Ein Fall für zwei

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Moderator: Grabba

Valverde3007
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Beitrag: # 6785725Beitrag Valverde3007
11.8.2009 - 19:04

Dauphine Libere - 1.Etappe

Auger holt sich den Tagessieg - Velo in Gelb

Bild

Nach dem Auftaktsieg des Italieners Marco Velo (Brescialat) im Prolog am Samstag hat Ludovic Auger (Big Mat) die erste Etappe des traditionellen Vorbereitungsrennens auf die Tour de France, der Dauphine Libere, von Grenoble nach Villeurbanne gewonnen. Nach 169 überwiegend flachen Kilometern setzte er sich im Spurt einer Ausreißergruppe vor Jose Angel Vidal (Kelme) und David Plaza (Cofidis) durch. In der Gesamtwertung machte er damit einen Sprung auf Platz drei, außerdem übernahm er das Sprinttrikot.
Gleich zu Beginn der Etappe hatten sich an der ersten Bergwertung acht Fahrer vom großen Feld gelöst und auf die Flucht gemacht. Die Gruppe arbeitete allerdings nicht gut zusammen, sogar bei den Bonussprints, die Auger und der kleine Bruder des fünfmaligen Toursiegers Prudencio Indurain (Banesto) gewannen, gab es einen erbitterten Kampf um die Bonuspunkte und Preisgelder. Erst als 55 Kilometer vor dem Ziel der Abstand zum Feld, der maximal acht Minuten betragen hatte, unter dem Tempodiktat von Brescialat unter drei Minuten sank, einigten sich die Fahrer auf eine Zusammenarbeit, um die kleine Chance, die sie noch hatten, zu nutzen.
So gelang es bis dreißig Kilometer vor dem Ziel, den Vorsprung konstant zu halten, an der Zwanzigkilometermarke waren es noch 2:15, zehn Kilometer vor dem Ziel 1:20. Bis auf die Zielgerade hielten die nach einem Defekt von Enrico Cassani (Polti) verbliebenen sieben Spitzenreiter fünfzehn Sekunden, so dass sie den Sieg unter sich ausmachen konnten. Indurain zog den Sprint von vorne an, dann ging Auger aus seinem Windschatten und zog souverän an die Spitze. Hinter ihm kamen Vidal und Plaza ins Ziel, Stuart O’Grady (GAN) führte das Hauptfeld mit Velo und allen Favoriten sieben Sekunden später ins Ziel. Morgen geht es über 217 Kilometer und drei schwere Bergwertungen kurz vor Schluss weiter nach Le-Puy-en-Valey. Dort könnte bereits eine Vorentscheidung für den Gesamtsieg stattfinden.

Ergebnisse:

Prolog:
1. Marco Velo Brescialat 5:33
2. Bruno Boscardin Festina 0:03
3. Stuart O’Grady GAN 0:04
4. George Hincapie US Postal 0:06
5. Tony Rominger Cofidis 0:07
6. Armand de las Cuevas Banesto 0:09
7. Angel Edo Kelme 0:10
8. Santiago Botero Kelme 0:12
9. Laurent Brochard Festina 0:17
10. Andrea Peron Fdjeux 0 :17

1.Etappe:
1. Ludovic Auger Big Mat 3h36:19
2. Jose Angel Vidal Kelme s.t.
3. David Plaza Cofidis s.t.
4. Patrick Jonker Rabobank s.t.
5. Flavio Vanzella FdJeux s.t.
6. Prudencio Indurain Banesto s.t.
7. Christophe Oriol Casino s.t.
8. Stuart O’Grady GAN 0:07
9. Miguel Martin Perdiguero Kelme s.t.
10. Frank Corvers Telekom s.t.

Gesamtwertung:
1. Marco Velo Brescialat 5:33
2. Bruno Boscardin Festina 0:03
3. Ludovic Auger Big Mat 0:03
4. Stuart O’Grady GAN 0:04
5. George Hincapie US Postal 0:06
6. Tony Rominger Cofidis 0:07
7.Patrick Jonker Rabobank 0 :08
8. Armand de las Cuevas Banesto 0:09
9. Angel Edo Kelme 0:10
10. Santiago Botero Kelme 0:12

Sprintwertung:
1. Ludovic Auger Big Mat 26
2. Stuart O’Grady GAN 23
3. Marco Velo Brescialat 20

Bergwertung:
1. Jose Angel Vidal Kelme 6
2. Enrico Cassani Polti 5
3. Ludovic Auger Big Mat 5

Teamwertung:
1. Festina 11h06:11
2. Kelme 0:08
3. Cofidis 0:13

Valverde3007
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Beitrag: # 6786399Beitrag Valverde3007
18.8.2009 - 17:00

Der Kapitän auf der Kippe

Keuchend ging er aus dem Wiegetritt. Er schaute herüber zu seinem Teamkollegen, der einen recht frischen Eindruck machte und die Tempoverschärfung der Konkurrenz recht gut mitgehen konnte. Trotzdem schaute er sich immer wieder nach seinem Kapitän um und versuchte ihn aufzubauen und ihm zu helfen, gemeinsam mit der ersten Gruppe über den Pass zu kommen. Das erwies sich trotzdem von Minute zu Minute als ein schwierigeres Unterfangen als gedacht. Meter um Meter schwanden seine Kräfte, bis er sich nicht mehr in der Lage befand zu folgen. Nun war es an der Zeit die Ansprüche zurückzuschrauben und die Hierarchie loszulassen. Es war ihm zwar klar, dass er damit seine absolute Führungsrolle aufgab und seinem jungen deutschen Teamkollegen mit Blick auf die Gesamtwertung der großen Schleife bessere Chancen einräumte. Heute war das Verlieren des Anschlusses an das Feld halb so dramatisch, schlimm wäre es erst, wenn genau diese Situation in Andorra ebenfalls eintreten würde. Resignierend schaute er zu seinem Freund und Helfer hinüber und gab ihm ein Handzeichen, dass er es alleine versuchen sollte und alle Freiheiten hatte, während er sich selbst zurückfallen ließ. Es war nur ein Vorbereitungsrennen, für die Tour bedeutete es nichts, hoffte er zumindest.

Walter musste mit Entsetzen mit ansehen, wie Bjarne aus der Spitzengruppe zurückfiel. Die gemeinsame Attacke des Festinaduos Didier Rous und Laurent Brochard am Col de Peyra Taillade, einem Berg der zweiten Kategorie 25 Kilometer vor dem Tagesziel der zweiten Etappe der Dauphine Libere in Le-Puy-en-Velay, konnte er nicht kontern und verlor jetzt viel Zeit. Michel Lafis war nun der letzte Telekomfahrer in der fünfzehn Fahrer umfassenden Spitzengruppe, die sich immer weiter von der zweiten Gruppe mit Bjarne und Tony Rominger entfernte. Auf das heutige Rennen bezogen, war das nicht besonders schlimm, weil die Teamleitung Bjarne in der Vorbereitung ohnehin keinen Sieg zutraute. Angesichts des Drucks der Medien war es allerdings fatal. Während Jan Ullrich Podiumsplatzierungen bei Eintagesrennen sammelte, ließ sein eigentlicher Kapitän an einem verhältnismäßig leichten Berg gegen im Vergleich schwache Gegner abreißen. Nun stellte sich die Frage, wie er diese Situation den Medien verkaufen wollte, da er immer noch davon ausging, dass Bjarne seinen Tour de France-Sieg wiederholen konnte. Ob das die Medien genau so sahen, war allerdings sehr fraglich.

Bild
Links die Spitzengruppe, rechts der abgehängte Riis

Sehnsüchtig blickte Bjarne auf die vor ihm liegende Stadt, Le-Puy, wo das heutige, katastrophale Rennen beendet werden würde. Inzwischen hatte die kleine, von Romingers Cofidisteam angeführte Gruppe um Bjarne drei Minuten Rückstand auf ein Quintett an der Spitze. Genau dazwischen befand sich offensichtlich noch die Gruppe mit Lafis. An einer kleinen Welle etwa zehn Kilometer vor dem Ziel hatte Lafis über Funk mitgeteilt, dass Brochard erneut angegriffen hatte, worauf viele Fahrer nicht mehr folgen konnten. Nur sein Teamkollege Rous, der Schweizer Aebersold, Madouas von Lotto und der junge Baske Iker Flores hatten den Anschluss gehalten. Dennoch war sich Bjarne sicher, dass Festina die Etappe gewinnen würde, weil Brochard in einer überragenden Form zu sein schien. Allgemein fuhr der junge Franzose schon die gesamte Saison hervorragend, wobei Siege bei Paris-Nizza und der Dünkirchenrundfahrt herausgesprungen waren. Eigentlich wäre es der perfekte Maßstab für Bjarne gewesen, um sich sicher zu sein, dass die Titelverteidigung bei der Tour im Bereich des möglichen lag. Dass der Franzose ihn deklassiert hatte, nagte dafür stark an seinem Selbstbewusstsein. Irgendetwas im Formaufbau musste er falsch gemacht haben. Der einzige beruhigende Gedanke war, dass es Rominger, der neben ihm fuhr, die gleichen Probleme hatte.

Die letzten zwei Kilometer hatten es noch einmal in sich. Auf seinem Streckenplan hatte Walter gesehen, dass die Organisatoren über zwei Kilometer eine Steigung von über sechs Prozenten mit Spitzenwerten von elf und dreizehn Prozent angegeben hatten. Auf diesem Schlussstück sollte nun die Entscheidung über den Etappensieg fallen, eine Entscheidung, die Walter dank der modernen Technik an einem Bildschirm im Mannschaftswagen mit einem Auge mitverfolgen konnte, während er sich hauptsächlich auf ein gutes Ergebnis von Lafis konzentrierte. An der Spitze attackierte nun Dider Rous, was die drei Nicht-Festina-Fahrer in die Verfolgung zwang. Als Brochard registrierte, dass Rous den Abstand immer weiter vergrößern konnte, setzte er mit einem Antritt nach, der ihn schnell von den Verfolgern wegbrachte, so dass er fünfhundert Meter vor dem Ziel zu seinem Teamkollegen aufschloss. Nach einem kurzen Blickkontakt ging Brochard an Rous vorbei und zog an der Spitze den Sprint ins Ziel durch, so dass letztendlich zwei Festinaprofis gemeinsam den verdienten Sieg feiern konnten. Die Gruppe mit Lafis trudelte erst über eineinhalb Minuten später ein, Bjarne erreichte erst als 17. Fahrer über dreieinhalb Minuten nach dem Sieger das Tagesziel. Die Etappe war ein Debakel für das Team Telekom gewesen, sollte es so weiter gehen, würde man in Frankreich auf die Mannschaft der Tour de Suisse setzen müssen. Walter nahm sich vor, noch am Abend mit Bjarne klar Tisch zu machen und ihm anzukündigen, dass bei fehlenden Resultaten Jan in eine bessere Position gerückt werden würde. Er hatte zwar keineswegs vor, seinem jungen Co-Kapitän davon zu erzählen, aber Bjarne brauchte eine Extramotivation. In zwei Tagen beim Zeitfahren würde es sich entscheiden, ob Bjarne als Kapitän weiter tragbar war.

Bild
Brochard holt Rous in Sichtweite des Ziels ein, während Rominger und Riis mit Rückstand ins Ziel kommen

Ergebnisse:

2.Etappe:
1. Laurent Brochard Festina 4h57:45
2. Didier Rous Festina s.t.
3. Laurent Madouas Lotto 0:05
4. Iker Flores Euskaltel s.t.
5. Niki Aebersold Post Swiss s.t.
6. Ivan Ledanois GAN 1:38
7. Jean-Cyril Robin US Postal s.t.
8. Marino Alonso Banesto s.t.
9. Michel Lafis Telekom s.t.
10. Philippe Dojwa Mutuelle s.t.

Gesamtwertung:
1. Laurent Brochard Festina 8h39:50
2. Didier Rous Festina 0:04
3. Laurent Madouas Lotto 0:13
4. Iker Flores Euskaltel 0:20
5. Niki Aebersold Post Swiss 0:25
6. Jean-Cyril Robin US Postal 1:44
7. Luc Leblanc Polti 1:48
8. Marino Alonso Banesto 1:50
9. Ivan Ledanois GAN 1:56
10. Philippe Dojwa Mutuelle 1:58

Sprintwertung:
1. Laurent Brochard Festina 34
2. Ludovic Auger BigMat 26
3. Didier Rous Festina 25

Bergwertung:
1.Laurent Brochard Festina 12
2.Miguel Martin Perdiguero Kelme 7
3. Jose Angel Vidal Kelme 6

Teamwertung:
1. Festina 26h05:09
2. Kelme 3:13
3. Lotto 3:22


Heute mal im Wechsel zwischen Bjarne Riss und Walter Goodefroot.

Valverde3007
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Beitrag: # 6786628Beitrag Valverde3007
20.8.2009 - 19:00

Dauphine Etappe 4 - Feiertage für Festina

“Trois, deux, un…” Der rundliche Franzose ließ den Arm sinken und schickte Bjarne auf die Fahrt. 45 harte Kilometer Einzelzeitfahren lagen vor ihm. Das würde auf dem harten Kurs knapp eine Stunde Fahrtzeit bedeuten. Doch seine Platzierung stand nach der Zieldurchfahrt keineswegs fest. Weil er als 18. im Gesamtklassement relativ weit zurück lag, müsste er sich noch fast eine weitere Stunde damit begnügen, zu warten bis mit dem Gesamtführenden Laurent Brochard auch der letzte Fahrer ins Ziel käme. Der französische Überflieger der Saison war nach seinem Tagessieg von vorgestern von der Presse als absoluter Topfavorit ausgerufen worden, während Bjarnes Chancen als sehr gering eingeschätzt wurden. Die Außenseiterrolle passte dem Dänen heute allerdings ziemlich gut, da er so nicht den großen Druck der vergangenen Tage spürte. Jans gute Resultate hatten schon dafür gesorgt, dass es im Team unruhig wurde. Walter hatte sogar die Teamtaktik geändert und anderen Fahrern freie Fahrt gegeben. Einer dieser Alleingänge hatte zum Erfolg geführt, als Steffen Wesemann das Ausreißertrio des Tages erwischte und gemeinsam mit Andre Korff und Jan Koerts über 150 Kilometer an der Spitze fuhr. Zwar wurden sie wieder eingeholt und Sven Teutenberg gewann die Etappe im Massensprint vor Niki Aebersold, dafür hatte Wesemann bei den Bergwertungen so viele Punkte gesammelt, dass er das Bergtrikot übernehmen konnte. Nun war Bjarne auf ein gutes Zeitfahren angewiesen, um die Mannschaft wieder hinter sich zu bekommen, damit jeder bedingungslos für ihn arbeitete. Mit gehöriger Wut schoss er deshalb auf die Strecke, angetrieben vom Willen, zu siegen.

Walter überprüfte die Zwischenzeiten bei den verschiedenen Sektoren. Bis jetzt sah die Leistung von Bjarne nicht allzu überzeugend aus. An den ersten Zwischenzeiten führte der junge Schotte David Millar mit einer Zeit von 29:37. Im Moment schien Bjarne nicht in der Lage zu sein, den Richtwert zu erreichen. Eigentlich hatte Walter erwartet, dass sein Kapitän auf dem ersten Teilstück, das leicht anstieg, eine gute Zeit vorlegen würde und dann von seinem Vorsprung zehren würde, stattdessen lag er beim Messpunkt nach zwanzig Kilometern einige Sekunden zurück. Unzufrieden beobachtete Walter wie die Zeit scheinbar endlos weiterlief, bis sie bei über dreißig Minuten stehen blieb. Das bedeutete zwischenzeitlich den neunten Platz mit 31 Sekunden Rückstand, bei den Tagesbesten würde es noch mehr sein. Walter gab die Zeiten an Bjarne weiter und ermahnte ihn, einen Zahn zuzulegen, um ein enttäuschendes Resultat wie an den Hügeln der Auvergne zwei Tage zuvor zu verhindern. Bjarne war zwar ein wenig überrascht, schien aber noch nicht am Limit zu sein. Mit vollem Tempo schoss er in die folgende Abfahrt und ging nun noch höheres Risiko. Walter nickte zufrieden. Sein Schützling war noch nicht am Ende, auf den verbliebenen 25 leicht abfallenden Kilometern gab es genug Gelegenheit, Schaden wieder gut zu machen.

Zuerst war Bjarne von der Zwischenzeit überrascht, fast schockiert, gewesen. Danach beruhigte er sich schnell und versuchte konzentriert sein Rennen unbeeindruckt weiterzufahren. Als Walter ihm wenige Minuten später die Zeit von Tony Rominger, Bjarnes wichtigstem Bezugspunkt in diesen Tagen, durchgab, schöpfte er neue Hoffnungen. Rominger lag wenige Hundertstel hinter Bjarne, was dessen Leistung aufwertete. Von da an fuhr sich Bjarne in einen regelrechten Rausch. Bei jeder weiteren Zeit, die Walter ihm meldete, fühlte er sich besser. Wie beflügelt zog er an einem nach dem anderen vorbei, so dass er fünf Kilometer vor dem Ziel nur noch knapp zehn Sekunden hinter Millar lag. Damit war also sogar der Tagessieg wieder in Reichweite. Nun scheute er sich auch nicht mehr, seinen Puls in einen höheren Bereich zu treiben, als er es seinem Trainingsplan nach tun sollte. Als er die Stadtgrenze erreichte ging er wutschnaubend aus dem Sattel und setzte zu einem letzten Sprint an. All die Enttäuschung über seine suboptimale Form und die bittere Niederlage vor zwei Tagen brach aus ihm heraus. Auf der Zielgeraden setzte er sich wieder und versuchte seinen hohen Gang bis ins Ziel durchzutreten. Auf der Ziellinie schaute er sich um und warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. 1:02:20 war dort zu lesen, dazu eine große eins. Er hatte tatsächlich den gesamten Rückstand aufgeholt und sich an die Spitze des Rennens gesetzt. Nun musste er nur noch die nächsten siebzehn Fahrer abwarten.

Weil er mit seinem Teamwagen auf der Zielgeraden von der Rennstrecke abgeleitet wurde, konnte Walter die Zieldurchfahrt von Bjarne leider nicht sehen. Die letzten Zwischenstände ließen ihn aber hoffen, dass Millar seine Führung einbüßen wurde. Als Walter vom vorübergehenden ersten Platz informiert wurde, brach er spontan in Jubeln aus. Die Freude ging allerdings so schnell wieder, wie sie gekommen war, da beinahe zeitgleich mit Bjarnes Ankunft Didier Rous die erste Zwischenzeit passiert und dort mit dreizehn Sekunden Vorsprung die Bestzeit übernommen hatte. Kurz später unterbot ihn Brochard sogar um weitere 33 Sekunden. Die restlichen Favoriten patzten dafür alle, niemand konnte Bjarnes Zeit nur annähernd gefährden. Rominger hatte fünfzig Sekunden Rückstand, Leblanc sogar eineinhalb Minuten. Durch seinen grandiosen Schlussspurt blieben Bjarne aber noch minimale Chancen, sich vor den Franzosen zu halten. Bis zuletzt glaubte Walter an einen Einbruch der Festinakapitäne, doch es kam keiner. Erst unterbot Rous die Zeit von Bjarne um 45 Sekunden, dann setzte Brochard noch eine weitere Minute drauf. Unterm Strich blieb Bjarne also der dritte Platz, ein Ergebnis, das eher ein Erfolg als eine Niederlage darstellte. Bjarne hatte die Antwort gebracht, die Walter von ihm verlangt hatte. Der nächste Test sollte in den Bergen folgen.

Ergebnisse:

Tageswertung – 3.Etappe:
1. Sven Teutenberg Festina 5h23:52
2. Niki Aebersold Post Swiss s.t.
3. Stuart O’Grady GAN s.t.
4. Jeremy Hunt Banesto s.t.
5. Pietro Zucconi Post Swiss s.t.
6. Frank Corvers Team Telekom s.t.
7. Angel Edo Kelme s.t.
8. Francesco Arazzi Brescialat s.t.
9. Luca Gelfi Brescialat s.t.
10. Francois Simon GAN s.t.

Tageswertung – 4.Etappe:
1. Laurent Brochard Festina 1h00:34
2. Didier Rous Festina 1:00
3. Bjarne Riis Telekom 1:46
4. David Millar Cofidis 1:49
5. Laurent Genty BigMat 1:53
6. Marco Velo Brescialat 2:00
7. Frederico de Beni Brescialat 2:10
8. Andrea Peron FdJeux 2:23
9. Stuart O’Grady GAN 2:26
10. Armand de las Cuevas Banesto 2:29

Gesamtwertung :
1. Laurent Brochard Festina 15h04:16
2. Didier Rous Festina 1:04
3. Iker Flores Euskaltel 2:47
4. Laurent Madouas Lotto 2:55
5. Niki Aebersold Post Swiss 3:33
6. Jean Cyril Robin US Postal 4:15
7. Marino Alonso Banesto 4:45
8. Stephane Heulot FdJeux 5:06
9. Luc Leblanc Polti 5:10
10. Jose Javier Gomez Kelme 5:19
11. Bjarne Riis Team Telekom 5:31

Sprintwertung:
1. Stuart O’Grady GAN 45
2. Marco Velo Brescialat 33
3. Laurent Brochard Festina 29

Bergwertung:
1. Steffen Wesemann Telekom 29
2. Jans Koerts Rabobank 28
3. Andre Korff Festina 14

Teamwertung:
1.Festina 45h33:56
2.Kelme 1:09
3.Cofidis 1:17

Valverde3007
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Beitrag: # 6787177Beitrag Valverde3007
26.8.2009 - 10:25

Tour de Suisse Prolog - Weiß statt gelb

4,9 Kilometer, drei Kurven, elf Meter Höhenunterschied. Die Parameter des Prologs der Tour de Suisse ließen auf einen ziemlich einfachen Kurs schließen, ein Kurs auf dem Ulle seine Stärken voll ausspielen und auf einen der ersten Plätze fahren konnten. Im Gegensatz zu Bjarne, der sich bei der Dauphine vorbereitete, hatte Ulle die Rundfahrt in der Schweiz ausgewählt, wo er auf ungleich stärkere Konkurrenz traf. Im Prolog waren seine wichtigsten Gegner der Zeitfahrweltmeister Alex Zülle, Prologspezialist Chris Boardman, der Russe Evgeni Berzin und der Spanier Abraham Olano. In den Bergen würde er dazu noch auf den Weltcupführenden Laurent Jalabert und die Bergziegen Marco Pantani, Richard Virenque und Girosieger Ivan Gotti treffen. Die Creme de la creme war in der kleinen schweizer Stadt Romanshorn versammelt und mancher Experte munkelte, dass das Startfeld besser sei, als es bei der Tour werden würde. Damit war jeder Fahrer, der hier Erfolg hatte gleichzeitig ein großer Favorit für die Tour. Diesen Status wollte Ulle sich erarbeiten, am besten schon am ersten Tag.

Wie am Vortag sein Kapitän Riis stand Ulle nun auf der Startrampe und wartete die Sekunden ab, bis er starten durfte. „Drei, zwei, eins, go.“ Sobald der Druck des Arms, der ihn festhielt endete, stürzte sich Ulle die Startrampe hinab auf die Strecke. Nach einer kurzen Beschleunigungsphase suchte er die optimale Position auf dem Rad und legte den richtigen Gang ein, mit dem er seine Höchstgeschwindigkeit ohne hohe Frequenz erreichen konnte. Hochkonzentriert spulte er sein Pensum herunter und raste durch die Innenstadt von Romanshorn. Die Kurven fuhr er von weit außen an, um den Schwung optimal mitzunehmen und sofort wieder auf Tempo zu kommen. Wie berauscht flog er über den Kurs, wobei er sich an den Entfernungsanzeigen zum Ziel orientierte. Noch drei Kilometer, zwei, tausend Meter. Ulle fuhr durch die letzte Kurve und erreichte die Zielgerade. Nun merkte er allerdings, dass die Beine etwas schwer wurden. Die Form war gut, aber die Tempohärte würde er erst im Verlauf der nächsten Woche erlangen. Er nahm ein bisschen Tempo raus, um nicht zu überpacen und nahm deshalb gefasst hin, dass er nur den zwischenzeitlichen zweiten Rang mit zwei Sekunden Rückstand auf Alex Zülle belegte. Zwei Sekunden auf einen Weltmeister waren nicht viel, wenn er durchgezogen hätte, wäre er noch einige Sekunden schneller gewesen. Aber was zählte schon der Sieg im Prolog der Tour de Suisse, wenn man ein viel größeres Ziel vor Augen hatte.

„Le maillot blanc, Jaaan Ullrich“. Ulle lächelte, als er zur Siegerehrung aufgerufen wurde. Flankiert von zwei jungen, hübschen Damen trat er auf die Bühne, auf der er das Trikot des besten Jungprofis erhalten sollte. In der Tageswertung war er zwar letztendlich nur auf Platz fünf gekommen, weil Olano, Boardman und Berzin ihn noch überholt hatten, das weiße Trikot hatte er dafür retten können. Ulle stieg auf das kleine Podest, ließ sich ankleiden, genoss die zwei gehauchten Küsse auf die Wange und den Händedruck der Würdenträger der Stadt. Seinen Blumenstrauß warf er in die Menge, die daraufhin jubelte. Glücklich winkte Ulle ihnen zu, bevor er sich wieder zurückzog. Die Massen standen hinter ihm, genau so, wie er es sich wünschte. Schon bald könnte er das Vertrauen mit Siegen zurückzahlen, das war er ihnen schuldig.



Ergebnisse:

Tages- / Gesamtwertung – Prolog:
1. Evgeni Berzin Batik 6:09
2. Chris Boardman GAN 0:03
3. Abraham Olano Banesto 0:05
4. Alex Zülle ONCE 0:07
5. Jan Ullrich 0:10
6. Laurent Jalabert ONCE 0:15
7. Frank Vandenbroucke Mapei 0:18
8. Johan Bruyneel Rabobank s.t.
9. David Etxebarria ONCE 0:19
10. Beat Zberg Mercatone Uno 0:20

Sprintwertung:
1. Evgeni Berzin Batik 15
2. Chris Boardman GAN 12
3. Abraham Olano Banesto 10

Teamwertung:
1. ONCE 19:39
2. Mapei 0:07
3. Batik 0:14

Valverde3007
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Beitrag: # 6788422Beitrag Valverde3007
3.9.2009 - 15:59

Tour de Suisse Etappe 1 - Der perfekte Sprint

Es gibt ihn, den Traum vom perfekten Sprint. Jeder der endschnellen Männer im Radsportzirkus arbeitet darauf hin, einen überlegenen Sieg im Spurt der schnellsten Männer der Welt feiern zu können. Nach einer optimalen Sprinteröffnung ein Loch reißen, sich vor der Ziellinie aufrichten und seinen Sieg feiern, während die Jury schon darüber nachdenkt Zeitabstände zu den Verfolgern zu nehmen, das wäre der bestmögliche Fall für einen Sprinter. Die tatsächliche Umsetzung fällt dabei normalerweise schwerer, als es sich in der Theorie anhört. Kaum eine Sprintetappe, kaum ein finaler Spurt verläuft exakt so, wie er vorher geplant worden ist. Man kann den Tag des Sprinters grob in drei weitere Etappen unterteilen. Zunächst kommen die ersten, ruhigen Kilometer, auf denen sich Ausreißergruppen absetzen und um die Zwischenwertungen duellieren, danach die Phase der Sprintvorbereitung, die spätestens zehn Kilometer vor dem Ziel beginnt und in der sich der Sprinter entweder mit der Hilfe seiner Teamkollegen oder als Einzelkämpfer eine viel versprechende Ausgangssituation für die dritte entscheidende Phase zu sichern. Dieser abschließende Teilabschnitt, der tatsächliche Sprint, ist meistens kaum zweihundert Meter lang und entscheidet darüber, ob ein gutes Resultat erzielt wird. Man kann den Sprinter allerdings nicht auf diese zweihundert Meter beschränken und ihn nur aufgrund seiner Endgeschwindigkeit beurteilen. Nach häufig über zweihundert Kilometern und über fünf Stunden im Sattel spielen viele Faktoren eine Rolle. Die Position, die gesparten Kräfte, die Position, der Kurvenverlauf vor dem Ziel, das Fahrverhalten der Konkurrenz, jede Nuance kann einen Sprint vom einen auf den nächsten Moment zu Nichte machen, so dass auch der überlegenste Sprinter Niederlagen kassieren kann. Nur derjenige, der alle Faktoren am besten unter einen Hut bringen kann, darf sich später als Tagessieger feiern lassen, der perfekte Sieg ist dabei eine utopische Vorstellung, die nur eintreffen kann, wenn bei jedem der genannten Teilaspekte das Optimum ausgereizt wird.

Ete war als Sprinter auch fasziniert von der Vorstellung, den perfekten Sieg zu landen. Bei der Teambesprechung am morgen stellte er sich oft vor, wie eine Etappe laufen musste, um den totalen Triumph zu feiern, doch letztendlich hatte es noch nie geklappt. Es war Zeit, das zu ändern. Über sich sah er bereits den Teufelslappen vorbei ziehen, er befand sich nun auf dem letzten Kilometer der Etappe und bisher lief noch alles wie es sollte. Auf den ersten 175 Kilometern hatte er sich darauf konzentriert, kein Körnchen Kraft zu viel zu verschwenden und acht Kilometer vor dem Ziel hatte er seinen Anfahrer Giovanni Lombardi gesucht, an dessen Hinterrad er an die Spitze des Hauptfeldes gefahren war. Dort lief der Telekomexpress nun auf Hochtouren. Sogar Jan Ullrich, der das Trikot des besten Jungprofis trug, arbeitete mit voller Kraft für das Team und hielt das Tempo bis achthundert Meter vor dem Ziel hoch. Nun übernahm Hundertmarck das Tempo, dahinter folgten Lombardi und Zabel. Aber die anderen Sprinterteams wollten die drei Telekomprofis keineswegs kampflos gewähren lassen. Verschiedene Fahrer versuchten den Zug zu stören und seine schärfsten Kontrahenten kämpften mit vollem Körpereinsatz um das Hinterrad von Lombardi. Rechts versetzt hinter ihm fuhr sein alter Dauerrivale Abdoujaparov, links von ihm befand sich der ungestüme junge Australier Robbie McEwen, der sich mehr als einmal durch seine Kamikazeaktionen bei allen Rennfahrern unbeliebt gemacht hatte. Heute verhielt er sich keineswegs anders. Er erreichte Etes Höhe und fuhr energisch den Ellenbogen aus, um den deutschen aus seiner Position zu verdrängen. Ete hielt dagegen und gab keinen Zentimeter nach, sondern machte die Lücke entschlossen zu, so dass er McEwen in den Wind drängte. Die Sechshundertmetermarke bedeutete angesichts der laut Streckenplan bald folgenden Kurve ohnehin, dass einer der beiden weichen musste, wenn er nicht stürzen wollte. Er ließ dem Australier fünfhundert Meter vor dem Ziel die Innenbahn und orientierte sich wie Lombardi etwas nach außen, um die Kurve besser anfahren zu können. McEwen schien etwas überrascht zu sein und versuchte den kurzen Weg auf der Innenbahn zu nutzen. Direkt nach der Kurve bekam er die Quittung. Während Lombardi die letzte Kurve perfekt erwischt hatte und mit Ete im Schlepptau mit Höchstgeschwindigkeit auf die Zielgerade einbog, verlor McEwen einige Positionen. Außerdem behinderte er einige andere Sprinter, so dass diese nicht sofort wieder antreten konnten. Ein kurzer Schulterblick zeigte Ete, dass nur noch Michaelsen und Abdu an seinem Hinterrad waren, während der Rest eine Lücke von wenigen Metern reißen lassen musste. Ete schrie Giovanni einen kurzen Anfeuerungsruf zu und ließ sich in seinem Windschatten bis zweihundert Meter vor dem Ziel bringen, bevor er die letzte Raketenstufe zündete. Aus dem Windschatten zog er herüber auf die andere Straßenseite und merkte wie er ein kleines Loch zu Abdou riss. Der leichte Rückenwind und die minimal ansteigende Zielgerade begünstigten ihn nun, so dass er schnell seine Höchstgeschwindigkeit erreichte. Schon hundert Meter vor dem Ziel wusste er, dass er gewinnen würde. Und doch zog er weiter durch. Der perfekte Sprint ging ihm durch den Kopf. Oft hatte er ihn sich gewünscht, nun war er dabei ihn umzusetzen. Er mobilisierte seine letzten Energiereserven und wagte sich erst bei der Überquerung der Ziellinie aufzurichten. Nach einem kurzen Blick zurück, fiel seine Kinnlade herunter. Die Dimension, in der er den Rest deklassiert hatte, war unvorstellbar für ihn. Der Abstand zwischen ihm und dem Zweitplatzierten betrug gut und gerne vierzig Meter. Mit einem lauten Schrei der Freude riss er die Arme in die Luft. Als er wenige Minuten später erfuhr, dass die Jury den zweiten, Nicola Minali, mit drei Sekunden Rückstand wertete, wusste er, dass er seinen Traum erfüllt hatte. Er war den perfekten Sprint gefahren.



Ergebnisse:

Tageswertung
1. Erik Zabel Telekom 3h59:55
2. Nicola Minali Batik 0:03
3. Lars Michaelsen TVM s.t.
4. Djamoline Abdoujaparov Lotto s.t.
5. Robbie McEwen Rabobank s.t.
6. Maurizio Tomi Kross s.t.
7. Frederic Moncassin GAN s.t.
8. Jeroen Blijlevens TVM s.t.
9. Giovanni Lombardi Telekom s.t.
10. Ivan Cerioli Batik s.t.

Gesamtwertung
1. Evgeni Berzin Batik 4h06:04
2. Chris Boardman GAN 0:03
3. Abraham Olano Banesto 0:05
4. Alex Zülle ONCE 0:07
5. Jan Ullrich Telekom 0:10
6. Laurent Jalabert ONCE 0:15
7. Frank Vandenbroucke Mapei 0:18
8. Johan Bruyneel Rabobank s.t.
9. David Etxebarria ONCE 0:19
10. Beat Zberg Mercatone Uno 0:20


Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 25
2. Nicola Minali Batik 20
3. Lars Michaelsen TVM 16

Teamwertung:
1. ONCE 12h19:24
2. Mapei 0:07
3. Batik 0:14

Valverde3007
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Beitrag: # 6790068Beitrag Valverde3007
15.9.2009 - 17:19

Tour de Suisse Etappe 2 - Rollentausch

„Scheiße!“ Laut fluchend rief Ete Walter um Hilfe. „Ich kann das Tempo nicht halten. Es ist zu schnell. Ich brauche Unterstützung.“ Nach seinem triumphalen Erfolg vom Vortag war er heute schon bei der zweiten Bergwertung nach fünfzig Kilometern angesichts des höllischen Tempos an der Spitze nicht mehr in der Lage zu folgen. Am Anstieg der ersten Kategorie war das Feld innerhalb weniger Kilometer auseinander gefallen. An der Spitze jagte eine Attacke die nächste, der Gewinner des Bergtrikots Guiseppe Guerini attackierte, dann war es der Niederländer Bruyneel, später Michele Bartoli im Verband mit Laurent Dufaux. Und dahinter jagten ONCE und Mercatone Uno mit Dampf her, um die Gruppen nicht davon fahren zu lassen. Tomi und McEwen, die beim ersten Zwischensprint, der noch im Flachen abgenommen worden war, hinter Ete Platz zwei und drei belegten, hatten sich längstens ins Grupetto verabschiedet, während Ete um den Anschluss kämpfte. Giovanni, Rolf Aldag und Mario Kummer konnten im längst nicht mehr helfen, sondern waren selber abgehängt, weshalb Ete kaum damit rechnete, dass Walter einen Helfer von Jans Seite abzog. Am Straßenrand zeigte ihm ein Schild den letzten Kilometer an, bevor es wieder ins Tal gehen sollte. Auf der Abfahrt müsste er den Anschluss suchen, wenn er ihn tatsächlich schaffen sollte, wären die Aussichten auf Tageserfolg Nummer zwei bei der schwachen Konkurrenz sehr hoch.

Ulle warf einen Blick hinüber zu Richard Virenque. Sein französischer Konkurrent zwang ihn in eine schwierige taktische Konstellation. Mit Dufaux hatte er seinen Edelhelfer in die Attacke geschickt und damit Jans Team in eine Zwickmühle gebracht. Entweder sie verfolgten ihn entschlossen und opferten damit ihre zweite Trumpfkarte, Ete, oder sie warteten und riskierten zu viel Rückstand zu kassieren. Zwar blieben von der Überquerung des Passes bis ins Ziel noch über hundert Kilometer, aber mittlerweile war die Spitzengruppe viel zu stark und beinahe größer als das Hauptfeld. Trotzdem sah Ulle ein, dass Ete als einziger Sprinter im Vorderfeld die Etappe gewinnen konnte. Er griff zum Funk und teilte Walter seine Entscheidung mit. „Walter, es wäre besser, wenn Kai auf Ete wartet. Totsche, Heppe und ich schaffen das hier vorne alleine. Pantani und Zülle lassen ihre Leute schuften.“ Mit einigem Widerwillen in der Stimme akzeptierte Walter den Vorschlag und gab die Order an Kai Hundertmarck weiter. Währenddessen überquerte das Feld die Bergwertung. Ulle schloss sein Trikot und schaute sich kurz um, um abzuschätzen, wie große die Gruppe noch war. Er zählte etwa fünfundzwanzig Mann. Das Feld war winzig geworden.

ONCE hatte ganze Arbeit geleistet und die Ausreißer nahe ans Feld herangeholt. Das erhöhte Tempo hatte Ete die Rückkehr ins Peloton erschwert, doch am Fuß des Berges war er wieder dran. Das Feld füllte sich auf etwa fünfzig Fahrer auf und schloss die Lücke zu der Spitzengruppe auf wenige Sekunden, bis an einer kleinen Gegensteigung ein Gegenangriff erfolgte. Dufaux wollte sich noch nicht geschlagen geben und setzte die Flucht mit Rolf Sörensen weiter fort, außerdem schlossen aus dem Hauptfeld Beat Zberg und Mikel Zarrabeitia zu dem Duo auf. Damit ergab sich die denkbar ungünstigste Lage für Telekom. Sowohl ONCE als auch Mercatone Uno und Festina waren an der Spitze verblieben und nur Batik um den Spitzenreiter Berzin unterstützte das Team Telekom bei der Jagd auf das Spitzenquartett. Dabei opferten sich Heppe und Hundertmarck für ihre Kapitäne auf und schafften es tatsächlich bis zum letzten Berg dreißig Kilometer vor dem Ziel, die vier Spitzenreiter zu stellen. Damit sorgten sie aber keineswegs für Ruhe, die heiße Phase wurde gerade erst eingeleitet.

Ulle seufzte gerade auf und freute sich, dass die Jagd vorbei war, als es die nächsten Attacken hagelte. Die Fahrer schien es keineswegs zu interessieren, dass am nächsten Tag schon die erste Bergankunft auf dem Programm stand. Kaum einer fuhr Kräfte sparend, stattdessen gab es Attacken über Attacken. Wieder waren es Bruyneel und Guerini, die ihr Heil in der Flucht suchten, dazu gesellte sich Davide Rebellin. Die drei fuhren schnell ein paar Sekunden Vorsprung heraus und zwangen das Feld zu einer Reaktion. Totsche schaltete sich nun mit in die Verfolgungsjagd ein und die Teams von Lotto und ONCE taten für ihre Kapitäne Tchmil und Jalabert dasselbe. Nachdem fast alle Sprinter eliminiert waren, rechneten sich die beiden wohl gute Chancen für den Sprint aus, was durchaus berechtigt war. Durch eine entsprechende Zeitbonifikation konnte sich der französische Weltcupgesamtführende Jalabert theoretisch sogar auf einen Podiumsplatz vorarbeiten. Doch für einen Sieg mussten sie erst an Ete vorbei.

Ete schaute auf den Tachometer, der gute fünfzig Stundenkilometer anzeigte. Bis in den Zielort hatte sich die Hatz fortgesetzt. Dadurch fühlte sich Ete zwar ein wenig ausgelaugt, es brachte aber auch den positiven Nebeneffekt mit sich, dass die Topsprinter distanziert waren. Im folgenden Finale stellte er sich nun darauf ein, sich mit Jaja, Bartoli und Andrei Tchmil herumzuplagen. Im Normalfall waren diese Gegner ohne weiteres zu schlagen, doch auf dieser Etappe, die nach dem Rennverlauf weniger einer normalen Rundfahrtetappe, als einem wallonischen Klassiker glich, wollte er sich darauf nicht verlassen. Denn neben einigen Körnern fehlte ihm Giovanni, der ihm die Sprints so perfekt lancierte. Stattdessen mussten sie sich etwas anderes einfallen lassen, um die Etappe erfolgreich abzuschließen. Ete wollte gerade Kontakt zu Heppe aufnehmen, als Ulle an seiner Seite erschien. „Komm Ete, schnapp dir mein Hinterrad, ich bring dich nach vorne.“ Ete schaute etwas verdutzt zu seinem Kapitän, von dem er diesen Arbetswillen gar nicht erwartet hatte. Trotzdem nahm er das Angebot dankend an und konzentrierte sich bis zur Zielgerade darauf, Ulles Hinterrad im Blick zu behalten.

Ulle hatte die Dankbarkeit in Etes Augen gesehen, als er seine Hilfe angeboten hatte. Er wusste, dass sein Teamkollege es ihm nicht vergessen würde und in ein paar Wochen bei der Tour das gleiche für ihn tun würde. Für ihn war es ein kleiner Kraftaufwand, der Ertrag konnte Gold wert sein. Ulle fokussierte sich darauf, seine herausgearbeitete, gute Position zu halten. Innerhalb der letzten Kilometer hatte er sich bis fast an die Spitze nach vorne gekämpft und sich an fünfter Position eingereiht, direkt hinter Jalabert. Bis sechshundert Meter vor dem Ziel wollte er an dieser Position ausharren, um danach zu beschleunigen. Bartoli hatte da andere Pläne. Achthundert Meter vor dem Ziel attackierte er, worauf Jalabert sofort hinterher ging. Nun durfte Ulle nicht den Zug verpassen. Mit aller Kraft trat er in die Pedalen und schaffte es im Windschatten des Franzosen zu bleiben. Jalabert wartete ein bisschen ab und ließ sich von Bartoli ziehen, bis er fünfhundert Meter vor dem Ziel seinen finalen Sprint eröffnete. Ulle konnte sein Hinterrad nicht mehr halten und fuhr seinen eigenen Rhythmus, sein höchstes Tempo weiter. Bis zweihundert Meter vor dem Ziel Ete an ihm vorbeischoss konnte er die Lücke so auf knapp dreißig Meter begrenzen. Nun musste Ete vollenden. Ulle richtete sich etwas auf und schaute auf das knappe Finale an der Spitze. Ete sog sich immer näher an den Franzosen heran und überholte ihn schließlich. Dafür kam ihm auf der anderen Seite jemand bedenklich nahe. Einen Moment dachte Ulle, dass Ete noch überflügelt worden wäre, doch als er die Hände in die Luft reckte, jubelte Ulle auf und ballte die Faust. Sie hatten es geschafft, sie hatten auch diesen improvisierten Sprint gewonnen. Für die Sprints war Telekom gerüstet, bei der Bergankunft morgen würde sich zeigen, ob Ulles Helfer auch in den Bergen die richtige Form hatten und viel wichtiger, wie Ulles Verfassung im Vergleich zu Pantani, Virenque, Zülle und Olano war.



Ergebnisse:

Tageswertung
1. Erik Zabel Telekom 5h02:22
2. Manuel Scopsi Ros Mary s.t.
3. Mariano Piccoli Brescialat s.t.
4. Laurent Jalabert ONCE s.t.
5. Marco Villa Brescialat s.t.
6. Roberto Sgambelluri Brescialat s.t.
7. Andrei Tchmil Lotto s.t.
8. Michele Bartoli MG Technogym s.t.
9. Dario Frigo Saeco s.t.
10. Alexander Vinokurov Casino s.t.

Gesamtwertung
1. Evgeni Berzin Batik 9h08:26
2. Abraham Olano Banesto 0:05
3. Alex Zülle ONCE 0:07
4. Erik Zabel Telekom 0:09
5. Jan Ullrich Telekom 0:10
6. Laurent Jalabert ONCE 0:15
7. Frank Vandenbroucke Mapei 0:18
8. Johan Bruyneel Rabobank s.t.
9. David Etxebarria ONCE 0:19
10. Beat Zberg Mercatone Uno 0:20


Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 56
2. Manuel Scopsi Ros Mary 22
3. Laurent Jalabert ONCE 22

Bergwertung:
1. Michele Bartoli MG Technogym 10
2. Guiseppe Guerini Polti 8
3. Cedric Vasseur GAN 7

Teamwertung:
1. ONCE 27h26:30
2. Mapei 0:07
3. Batik 0:14

Valverde3007
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Beitrag: # 6790788Beitrag Valverde3007
21.9.2009 - 16:32

Der arrogante Pirat

5000 Meter, noch fünf Kilometer bis ins Ziel. Und immer noch befand sich Ulle im großen Pulk der Favoriten. Die Rennorganisation hatte den Fans zwar eine Bergankunft angekündigt, an der eine große Selektion des Feldes stattfinden sollte, doch Ulle hatte schon vorher gewusst, dass es heute höchstens um Sekundenabstände gehen konnte. Insgesamt war die Steigung knapp zwanzig Kilometer lang, im Schnitt aber nur viereinhalb Prozent steil. Erst die letzten fünf Kilometer, die nun begannen boten mit einer durchschnittlichen Steigung von etwa sechs Prozent und Rampen von bis zu acht Prozent eine Gelegenheit zum Angriff. Am ehesten rechnete Ulle mit Virenque und Pantani, die neben ihm am Berg die stärksten sein sollten. Besonders elefantino schien noch etwas zu planen, denn bereits seit mehreren Kilometern wurde er von seinem treuen Helfer Roberto Conti den Berg hochgezogen, wobei sich die Favoritengruppe auf zwanzig Fahrer reduziert hatte. Leider war kein Helfer mehr vom Team Telekom dabei, als letztes hatte Heppe sechs Kilometer vor dem Ziel den Anschluss verloren und Ulle alleine an der Spitze zurückgelassen. Das bedeutete, dass er auf alle Angriffe persönlich reagieren musste, oder gezwungen war, den jeweiligen Fahrer ziehen zu lassen.

Nun gab es auch die ersten Angriffe. Gleich der erste wurde von einem der Topfavoriten, Richard Virenque initiiert. Mit einem wuchtigen Antritt katapultierte er sich aus der Gruppe heraus, wobei er Olano, Bruyneel und den jungen Kasachen Vinokurov im Schlepptau mitzog. Ulle ging instinktiv aus dem Sattel, besann sich dann aber auf die taktischen Vorgaben von Rudy und blickte hinüber zu Marco Pantani. Der Italiener zeigte keine Regung und schien vom Angriff vollkommen unbeeindruckt zu sein. Statt direkt ans Hinterrad der Angreifer zu springen, wie man es von ihm gewohnt war, überließ er seinem Edelhelfer Conti die Arbeit. Er warf einen kurzen, abschätzenden Blick zu Ulle, der ihm einen Bruchteil einer Sekunde ins Auge blicken konnte. Der Ausdruck im Gesicht des Piraten sagte alles. Trotz der kleinen Gruppe an der Spitze funkelten seine Augen entschlossen. Ulle begriff sofort, dass es die richtige Wahl war, sich an Pantani zu orientieren. Sobald Conti erschöpft sein würde, konnte er mit einer Verschärfung des Tempos durch den Publikumsliebling der Tifosi rechnen. Er fuhr ein paar Positionen nach vorne, bis er sich direkt am Hinterrad von Pantani wieder fand. Mittlerweile trug Contis Arbeit Früchte, Vinokurov und Bruyneel fielen nacheinander in die Gruppe zurück, andere Fahrer verloren den Anschluss. Damit befanden sich nur noch Virenque und Olano an der Spitze, ihr Vorsprung betrug drei Kilometer vor Schluss zwanzig Sekunden.

Die Verfolgergruppe kam nun zum steilsten Stück der Steigung. Ulle konzentrierte sich nun vollkommen auf jede Bewegung seines italienischen Gegners, um eine Attacke unverzüglich kontern zu können. Als der Pirat aus dem Sattel ging, machte sich Ulle bereit, das Tempo zu erhöhen. Er handelte keinen Augenblick zu spät. Conti zog an der Spitze nun richtig am Horn und gab alles, um die Gruppe zu sprengen. Selbst Pantani schien zunächst leichte Mühe zu haben, dem Tempo zu folgen, Ulle kam schon fast an sein Limit. Der Angriff zeigte seine Wirkung. Außer Ulle schaffte es nur der zweite des Giro, Guiseppe Guerini, den beiden Profis von Mercatone Uno zu folgen, dahinter klaffte ein größeres Loch zu der nächsten Gruppe mit dem Mann in gelb, Berzin und den hochgewetteten Alex Zülle und Ivan Gotti. Und auch an der Spitze schien es eine Veränderung gegeben zu haben. Rudy teilte ihm gerade mit, dass Olano Virenque stehen gelassen hatte und nun alleine an der Spitze lag. Ulles Gruppe hatte nach Contis Tempoverschärfung den Rückstand auf fünfzehn Sekunden reduziert und sollte bald zu Virenque, den sie inzwischen schon einige Meter vor sich sahen, aufschließen können.

Zweitausend Meter vor dem Ziel hatten sie das Loch zum Franzosen geschlossen und Conti sprintete sofort an Virenque vorbei, statt am Hinterrad kurz seine Kräfte zu sammeln. Trotzdem schien es Pantani nicht schnell genug gehen zu können. Mit unwahrscheinlich hoher Frequenz tänzelte er an Contis Hinterrad den Berg hoch, während Ulle mit Mühe seinen hohen Gang durchdrückte. Der dürre Italiener wurde ihm so langsam unheimlich. Conti ging nun auf Höchstgeschwindigkeit und aus dessen Windschatten schaffte es Pantani noch einmal zu beschleunigen und zum Angriff überzugehen. Ulle setzte sofort nach und legte noch mehr Kraft in die Pedale. Direkt nach dem explosiven Antritt musste er zwar ein kleines Loch lassen, doch es gelang ihm schnell, das Hinterrad seines Widersachers zu erreichen. Sofort nahm Pantani das Tempo heraus und schaute sich nach Conti um, der wenige Sekunden später in seinem Rhythmus an das Duo herangefahren war und die Führungsarbeit erneut übernahm. Nun waren alle anderen Fahrer bis auf Ulle abgeschüttelt und Pantani schien vorerst zufrieden zu sein. Einige hundert Meter blieb er komplett ruhig und unternahm keinen weiteren Fluchtversuch. Deshalb konnte Olano bis zum Teufelslappen zwanzig Sekunden Vorsprung halten und sah bereits wie der sichere Sieger aus. Unter normalen Umständen war das Rennen gelaufen.

Dagegen sprach nur eins: Marco Pantani. Nachdem er einige hundert Meter verschnauft hatte, warf er nun seine Energiereserven ins Rennen. Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag trat er unwiderstehlich an und legte einige Meter zwischen sich und Ulle. Wie wild geworden raste er mit einer hohen Frequenz die Rampen der Schlusssteigung hoch. Ulle ging kurz aus dem Sattel und legte noch eine Schippe drauf. Tritt für Tritt kam er wieder näher an Pantani heran, er schaffte es allerdings nicht, den Italiener wieder einzufangen. Moralischen Auftrieb gaben ihm die Entfernungsangeben, die an den Absperrungen am Straßenrand angebracht waren. 600 Meter, 500 Meter, 400 Meter, es war beinahe geschafft. Vor den letzten beiden Kurven flachte die Strecke glücklicherweise noch einmal etwas ab und gab Ulle die Möglichkeit, näher an Pantani heranzufahren. Er nahm mit viel Risiko die Kurvenkombination kurz vor dem Zielstrich und hatte auf der Zielgeraden wieder ein Hinterrad vor sich. Doch es war nicht das von Marco Pantani, sondern sogar das von Olano. Gemeinsam mit Pantani hatte er den Spanier auf dem letzten Kilometer noch eingeholt, woran er gar nicht mehr geglaubt hatte. Mit letzter Kraft schob er sich am spanischen Zeitfahrspezialisten vorbei und sicherte sich Platz zwei hinter Pantani. Obwohl er den Tagessieg verpasst hatte, konnte er mit sich zufrieden sein. Er rollte zu Pantani und wollte ihm zum Sieg gratulieren, doch der Italiener lehnte seinen Glückwunsch ab und bedachte ihn mit wütigen, italienischen Wörtern. Anscheinend war er sauer, dass Ulle nur an seinem Hinterrad gefahren war, obwohl es überhaupt keine Veranlassung gegeben hatte sich anders zu verhalten. Dem arroganten Italiener würde er es zeigen. Morgen folgte das Zeitfahren. Dort würde er den Italiener deklassieren – und sich nebenbei das gelbe Trikot holen.




Ergebnisse:

Tageswertung
1. Marco Pantani Mercatone Uno 4h19:14
2. Jan Ullrich Telekom s.t.
3. Abraham Olano Banesto s.t.
4. Roberto Conti Mercatone Uno 0:21
5. Guiseppe Guerini Polti 0:29
6. Richard Virenque Festina 0:43
7. Alex Zülle ONCE s.t.
8. Ivan Gotti Saeco s.t.
9. Johan Bruyneel Rabobank s.t.
10. Laurent Dufaux Festina s.t.

Gesamtwertung
1. Abraham Olano Banesto 13h27:41
2. Jan Ullrich Telekom 0:03
3. Marco Pantani Mercatone Uno 0:29
4. Evgeni Berzin Batik 0:42
5. Alex Zülle ONCE 0:49
6. Roberto Conti Mercatone Uno 0:50
7. Guiseppe Guerini Polti 0:52
8. Johan Bruyneel Rabobank 1:00
9. Richard Virenque Festina 1:08
10. Fabian Jeker Festina 1:08


Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 56
2. Maurizio Tomi Ros Mary 31
3. Manuel Scopsi Ros Mary 22


Bergwertung:
1. Guiseppe Guerini Polti 14
2. Johan Bruyneel Rabobank 13
3. Marco Pantani Mercatone Uno 12

Teamwertung:
1. ONCE 40h26:37
2. Festina 0:03
3. Mercatone Uno 0:04

Valverde3007
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Beitrag: # 6791557Beitrag Valverde3007
28.9.2009 - 17:32

Überholmanöver

„Marco meinte, du hättest am Ende nicht mehr die Kraft gehabt, ihm zu folgen und zu übersprinten. Was hat das für das Zeitfahren zu bedeuten? Wird er dich auch heute schlagen?“
Bis jetzt hatte Ulle alle Reporter ignoriert, die versuchten, im Startbereich ein Interview mit ihm führen zu können. Doch als er von einem alten bekannten auf Pantani und dessen Äußerungen angesprochen wurde, platzte ihm der Kragen. Am Vorabend hatte der Italiener im Siegerinterview geprahlt, er habe Ulle locker beherrscht und Auseinander genommen und der deutsche sei keine Konkurrenz für ihn. Als Ulle, der schon nach dem Etappeneinlauf menschlich von Pantani enttäuscht worden war, als dieser seine Gratulation nicht annehmen wollte und ihn mit beleidigenden Worten wegschickte, am Morgen in die Zeitung schaute, platzte ihm der Kragen. Pantani hatte ihn als unehrlichen und respektlosen Jungen bezeichnet, dem er im Juli die Leviten lesen würde. Schon in den Schweizer Bergen wollte er alle Welt sehen lassen, wer der stärkste Fahrer war. Nun bot sich für Ulle die Chance, das richtig zu stellen. Er wandte sich dem Reporter zu und antwortete mit ruhiger Stimme: „Pantani erzählt Unsinn. Wenn ich gewollt hätte, wäre ich ihm davon gefahren. Heute wird es sich zeigen. Pantani startet zwei Minuten vor mir, wir werden sehen, wer zuerst im Ziel sein wird.“

Ulle hatte Klartext gesprochen. Beeindruckt von der bisher noch nicht gekannten Schlagfertigkeit des jungen deutschen zog sich Karsten aus dem Startbereich der Etappe zurück und begab sich in Richtung der Kommentatorenkabinen. Spätestens mit dem Duell der beiden Mitfavoriten für die Tour war die heiße Phase nun eröffnet. Pantani hatte sich in gewohnter Manier etwas übermütig gezeigt und es geschafft, Ullrich aus der Fassung zu bringen. Das produzierte Unruhe im Fahrerlager, die Frage war nur, was der Vorstoß bringen würde. Entweder wurde Ullrich unruhig und verkrampfte beim Versuch, den Italiener zu demütigen oder er schaffte es und setzte ein Ausrufezeichen. Karsten hoffte auf zweiteres, war sich bei Ullrich, der sonst introvertiert bis unsicher auftrat nicht sicher. Bisher hatte er eine gute Figur abgegeben, nun war es wichtig sich einen mentalen Vorteil zu verschaffen.

Hochmotiviert stand Ulle auf der Startrampe und wartete darauf, dass er das Rennen beginnen durfte. In Gedanken ging er die Streckenbesprechung mit Rudy noch einmal durch. Insgesamt lagen 32 Kilometer vor ihm, der einzige Zwischenmesspunkt war bei Kilometer 18 am höchsten Punkt der Strecke, danach ging es bis zum Ziel leicht bergab. Er wollte das Rennen verhalten beginnen und sich die Reserven für die letzten Kilometer, wo er es anpeilte, Pantani einzuholen. Immer noch kochte er vor Wut auf die Dreistigkeit des Italieners und war fest entschlossen, ihm alles heimzuzahlen. Nach dem Startschuss gab er deshalb trotz seinem Vorhaben, gemäßigt zu starten Vollgas und versuchte von der ersten Sekunde an Vollgas zu geben. Er wollte nicht nur gewinnen, er wollte das Feld demontieren. Heute Abend würde sich niemand mehr die Frage stellen, wer der stärkste im Feld war.

Dass Ulle mit vollem Elan auf die Strecke gegangen war, sah man schon bei einer ersten, inoffiziellen Zwischenzeit, die sein Sender nach etwa zehn Kilometern genommen hatte. Dort hatte Ullrich die Zwischenbestzeit des Schweizers Alex Zülle um fünf Sekunden unterboten und war auf Platz eins gefahren. Hinter den beiden klaffte schon eine kleine Lücke von etwa zehn Sekunden auf Evgeni Berzin und Laurent Jalabert, die die Plätze drei und vier belegten. Die wichtigste Information war allerdings, dass Marco Pantani bereits vierzig Sekunden und damit schon ein Drittel des Abstandes zwischen ihm und Ullrich verloren hatte. Bei gleich bleibender Tendenz konnte das immer noch reichen, um die zwei Minuten Abstand zu überbrücken. Bei der schnellen Angangszeit blieb aber ein kleines Risiko, dass Ulle vom Gedanken, Pantani zu schlucken besessen, übermotiviert schon auf den ersten Kilometern zu viel Kraft vergeudet hatte. Bis zur Zwischenzeit hatte er noch sehr gut ausgesehen, doch auf dem ansteigenden Stück des Zeitfahrens war sein Tritt nicht mehr so flüssig wie zu Beginn. Wenn er sich nicht bald wieder fangen würde, hätte Pantani sein Ziel tatsächlich erreicht und Ullrich so weit in die Offensive getrieben, dass dieser im zweiten Teil der Strecke nicht mehr viel gut machte und Pantani den Schaden in Grenzen hielt.

Meter für Meter merkte Ulle mehr, dass er zu schnell angegangen war. Der Hügel war schwerer zu fahren, als er gedacht hatte und dazu fing es noch leicht an zu regnen, was er überhaupt nicht mochte. Der Wetterbericht hatte zwar für den späteren Nachmittag schlechtere Bedingungen vorausgesagt, doch Ulle hatte gehofft, dass es bis zu seiner Zieleinfahrt stabil bleiben würde. Am Anstieg hatte er das Tempo etwas herausgenommen, um wieder Kräfte zu sammeln und weil er einfach nicht in der Lage war, das Tempo weiter so hoch wie bisher zu halten. Nun näherte er sich der Zwischenzeit bei Kilometer Achtzehn. Durch einen kurzen Blick zur Anzeigetafel konnte er seine Zeit zwar nicht erkennen, aber Rudy meldete sich sofort zu Wort. „Du hast zehn Sekunden Rückstand auf Zülle und liegst noch drei Sekunden vor Jaja. Auf Pantani ist es schon mehr als eine Minute. Du musst nochmal Gas geben. Es ist noch alles drin.“ In Ulle keimte wieder etwas Hoffnung auf. Obwohl er das Tempo reduziert hatte und nicht mehr Vollgas geben konnte, war er in Reichweite der Spitze geblieben. Auf der Abfahrt konnte er sich wieder ein bisschen erholen, vielleicht reichte es noch, um Zülle einzuholen.

Die Spitzenzeit im Ziel hielt vor den letzten fünf Fahrern, die noch folgen sollten immer noch der britische Prologspezialist Chris Boardman, der die 32 Kilometer in 44:29 zurückgelegt hatte. Seine Führung stand nun aber auf der Kippe, da Alex Zülle mit einem Wahnsinnstempo dem Ziel entgegen geschossen kam und anscheinend in der Lage war, die Zeit zu unterbieten. Wie es sich bei den Zwischenzeitkontrollen angekündigt hatte, konnte der Zeitfahrweltmeister den Kurs noch weitere fünfzehn Sekunden schneller absolvieren und die Führung übernehmen. Von den vier folgenden Fahrern hatten nun wohl noch Berzin, Olano und Ullrich die Chance, aufs Podium zu fahren, Marco Pantani würde einiges an Zeit verlieren. Nun schaltete die Regie auch schon zu dem Italiener um, der sichtlich am Ende war. Das Kameramotorrad, das hinter dem Italiener fuhr, fing die Angabe, dass Pantani nun auf die letzten drei Kilometer kam ein und überholte ihn anschließend. Dadurch rückte noch jemand in das Blickfeld der Kamera, Jan Ullrich, der von hinten heranflog.

Ulle sog sich immer weiter an Pantani heran. Nach der letzten Kurve hatte er seinen neuen Erzfeind zum ersten Mal in seinem Blickfeld gehabt und seitdem war der Abstand beständig geschrumpft. Die Tatsache, dass er den großmäuligen Italiener überholen konnte, gab ihm den letzten Motivationsschub. Er nutzte kurz den Windschatten von Pantani und setzte zu einem kurzen Sprint an. Während er am verdutzten Italiener, der sogar in dem kurzen Augenblick, in dem Ulle ihm in die Augen schauen konnte, entkräftet und moralisch gebrochen schien, verspürte er ein Gefühl des Triumphs und der Erleichterung. Er hatte seinen Worten im Gegensatz zu Pantani Taten folgen lassen. Innerhalb weniger Meter hatte er seinen Konkurrenten uneinholbar abgehängt. Getragen von der Euphorie des Augenblicks legte er nun alle Kraft in die Pedale. Die Müdigkeit schien verschwunden, ersetzt durch den unbedingten Siegeswillen.

Hatte sich Karstens Stimme schon bei Ullrichs Überholmanöver überschlagen, folgte im Finale nun beinahe der totale Kollaps. Innerhalb der letzten Kilometer hatte Ullrich viel Zeit gut gemacht und lag wieder in Schlagdistanz von Zülle. Aus dem Rückstand bei der Zwischenzeit konnte vielleicht sogar ein Vorsprung geworden sein. Je näher Ullrich dem Ziel kam, desto knapper schien es zu werden, aber der Sieg blieb möglich. Auf den letzten Metern schrie Karsten ihn enthusiastisch in Richtung Sieg, doch es blieb eine äußerst knappe Entscheidung. 350 Meter vor dem Ziel hatte er noch eine halbe Minute, 200 Meter vor dem Ziel waren es noch 18 Sekunden, Ullrich zog den letzten Sprint an und raste der Ziellinie entgegen. Als seine Endzeit erschien, sprang Karsten auf und stieß laute Jubelrufe aus.

Mit letzter Kraft rettete Ulle sich über den Zielstrich, bevor er aufhörte zu treten. Er wagte einen vorsichtigen Blick zurück zur Anzeigetafel und reckte eine Faust in die Luft. Es hatte gereicht, er hatte gewonnen. Sofort fielen ihm seine Teamkollegen und Betreuer, die im Zielbereich auf ihn warteten, glücklich in die Arme. Er hatte es tatsächlich geschafft, er hatte das Zeitfahren mit fünf Sekunden vor Alex Zülle gewonnen und so viel Abstand zu Abraham Olano herausgefahren, dass er das gelbe Trikot übernahm. Eine noch größere Genugtuung verspürte er, als Marco Pantani erst einige Sekunden später ins Ziel eintrudelte. Als er kurz vor dem Auflauf von Teammitgliedern des Teams Telekoms warten musste, konnte Ulle sich nicht zurückhalten und provozierte den Italiener. „Wer ist denn jetzt der bessere?“, fragte er mit einem zufriedenen Grinsen. Pantani funkelte ihn böse an, antwortete aber nicht. Stattdessen sah Ulle nur, wie er wütend mit seinem Helm nach einem Mechaniker warf.



Ergebnisse:

Tageswertung
1. Jan Ullrich Telekom 44:09
2. Alex Zülle ONCE 0:05
3. Abraham Olano Banesto 0:18
4. Chris Boardman GAN 0:20
5. Evgeni Berzin Batik 0:31
6. Gianluca Pierobon Brescialat 0:37
7. Manuel Scopsi Ros Mary 0:39
8. Laurent Jalabert ONCE 0:43
9. Roberto Conti Mercatone Uno 0:52
10. Beat Zberg Mercatone Uno 0:58

Gesamtwertung
1. Jan Ullrich Telekom 14h11:53
2. Abraham Olano Banesto 0:15
3. Alex Zülle ONCE 0:41
4. Evgeni Berzin Batik 1:00
5. Roberto Conti Mercatone Uno 1:29
6. Fabian Jeker Festina 2:02
7. Laurent Jalabert ONCE 2:13
8. Johan Bruyneel Rabobank 2:18
9. Guiseppe Guerini Polti 2:25
10. Beat Zberg Mercatone Uno 2:33


Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 56
2. Jan Ullrich Telekom 35
3. Maurizio Tomi Ros Mary 31


Bergwertung:
1. Guiseppe Guerini Polti 14
2. Johan Bruyneel Rabobank 13
3. Marco Pantani Mercatone Uno 12

Teamwertung:
1. Mercatone Uno 42h40:06
2. ONCE 0:41
3. Banesto 3:21

Valverde3007
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Beitrag: # 6791695Beitrag Valverde3007
30.9.2009 - 17:34

5. Etappe Tour de Suisse – Sprinter auf Abwegen

Mit Erstaunen hatte die Konkurrenz miterlebt, wie sich der schnellste Mann im Feld auf eine widersinnige Aktion begeben hatte. Erik Zabel, der ohnehin schon das Trikot des punktbesten trug, hatte sich direkt nach dem offiziellen Startschuss ein Herz gefasst und sich mit einem kraftvollen Antritt vom Hauptfeld abgesetzt. Dort hatte man über den deutschen Spaßvogel gescherzt, der wohl vergessen hatte, dass die heutigen 147 Kilometer bei strömendem Regen in einer Bergankunft enden würden. Zunächst sah man es als Scherz an, dass der Mann, der sonst auf den letzten Metern seinen Turbo zündete, es dieses Mal sofort am Anfang versuchte. Als der Vorsprung nach drei Kilometern dann schon über zwei Minuten betrug, sahen die Fahrer im Feld ein, dass der Sprinter es womöglich doch ernst meinte und es auf die Sprintwertungen abgesehen hatte. Ulle, der am Morgen dem Teammeeting des Teams Telekom beigewohnt hatte, hatte die Situation schmunzelnd verfolgt, während sich sein Teamkollege immer weiter absetzte, bevor jemand reagierte. Natürlich kam es dem Sprinter auch entgegen, dass die Etappe wegen schlechter Witterungsbedingungen von über 250 auf knapp unter 150 Kilometern verkürzt worden war, aber sein Unternehmen war dennoch waghalsig.

Ete blickte sich immer wieder um und wartete auf Nachrichten über Funk, dass irgendjemand die Verfolgung von ihm aufgenommen hatte, aber er wurde enttäuscht. Bei dem nassen Wetter hatte offensichtlich niemand die Motivation, einen langen Ausreißversuch zu fahren. Auf eine ähnliche Situation hatte Ete gehofft. Als er am Morgen hörte, dass der Grimselpass und der Nufenenpass gestrichen worden waren, hatte er den Vorschlag gemacht, dass er heute selber in die Gruppe des Tages gehen konnte. So konnte er sich mit Blick auf die Tour, wo er im Gebirge taktische Aufgaben übernehmen müsste, vorbereiten und nebenbei Sprintpunkte einsammeln. Dabei war zwar nicht geplant, dass er als Solist über viele Kilometer alleine Wind und Wetter trotzen musste, aber nun musste er die Situation akzeptieren. Er hatte die erste Sprintwertung nach sechzig Kilometern mit über zwölf Minuten Vorsprung passiert und genoss nun das seltene Glück im virtuellen Spitzenreitertrikot zu fahren. Andererseits nahm er wegen des großen Vorsprungs das Tempo etwas heraus, um Kräfte für den Schlussanstieg hinauf nach Bosco Gurin zu sparen, wo er für Ulle wertvolle Arbeit leisten konnte.

Bild
Zabel als Ausreißer - Telekom kontrolliert das Feld

Soeben wurde die Nachricht durchgegeben, dass Ete sich mit knappem Vorsprung auf ein Verfolgertrio, das sich bei der Rennmitte abgesetzt hatte und aus Sgambelluri, Cerioli und Bobrik bestand, die zweite Sprintwertung 25 Kilometer vor dem Ziel gewonnen hatte. Danach hatte er sich zu den dreien zurückfallen lassen und mit ihnen den finalen Anstieg nach Bosco Gurin in Angriff genommen. Am Fuße dieser Bergankunft befand sich nun auch das Feld mit Pantanis Mercatone Uno an der Spitze. Der Pirat schien die Pleite vom Vortag wettmachen zu wollen und einen Großangriff zu fahren. Ulle hielt sich direkt an seinem Hinterrad, Totschnig und Heppner fuhren an seiner Seite. Die Schlusssteigung war wieder ein Berg, der in zwei Stufen erklommen werden musste. Von 500 Metern über dem Meeresspiegel ging es zuerst drei Kilometer mit neun Prozent Steigung bergauf, dann folgten fünf Kilometer, die nur noch etwa drei Prozent steil waren und zum Schluss folgten sieben hammerharte Kilometer mit durchschnittlich fast zehn Prozent Steigung. Auf Pantanis Gesicht konnte Ulle schon ein leichtes Grinsen erkennen und als der Italiener sich zu ihm umschaute, lachte dieser ihn hämisch an. Er rief etwas auf italienisch zu seinen Teamkollegen, worauf das Tempo merklich angezogen wurde. Ab dem ersten ansteigenden Meter gaben die Italiener Vollgas. Schon nach den ersten zwei Kilometern war die Gruppe auf 25 Fahrer geschmolzen und Pantani hatte nur noch Conti und Zberg an seiner Seite. Ulle ging es noch schlechter, er konnte nur noch auf Heppe zählen. Jetzt zeigte sich der Vorteil, dass Ete noch vorne war. Diesen Vorteil wollte Pantani ihm nicht exklusiv gewähren und schickte nun seinerseits einen Helfer in die Attacke. Roberto Conti attackierte, worauf sich eine Gruppe um ihn, Jeker, Guerini, Rebellin, Vinokurov und Zarrabeitia bildete. Mit dem Gesamtsechsten, dem siebten und dem neunten waren dabei gefährliche Leute dabei, deshalb schickte Ulle Heppe an die Spitze, wo er zusammen mit Olanos Helfer Manuel Beltran die Verfolgung eröffnete.

Wie ein Wirbelwind war die Gruppe um Conti an Ete vorbeigeschossen ohne ihm die Chance zu geben, sich an sie heranzuhängen. Stattdessen wartete Ete auf die Gruppe um Ulle, wo er sich gleich an die Spitze setzte und seine letzten Körner in die Waagschale zu legen und den Abstand zu reduzieren. Zu seinem Glück hatte Ete das erste Steilstück gut überstanden und konnte nun im beinahe Flachen noch Tempo machen. Zufrieden sah er, dass er es im Flachstück schaffte, die Ausreißer in Sichtweite der Gruppe zu halten. Er setzte seine letzten Kräfte ein und ging dann auf den ersten Metern, die wieder steiler waren aus der Führung. Seine Beine brannten, sein Hals war trocken, er war einfach nur fertig. Als Ulle ihn passierte, hielt Ete ihm noch eine Trinkflasche hin, die sein Kapitän dankend annahm. Mit einem dankbaren Kopfnicken zollte er Ete seinen Respekt, bevor er sich wieder auf die Verfolgung konzentrierte. Ete ereilte stattdessen das Schicksal eines Sprinters. Die Müdigkeit in seinen Beinen erschwerte jeden Tritt und nur mit äußerster Mühe konnte er überhaupt weiterfahren. Er wusste, dass er noch viele Minuten Rückstand bekommen würde, aber wenn Ulle vorne ankam, war es das wert gewesen.

Als der Sprinter aus der Führung ging, übernahm Heppe seinen Platz. Ulle postierte sich direkt hinter seinen letzten Helfer und kämpfte gegen die Steigung und das nasskalte Wetter, das ihn frieren ließ. Sein schlimmster Gegner war allerdings ein ganz anderer. Während die fünf Verfolger immer weiter wegzogen tänzelte er spielerisch an Ulles Hinterrad und täuschte immer wieder leichte Antritte an, die Ulle aus der Konzentration brachten. Zweimal brachte er Heppe aus dem Rhythmus, indem er an die Spitze fuhr und eine Lücke von einigen Metern entstehen ließ. Durch diese unruhige Fahrweise vergrößerte sich der Vorsprung der Verfolgergruppe auf fast eine Minute und Heppe war bald nicht mehr in der Lage dagegenzuhalten. Auch Beltran ging nun aus der Führung und bedeutete Ulle, dass er selber die Führung übernehmen solle. Ulle war nicht bereit, das Zugpferd für die anderen zu spielen, befand sich auf der anderen Seite aber in einer Drucksituation, weil Conti nur etwa eineinhalb Minuten im Gesamtklassement hinten lag. Diesen Erfolg wollte er Pantanis Helfer nicht lassen. Also setzte er sich halbherzig an den Kopf der Gruppe und suchte seinen Rhythmus. Diesen hielt er einige hundert Meter bis Pantani die erste Attacke setzte. Ehe Ulle sich versah, hatte Pantani sich mit einem wuchtigen Antritt von der Gruppe gelöst. Sofort schaltete Ulle hoch und erhöhte das Tempo. Pantani schaute sich um und legte seinerseits noch eine Schippe drauf. Ulle musste auf die Zähne beißen, aber Pantani wollte er nicht ziehen lassen. Mit seinem Blick fixierte er das Hinterrad von Pantani und übte noch mehr Druck auf seine Pedalen aus, bis er ihn endlich erreicht hatte.

Bild
Ulle an zwei Hinterrädern - Links Heppner, rechts Pantani

Der Rest der Gruppe war nun distanziert, Pantani hatte dafür gesorgt, dass es zum Duell kam. Sobald Ulle zu ihm aufgeschlossen hatte, nahm der Italiener das Tempo heraus und ließ seinen Widersacher vorbeiziehen. Ulle versuchte es nun wieder mit einem gleichmäßig hohen Tempo, aber wie erwartet war Pantani damit nicht zufrieden. Nach einer kurzen Verschnaufpause folgte sein zweiter Angriff. So ging es nun einige Minuten weiter. Immer wieder forcierte Pantani, immer wieder schloss Ulle zu ihm auf, aber keiner konnte sich entscheidend absetzen. Das Spielchen ging so lange weiter, bis sie es letztendlich zwei Kilometer vor Schluss geschafft hatten, zur Spitzengruppe, aus der Roberto Conti nach vorne herausgefahren war, aufzuschließen. Ulle sah, dass Pantani sich zunächst an das Ende der Gruppe setzen wollte, deshalb ergriff er nun zum ersten Mal die Initiative, wechselte die Straßenseite und setzte seinerseits eine Attacke. Pantani schien davon vollkommen überrascht zu sein, er versuchte gar nicht erst, ihm hinterherzusprinten, sondern blieb in der Gruppe. Diesen Moment der Schwäche nutzte Ulle gnadenlos aus. Er hielt nun konsequent sein Tempo und wurde stetig von den neuen Abstandsangaben aus dem Teamauto motiviert. Conti rückte immer näher und die Pantanigruppe verlor an Boden. Die Reste der Spitzengruppe wurden von ihm durchgereicht und an der Kilometermarke war er zu Conti aufgeschlossen. Pantanis Helfer schaute sich Hilfe suchend nach seinem Kapitän um, den er an Ulles Seite erwartet hatte. Einen kurzen Moment war er unschlüssig, ob er auf Pantani warten sollte, die Chance auf den Tagesseig schien ihm aber wichtiger zu sein. Den letzten Kilometer ließ er sich von Ulle ziehen, bis er auf der Zielgerade versuchte, vorbeizugehen. Jedem anderen Team hätte Ulle den Tageserfolg wahrscheinlich gewünscht, aber nicht Mercatone Uno. Deshalb hielt er dagegen und zog selber den Sprint an. Conti gab schnell nach und musste realisieren, dass er gegen Ulle keine Chance hatte. So rollte der deutsche im gelben Trikot jubelnd zu seinem zweiten Tagessieg. Pantani und er hatten die Muskeln spielen lassen und Ulle hatte den Vergleich zu seinen Gunsten entschieden.
Bild
Ulle siegt im Schlussspurt - Conti zweiter


Ergebnisse:

Tageswertung
1. Jan Ullrich Telekom 44:09
2. Roberto Conti Mercatone Uno s.t.
3. Guiseppe Guerini Polti 0:33
4. Marco Pantani Mercatone Uno s.t.
5. Ivan Cerioli Batik s.t.
6. Alexander Vinokurov Casino s.t.
7. Fabian Jeker Festina s.t.
8. Davide Rebellin Fdjeux s.t.
9. Roberto Sgambelluri Brescialat s.t.
10. Mikel Zarrabeitia ONCE s.t.

Gesamtwertung
1. Jan Ullrich Telekom 18h00:44
2. Roberto Conti Mercatone Uno 1:29
3. Abraham Olano Banesto 1:50
4. Alex Zülle ONCE 2:16
5. Evgeni Berzin Batik 2:19
6. Fabian Jeker Festina 2:35
7. Guiseppe Guerini Polti 2:58
8. Marco Pantani Mercatone Uno 3:32
9. Laurent Jalabert ONCE 3:48
10. Alexander Vinokurov Casino 3:50

Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 68
2. Jan Ullrich Telekom 50
3. Maurizio Tomi Ros Mary 32

Bergwertung:
1. Guiseppe Guerini Polti 20
2. Jan Ullrich Telekom 20
3. Marco Pantani Mercatone Uno 17

Teamwertung:
1. Mercatone Uno 54h16:26
2. ONCE 2:32
3. Banesto 5:58

Valverde3007
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Beitrag: # 6796298Beitrag Valverde3007
12.11.2009 - 15:59

6.Etappe Tour de Suisse – Rückschlag

„Es kann nicht immer alles so funktionieren, wie man es sich vorstellt. Irgendetwas läuft meistens schief. Heute war es leider zu viel.“
Nach außen versuchte Ete so lässig wie in den vergangenen Tagen zu wirken, aber innerlich brodelte es in ihm. Seine Sprinterkollegen wären vielleicht glücklich gewesen, wenn sie wie er schon zwei Etappensiege bei der Tour de Suisse auf dem Konto gehabt hätten, aber Ete war das nicht mehr genug. Es war vielmehr zur Gewohnheit geworden, dass er seine Konkurrenz in den Sprints dominierte, Rückschläge war er kaum noch gewohnt. Heute hatte er den ersten reinen Massensprint bei einer Rundfahrt seit der Tour de Romandie Ende April verloren. Gegenüber den Reportern hätte er sich mit seinem langen Fluchtversuch vom Vortag oder seinem Sturz im ersten Renndrittel rechtfertigen können. Die Wahrheit war, dass er auf dieser sechste Etappe der Schweizer Rundfahrt bei weitem nicht der stärkste war und einsehen musste, dass andere starke Sprinter pünktlich zur Tour in Form kamen. Das beste Beispiel dafür war Robbie McEwen. Im Saisonverlauf war der junge Australier mehr durch Kamikazeeinlagen als Antritte auf den letzten Metern aufgefallen, so dass es kaum verwunderlich war, dass er seit seinem guten Auftritt bei Paris-Nizza im März kaum mehr aufgefallen war. Doch jetzt war er da, zwei Wochen vor der Tour stellte er seine Siegfähigkeit zu Etes Leidwesen eindrucksvoll unter Beweis. Nun musste er analysieren, was der Grund für seine Niederlage war und es besser machen.
In Gedanken ging er die Geschehnisse des Tages noch einmal durch. Früh hatte sich ein Trio mit Vandenbroucke, Gualdi und Magnien abgesetzt, das den Tag an der Spitze verbrachte. Ete rollte mit seinem Telekomteam gemütlich im Feld mit, ließ den drei einen großzügigen Vorsprung, den seine Helfer im Finale wieder schlossen. Zwanzig Kilometer vor dem Ziel kam es zu einer ersten heiklen Situation. Ete war mit zu hoher Geschwindigkeit in eine scharfe Kurve gefahren und von der Straße abgekommen. Immerhin hatte er Glück im Unglück gehabt und war relativ weich in einem kleinen Bach gelandet. Nachdem er sich kurz auf Verletzungen überprüft hatte, konnte er deshalb schnell in den Sattel zurückkehren und ließ sich von Mario Kummer und Rolf Aldag zurück ins Feld bringen.
Eigentlich war er nun noch entschlossener gewesen, die Etappe als Trotzreaktion zu gewinnen, aber im Finale traf er wieder die faschen Entscheidungen. Er kam zwar an Lombardis Hinterrad auf die Zielgerade, musste dort aber Minali mit seinem Anfahrer Colombo vorbei ziehen lassen. Sofort hatte er sich Minalis Hinterrad geschnappt und der Sprint schien perfekt zu laufen, als er zweihundert Meter vor dem Ziel am Italiener vorbeigehen konnte, aber dann merkte Ete, dass er sich verkalkuliert hatte. Je näher er dem Ziel kam, desto mehr schwanden seine Kräfte, so dass er resigniert mit ansehen musste, wie McEwen auf der Ziellinie die Arme als Sieger in die Höhe riss, während Ete nur Platz vier blieb. Ete war sich zu sicher geworden und hatte seine Stärke überschätzt, heute war er rechtzeitig vor der „Großen Schleife“ auf den harten Boden der Realität zurückgeholt worden. Das grüne Trikot war noch längst nicht vergeben, er würde wie seine Kapitäne Bjarne und Ulle um ihr gelbes Trikot hart darum kämpfen müssen.


Ergebnisse:

Tageswertung
1. Robbie McEwen Rabobank 4h24:40
2. Maurizio Tomi Ros Mary s.t.
3. Erik Zabel Telekom s.t.
4. Nicola Minali Batik s.t.
5. Lars Michaelsen TVM s.t.
6. Stefano Checchin Mercatone Uno s.t.
7. Alessandro Bertolini MG Technogym s.t.
8. Ivan Cerioli Batik s.t.
9. Gabriele Colombo Batik s.t.
10. Giovanni Lombardi Telekom s.t.

Gesamtwertung
1. Jan Ullrich Telekom 22h25:24
2. Roberto Conti Mercatone Uno 1:29
3. Abraham Olano Banesto 1:50
4. Alex Zülle ONCE 2:16
5. Evgeni Berzin Batik 2:19
6. Fabian Jeker Festina 2:35
7. Guiseppe Guerini Polti 2:58
8. Marco Pantani Mercatone Uno 3:32
9. Laurent Jalabert ONCE 3:48
10. Alexander Vinokurov Casino 3:50

Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 84
2. Maurizio Tomi Ros Mary 52
3. Jan Ullrich Telekom 50

Bergwertung:
1. Guiseppe Guerini Polti 20
2. Jan Ullrich Telekom 20
3. Marco Pantani Mercatone Uno 17

Teamwertung:
1. Mercatone Uno 67h30:26
2. ONCE 2:32
3. Banesto 5:58
Zuletzt geändert von Valverde3007 am 23.11.2009 - 10:50, insgesamt 2-mal geändert.

Valverde3007
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Beitrag: # 6796488Beitrag Valverde3007
14.11.2009 - 12:46

7.Etappe Tour de Suisse – Fremde Hilfe

Einen Moment überlegte Ulle, ob es wirklich notwendig war, sich so kurz vor der Tour so zu schinden. Eine ewig lange Woche fuhr er nun schon in der Schweiz um den Rundfahrtsieg, überquerte einen Pass nach dem nächsten und musste sich der pausenlosen Attacken seiner Konkurrenten erwehren. Er schaute zur Seite, wo sich die anderen Träger der Wertungstrikots an der Startlinie in Zug aufgestellt hatten. Links neben ihm hatte sich Ete platziert, der nach seinem Sturz vom Vortag dicke Verbände trug, rechts der beste Bergfahrer der ersten sieben Etappen, Guiseppe Guerini und der junge Kasache Alexander Vinokurov, der stellvertretend für Ulle im weißen Trikot des besten Nachwuchsfahrers fuhr. Beide kannte Ulle erst seit kurzem, aber in ihren kurzen Gesprächen hatte Ulle bemerkt, dass sie auf einer Wellenlänge lagen. Kaum hatte das Rennen nach dem Startschuss neutralisiert begonnen, plauderte er schon wieder mit Guerini über die heutige Etappe. Jeweils ein Berg der ersten und zweiten Kategorie würde zu bewältigen sein, bevor zum Schluss der Etappe zwei Rampen, die etwa zweieinhalb Kilometer lang waren warteten. Guerini versuchte nebenbei, Ulle eine Zusage abzuringen, dass dieser nicht um die Punkte für die Bergwertung, in der er immerhin den zweiten Platz belegte, mitkämpfen würde. Dafür sicherte ihm der kleine Italiener seine Hilfe auf den letzten schweren Kilometern zu. Ulle klopfte ihm dankbar auf die Schulter und setzte sich dann, nachdem der scharfe Start erfolgte, sofort wieder mit seinem Team Telekom an die Spitze des Feldes.

Ete schnaufte schon schwer, als das Peloton den Gipfel der zweiten Bergwertung, der schwersten des Tages, erreichte. Fast drei Stunden machte er nun schon den Buckel für seinen Kapitän krumm und ließ sich auch nicht von seinem geschundenen Körper davon abhalten, mit durch die Führungsarbeit zu gehen. Denn das war dringend notwendig. Seit nunmehr hundert Kilometern fuhr eine Spitzengruppe vor dem Feld die es in sich hatte. Mit dabei waren Marco Villa, die Schweizer Klassikerspezialisten Pascal Richard und Mauro Gianetti sowie der Sieger des Fleche Wallone, Francesco Casagrande. Nachdem das Feld die vier zunächst ohne Bedenken ziehen ließ, wurde die Lage nun brenzlig. Der passable Bergfahrer Casagrande, der im Gesamtklassement nur etwa zehn Minuten hinter Ulle lag, hatte mit seinen Begleitern schon über vierzehn Minuten herausgefahren und hatte damit mit großem Vorsprung die Gesamtführung übernommen und es waren nur noch vierzig Kilometer Zeit, den Schaden wieder zurechtzubiegen. Ete wollte das Trikot nicht auf diese Weise verlieren. Deshalb waren nun noch dreißig Kilometer Vollgas angebracht, bis er Ulle auf die schweren, finalen zehn Kilometer entlassen würde.

Ulle stöhnte entsetzt auf. Die Fahrer machten ihm nicht den Gefallen, bis in den Schlussanstieg mit Attacken zu warten, nein schon an einer kleinen Welle zwölf Kilometer vor dem Ziel lösten sich einige Fahrer vom Feld. Jeker, Berzin, Zarrabeitia und Belli gingen sofort in die Offensive und setzten Ulle unter Zugzwang. Der Abstand zu Casagrande war zwar bis auf neuneinhalb Minuten eingedampft worden, doch mit Berzin und Jeker griffen nun zwei neue Leute die Gesamtführung an. Und auch die Klassikerelite war noch scharf auf eine gute Tagesplatzierung. Nachdem bis auf Berzin und Jeker alle Fahrer zwischen der Ausreißergruppe und dem Feld eingeholt worden waren, attackierte Michele Bartoli am Fuß des ersten der beiden Schlusshügel. Sofort folgten ihm Jalabert, Vinokurov und Rebellin, sodass ein neues Quartett entstand. Ulle schaute unschlüssig zu seinen wichtigsten Gegnern Olano und Conti, aber beide schüttelten nur den Kopf und schoben Ulle in die Spitzenposition. Nur noch Jens Heppner war an seiner Seite, aber viel Hilfe konnte er nicht mehr erwarten. Dabei merkte er, dass er sie heute brauchen würde. Im Laufe des Tages hatte sich bei ihm ein etwas mulmiges Gefühl entwickelt, das sich immer weiter verstärkte. Noch war alles unter Kontrolle, aber durch konsequente Angriffe sollte man Ulle heute ermüden können.

„Weitermachen, Heppe, wir kommen ran.“ Walters Anfeuerungsrufe trieben ihn noch einmal zu Höchstleistungen. Heppe war der einzige, der Jan noch unterstützen konnte und das war heute augenscheinlich besonders wichtig. Sein Kapitän machte keinen besonders starken Eindruck, wie ein Großteil des Teams. Ete fuhr auf dem Zahnfleisch, Totsche hatte offensichtlich noch starke Probleme mit seiner Form und nur er, Heppe, war in der Lage, Jagd auf Berzin, Jeker und deren Verfolger zu machen. Mit zusammengebissenen Zähnen ging er aus dem Wiegetritt bis er die Kuppe des ersten Hügels erreicht hatte. Auf der sehr kurzen anschließenden Abfahrt konnte er dann wieder die Ausreißer sehen. Er schätzte den Abstand auf circa zwanzig Sekunden ein, er war also noch so klein, dass niemand Ulle gefährlich werden konnte. Aber die abschließenden drei Kilometer konnten ihn noch eine Menge Zeit kosten. Denn nun war auch Heppe an seinem Limit angekommen. Als er sich umschaute, um die Größe der Gruppe zu begutachten, stellte er fest, dass nur noch zwanzig Fahrer beisammen waren, die alle so leidend aussahen wie er. Da fuhr ein Fahrer an Heppes Seite und setzte an, ihn zu überholen. Heppe wollte schon beschleunigen, als er sah, dass es Guerini war. Der Italiener setzte sich an die Spitze und übernahm die Tempoarbeit. Heppe ließ nun einen paar Tritte aus, scherte aus der Reihe aus und ließ sich zurückfallen. Er hatte seine Arbeit erledigt und er hatte sie verdammt gut erledigt.

Als Guerini in die Führung ging, ging ein Ruck durch die Gruppe. Binnen weniger Sekunden schloss der Bergkönig des Giros die Lücke zu den Verfolgern. Das angeschlagene Tempo war dabei so hoch, dass die Hauptgruppe förmlich explodierte. Nur Abraham Olano, Roberto Conti, Ivan Gotti, Vladimir Belli, Ivan Gotti und Johan Bruyneel konnten folgen. Der Rest, darunter Zülle, Pantani und Virenque, konnte dem Tempo nicht folgen. Darüber freuen konnte Ulle sich noch nicht. Denn nun auf den letzten eineinhalb Kilometern bekam er auch Schwierigkeiten und verlor an Boden. Das Hinterrad von Guerini musste er aufgeben und fiel hinter Conti zurück. An seiner Seite blieb dabei stets Olano, der genau so leidend aussah. Die letzten Meter wurden nun zur Qual und Ulle hoffte, dass Conti seine Schwäche nicht ausnutzte. Unentschlossen schaute er sich immer wieder um, mal nach Ulle, mal nach seinem Kapitän Pantani, der einige Meter hinter der Gruppe nach Anschluss suchte. Aber spätestens Tausend Meter vor dem Ziel war klar, dass jeder, der den Anschluss an die Gruppe verloren hatte, in der Gesamtwertung keine Rolle mehr spielte. Nun bekam auch Conti grünes Licht von seinem sportlichen Leiter und stürmte los. Ulle versuchte gar nicht zu kontern, sondern musste resignierend mit anschauen, wie Conti davonzog. Da drehte sich Guerini zu ihm um und bot ihm sein Hinterrad an. Nun revanchierte er sich dafür, dass das Team Telekom ihn im Kampf ums Bergtrikot unterstützte. Ulle biss sich an seinem Hinterrad fest und fand nun wieder einen guten Rhythmus. Conti kam auch immer näher und auf den letzten dreihundert Metern hatte Guerini ihn wieder gestellt. Als der Italiener resigniert das Tempo raus nahm, rollte die Gruppe wieder zusammen. Ulle warf einen dankbaren Blick hinüber zu Guerini. Obwohl Conti im Sprint mit Platz fünf den ersten in der Gruppe belegte und Ulle als letzter über die Ziellinie rollte, hatte er es geschafft. Wieder hatte er keine Zeit verloren und nun hatte er für den letzten Tag immer noch eineinhalb Minuten Vorsprung.


Ergebnisse:

Tageswertung
1. Mauro Gianetti FdJeux 4h11:59
2. Marco Villa Brescialat 1:46
3. Pascal Richard Casino 2:27
4. Francesco Casagrande Saeco 3:08
5. Roberto Conti Mercatone Uno 5:15
6. Davide Rebellin Fdjeux s.t.
7. Alexander Vinokurov Casino s.t.
8. Micehle Batoli MG Technogym s.t.
9. Laurent Jalabert ONCE s.t.
10. Abraham Olano Banesto s.t

Gesamtwertung
1. Jan Ullrich Telekom 26h42:38
2. Roberto Conti Mercatone Uno 1:29
3. Abraham Olano Banesto 1:50
4. Fabian Jeker Festina 2:35
5. Guiseppe Guerini Polti 2:58
6. Alex Zülle ONCE 3:31
7. Evgeni Berzin Batik 3:34
8. Laurent Jalabert ONCE 3:48
9. Alexander Vinokurov Casino 3:50
10. Johan Bruyneel Rabobank 3:53

Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 84
2. Maurizio Tomi Ros Mary 52
3. Jan Ullrich Telekom 50

Bergwertung:
1. Mauro Gianetti FdJeux 28
2. Guiseppe Guerini Polti 23
3. Pascal Richard Casino 20

Teamwertung:
1. Mercatone Uno 80h24:38
2. ONCE 2:32
3. Brescialat 3:04

Valverde3007
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Beitrag: # 6797339Beitrag Valverde3007
23.11.2009 - 10:59

8.Etappe Tour de Suisse – Neunzig Sekunden

Neunzig Sekunden, eineinhalb Minuten nahm Ulle mit auf die letzte Etappe der Tour de Suisse von Wetzikon nach Davos. 190 Kilometer lagen noch vor ihm und den anderen Fahrern, darunter achtzehn Kilometer Anstieg hinauf zum letzten Pass der ersten Kategorie, dem Wolfgangpass auf ungefähr 1600 Metern Höhe. Wenn Ulle es schaffen sollte, bis zur Bergwertung keine Zeit auf seine Konkurrenten zu verlieren, sollte er den Sieg in der Tasche haben, da anschließend nur noch eine kurze Abfahrt von etwa drei Kilometern Länge folgte. Hauptsächlich würde er auf den momentan auf Platz zwei liegenden Roberto Conti achten müssen, sonst konnte ihm höchstens noch Abraham Olano, der zwei Minuten hinter Ulle auf Platz drei der Gesamtwertung lag, gefährlich werden. Besonders Conti schien hochmotiviert zu sein, die Niederlage seines eigentlichen Kapitäns Marco Pantani zu rächen und Ulle noch vom Siegerpodest zu stoßen. Er hatte in italienischen Medien einen Angriff am Schlussanstieg angekündigt, dann wäre es Ulles Aufgabe zu kontern.

Nicht nur Ulle, Conti und Olano hegten für die Etappe Ambitionen, im Gegenteil war anscheinend das halbe Feld daran interessiert, die Ausreißergruppe des Tages zu erwischen. Ständig änderte sich die Konstellation an der Spitze und selbst aussichtsreiche Gruppen wie ein Quintett um Oscar Camenzind, das sich an der ersten Bergwertung des Tages nach zwanzig Kilometern abgesetzt hatte, wurden vom Feld zurückgeholt. Dabei musste glücklicherweise das Team Telekom keine Arbeit übernehmen, da sich besonders Mapei und Festina immer wieder in der Nachführarbeit engagierten. Erst nach knapp 45 Kilometern entstand eine stabile Gruppe von zehn Fahrern, darunter Bergspezialisten wie Guiseppe di Grande und Felix Garcia Casas. Die Gruppe legte schnell einige Minuten zwischen sich und das Feld, wo sich nun die Lage beruhigt hatte. Ulles Helfer übernahmen nun das Zepter und kontrollierten den Abstand, bis sie siebzig Kilometer vor dem Ziel begannen, wieder aufzuholen.

Ein Drittel hatten sie geschafft. Sechs von achtzehn Kilometern bergauf waren absolviert und das Rennen blieb weiterhin ziemlich ruhig, fast zu ruhig für Ulles Geschmack. Heppe und Totsche mühten sich weiterhin in der Führung ab und holten einen Ausreißer nach dem anderen ein. Noch wichtiger war es aber, keinen Fahrer aus dem Feld wegkommen zu lassen. Es sollte rasch zu einer ersten Probe kommen. Olano war der erste Fahrer, der es versuchte. Ulle registrierte seinen Angriff, blieb aber sitzen und schaute sich nach Conti um. Der Italiener schüttelte kaum merkbar den Kopf und deutete an, dass er dem Spanier nicht folgen würde. Deshalb blieb Ulle ruhig und verweilte an Heppes Hinterrad. Sein erfahrener Teamkollege sorgte für ein hohes Tempo und versuchte den Abstand in Grenzen zu halten. Einen gewissen Puffer hatte Ulle zu Olano, er musste nur aufpassen, dass der Abstand nicht zu groß wurde. Noch konnten sie Olano, so lange er als Solist an der Spitze fuhr, kontrollieren, aber die nächsten Angriffe würden eine direkte Reaktion erfordern, wenn er es nicht riskieren wollte, dass sich eine unaufhaltsame Spitzengruppe bilden würde. Kaum war er seine Optionen durchgegangen, erfolgte der nächste, vielleicht entscheidende Angriff. Der Girosieger Ivan Gotti trat an und zog in seinem Schlepptau Vladimir Belli mit. Ulle zögerte nicht, sondern ging hinterher. Das Rennen war eröffnet.

Der Angriff von Gotti hatte die Gruppe der Favoriten auf neun Fahrer verkleinert. Gottis Helfer Giorgio Furlan hatte sich nun von vorne zurückfallen lassen und machte das Tempo in der Gruppe. Aber am Gesichtsausdruck von Furlan konnte man ablesen, dass er nur noch wenige hundert Meter durchhalten würde und kaum in der Lage war, den auf fünfzehn Sekunden geschmolzenen Abstand zu Olano zu halten. Bald schon erwartete Ulle den Angriff von Conti, der mittlerweile nervös an seinem Hinterrad hin- und her tänzelte. Außer Gotti war er der einzige, der mit Marco Pantani auch n och einen äußerst namhaften Helfer an seiner Seite hatte. Als Furlan schließlich aus der Führung ging und das Tempo deutlich langsamer wurde, griff der Pirat an und Conti folgte ihm direkt an seinem Hinterrad. Ulle konnte Conti zwar folgen, merkte aber, dass er das Tempo nicht lange mitgehen könnte, ohne zu übersäuern. Seine einzige Hoffnung war, dass Pantani bald einen Gang zurückschalten würde und er sich erholen könnte. Und Pantani nahm tatsächlich heraus. Dafür trat Conti an. Er fuhr einen Schlenker zur Seite, schaute über die Schulter zurück, direkt in Ulles Gesicht. Ulle hielt seinem fest entschlossenen Blick einen Moment stand, bis Conti sich wieder nach vorne wendete und mit hoher Frequenz davonzog. Nun musste Ulle alles geben. Noch hatte er neunzig Sekunden, aber gegen den wie aufgedreht fahrenden Conti konnte der Vorsprung schnell verspielt sein.

Ulle merkte schnell, dass er alleine nicht in der Lage war, Conti zu folgen. Er war dringend auf Hilfe angewiesen und verlangsamte sein Tempo kurz, bis von hinten einige Fahrer wieder aufschlossen. Zu seinem Glück war unter anderem Guiseppe Guerini dabei, der sofort an Ulle vorbeizog und sich als Tempomacher an die Spitze setzte. Nach und nach vergrößerte sich die Gruppe wieder auf sechs Personen, da auch Pantani, Gotti, Berzin und Jeker den Anschluss wiederherstellten. Die Tatsache, dass die Gruppe wieder größer wurde, bedeutete gleichzeitig allerdings auch, dass das Tempo nicht allzu hoch war. Acht Kilometer vor dem Schluss hatte Conti daher schon 34 Sekunden Vorsprung herausgefahren. Olano, der längst überholt war, lag auf halber Strecke dazwischen. Ulle hielt immer noch das Hinterrad des aufopferungsvoll kämpfenden Guerini, der noch nach dem Bergtrikot strebte und versuchte die letzten Körner aus sich herauszuholen. Trotzdem blieb das Tempo zu langsam, während Conti mit Riesenschritten davoneilte. Ulle ging nun selbst wieder in die Führung und erhöhte den Rhythmus leicht. Er übernahm eine längere Führung und hatte ein richtig gutes Gefühl, als er schließlich zu Olano aufschloss. „Wie viel lieg ich hinten“, keuchte er in den Funk, bevor er die demotivierende Antwort erhielt. „Zu viel, schon 1:10. Und es sind noch fünf Kilometer. Mit den Bonifikationen hat er dich bald.“

Drei Kilometer waren es nun noch. Ulle gab nun alles und fuhr den kompletten Anstieg von vorne. Nach und nach merkte er, wie hinter ihm Fahrer zurückfielen. Und trotzdem schaffte er es nicht, den Abstand zu Conti einzudämmen, im Gegenteil war er nun so weit angewachsen, dass Conti ihn im virtuellen Klassement überholt hatte. Er erhöhte noch einmal den Trittrhythmus und legte an Tempo zu. Die letzten drei Kilometer waren nicht mehr ganz so steil wie der Mittelteil des Berges, der Ulle Schwierigkeiten bereitet hatte. Im oberen Teil merkte er nun, wie es bei ihm besser lief. Jetzt fuhr er auf Angriff und nahm seine Gruppe auseinander. Gotti war der einzige, der Ulles Tempo folgen konnte, der Rest ließ abreißen. Er hatte seine Krise überwunden, nun dämmte er den Abstand wieder ein. Er konnte jetzt schon die Bergwertung sehen und legte weiter zu. Die letzten Meter legte er regelrecht in einem Sprint zurück und als er den Kulminationspunkt erreichte, war er alleine. „1:25 Rückstand. Ihr seid zeitgleich.“ Nun war es der Kampf Mann gegen Mann. Wer die Abfahrt schneller zurücklegte, war Sieger.

Mit höchstem Risiko stürzte Ulle sich in die Abfahrt. Mehr als einmal sah er sich beinahe im Straßengraben, aber er nahm sich nicht zurück. Jetzt, wo er den Sieg so nah vor Augen hatte, war er ihm das Risiko wert. Immer wieder kamen Anfeuerungsrufe von Walter. Die Entscheidung war noch nicht gefallen. Mal lag Conti eine Sekunde vorne, dann war Ulle wieder vorbei. Bis auf die Zielgerade schwenkte das Pendel hin und her. Nun zog Ulle den finalen Sprint an. 1:25 war die magische Zahl, der Rückstand, den er sich erlauben konnte. Conti war nun längst im Ziel und konnte nichts mehr tun, außer auf Ulle zu warten. Der Mann in Gelb nahm die letzte Kurve mit viel Schwung und ging aus dem Sattel. Über der Ziellinie sah er die Uhr mitlaufen. 1:13, 1:14, 1:15 … noch hundert Meter … 1:18, 1:19 … fünfzig Meter. Ulle quetschte die letzten Kraftreserven aus sich heraus und riss den Lenker auf dem Zielstrich nach vorne. 1:21,1:22, 1:23, die Zeit blieb stehen. Als erster brach Walter in Jubel aus, dann begriff Ulle. Er hatte es geschafft. Zwei Sekunden hatte er ins Ziel gerettet. Zwei Sekunden blieben ihm von neunzig übrig. Aber es hatte gereicht.



Ergebnisse:

Tageswertung
1. Roberto Conti Mercatone Uno 4h40:04
2. Jan Ullrich Telekom 1:23
3. Ivan Gotti Saeco 1:44
4. Fabian Jeker Festina 2:05
5. Marco Pantani Mercatone Uno s.t.
6. Evgeni Berzin Batik s.t.
7. Manuel Beltran Banesto s.t.
8. Guiseppe Guerini Polti s.t.
9. Alexander Vinokurov Casino s.t.
10. Vladimir Belli Brescialat s.t.

Gesamtwertung
1. Jan Ullrich Telekom 31h23:59
2. Roberto Conti Mercatone Uno 0:02
3. Abraham Olano Banesto 2:38
4. Fabian Jeker Festina 3:23
5. Guiseppe Guerini Polti 3:46
6. Evgeni Berzin Batik 4:22
7. Alexander Vinokurov Casino 4:38
8. Marco Pantani Mercatone Uno 5:35
9. Ivan Gotti Saeco 5:42
10. Manuel Beltran Banesto 6:23

Sprintwertung:
1. Erik Zabel Telekom 84
2. Jan Ullrich Telekom 62
3. Maurizio Tomi Ros Mary 55

Bergwertung:
1. Guiseppe Guerini Polti 29
2. Mauro Gianetti FdJeux 28
3. Jan Ullrich Telekom 27

Teamwertung:
1. Mercatone Uno 94h23:28
2. Banesto 6:48
3. ONCE 7:36

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Grabba
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Beitrag: # 6797550Beitrag Grabba
24.11.2009 - 10:05

Du schreibst, und schreibst, und schreibst, und das wirklich großartig, doch niemand lobt dich - warum? Ich jedenfalls tue es hier und jetzt. Bitte weiter so! :)

Valverde3007
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Beitrag: # 6797917Beitrag Valverde3007
26.11.2009 - 16:34

Nationale Meisterschaften - Mit Vollgas durch die Hölle

Den härtesten Teil der Arbeit, den schwersten Kampf hatte er bereits hinter sich. Wie jedes Jahr ging es bei den deutschen Meisterschaften der Radfahrer nur um die Frage, welcher Fahrer des Teams Telekom am Ende des Rennens das begehrte deutsche Meistertrikot überziehen durfte. Außer den Mannen in Magenta gab es höchstens noch eine Hand voll Profis wie Jörg Jaksche oder Sven Teutenberg, die Außenseiterchancen hatten, aber durch die taktische Überlegenheit sollte es ein leichtes für den Bonner Rennstall sein, zum wiederholten Mal erfolgreich zu sein. Nachdem in den letzten drei Jahren in Udo Bölts, Jens Heppner und Christian Henn gewonnen hatten, meldeten dieses Jahr Ete und Ulle Ambitionen an, Meister zu werden. Nach einer hitzigen Diskussion hatten die beiden sich schließlich darauf geeinigt, dass Ulle dieses Jahr gewinnen solle, wogegen Ete im nächsten Jahr dran war. Zum Schluss war Heppe vermittelnd eingesprungen. „Du fährst doch sowieso vom ersten Tag an in grün, Ete. Da brauchst du kein Meistertrikot.“ Ete hatte die Entscheidung mit einem Lachen akzeptiert und Ulle seine Unterstützung zugesagt. Jetzt mussten sie nur noch die anderen Fahrer loswerden.

Das Rennen führte über 16 Runden zu 15 Kilometern, also insgesamt 240 Kilometer, rund um Bonn, wobei in jeder Runde ein kurzer, giftiger Anstieg auf Kopfsteinpflaster zu absolvieren sein würde. Die Taktik sah vor, dass sie die ersten Runden kontrolliert fahren und Ausreißversuche verhindern würden. Nach der zehnten Runde würden sie das Tempo dann etwas verschärfen und auf den letzten zwei Runden den Sieg klar machen. In der vorletzten Runde wollte Ulle den Hügel zu einem Angriff nutzen und dann die letzten zwanzig Kilometer als Solist ins Ziel fahren. Es sollte ein Triumphzug werden. In der Heimatstadt seines Sponsors würde er seine Siegesserie fortsetzen.

Dreizehn Runden waren mittlerweile absolviert. Ete hielt sich noch immer relativ entspannt am Ende der Gruppe auf und beobachtete aufmerksam das Renngeschehen. Das riesige Starterfeld war längst zerfallen und auf neun Fahrer zusammen geschrumpft. Teutenberg, Jaksche und Fleischer waren die letzten drei verbliebenen Gegner, die sich sechs Fahrern von Telekom, Bölts, Heppner, Wesemann, Aldag, Ulle und Ete, gegenüber sahen. Der Anstieg, die „Hölle von Roleber“ hatte sich als so schwierig gezeigt, wie der Name es ankündigte. Zwar war sie relativ kurz, dafür extrem steil und durch den schlechten Straßenbelag doppelt schwer. Drei Mal war sie noch zu erklimmen, in wenigen Sekunden war es erneut so weit. Ete fuhr an Heppes Seite. „Lass uns schon Mal was probieren. Gib Gas, wenn wir da sind.“ Heppe nickte kurz und zog das Tempo an, so dass sie mit Vollgas die Hölle erreichten. Ete biss die Zähne zusammen und versuchte angestrengt, nicht den Kontakt zu verlieren. Doch die Aktion zeigte ihre Wirkung, die Gruppe verkleinerte sich drastisch. Zwar verloren sie mit Aldag und Wesemann zwei Männer, dafür waren nun auch Fleischer und Jaksche abgehängt. Nun ging es vier gegen einen.

Ulle musste ein wenig schmunzeln. Seine Teamkollegen spielten nun mit Teutenberg Katz und Maus. Um den Sprinter von Festina müde zu fahren, attackierten sie immer wieder und zwangen ihn zu einer Reaktion, so dass er nicht die ganze Zeit am Ende der Gruppe kleben konnte. Sie hatten noch nicht einmal die Hölle erreicht und ihr letzter Gegner war schon gehörig am Schnaufen. Es sollte ein Kinderspiel werden. Wie in der vorherigen Runde fuhren sie mit Höchstgeschwindigkeit in die Hölle, Ete voran, dahinter Ulle und danach… Danach fuhr niemand mehr. Teutenberg konnte dem Tempo nicht mehr folgen und verlor an Boden und Heppe und Bölts ließen ihren Kapitänen freie Fahrt. Kurz vor dem Gipfel setzte Ulle sich an die Spitze und führte das Duo über den Gipfel. Nun war es endgültig entschieden. Was er vor wenigen Stunden schon wusste, war Gewissheit, sie hatten es in der Tasche. Nun folgten noch zwanzig Kilometer Paarzeitfahren, dann dürfte er endlich jubeln.

An der Tausendmetermarke fuhr Ete zu Ulle auf. „Noch ein bisschen Show? Für die Fans?“ Ulle nickte. „Geben wir ihnen, was sie sehen wollen.“ Ete trat an und setzte sich ein bisschen von Ulle ab, wobei er darauf achtete, dass das Loch nicht zu groß wurde. Von den frenetischen Zuschauern angetrieben ließ er sich treiben und blieb im Wiegetritt, bis Ulle an ihm vorbei geschossen kam und sich regelrecht in die Führung katapultierte. Ete setzte sich an sein Hinterrad und ließ ihn bis zur Ziellinie gewähren, wo er wie Ulle freudestrahlend die Arme in die Höhe reckte. Es war ein Bild für alle Boulevardmedien, die zwei Köpfe des Teams einträchtig an der Spitze. Es war so weit, die Tour konnte kommen. Es würde ihre Tour werden.

Ergebnis:

1. Jan Ullrich Telekom 5h42:20
2. Erik Zabel Telekom s.t.
3. Jens Heppner Telekom 0:31
4. Sven Teutenberg US Postal s.t
5. Udo Bölts Telekom 1:06
6. Jörg Jaksche Polti s.t.
7. Thomas Fleischer Lotto s.t.
8. Rolf Aldag Telekom 1:56
9. Kai Hundertmarck Telekom s.t.
10. Mario Kummer Telekom 3:39


Wie alle deutschen Meisterschaften strotzte auch diese nicht vor Spannung, dafür dürften die Bilder im nächsten Jahr umso eindrucksvoller werden. Man erinner sich nur an Ulle 97 und 01 und Klöden 04.
PS: Danke, Grabba, für das Lob.

Valverde3007
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Beitrag: # 6798026Beitrag Valverde3007
27.11.2009 - 14:35

Monatsbilanz Juni: [/size][/u]


Top5:

1. Jan Ullrich (TEL): Das Team Telekom war mit der klaren Aussage in die Saison gegangen, dass Bjarne Riis der kapitän sei. Diese Entscheidung dürfte nun auf der Kippe stehen. Spätestens im Juni hat Ullrich mit guten Plätzen bei Eintagesrennen und Siegen bei der Tour de Suisse und den deutschen Meisterschaften bewiesen, dass er der Topfavorit für die Tour ist.
2. Laurent Brochard (FES): Brochard siegt und siegt und siegt. Diesen Monat gewann er die Dauphine Libere, nach Paris-Nizza das zweite wichtige Etappenrennen in Frankreich. Dadurch erobert er die Führung in der Weltrangliste zurück. Nebenbei wurde er natürlich noch französischer Meister.
3. Abraham Olano (BAN): Olano dürfte einer der stärksten Gegner von Ullrich sein. Neben seinem Sieg bei der Subida al Naranco überzeugte er mit einem Podestplatz bei der Tour de Suisse, wo er sich sowohl beim Zeitfahren als auch am Berg in guter Form zeigte.
4. Roberto Conti (MER): Auch der dritte Mann, der in der Schweiz auf dem Podest stand lieferte hervorragende Leistungen ab. Nur um zwei Sekunden verpasste er den Sieg, dennoch zeigte er, dass er durchaus in der Lage ist, bei Mercatone Uno die Kapitänsrolle zu übernehmen, wenn Pantani schwächelt. Nach dem fünften Platz beim Giro war es sein zweites Topresultat und wie in Italien konnte er auch in der Schweiz eine Etappe gewinnen.
5. Fabian Jeker (FES): Noch vor einigen Wochen hieß es, bei Festina sei kein Platz für den Schweizer im Tourteam. Jeker zeigte eine Trotzreaktion, wurde weit vor seinem Kapitän Virenque vierter bei der Tour de Suisse und sprang noch auf den Tourzug auf.


Flop3:

1.Bjarne Riis(TEL): Ist Ullrich der Gewinner des Monats, darf Riis sich als Verlierer sehen. Der zwölfte Platz bei der Dauphine war zwar kein schlechtes Resultat, dennoch zeigte Riis sich besonders am Berg in keiner guten Verfassung. Nur das gute Zeitfahren lässt ihn hoffen, seinen Titel vom Vorjahr zu verteidigen.
2. Frederic Moncassin (GAN) : Schon im Frühjahr wurde er durch Stürze zurückgeworfen, nun deklassierte ihn die Sprintkonkurrenz mehrfach. Letztendlich wurde er deshalb nicht zur Tour nominiert und verpasst nach den Frühjahrsklassikern sein zweites Saisonziel.
3.Jose Maria Jimenez (BAN): Jimenez wollte gemeinsam mit Olano eine Doppelspitze bei der Tour bilden. Während sein Kollege nun eine eindrucksvolle Form nachweisen kann, hält sich Jimenez allerdings meistens im Grupetto auf. Bei der Dauphine sprang so ein enttäuschender 80. Platz heraus, in den Bergen sah man ihn nur, wenn er zurückfiel. So wird es nichts mit den erwarteten Großangriffen von Banesto in den Bergen.

Weltrangliste:


Einzel:


1.Laurent Brochard FES 1251
2.Erik Zabel TEL 1165
3.Ivan Gotti SAE 1142
4.Guiseppe Guerini POL 1059
5.Jan Ullrich TEL 1015
6.Beat Zberg MER 887
7.Gianni Bugno MAP 804
8.Michele Bartoli MGT 797
9.Nicola Miceli AKI 754
10.Laurent Jalabert ONC 731
11.Peter Meinert Nielsen USP 724
12.Roberto Conti MER 726
13.Patrick Jonker RAB 611
14.Andrea Noe ASI 606
15.Alex Zülle ONC 600
16.Rolf Sörensen RAB 599
17.Pavel Tonkov MAP 589
18.Manuel Beltran BAN 566
19.Franco Ballerini MAP 563
20.Niki Aebersold POS 559
21.Francesco Casagrande SAE 561
22.Leon van Bon RAB 552
23.Andrea Tafi MAP 535
24.Evgeni Berzin BAT 535
25.Gianni Faresin MAP 517



Teams:

1.Mapei 5760
2.Telekom 4982
3.Saeco 4712
4.Festina 4577
5.Rabobank 3959
6.Mercatone Uno 3852
7.Polti 3231
8.ONCE 2898
9.TVM 2575
10.Banesto 2537

Weltcup:

1.Laurent Jalabert ONC 200
2.Franco Ballerini MAP 140
3.Erik Zabel TEL 119
4.Andrea Tafi MAP 112
5.Gabriele Colombo BAT 103
6.Johan Museeuw MAP 100
7.Rolf Sörensen RAB 97
8.Maurizio Fondriest COF 94
9.Stefano della Santa MER 88
10.Max Sciandri FDJ 75


Still to come:

Der Juli wird sich ausschließlich um die Tour de France drehen. Über 3941 Kilometer zwischen Rouen und Paris mit Bergankünften in Andorra, Courchevel und dem mhytischen Alpe d’Huez führt der Parcours der 84. Tour de France. Hier werden die Größen des Radsports gegeneinander zur am besten besetzten Rundfahrt des Jahres antreten. Virenque, Olano, Pantani, Zülle, Ullrich und Riis werden sich einen harten Schlagabtausch um das gelbe Trikot liefern, die Sprintelite um Zabel und Cipollini wird die Massensprints unter sich ausmachen. Alle Augen richten sich nun auf die Tour.


Extra - Nationale Meister:
Frankreich: Laurent Brochard
Spanien: Manuel Beltran
Italien: Guiseppe Tartaggia
Belgien: Rik Verbrügghe
Niederlande: Marten den Bakker
Deutschland: Jan Ullrich
Dänemark: Brian Holm
Schweiz: Roger Beuchat
USA: George Hincapie
Australien: Henk Vogels
Zuletzt geändert von Valverde3007 am 27.11.2009 - 17:58, insgesamt 1-mal geändert.

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ScÔtt
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Beitrag: # 6798050Beitrag ScÔtt
27.11.2009 - 17:37

Ich habe mir die Story jetzt mal von Anfang an durchgelesen und es macht immer mehr Spaß :!: Weiter so!
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Valverde3007
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Beitrag: # 6798353Beitrag Valverde3007
30.11.2009 - 15:27

Tour de France 1997 – Präsentation: Die Etappen (1/2)

Bald geht sie los, die 84. Tour de France, die vom 5.-27. Juli über 22 Etappen und insgesamt 3941 Kilometer von Rouen durch die Pyrenäen und die Alpen nach Paris führt. Gestartet wird mit einem kurzen Prolog in Rouen, wo über acht Kilometer der erste Träger des gelben Trikots ermittelt wird. Anschließend führt das Rennen auf überwiegend flacher Strecke in die Bretagne, wo eine schwere Ankunft nach Plumelec wartet und dann über Zielorte wie Bordeaux und Pau an den Rand der Pyrenäen. Auf diesen Etappen wird mit Sprintankünften zu rechnen sein, die teilweise sehr langen Etappen könnten aber auch einen Ausreißersieg möglich machen, da es sehr schwer für eine Sprintermannschaft sein könnte, den ganzen Tag das Renngeschehen zu dominieren. Die längsten Etappen der Tour, die zweite Etappe über 262 Kilometer nach Vire und die fünfte Etappe über 261,5 Kilometer von Chantonnay nach La Chatre sind daher prädestiniert für kleine Ausreißergruppen.
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9.Etappe: Pau-Loudenvielle 182km
Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag geht die Tour de France dann richtig los. Die neunte Etappe über 182 Kilometer von Pau nach Loudenvielle bietet genügend Chancen für Bergfahrer, sich erstmals in Szene zu setzen. Nun geht es über die ersten schweren Berge, den Soulor, den berüchtigten Col du Tourmalet, den Col d’Aspin und den Col du Val Louron-Azet, bevor es hinunter ins Ziel nach Loudenvielle geht. Besonders die französischen Kletterer werden etwas versuchen und Experten erwarten einen organisierten Großangriff des Teams Festina mit seinen Kapitänen Richard Virenque und Laurent Brochard. Wer in Loudenvielle vorne ist, hat die Tour zwar noch nicht gewonnen, aber schon ein Zeichen gesetzt. Spätestens hier wird man sehen, wer mit guter Form nach Frankreich angereist ist.
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10.Etappe: Luchon-Andorra Arcalis 252km
Die erste von drei Bergankünften erwartet das Feld am nächsten Tag auf der zehnten Etappe, auf der das Feld Frankreich verlässt und nach Andorra kommt. Die Länge von 252 Kilometern verspricht an sich schon ein hartes Rennen, dazu kommen insgesamt fünf Bergwertungen, die es in sich haben. Zunächst stehen mit dem Portet d’Aspet und dem Port zwei Berge der zweiten Kategorie auf dem Plan, dann folgt der erste Hammer hinauf auf 2400 Meter, der Port d’Envalira, der „Hors Categorie“-Status hat. Es folgt wieder eine Bergwertung der zweiten Kategorie in Ordino, bevor der Schlussanstieg nach Andorra-Arcalis in Angriff genommen wird. Nach bereits zurückgelegten 240 Kilometern und über sieben Stunden Fahrtzeit entscheiden 10, 6 Kilometer mit über sieben Prozent Steigung über den Etappensieg. Wahrscheinlich dürfte es einer der Kletterspezialisten wie Marco Pantani sein, der die Etappe gewinnt, vielleicht schaffen es auch Rouleure wie Olano oder Ullrich sich vorne zu behaupten. Nach diesem Tag wird das Gesamtklassement sortiert sein, wer jetzt vorne ist, hat eine Chance, die Tour ganz vorne zu beenden.
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11.Etappe: Andorra-Perpignan 192km
Den Abschluss der Pyrenäen bildet die elfte Etappe von Andorra nach Perpignan. Zu Beginn der 192 Kilometer stehen die letzten Gipfel der Pyrenäen, erneut der Envalira und der Chioula an. Danach geht es auf flachem Terrain in Richtung Mittelmeer. Der Kampf um das Gesamtklassement wird wahrscheinlich ruhen, dafür haben die Ausreißer ihre bisher beste Chance, einen Etappensieg abzugreifen. Doch auch bergfeste Sprinter können in den Tagessieg mit eingreifen. In Perpignan dürfen die Fahrer sich nun eine Pause gönnen, und am Ruhetag neue Kräfte sammeln, bevor sie auf die folgenden schweren Etappen gehen.

Valverde3007
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Beitrag: # 6798443Beitrag Valverde3007
1.12.2009 - 21:29

Tour de France 1997 - Präsentation: Die Etappen (2/2)

Nachdem man die Pyrenäen verlassen hat, folgen nicht, wie es in den meisten Austragungen üblich ist, Übergangsetappen durch das Zentralmassiv oder an der Mittelmeerküste entlang, sondern nur ein einziges Einzelzeitfahren, bevor es wieder in die Berge geht. Nur 55 Rennkilometer trennen die beiden majestätischen Gebirge und doch sind ist es ein mit entscheidender Streckenabschnitt, denn das Zeitfahren verläuft auf einem äußerst anspruchsvollen Parcours. Den Höhepunkt bietet dabei der Col de la Croix de Chabouret auf 1200 Metern. Die Länge des Zeitfahrens gepaart mit der Schwierigkeit dieses Anstiegs der zweiten Kategorie und der folgenden, technisch anspruchsvollen Abfahrt lässt auf ein grandioses Rennen hoffen. Heute wird der Träger des gelben Trikots im Kampf gegen die Uhr um seine Führung kämpfen müssen, oder sie ausbauen können.
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12.Etappe: St.Etienne-St.Etienne 55 km EZF
Dennoch wird die Vorentscheidung um den Gesamtsieg erst auf den hammerharten drei Alpenetappen fallen. Den Beginn macht die 13.Etappe von St.Etienne über 200 Kilometer hinauf ins legendäre Alpe d’Huez. Wieder einmal müssen sich die Starter der Tour de France die steilen Kehren hinauf zum Skiort kämpfen. Zwar ist die Etappe nicht mit großen Schwierigkeiten gespickt, dafür dürfte die Schlusssteigung vielleicht der härteste Berg der gesamten Tour sein. Die Etappe dürfte den typischen Verlauf einer Etappe zum Mont Ventoux nehmen. Eine Ausreißergruppe erkämpft sich bis zum Fuß der Steigung einen großen Vorsprung, bevor jeder Fahrer zum Einzelkämpfer wird und versucht sich vor den heranstürmenden Favoriten ins Ziel zu retten.
Bild
13.Etappe: St.Etienne-L'Alpe d'Huez 203,5 km
Nachdem die Fahrer im Tal genächtigt haben, geht es dann am nächsten Tag von Bourg d’Oisans aus weiter. Auf 148 Kilometern überquert das Peloton erst den Col du Glandon, dann den Col de la Madeleine und erklimmt schließlich die Schlusssteigung nach Courchevel. Das bedeutet ein ständiges auf und ab, da etwa zwei Drittel des Rennens, also an die hundert Kilometer aus steilen Bergen und gefährlichen Abfahrten bestehen. Schon am Glandon könnten die ersten Favoriten, je nachdem wie sie in der Gesamtwertung platziert sind, in die Offensive gehen und von Beginn an einen Kampf mit offenem Visier führen, so dass es keinen ruhigen Moment mehr bis ins Ziel geben würde. Immerhin winken einhundert Bergpunkte und ein Etappensieg. Damit ist die dritte und letzte Bergwertung der Tour absolviert, trotzdem folgen noch drei entscheidende Etappen.
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14.Etappe: Le Bourg d'Oisans-Courchevel 148 km
Die fünfzehnte Etappe führt nach Norden aus den Alpen heraus. Im Zielort des Vortags starten die Fahrer auf zweitausend Metern Höhe. Bevor sie hinunter ins Tal fahren. Nach einem etwas ruhigeren Beginn folgt nun wie am Vortag ein ständiges auf und ab. Der Forclaz, der Croix Fry und der Colombiere bieten den Vorlauf für den letzten „Hors Categorie“-Berg, den Col de Joux-Plane, einen unheimlich steilen Berg, der für ähnlich große Abstände wie Alpe d’Huez sorgen dürfte. Gleichzeitig bietet er die letzte Chance für die Bergflöhe, im Hochgebirge zu attackieren, sich einen möglichen Etappensieg zu sichern und im Gesamtklassement nach vorne zu rücken.
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15.Etappe: Courchevel-Morzine 208,5 km
Die nächsten drei Tagesabschnitte sind wie gemacht für Ausreißer. Die Strecke verläuft über die letzte Schwierigkeit der ersten Kategorie, den Col de la Croix in Richtung Schweiz, wo der Tross der Tour in Fribourg Halt machen wird. Anschließend geht es ab ins Elsass, wo noch einmal zwei hügelige Abschnitte zu absolvieren sind. Die siebzehnte Etappe ist noch relativ moderat, wenn man die Bergwertungen betrachtet, dafür kann man sich von der achtzehnten Etappe von Colmar nach Montbeliard umso mehr erwarten. Auf 220 Kilometern stehen alle großen Anstiege des Elsasses auf dem Programm, der Grand Ballon, der Col du Hundsruck und abschließend der Ballon d’Alsace. Die Etappe bietet eine ideale Chance für einen Husarenritt wie den von Jalabert vor zwei Jahren nach Mende, aber auch die zahlreichen Cokapitäne vom Festinateam, Brochard, Rous, Dufaux und Co sowie abgeschlagene Mitfavoriten werden um den Tagessieg kämpfen. Die Gesamtwertung wird sich trotzdem wahrscheinlich kaum verändern.
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18.Etappe: Colmar-Montbeliard 175,5 km
Das wird erst zwei Tage später passieren, wenn die Fahrer nach einer Übergangsetappe nach Dijon vor den Toren von Paris rund um das Disneyland zum zweiten langen Einzelzeitfahren antreten. Dieses Mal geht es sogar über eine Distanz von 63 Kilometern, auf denen Rouleure noch einmal viel Zeit auf die Kletterer gewinnen können. Erst wenn der letzte Fahrer den Zielstrich überquert hat, steht das Klassement endgültig fest, bevor das Peloton auf die Ehrenrunde am letzten Tag geht. Sowohl das gelbe als auch das gepunktete Trikot sollten nun klar vergeben sein und nur die Sprinter werden sich um das grüne Trikot und den prestigeträchtigen Etappensieg streiten. Nach der Ehrenrunde des Siegers geht die Tour schließlich mit der Siegerehrung auf der Champs-Elysee zu Ende.
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20.Etappe: Disneyland-Disneyland 63 km EZF
Zuletzt geändert von Valverde3007 am 2.12.2009 - 13:29, insgesamt 3-mal geändert.

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Flomann
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Beitrag: # 6798445Beitrag Flomann
1.12.2009 - 21:56

Hinweis: 1997 führte die Tour nicht durch Deutschland, sondern kam auf der 17. Etappe nur nach Fribourg in der Schweiz. Die stimmungsvolle Ankunft in Freiburg im Breisgau war erst 2000.
Ulle und Ete können mögliche Trikots also nicht in Deutschland präsentieren.

Und wenn ich schon mal hier bin: Mach weiter so, die Geschichte gefällt mir, auch wenn es manche Anachronismen gibt. Aber auf Quaranta beim AGR oder bei MSR freue ich mich in der Zukunft schon. :D

Valverde3007
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Beitrag: # 6798471Beitrag Valverde3007
2.12.2009 - 10:02

Danke für den Hinweis, war ein Denkfehler, da habe ich die Jahre durcheinander gebracht. Ich hatte mich schon gewundert, warum nicht Commesso als Etappensieger aufgeführt war. Ist jetzt korrigiert.

PS: Quaranta ist bei dieser Database einer meiner absoluten Lieblingsfahrer. Ich weiß nicht, wie man dem so schlechte Werte geben konnte, freue mich aber über jeden Pass im Hochgebirge, den er als erster überquert.

Valverde3007
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Beitrag: # 6798478Beitrag Valverde3007
2.12.2009 - 13:34

Tour de France 1997 – Präsentation: Die Favoriten

Bild
Oben von links: Alex Zülle, Marco Pantani, Bjarne Riis, Abraham Olano, Laurent Jalabert
Unten von links: Fernando Escartin, Evgeni Berzin, Jan Ullrich, Guiseppe Guerini, Richard Virenque


*****Jan Ullrich: Ullrich hat sich im Lauf der Saison immer mehr zum absoluten Topfavoriten für die Tour gemausert. Auch wenn er offiziell nur die Nummer zwei in seinem Team ist, gehen Experten davon aus, dass er in der Lage ist, Riis zu attackieren und selber die Tour zu gewinnen. Seine bisherige Saison ist äußerst beeindruckend. Nach dritten Plätzen beim Criterium International und der Tour de Romandie, wo er sogar eine Bergankunft gewann, setzte er im Juni ein eindrucksvolles Ausrufezeichen. In einem harten Kampf gewann er die Tour de Suisse vor Roberto Conti und holte sich Etappensiege im Zeitfahren und am Berg. Anschließend holte er sich sogar noch das Trikot des deutschen Meisters. Laut seinem sportlichen Leiter ist er noch die Nummer zwei, doch das kann sich ganz schnell ändern.
Prognose: Ullrich wird auf jeden Fall das Podium erreichen. Wenn er auf eigene Kappe fahren darf, wäre sogar der Sieg möglich. In den Bergen sollte er mit den besten mithalten können, im Zeitfahren wird er die Maßstäbe setzen.

****Alex Zülle: Neben den beiden Telekomprofis ist Zülle der Topfavorit der Tour. 1995 beendete er die Tour bereits hinter Indurain auf dem zweiten Platz, 96 gewann er die Vuelta und wurde Weltmeister im Einzelzeitfahren. Seine gute Form bewies er schon bei seinen Heimrundfahrten, der Romandie, die er als achter beendete und der Tour de Suisse, bei der er elfter wurde. Dabei musste er sich im Zeitfahren nur Ullrich geschlagen geben. Ein großer Vorteil von Zülle ist sein starkes Team mit Jalabert und Zarrabeitia, die beide schon eine große Rundfahrt auf dem Podium beendet haben.
Prognose: Zülle hat beste Chancen, die Telekom-Doppelspitze zu attackieren. Er ist in der Lage, drei Wochen auf höchstem Niveau durchzufahren und ist der einzige Fahrer, der Ullrich und Riis sowohl im Zeitfahren als auch in den Bergen in Topform ebenbürtig sein kann.

****Bjarne Riis: Hinter dem Vorjahressieger steht noch ein großes Fragezeichen, da die bisherige Saison für ihn eher enttäuschend verlief. Zwar begann er mit einem Ausrufezeichen, als er bei der Murciarundfahrt auf Platz zwei kam und den dritten Platz bei Rund um Köln belegte, doch dann enttäuschte er bei den Frühjahresklassikern, wo er leer ausging. Anschließend zog er sich zurück ins Trainingslager in den Bergen, bevor er sich bei der Bayernrundfahrt und der Dauphine Libere den letzten Schliff holte. In Frankreich zeigte er mit einem dritten Platz im Zeitfahren, dass er langsam in Form kommt, in den Bergen war er allerdings enttäuschend und konnte nicht mehr die Dominanz des Vorjahres zeigen. Seine Rolle bei der Tour hängt davon ab, ob er noch vor den Pyrenäen seine Topform erreicht und dort ganz vorne mitfährt. Sollte das nicht gelingen, wird er vielleicht für seinen jungen Teamkollegen arbeiten müssen.
Prognose: Riis hat auf jeden Fall die Qualität, einen Platz unter den besten fünf zu erreichen. Wenn er seine Kapitänsrolle behaupten kann und seine Nachteile in den Bergen durch starke Zeitfahren ausgleichen kann, ist auch ein zweiter Toursieg möglich.

***Abraham Olano: Der Banestokapitän ist in diesem Jahr ebenfalls ein heißer Sieganwärter. Im Gegensatz zu der Situation im Team Telekom, wo es zwei Kapitäne gibt, profitiert er dabei davon, dass Jose Maria Jimenez nicht so stark fährt wie erwartet und er eindeutig der Boss ist. Er könnte außerdem von seinem starken Team in den Bergen profitieren, im Zeitfahren ist er ähnlich stark wie Berzin und Riis. Dass sein Formaufbau Erfolg verspricht, sieht man daran, dass er mit der Murciarundfahrt und der Subida al Naranco schon zwei Rundfahrten in diesem Jahr gewonnen hat, zusätzlich war er dritter bei der Tour de Suisse.
Prognose: Olano wird die Top-6 erreichen, für das Podium dürfte es aber wegen seiner Schwäche in den Bergen nicht ganz reichen. Dafür hat er ganz große Chancen auf einen Etappensieg bei einem der beiden Zeitfahren.

***Richard Virenque: Der französische Kletterkönig wird besonders in den Bergen wieder eine große Rolle spielen. Da er wegen seiner Schwächen im Zeitfahren kaum Chancen auf den Gesamtsieg hat, wird er sich wahrscheinlich auf das gepunktete Trikot konzentrieren und versuchen zusätzlich eine schwere Bergetappe zu gewinnen. Bei der Tour de Suisse hielt er sich zwar etwas zurück, aber mit dem achten Platz bei der Tour de Romandie und Platz 15 bei Lüttich-Bastogne-Lüttich hat er bewiesen, dass er sowohl auf den hammerharten als auch auf den mittelschweren Etappen stark sein wird.
Prognose: Sollte ihm im Gebirge ein Husarenritt gelingen, bei dem er mehrere Minuten auf die starken Zeitfahrer gewinnt, kann er vom Gesamtsieg träumen. Ansonsten wird er versuchen sich aufs Podium zu retten und das Bergtrikot erneut zu gewinnen. Außerdem wird er am Nationalfeiertag alles versuchen, in Loudenvielle die Etappe zu gewinnen.

***Marco Pantani: Nach seinen Problemen wegen seiner Verletzungen durch seinen schweren Sturz im Herbst 95 meldete Marco Pantani sich dieses Jahr wieder im Rennzirkus zurück und sorgte wie früher für Furore. Zwar reichte seine Form noch nicht für den Sieg bei der Italienrundfahrt, dafür bereitete sich der „Pirat“ konzentriert auf die Tour vor. Sein erstes bemerkenswertes Resultat lieferte er bei der Tour de Suisse, wo er achter wurde und in den Bergen durch seine aggressive Fahrweise auffiel. Im Zeitfahren verlor er dennoch wie gewohnt viel Zeit.
Prognose: Seine Zeitfahrschwäche wird ihn viel Zeit kosten, außerdem ist er dafür bekannt, Tage zu haben, an denen bei ihm gar nichts geht und er mehrere Minuten verliert. Deshalb könnte er sich wie Virenque eher auf das Bergtrikot und Etappensiege konzentrieren. In der Gesamtwertung wird es wohl ein Platz unter den besten 8-10, je nachdem, wie gut er die drei Wochen nach seiner langen Rennpause übersteht.

**Evgeni Berzin: Der Russe hat mit dem Giro, bei dem er 9. wurde schon eine dreiwöchige Tour in den Beinen. Dennoch zeigte er sich bei der Tour de Suisse als sechster noch in guter Form. Je nachdem, wie lange er sein Niveau noch aufrechterhalten kann, ist auch bei der Tour eine gute Platzierung möglich. Allerdings zeigte er beim Giro auch, dass er in den Bergen nicht zu den besten gehört. Besonders in der schweren letzten Woche könnte er Probleme bekommen.
Prognose: Berzin wird einen Top-10 Platz belegen, weiter nach vorne geht es für ihn aber nicht. Wahrscheinlich wird er sich bis zum Zeitfahren nach St.Etienne noch in der Spitzengruppe halten können, doch in den Alpen wird er viel Zeit verlieren.

**Laurent Jalabert: Jalabert war der Mann des Frühjahrs. Er holte das Ardennendouble mit dem Amstel Gold Race und Lüttich-Bastogne-Lüttich und wurde außerdem dritter beim Wallonischen Pfeil. Dadurch hat er bei seinen französischen Fans hohe Erwartungen geweckt, sie hoffen, dass er seinen vierten Platz von vor zwei Jahren noch steigern kann und möglicherweise sogar die Tour gewinnt. Sowohl die taktische Konstellation mit Zülle als Teamkollegen und seine Bergform bei der Tour de Suisse lassen aber daran zweifeln.
Prognose: Auch wenn Jalabert ein achtbares Resultat herausfahren kann, wird er seine Landsmänner wieder enttäuschen und mit dem Gesamtsieg nichts zu tun haben. Er wird sich auf einzelne Etappensiege fokussieren und am Ende knapp unter die besten zehn kommen.

**Fernando Escartin: Der spanische Kletterer vom Team Kelme wählte einen behutsamen Formaufbau und bereitete sich über die Clasica Alcobendas und die Katalonienrundfahrt auf die Tour vor. Dort zeigte er gute Ansätze in den Bergen. Er sollte durch seine wenigen Renntage noch relativ frisch sein und bis in die dritte Woche in den Bergen stark auftrumpfen. Besonders die Etappe nach Andorra, die nahe an seiner Heimat vorbeiführt, könnte er für eine Attacke nutzen. Seine Schwäche liegt allerdings im Zeitfahren.
Prognose: Escartin hat die Möglichkeit, die Tour unter den besten acht, vielleicht sogar noch etwas weiter vorne zu beenden. In den Zeitfahren wird er zwar etwas an Zeit verlieren, dafür dürfte er im Hochgebirge in Reichweite der Spitze liegen.

**Guiseppe Guerini: Guerini war der Newcomer des Giros, als er das Bergtrikot gewann und hinter Ivan Gotti zweiter der Gesamtwertung wurde. Anschließend holte er bei der Tour de Suisse sein zweites Bergtrikot und half Ullrich zum Gesamtsieg. Doch wie bei Berzin stellt sich bei ihm die Frage, ob er seine Form bis in die letzte Tourwoche halten kann.
Prognose: Guerini wird in den Bergen für Furore sorgen und in den Pyrenäen ganz vorne dabei sein. Anschließend wird er allerdings viel Zeit verlieren. Platz acht ist dennoch im Bereich des möglichen.

*Tony Rominger, Pavel Tonkov, Luc Leblanc, Laurent Dufaux, Alexander Vinokurov: Sie haben Außenseiterchancen, da sie entweder noch nicht in Form sind (Rominger), ihre Höhepunkte hinter sich haben (Tonkov), an Teamordern gebunden sind (Dufaux), oder vom Niveau her nicht ganz an die Spitze heranreichen (Leblanc, Vinokurov). Dennoch sind sie die ersten Nachrückerkandidaten für die Top-10, wenn einer der Favoriten die Erwartungen nicht erfüllt.

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