Sie nannten ihn Jim [Beendet]

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Flame of Za-i-ba
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Sie nannten ihn Jim [Beendet]

Beitrag: # 6760934Beitrag Flame of Za-i-ba
31.3.2009 - 18:32

Einige der Anwesenden wischten sich Tränen weg, während Scott sich erhob und nach vorne trat. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er zu sprechen begann:

“Jim war ein toller Freund. Wir haben viel miteinander unternommen, schon zu Kindeszeiten. Sei es an Café Nachmittagen unserer Eltern, in der Schule, oder einfach nur aus Vergnügen. Jim hat mich in vielerlei Hinsicht weiter gebracht. Ohne ihn wäre ich niemals zum Radsport gekommen und dafür war und bin ich ihm dankbar. Die ersten Versuche auf einem Fahrrad, der erste Ausflug, das erste Training, der erste Wettkampf. Ich erinnere mich an jedes dieser Ereignisse. Sie werden für immer in meiner Erinnerung bleiben. Als wir in die Pubertät kamen, hatten wir zwar einige Male Streit, letztendlich waren wir jedoch unzertrennlich. Genau wie Pech und Schwefel, wie Straße und Asphalt, wie Berg und Tal. Mit etwa 16 Jahren hatten wir den konkreten Wunsch Berufsrennfahrer zu werden und wie sich später herausstellte, sind wir das auch geworden. Ich möchte allerdings bezweifeln, dass wir es alleine geschafft hätten. Diese Konkurrenz, diese Motivation, dieser Anreiz uns gegenseitig zu fordern, ohne jedoch unsere Freundschaft außer Acht zu lassen. Das war wohl der Schlüssel zu unserem Erfolg. Zum Glück wurden wir zwei dann vom selben Team angeheuert und mussten nicht getrennte Wege gehen. Seitdem gab es einige großartige, wenige traurige und viele lustige Momente. Von zwei möchte ich nun erzählen:

Es war in unserem zweiten Jahr als Profis. Bis zu diesem Tage waren wir noch weniger erfolgreich gewesen, doch Jim hatte damals in Kalifornien seinen ersten Sieg überhaupt gefeiert. Da es ein Eintagesrennen war, hatten wir am kommenden Tage frei. Um den Triumph ein wenig zu feiern gingen wir in eine Bar. “The Drunken Moose”, hieß sie. Unsere Teamkollegen waren allesamt brave Sportler und tranken nur alkoholfreie Getränke, nicht so Jim und ich. Nachdem wir ein, dann zwei, dann drei und später ein paar mehr Bier getrunken hatten, wurde die Stimmung heiterer und die Frauen schöner. So setzten wir uns an einen Nachbartisch, von dem uns die Damen schon einige Zeit beobachtet hatten. Ohne sich groß vorzustellen prustete Jim sofort los: “Isch bin Radprofi und isch hab jewonnen.” Die Mädchen lachten sich an und gratulierten Jim dann maßlos übertrieben, woraufhin er sehr stolz war, eine der Frauen nahm und sie ohne Vorwarnung einfach auf den Mund küsste. Kurz nachdem sie sich von ihm losgerissen hatte, gab sie ihm eine Backpfeife. “Wat sollte dat denn jetsch?”, fragte mich Jim verdutzt. Ich grinste nur. Eine ihrer Freundinnen stand auf, schrieb hastig eine Nummer auf die Servierte und sagte: “Entschuldige dich morgen bei ihr, sonst hast du noch eine verdient.” Wer hätte gedacht, dass diese, ihn schlagende Frau, einmal bereit sein würde ihn zu heiraten?

Die andere Geschichte ist nicht so fröhlich. Es gab eine Zeit, in der ich sehr krank war. Ich begann zu spielen. Ein ums andere Mal verzockte ich mein gesamtes Einkommen, dass ich unter den so großen Anstrengungen erworben hatte. Einfach so, manchmal mit einer einzigen Hand beim Poker. Damals war ich leicht reizbar und schied mich von den meisten Menschen bewusst ab. Einige akzeptierten dies und wollten nichts mehr mit mir zu tun haben, nicht so Jim. Er war immer für mich da und befreite mich von der Sucht. Selber hatte ich gar keine Kontrolle mehr, doch Jim hielt meine Finanzen im Auge. Man kann ihn wohl, und ich schäme mich nicht dies zu sagen, mit einer Mutter vergleichen, die ihrem Sohn das Taschengeld gibt und dafür sorgen muss, dass er es nicht alles am selben Tag noch ausgibt. Dies führte zu einigen Spannungen zwischen uns, doch jetzt bin ich unglaublich froh, dass er es tat. Ihm war es egal, wenn ich ihn anschrie. Ihm war egal, als ich ihn sogar einmal schlug, ihm war egal, dass ich tagelang nicht mit ihm sprach, es war ihm alles egal, denn nur so konnte ich wieder ganz gesund werden. Ansonsten wäre ich wohl arm auf der Straße gelandet, doch Jim rettete mich und verhinderte so etwas schlimmes. Natürlich verdanke ich ihm noch viel mehr, doch das alles aufzuzählen, das würde so lange brauchen.

Jim, du warst der beste Freund, den ich man sich wünschen kann.
Zuletzt geändert von Flame of Za-i-ba am 29.4.2009 - 12:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Mor!tz
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Beitrag: # 6761008Beitrag Mor!tz
1.4.2009 - 15:47

Interessant, eine Geschichte die mit dem Ende anfängt...

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Flame of Za-i-ba
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Beitrag: # 6761611Beitrag Flame of Za-i-ba
6.4.2009 - 18:30

Einige der Anwesenden wischten sich Tränen weg, während Takashi sich erhob und nach vorne trat. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er zu sprechen begann:

“Jim war ein toller Mensch. Als ich vor etwa sieben Jahren von Japan hierher gekommen bin, war Jim der Erste, mit dem ich mich wirklich gut verstand. Er ging direkt auf mich zu und hat mich sogleich freundlich begrüßt. Vielleicht hatte er gar nicht bemerkt wie erschöpft ich war, denn er wollte noch am selben Nachmittag eine Rad Tour mit mir starten, doch er akzeptierte meine Absage mit einem Lächeln. Viele hatten Vorurteile gegen mich und meine Nation, nicht so er. Im Gegenteil. Er war ständig interessiert mehr über meine Kultur und Lebensweise kennen zu lernen. Niemals werde ich unsere Sushi Abende vergessen, bei denen wir sehr viel Spaß hatten. Während ich ihm half ein wenig japanisch zu lernen, lehrte er mir die Wörter, die ich in meiner Sprachschule nie zu hören bekam. Leider waren nicht alle so wie Jim. Dann würde es nicht so viele Konflikte geben. Aber immer dann, wenn es welche gab, war er zur Stelle und hat versucht zu schlichten. Das rechne ich ihm sehr hoch an, denn das tun nicht sehr viele Leute. Von einer dieser Begebenheiten möchte ich nun erzählen:

Es war mitten im Sommer. Jim und ich bereiteten uns gerade auf eine Rundfahrt vor. Die Sonne schien und mir wurde ein wenig schwindelig, also setzten wir uns auf eine Bank um uns ein wenig auszuruhen. Jim erzählte mir mehr von seiner Familie, von seiner Frau, von seinen zwei Kindern. Aus der Ferne hörten wir rasch Stimmen, die in die Gegend schrieen. “Betrunkene”, hatte Jim nur gemurmelt. “Sollen wir losfahren?”, fragte ich ihn. Doch er lachte. “Damit dir Schwarz vor Augen wird und du mir hier wegkippst? Wie soll ich das denn bitte dem Coach erklären. Wir bleiben.”
Jim war mutig. Wir waren nur zu zweit, die anderen fünf. Ich war ein Ausländer, sie Leute, die die Nationalhymne grölten. Wir waren Radsportler, sie wohlmöglich Football Spieler.
Wie befürchtet kamen sie zu uns. “Wen haben wir denn da?”, brüllten sie uns an. “Feiert woanders weiter.”, entgegnete Jim. Die Männer sahen sich an und lachten. Sie erinnerten eher an Tieren, als an Menschen. Geschöpfe, die ihr Ego und vor allem ihre Kollegen beeindrucken mussten. Der Breitschultrigste der Fünf trat leicht schwankend nach vorne und sah Jim in die Augen. “Was sagtest du gerade?”, fragte er provozierend. Jims Stimme blieb ganz ruhig und auch dem Blick ging er nicht aus dem Weg. “Ich sagte, dass ihr woanders feiern sollt.”, antwortete er ihm.
Ich muss wohl nicht erwähnen, dass das nicht das Ende der Unterhaltung war. Jim riskierte viel. Soviel, wie es mich nie getraut hätte.

Der Mann sah Jim nun nicht mehr in die Augen. Stattdessen wanderte sein Blick zu mir und er lachte. “Du kannst gehen, los, hau ab, aber der da, der bleibt hier.”, höhnte er. “Er bleibt hier. Ich bleib hier. Ihr geht. Ist das so schwer zu verstehen?”, machte Jim ihm genervt klar. Hinter dem Vordersten gab es sarkastische Bewunderung. Er drehte sich um und forderte ein T-Shirt aus einer Sporttasche. Als er es hatte, schmiss er es zu mir und rief: “Für dich scheiß Asiat. Das stinkt genauso wie du, deine Mutter und deine ganze …” Das Wort Familie konnte er wohl nicht aussprechen, denn Jim hatte ihm blitzartig seine Faust ins Gesicht geschlagen. Ich war mir sicher, dass das ein großer Fehler war und wir nun ernsthaft in Schwierigkeiten steckten. “Jim, lass uns abhauen”, flüstere ich ihm zu, doch er schien mich zu ignorieren. Als der Mann sich wieder gefangen hatte sagte er: “So mein Freundchen, nun ist nicht nur der Sushi Fresser dran.” Jim lachte. Obwohl vor ihm einer, und dahinter noch vier weitere Schläger standen, lachte er. “Es reicht. Wenn du, und deine Kumpels sich jetzt nicht verpissen, dann wird deine Frau wohl erfahren müssen, bei wem du das ganze Geld nachts immer lässt.” Ein klein wenig entsetzen breitete sich auf dem Gesicht des Mannes auf. “Du hast mich gesehen?” Jim lächelte nur siegessicher. Einen Moment lang dachte ich, dass sein Stündlein nun geschlagen hätte, doch der Mann drehte sich um und wies seine ebenso verdutzten Kollegen an, wieder zu gehen. Nachdem sie verschwanden, sagte ich nur “Danke.”

Jim, du warst ein Mensch, von denen es mehr auf der Welt geben sollte!
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Flame of Za-i-ba
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Beitrag: # 6762265Beitrag Flame of Za-i-ba
14.4.2009 - 0:42

Einige der Anwesenden wischten sich Tränen weg, während Charlie sich erhob und nach vorne trat. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er zu sprechen begann:

“Jim war ein echter Gegner. Es würde mir sowieso niemand glauben, wenn ich Jim einen Freund, einen grandiosen Menschen oder einen Heiligen nennen würde. Viele hier wissen, dass er und ich keine guten Freunde waren, bis zu seinem Tod. Wir waren Rivalen. Trotzdem möchte ich ihm hier seine letzte Ehre erweisen. Ich bitte Sie alle sitzen zu bleiben, auch wenn Ihnen nicht gefällt, was ich zu sagen habe. Vielleicht mögen Ihnen einige Dinge neu sein und Sie schocken, aber bleiben Sie ruhig, bitte.
Es begann schon in seinem ersten Jahr als Profi, glaube ich. Damals war er noch unerfahren und ich schon einige Jahre dabei. Ich wusste wie die Dinge liefen, er nicht. In unserem Metier gibt es gewisse Regeln. Diese sind nicht aufgeschrieben, doch in aller Köpfe. Jungen Fahrern verzeiht man so welche, denn schließlich muss sie jeder lernen, doch ehrlich gesagt hat Jim es ein wenig übertrieben. Zu seinen Teamkollegen hat er immer auf lieb gemacht, doch seine Kontrahenten waren wohl eher Feinde. Nein, ich möchte ihn nicht beleidigen, sondern die Fakten einfach aufzählen.

Ein Beispiel hierfür wäre ein Kopfsteinpflasterrennen in Belgien. Es ging in die Endphase und der entscheidende Hügel lag an. Jim war in einer Spitzengruppe schon lange vorne, doch waren wir, das Hauptfeld, kurz davor, sie einzuholen. Einige der Führenden waren wohl besser drauf als Jim, denn sie fuhren ihm weg und kamen noch vor uns über die Kuppe. Er jedoch, gezeichnet von allen Anstrengungen, fuhr die 18 % Steigung eher im Zickzack hinauf, was es beinahe unmöglich machte, ihn zu überholen. Auf unsere Rufe reagierte er nicht und jeder Versuch an ihm vorbei zu fahren könnte einen Sturz zur Folge haben. Es dauerte bis zum Ende des Hügels bis wir vorbeikamen, in der Zeit hatten wir jedoch schon soviel auf die Führenden verloren, dass sie den Sieg unter sich ausmachten. Weder Jim, noch einer seiner Teamkollegen, profitierte von seiner Fahrweise, er schadete nur uns und brachte mich um meine Siegchance. Im Ziel habe ich dann gefragt was das sollte. Er antwortete nur: “Ich wollte so gut abschneiden wie möglich.” Ich fand dies damals sehr egoistisch und ab diesem Tage begann wohl unsere Rivalität, die sich von Zeit zu Zeit noch steigerte.

Wie ich aber bereits sagte, jeder macht diese Art Fehler und am Ende habe ich mir viele gemeinsame Duelle mit Jim gegeben, die ich wohl nie vergessen werde. Obwohl ich eine Abneigung gegen ihn pflegte, war er dennoch der, den ich zuerst auf der Startliste suchte und bei dessen Name ich ein Lächeln auf das Gesicht bekam. Er war es, der mir die meisten Schweißperlen auf das Gesicht brachte und er ließ meine Muskeln schlimmer brennen als Feuer. Danke Jim. Ich finde es schade, dass du jetzt schon davon gegangen bist. Ein bis zwei Jahre hätten wir uns gerne noch duellieren können, schade drum, aber ich bin sicher, dass du unsere Rennen genauso genossen hast wie ich. Vermutlich werde ich in meiner letzten Zeit keinen neuen Rivalen deines Formates finden, deshalb werden diese, beinahe schon persönlichen Wettkämpfe wohl in meiner Erinnerung vonstatten gehen müssen, aber das werden sie. Ich hab dich nie gemocht und ich mag dich jetzt immer noch nicht. Ich will nicht schleimen, also bilde dir bloß nichts auf meine Worte ein, trotzdem:

Jim, du warst ein echter Gegner!
"Alle lachen mich aus, weil ich anders bin - Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

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Andi91
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Beitrag: # 6762266Beitrag Andi91
14.4.2009 - 1:03

Wow echt hammer was du schreibst!

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Beitrag: # 6762380Beitrag Flame of Za-i-ba
14.4.2009 - 18:51

Vorsicht, letzter Beitrag erst vorherige Nacht.

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Einige der Anwesenden wischten sich Tränen weg, während Nicolas sich erhob und nach vorne trat. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er zu sprechen begann:

“Jim war damals in der Schule mein bester Kumpel. Leider gingen unsere Wege irgendwann auseinander. Warum? Es war seine Liebe zum Radsport. Viele hier sehen es wohl so wie er, doch es gab auch einen anderen Jim, den, bevor er seinen ganzen Tag umherfuhr und sein komplettes Leben dafür opferte. Ich bin wohl einer der wenigen, der Jim damals schon kannte. Ganz ehrlich? Am Anfang habe ich mich noch gefreut, doch irgendwann kam es mir schon wie eine Krankheit vor, eine Sucht. Die Sucht besser zu werden. Scott, der vorhin schon etwas dazu gesagt hat, war sein Sport Kollege, ich war für den Rest zuständig. Langsam, aber immer stetig, wurde mein Teil kleiner, bis diese persönliche Verbindung irgendwann nicht mehr bestand. Später sah ich ihn dann nur noch im Fernseher und ich hatte das Gefühl, dass er irgendwie nicht mehr er selbst war. Sein Mine war nicht die Gleiche. Selbst während er Siegesinterviews gab, schien er mir nicht mehr glücklich zu sein. Was war es, was ihn so fertig gemacht hat. Der Druck? Die Kollegen? Seine Rivalen? Wahrscheinlich alles am Radsport.

Es tut mir nicht Leid zu sagen, dass ich mich über keinen seiner Erfolge mehr gefreut habe. Zwar war unserer Verbindung enger, als die zu jeden X-beliebigem Fahrer, aber … es war nicht mehr so früher. In jedem seiner Bilder glaubte ich eine Träne in seinen Augen zu sehen. Ich habe ihn in Ruhe gelassen. Er wollte den Radsport, obwohl ich ihm damals bereits so eine traurige Zukunft voraus sagte. Genau aus diesem Grunde bin ich hier. Nein, nicht um allen Leuten zu sagen, dass ich so toll bin und recht hatte. Jim soll begreifen, dass ich immer an ihn gedacht habe. Ich möchte mich außerdem bei ihm entschuldigen. Ich hätte ihn da raus holen sollen. Ich hätte mehr Mut zeigen sollen und ihm klar glasklar machen sollen, dass es schlecht ist. Seine Psyche, sie hat ihn umgebracht. Er hatte doch immer den Willen perfekt zu sein. Keiner sollte ohne seine Hilfe auskommen, niemand sollte sich von ihm verraten fühlen. Für jeden wollte er da sein. Klar, dass er irgendwann dem wichtigsten Menschen auf Erden nicht mehr helfen konnte - ihm selbst.

Jim, bei jedem deiner Probleme hättest du zu mir kommen können dann wäre es niemals so weit gekommen. Warum nur hast du unsere gemeinsame Zeit vergessen? Es ist zu spät, ich kann deinen Tod nicht rückgängig machen, aber du sollst wissen, dass du in meinem Kopf weiter existierst und zwar nicht als der Mann, wie er gestorben ist. Diesen Jim habe ich vergessen. Derjenige, der selber noch im Herzen glücklich war, den habe ich in mir eingeschlossen. Vielleicht bereust du nun selber deine Taten, dein ganzes Vorhaben Profi zu werden und alles, was du in deinem Leben getan hast. Nimm es nicht zu schwer, es ist zu spät es zu ändern. Trotzdem kannst du dir selber sagen, dass dein Tun nicht unnütz war. Obwohl du dich selbst vernachlässigt hast, hast du den Anderen ein Licht im Dunklen angezündet und ihnen den Weg bereitet. Das ist viel wert, aber nicht alles. Falls du die Chance auf ein weiteres Leben hast, dann ergreife sie und denk ein wenig mehr an dich selbst. Dann brauchst du dich nicht selber töten.

Jim, du warst einmal ein sehr guter Kumpel!
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Beitrag: # 6762673Beitrag Flame of Za-i-ba
16.4.2009 - 22:35

Einige der Anwesenden wischten sich Tränen weg, während Daniel sich erhob und nach vorne trat. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er zu sprechen begann:

Jim war ein toller Fahrer. Ich war sein Sportlicher Leiter und ich habe ihn nicht umsonst in die Mannschaft geholt. Er war nicht nur auf dem Rad sehr wichtig für uns, sondern auch eine Art Kapitän, den es im Radsport offiziell gar nicht gibt. Die Jüngeren haben ihn bewundert, die Gleichaltrigen geschätzt und die Älteren respektiert. Man hat allen angesehen, wie gern sie mit ihm gearbeitet haben. Nicht anders erging es dem Trainerstab. Ich spreche hier repräsentativ für uns alle. Physiotherapeut Brown, Manager Crowd und den Rest. Wir alle fragen uns innerlich immer noch: Wie konnte es dazu kommen? Viele meinen, dass wir etwas damit zu tun haben, dass wir hätten erkennen müssen, dass Jims Psyche ihn auffrisst und zu so einer Tat bringt. Ich wünschte selber, dass ich dies gesehen hätte. Er war fröhlich, aufmunternd und eigentlich war er es, der die Anderen motiviert hat, wenn sie mal down waren. Er war es, der den Leuten klar machte, dass es mal vorkam einen Hungerast zu haben oder das der Mann mit dem Hammer nun ab und zu erscheint. Er sagte, sie sollten ihr Lächeln und den Spaß am Sport nicht verlieren. Das er selber anscheinend unglücklich war, dass hätte niemand gedacht.
Dennoch: Im Nachhinein ist man klüger. Wenn ich jetzt überlege, frage ich mich, ob einige Aktionen nicht doch ein Vorbote dieses Ereignisses waren.

Bei Jims letzter Rundfahrt trug er bis zur entscheidenden Etappe das Führungstrikot. Dieses verlor er jedoch knapp. Als ich ihn fragte wie es ihm ging, antwortete er: “Das macht nichts. Alles geht zu Ende. Das eine früher, das andere später, ich bin froh, dass ich es bis hierher geschafft habe.” Es klingt beinahe danach, als ob er ein Sprichwort wahr machen wollte. “Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist.”
Ein anderes Erlebnis, das aber eher zeigt, was für ein großer Mensch Jim war. : Es war ein Eintagesrennen. Jim war mit einem Ausreißerkollegen vorne, als die letzten 10 Kilometer anbrachen. Sein Kontrahent war deutlich jünger als er und eindeutig konditionell stärker. Jim hing nur noch am Hinterrad. Dies war normalerweise etwas, was er nie machen wollte. Er hasste es Taktikspielchen zu machen, er wollte den puren Kampf. Doch hier merkte er, dass er ihn nicht aufnehmen konnte. Sein Gegner forderte ihn immer wieder auf und sah zurück, doch Jim schüttelte nur den Kopf, was ihn wohl selbst am meisten verärgerte. Im Sprint wäre er ihm wohl dennoch überlegen gewesen, aber er lächelte nur und klopfte dem verdienten Sieger auf die Schulter, der gar nicht wusste wie ihm geschieht.

Irgendetwas muss ihn trotzdem fertig gemacht haben. Wir werden nie erfahren was es war und vielleicht sollten wir es auch gar nicht versuchen zu verstehen. Die Schuld würde dann jemanden zugeschoben werden und wir wissen doch wirklich nicht, ob das alles war. Lassen wir Jim einfach in Ruhe. Letztendlich muss das jedoch seine Familie entscheiden. Wir, sein Team, werden die kommende Saison komplett mit Trauerbändern fahren. Es wird nächstes Jahr beim Amstel Gold Race eine Schweigeminute geben, bei dem Rennen. welches er dieses Jahr gewann. Vielleicht war dies sein Triumph schlechthin. Noch vor der Saison hatte er mir gesagt: “Daniel, wenn es noch eine Sache gibt, die ich in meinem Leben machen möchte, dann ist es das Amstel Gold Race zu gewinnen.” Hätte ich gewusst, dass er nach diesem Triumph so abtritt, dann hätte ich ihn niemals fahren lassen. Leider habe ich es nicht kommen sehen. So, das sind genug der Worte. Das heißt nicht, dass wir nicht mehr über ihn sprechen sollten, aber ich bin mir sicher, dass es sein Wille wäre, wenn wir uns statt Trauern nach vergangenen Dingen, uns lieber mit der Zukunft beschäftigen, denn genau das hat Jim ausgemacht.

Jim, du warst ein toller Fahrer, danke für unsere gemeinsame Zeit!
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Beitrag: # 6764298Beitrag Flame of Za-i-ba
28.4.2009 - 21:28

Einige der Anwesenden wischten sich Tränen weg, während der Pfarrer sich erhob und nach vorne trat. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er zu sprechen begann:

Wir haben Heute viel über Jim Miles gehört. Über seine Fähigkeiten ein Motivator zu sein, die jungen Fahrer zu führen, was es heißt ein echter Freund zu sein, aber auch, dass man Rivalen im Leben braucht und Hindernisse, die zu überwinden sind. Jim hat seine Energie lieber Anderen gegeben, als sie für sich selber zu nutzen. Was letztendlich passierte, das soll in seinem Sarg bleiben. Das was bleibt ist die Erinnerung. Diese ist von Person zu Person unterschiedlich. Jeder kann ihn so sehen, wie er möchte. Niemand kann verlangen, dass Charlie plötzlich tagelang weint und Jim als einen Platzhalter in seinem Herzen bezeichnet. Genausowenig kann sein ehemaliger Schulfreund ihm komplett vergeben, aber wir dürfen nie vergessen, dass kein Mensch dieser Welt perfekt ist. Das einzige was man machen kann ist so gut zu sein, wie es geht und das hat Jim mit Sicherheit versucht - im privaten Leben, wie auch im Sportlichen.

Ende



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Kommentar:

Damit geht der zweite AAR zu Ende. Ich bin selbstkritisch und sage: Das war leider nicht so doll. Das Ende kam spät, das Ende kam kurz, ich habe schlichtweg vergessen, was ich eigentlich mit dem Ende machen wollte. Das sage ich mal ehrlich :oops: . Während die Erinnerung nicht wieder kommen wollte, ist aber ein anderes Projekt entstanden, dass auch schon einiges an Vorarbeit hat und nur dann gepostet wird, wenn es auch diesen Sicherheitsabstand hält. Es ist deutlich komplexer und anspruchsvoller als die beiden vorherigen Werte. Auch wenn es sicherlich sehr - ich nenne es mal - inviduell beginnt und sich wohl auch fortführt, ich hoffe doch, dass es dem ein oder anderen gefällt. Der erste Post kommt morgen!
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Andy92
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Beitrag: # 6764460Beitrag Andy92
29.4.2009 - 20:59

Also ich fands klasse. Schöne Lektüre - nie zu lang und nicht zu kurz und wenig Fehler, sehr konstant und schön geschrieben. Das einzige, was überhaupt nicht reinpasst ist das abrupte Ende - aber das hast du ja schon selbst erwähnt.
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