathieu einmal mehr das richtige Hinterrad gewählt zu haben. Alejandro Valverde (Chocolade Jaques), der nach unsrer Meinung größte Favorit auf den Gesamtsieg, hatte in beeindruckender Manier attackiert – keiner außer Mathieu hatte ihm folgen können.
„Wenn du dich gut fühlst, dann greif an! Wir müssen den Abstand auf Sanchez minimieren!“, rief ich mit, zu meiner eigenen Überraschung, äußerst ruhiger Stimme ins Mikrofon des Teamfunks.
Was folgte war eine Demonstration! Mathieu lies den Spanier einfach stehen, hatte noch genug Reserven, um noch im Anstieg zum Ausreißerduo Martinez (Discovery)/Klinger (Inlet) aufzuschließen. Davor lagen nur noch Voeckler und Kern, sowie der einsame Sanchez, der sich wie erwartet mit rund drei Minuten Vorsprung den Sieg sicherte. Leider funktionierte die Gruppe um Mathieu nicht so gut, wie die um Valverde. Zum Spanier hatten mittlerweile Gilbert (Quickstep) und Kashechkin (AG2R) aufgeschlossen. Deren gemeinsames Interesse führte dazu, dass sie kurz vor dem Ziel die halbe Minute auf Mathieu wieder wett gemacht hatten und aufschließen konnten.
Trotzdem: Der zweite vierte Platz in Folge, jetzt zweiter in der Punktewertung, vierter im Gesamtklassement, die eigenen Stärken und die Schwächen der Konkurrenz aufgezeigt, Führender in der Nachwuchswertung – Mathieus Saisonauftakt lief jetzt mehr als nach Maß! Ein Lächeln konnte er sich nach der Zieldurchfahrt kaum verkneifen und bei der Siegerehrung strahlte er fast genauso sehr wie der Mann des Tages: Samuel Sanchez!
Jetzt hatte ich keine Angst mehr vorm Ventoux! Vielleicht könnten wir dort sogar etwas probieren? Wer weiß, vielleicht unterschätzen wir diesen mythischen Berg, den es auf dem Weg nach Carpentras zu bezwingen gilt?

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Mathieu attackiert Valverde - der Spanier ist nicht mehr in der Lage zu folgen!
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Beitrag: # 6825279Beitrag Alejandro V.
25.7.2010 - 15:09

Nur damit mal Feedback kommt: Wirklich schön zu lesen und ich freue mich hier über jeden neuen Post. Das einzige, was ich mir vielleicht wünschen würde: Auch wenn die schriftliche Vorstellung von Paris-Nizza einen durchaus gelungen Überblick über die Etappen gab, würde ich mich zumindest über Profile der wichtigsten Etappen freuen.
Bill Simmons über den WAS-ATL-Trade: "There's only one silver lining: the chance that Bibby and Rashard Lewis will run their high screen in Washington and immediately get attacked by cadaver-sniffing dogs."

Andy92
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Beitrag: # 6825900Beitrag Andy92
28.7.2010 - 16:41

Danke für das Feedback. Ab jetzt also Profile bei den wichtigsten Etappen.

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08.03.2010

Mathieus Rückstand in der Gesamtwertung betrug vor dem Ventoux rund drei Minuten auf den Basken Samuel Sanchez. Mit einem Platz auf dem Podium in Nizza rechnete ich mittlerweile schon mit ziemlicher Sicherheit. Mathieu schien in bestechender Form zu sein – seitdem der 25-jährige im Juni vergangenen Jahres die französische Meisterschaft gewonnen hatte, war er zu einem echten Siegfahrer geworden! War der Etappensieg 2008 bei der Tour noch ein wunderbares Zufallsprodukt gewesen, schienen die beiden Etappensiege 2009 die Erfolge eines wahren Champions zu sein. Seither präsentierte er sich in beinahe jedem Rennen, das er bestritt als Sieganwärter – in Frankreich war er spätestens jetzt ein Star, da er die grandiosen Ergebnisse der letzten Saison in diesem Frühjahr fortsetzte.
Mittlerweile wurde ihm wohl bewusst, welche Auswirkungen seine Leistungen bei Paris-Nizza haben könnten. Zweifellos zählte er im Team zu den herausragenden Fahrern, denen immer wieder Führungsrollen übertragen wurden. Aber mit diesem Frühjahr könnte er zu einem der Kapitäne im Team aufsteigen – auf einem Niveau mit Lorenzo Bernucci
Vieles hing dabei natürlich vom heutigen Tag ab. Es war die Etappe, auf der jeder Favorit die Fernfahrt verlieren konnte und, wenn ich ehrlich bin, keiner gewinnen würde. Es ging nur darum, so früh in der Saison über diesen Mörderberg zu kommen – am besten mit einer der ersten Gruppen. Doch es sollte ein wenig anders kommen.
Vorweg, ein Favorit und alter Freund hatte die Fernfahrt bereits verloren: Man merkte Jan doch ein wenig an, dass es nicht mehr so lief wie früher. Einer starken Leistung im Prolog, folgte auf der ersten schweren Etappe durch das Zentralmassiv eine große Schwächeperiode, die ihn mit sechs Minuten Rückstand bestrafte. Auf der gestrigen Etappe war er mit der ersten großen Gruppe ins Ziel gerollt, und auch heute sollte er vorne mithalten können.

Doch bevor ich über die heutigen Ereignisse in Frankreich berichten werde, noch ein kurzer Rückblick über die ersten Etappen bei der parallel beginnenden Fernfahrt Tirreno-Ariatico: Mailand-Turin hatte er vor wenigen Tagen erst vor Mathieu gewonnen und jetzt auch noch die ersten beiden Etappen von Tirreno-Adriatico – Johan Vansummeren erlebte das Frühjahr seines Lebens. Aber auch unsre Jungs scheinen in Italien gut aufgelegt zu sein. Vincenzo (Nibali), zurzeit auf dem fünften Gesamtrang, Lorenzo, Eric (Baumann), Enrico (Gasparotto), André (Greipel), Kim (Kirchen), Andreas (Klier) und der zuletzt etwas gebeutelte Pierino sorgten bislang für herausragende Ergebnisse und eine schon jetzt deutliche Führung in der Mannschaftswertung – ein deutlicher Erfolgskurs in Richtung Mailand-San Remo und Giro d’Italia.

Genug davon, her mit dem Mont Ventoux! Schon allein das Profil lässt einen regelrecht erzittern – ein gewaltiger Riese stellte sich dem Peleton vor dem Ziel in den Weg.

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Auch heute war es uns wieder möglich mit Joaquin einen Fahrer in der Ausreißergruppe zu platzieren. Um ehrlich zu sein, bis zum Anstieg des Tages war es vor allem für mich hinter dem Feld eine richtig langweilige Etappe. Dann begann das gnadenlose Ausscheidungsverfahren, sowohl in der Spitzengruppe, als auch im Hauptfeld. Das gemeine an dieser Seite des Ventoux: Seine steilen Rampen und die ständigen Unterbrechungen in sehr flachen Abschnitten. Die Aufnahme eines gleichmäßigen Rhythmus war hier kaum möglich. Trotzdem konnte sich Joaquin zusammen mit Pérez Moreno (Liquigas) von seinen übrigen vier Fluchtgefährten lösen. Gemeinsam meisterten sie den Anstieg, während sich das Tempo hinten im Feld in Grenzen hielt. Ich war zwar mittlerweile aufmerksamer geworden, aber als ich registrierte, dass die Favoriten wohl heute gemeinsam über den Berg der Berge „rollen“ wollten, gab ich mich absolut damit zufrieden. Für Mathieu gab es noch andere Tage, an denen er einen ausreichenden Vorsprung herausholen konnte.

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Ungefähr drei Kilometer vor dem Gipfel wurde ich unsanft aus meinen Tagträumen gerissen – das Feld wurde gesprengt, Mathieu hatte angegriffen, als erster, einfach so, aus dem Nichts und sofort war das gelbe Trikot in Schwierigkeiten! Zuerst erwartete ich ein Himmelfahrtskommando unseres Teamkapitäns, doch spätestens als Samuel Sanchez dem Tempo tatsächlich nicht im Geringsten folgen konnte, realisierte ich diese einmalige Chance, schon hier vieles klar zu machen.

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Doch mit einem Gegner hatte ich hier an diesem Berg überhaupt nicht gerechnet. Während ich Mathieu, nach einer kleinen beleidigten Trotzreaktion des Schweigens über seinen nicht mit mir abgesprochenen Angriff, doch lautstark über Funk anfeuerte, startete Remy Di Gregorio (FdJ) einen unwiderstehlichen Gegenangriff – schon auf dem Gipfel des Ventoux war er bereits als Solist nur noch knapp zwei Minuten hinter dem Spitzenduo unterwegs. Währenddessen musste Mathieu tatsächlich ein wenig dafür büßen, den Angriffsreigen eröffnet zu haben. Er kämpfte am Hinterrad von Alberto Contador (Caisse) um den Anschluss an die Verfolgergruppe von Di Gregorio um Valverde (Chocolade Jaques) und Sinkewitz (CSC).
In der Abfahrt entwickelte sich ein richtiger Kampf zwischen den Favoriten. Lange war ich mir nicht sicher, ob die Gruppe mit Mathieu den Anschluss zum wichtigsten Gegner, nämlich Alejandro Valverde schaffen würde. Mit Philippe Gilbert (Quickstep) fehlte bereits ein wichtiger Siegkandidat in den vorderen Gefilden des Rennens. Schließlich, zwanzig Kilometer vor dem Ziel verschmolz Mathieus Gruppe (Chavanel (Rabobank), Contador und Martinez (Discovery)) mit der um Valverde, zu der auch Olmo Menacho (Valenciana), ein ehemaliger Ausreißer, und mittlerweile auch Roman Kreuziger (Liquigas) gehörte, der von vorne zurückgefallen war.
Dort verlief alles wie erwartet: Die beiden Ausreißer hatten an diesem Tag schon zu viele Kräfte im Wind gelassen und mussten Di Gregorio schließlich ziehen lassen – ein überragender Solosieg! Joaquin fiel übrigens noch ins Hauptfeld zurück, zu dem heute auch einmal Julien (Loubet) und Ibon (Riesco) gehörten – in jeglicher Hinsicht eine grandiose Leistung des Teams.
Di Gregorio übernahm damit auch die Gesamtführung, 14 Sekunden vor Sanchez und zwei Minuten vor Mathieu. Nach dem morgigen etwas ruhigeren Abschnitt nach Sisteron, dürfte das noch zwei interessante Tage im Kampf um Gelb geben...
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Andy92
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Beitrag: # 6826163Beitrag Andy92
29.7.2010 - 18:17

10.03.2010

Tatsächlich sollte die Etappe nach Sisteron in Sachen Gesamtwertung nicht ganz so ruhig verlaufen, wie ich erwartet hatte. Im letzten Anstieg vor der langen Abfahrt – rund 40 Kilometer vor dem Ziel – hatten sich Mathieu, Prologsieger Gutierrez und Valverde vom Feld lösen und zum Solisten Gilbert aufschließen können. Das Unterfangen schien jedoch aussichtslos. Im Feld machte FDJ mächtig Druck und der Vorsprung der Gruppe schwankte ständig zwischen 40 und 50 Sekunden. Außerdem lief das Zusammenspiel unter den Flüchtlingen nicht optimal. Leider versäumten die vier so die Chance Zeit auf die Konkurrenz gut zu machen und wurden schließlich wieder vom Feld gestellt. Im Massensprint siegte dann letztendlich Sandy Casar (FDJ), womit sich die Tempoarbeit für sein Team gleich doppelt gelohnt hatte.
Sehr erfreulich war jedoch, dass sich Ibon (Riesco) durch einen beherzten Fluchtversuch in der Ausreißergruppe über den Tag das Bergtrikot sicherte und somit dem Milramfahrer Flecha abnahm.

Aus Italien gab es in den letzten zwei Tagen nichts Außergewöhnliches in Erfahrung zu bringen. Vincenzo sicherte seine Platzierung in der Gesamtwertung und Enrico hielt in den Massensprints gegen Tom Boonen und Co gut mit. Unfassbar jedoch nach wie vor die Ausbeute von Johan Vansummeren: 1. und 2.Etappe der erste Platz, auf der dritten „nur“ noch der zweite! „Alles andere als der Gesamtsieg wäre eine Enttäuschung“, betonte der Belgier unlängst.

Doch zurück nach Frankreich, wo hier am zweiten Wochenende der Fernfahrt Paris-Nizza auf den letzten beiden Abschnitten die Entscheidung ansteht. So gut wie jede Wertung war noch offen – mit ein wenig Glück könnte Mathieu sogar gleich drei Preise absahnen: Gesamtsieg, Punktewertung und Nachwuchswertung! Doch wie gesagt, der Podiumsplatz bleibt unser Minimalziel.

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Heute wollten wir auf der langen und erneut schweren Etappe auf den Grand Duc bei Mandelieu einen Angriff setzen. Der 5,6 Kilometer lange und im Schnitt 8 % steile Schlussanstieg war zwar nicht ganz so das Ding von Mathieu, der in der Regel etwas flachere Anstiege bevorzugt, doch ich rechnete ihm gegenüber Remy Di Gregorio auf diesem Terrain klare Vorteile zu. Dazu kannte ich den zweifellos jungen und somit auch ein wenig unberechenbaren Franzosen schon zu lange, als dass ich seine bisherigen Stärken und „Schwächen“ nicht kennen würde. Im Hochgebirge war er bislang stets phänomenal gefahren, aber mit kurzen knackigen Anstiegen hatte er schon immer ein wenig Probleme gehabt.
Deshalb war heute alles auf Mathieu ausgerichtet. Wir entsandten keinen Fahrer in eine Ausreißergruppe und erhöhten ungefähr ab der Hälfte des Rennens das Tempo im Feld, da sich viele versprengte Ausreißergruppen mit zum Teil über neun Minuten Vorsprung vor dem Peleton befanden. Das Bergtrikot von Ibon war heute trotz der vielen Bergwertungen nicht in Gefahr – dazu hätte heute ein Fahrer alle Punkte abräumen müssen, und das hatte bislang keiner geschafft.
Unsre Jungs rieben sich wirklich hervorragend auf, jeder arbeitete bis an seine Grenzen im Wind und so wurde der Vorsprung soweit reduziert, dass das Feld mit einem unbedeutend kleinem Rückstand auf die letzten verbliebenen Flüchtlinge in den Schlussanstieg raste. Leider hatten die Kräfte nicht ganz gereicht, um Mathieu auch im Finale dieser wichtigen Etappe zur Seite zu stehen. Schon vor dem vorletzten Anstieg des Tages war unser Kapitän in der Favoritengruppe isoliert.
Der Grand Duc sollte heute tatsächlich schnelle Entscheidungen herbei führen. Ich hätte im Vorhinein nicht erwartet, dass er so selektiv sein sollte. Den Federhandschuh warf sofort am Fuße des Berges Ex-Weltmeister Patrik Sinkewitz (CSC). Unwiderstehlich überholte er die restlichen Ausreißer. Und einer versuchte zu folgen...

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Remy Di Gregorio eröffnete jetzt endgültig den Kampf der Favoriten. Wir hatten uns bei der Besprechung darauf geeinigt, dass sich Mathieu ausschließlich auf den Mann in Gelb und auf Alejandro Valverde konzentrieren sollte. Und das tat er jetzt auch. Als der Gesamtführende antrat, war Mathieu sofort zur Stelle. Zusammen mit Sanchez (Cofidis) und Gilbert heftete er sich ans Hinterrad seines Landsmannes.
Doch Di Gregorio hatte sich übernommen! Plötzlich verließen ihn seine Kräfte und er fiel zurück. Auch Mathieu verschwand auf einmal von der Spitze des Rennens. Während sich Sinkewitz bereits ein ganzes Stück abgesetzt hatte, befanden sich jetzt lediglich Sanchez, den ich nach der Etappe über den Mont Ventoux total unterschätzt hatte, und Gilbert. Von hinten schossen jetzt auch Pineau und Valverde heran – und da war auch Mathieu. Spätestens jetzt realisierte ich, dass wir offenbar auf das falsche Pferd gesetzt hatten. Denn hier in diesem Finale mussten die Favoriten nun tatsächlich zum ersten Mal bei dieser Fernfahrt so richtig Farbe bekennen. Es entwickelte sich ein Kampf zwischen den Protagonisten – Mann gegen Mann!
Von hinten stießen jetzt auch Kashechkin (AG2R) und Chavanel (Rabobank) hinzu. Ab diesem Augenblick hatte Mathieu einen großen Nachteil – er befand sich am Ende der Favoritengruppe, die jedoch nach wie vor stark aufgefächert war. Ganz vorne Sinkewitz, dann Valverde, der anscheinend nochmals angetreten war, dann Sanchez, Gilbert, Pineau, Kashechkin, Mathieu und schließlich Chavanel. Zwischen jedem Fahrer lagen an die zehn bis zwanzig Meter – und es konnte keiner mehr zusetzen! Alle quälten sich nacheinander diese steile Rampe hinauf und sosehr jeder noch in die Pedale trat, die Abstände veränderten sich keineswegs.
So war es fast selbstverständlich, dass Sinkewitz das Rennen von vorne gewann. Nur Valverde war ihm am Ende noch gefährlich nahe gekommen. Es folgten Sanchez und Gilbert, dann die Gruppe um Mathieu, zu der am Ende auch noch Maxim Iglinskiy (Discovery) gezählt hatte. Nur einer fehlte ganz vorne: Remy Di Gregorio – er musste sein gelbes Trikot wieder an den Mann abgegeben, von dem er es bekommen hatte: Samuel Sanchez. Doch noch ist keiner aus dem Rennen: Der Col d’Eze morgen wird über den Sieg entscheiden!

Letztendlich muss ich doch zugeben, dass ich mir von der heutigen Etappe mehr erhofft hatte. Eigentlich war mein Wunsch gewesen, dass Mathieu heute etwas Zeit gut machen würde, doch es ist eher das Gegenteil eingetreten – den Podiumsplatz im Gesamtklassement hatte er so auch wieder verloren. Unsre letzte Chance stellte jetzt das abschließende Bergzeitfahren auf den Col d’Eze dar.

Gesamtwertung (Top 5):
1.Samuel Sanchez (Cofidis)
2.Alejandro Valverde (Chocolade Jaques) +1’29”
3.Remy Di Gregorio (FDJ) +1’40”
4.Mathieu Perget (TMO) +2’01“
5.Patrik Sinkewitz (CSC) +2’04“
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