Der Gipfelstürmer

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Gerrit
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Beitrag: # 6748896Beitrag Gerrit
16.12.2008 - 20:28

Sorry, habe mich da oben irgenwie vertan. Vergiss einfach meinen dummen Post ;)

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Mor!tz
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Der Gipfelstürmer - Teil 1 - Kapitel 3

Beitrag: # 6748999Beitrag Mor!tz
17.12.2008 - 16:58

Kapitel 3 – Die Bewerbung

Moritz ging ins Internet und auf die Homepage von Team Antivir. Dort rief er erneut das Bewerbungsformular auf und begann es auszufüllen.
Name, Adresse, Alter, usw.
Dann fehlte nur noch ein Feld: „Warum möchten sie Radsportprofi werden?“
Was sollte er hier schreiben? Dass er davon träumte die Tour de France zu gewinnen? Welcher Radsport Fan tat das nicht?
Er schrieb denn Text immer wieder neu, und war trotzdem nicht zufrieden. Am Ende stand folgendes da:

„Warum ich Radsportler werden will? Gute Frage. Seit 4 Jahren träume ich davon. Ich kann ihnen leider nicht mit sportlichen Unterlagen zeigen, dass ich jede Woche über 100km Fahrrad fahre. Trotzdem habe ich mich entschlossen mich zu ihrem „Casting“ zu bewerben.“

Nein, das war schlecht. Er löschte die letzten 2 Sätze wieder. Er musste sich etwas Besseres ausdenken.

„Ich denke, es ist an der Zeit, aus dem Traum Wirklichkeit und aus dem Hobby einen Beruf zu machen. Meinen Sportlichen Leistungen können sie entnehmen, dass ich bisher ein Hobby-Ausdauersportler bin. Ich trainiere bisher einen Tag in der Woche nicht zu Fuß, sondern mit dem Fahrrad. Dabei lege ich immer zwischen 100 und 150km in hügeligem bis bergigem Terrain zurück. Ich möchte mich steigern und meinen Traum erfüllen, deshalb bewerbe ich mich zu ihrem Casting.“

Wie könnte er weitermachen? Das war doch noch nicht genug! Dieser kurze Absatz war doch niemals genug! Er zermarterte sich das Hirn, doch es wollte ihm einfach nichts mehr einfallen. Panik beschlich ihn. Sollte er seine Chance vertun, weil er nicht in der Lage war, eine ordentliche Bewerbung zu schreiben? Nein, er musste sich anstrengen, die Sache war es definitiv wert! Also schrieb er weiter:

„Ich denke, dass ich eine Chance habe, im Profi Radsport zu bestehen. Ich denke auch, dass ich ein guter Radfahrer bin. Deshalb möchte ich die Chance nutzen, das bei ihrem „Casting“ unter Beweis zu stellen. Ich bin bereit, für meinen Traum mein Studium abzubrechen und mich ganz auf den Sport zu konzentrieren. Ich hoffe, sie geben mir die Chance, meinen Traum zu erfüllen.“


Ihm fiel auf, dass auffällig oft „meinen Traum erfüllen“ dastand. Wenn das zu oft dastand, würden sie vielleicht meinen, er hätte nur einen Traum und nichts dahinter…
Er schaute zum Fenster hinaus. Draußen war es noch hell. Der Himmel war bewölkt und spiegelte damit seine Situation wieder. Er war nicht in der Lage die Wolken zur Seite zu schieben. Er konnte nicht sehen, was hinter dem grauen Schleier war. Das, was er eigentlich wollte. Er sah nur was darunter war. Die ersten Hügel der Schwäbischen Alb. Wellig und steil. So wie er sich fühlte, als ob ständig etwas Unvorhergesehenes passieren konnte.
War er dazu eigentlich wirklich bereit? Sein Studium aufzugeben, dass ihm so Spaß machte. War er dazu bereit, sein altes Leben aufzugeben? Unsicherheit überkam ihn. Hatte er sich wirklich entschieden? Immerhin war er nur Hobby Sportler. Er war schon 20, war das nicht eigentlich zu spät um eine Karriere zu beginnen? Hätte er überhaupt eine Chance? Konnte er seine Entscheidung von heute morgen akzeptieren? Den ganzen Tag war er sich schon nicht sicher gewesen. Er überlegte. Was wären die Konsequenzen, wenn er es täte?
Er würde viel trainieren müssen. Das machte ihm nichts aus. Er würde sicher oft von Zuhause weg sein. Da war es schon schwerer sich damit abzufinden. Andererseits wollte er seinen Traum verwirklichen. Heute Morgen hatte er sich eingeredet er hätte sich entschieden. Jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Er konnte sich eigentlich auch gar nicht vorstellen, wie sein Leben als Radsportler aussehen würde. Er war ja noch nicht einmal ein Rennen gefahren. Noch nie! Er wusste nicht was er tun sollte.
War es das, was man eine Sinnkrise nannte?
Er entschied sich, die Bewerbung auf jeden Fall abzuschicken. Selbst wenn sie ihn nehmen würden könnte er immer noch einen Rückzieher machen.
Da fiel ihm noch etwas ein. Es war zum verzweifeln! Er besaß noch nicht einmal ein Rennrad! So hätte er keine Chance. Dummerweise hatte er im Moment auch nicht genug Geld, um sich ein Rennrad zu kaufen. Erneute Panik keimte in ihm auf. Was sollte er nur tun? In der Schule hatte er gelernt, wie man Argumentiert. Allerdings hatte ihn das nie interessiert. Wenn es jetzt daran scheitern würde… Wie nützlich so etwas sein konnte fiel einem eben leider immer erst hinterher ein.
Er erinnerte sich an seinen Traum. Er konnte sich an kein Gefühl erinnern. Wie es wohl wäre wirklich zu gewinnen? Es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden. Er fügte unter Sonstiges noch einen Satz hinzu: „Leider besitze ich kein Rennrad“.

Eigentlich war er immer noch nicht zufrieden mit seiner Bewerbung. Was wenn er abgewiesen wurde? Er klickte schnell auf „senden“, bevor es sich anders überlegen konnte. Jetzt begann das Warten auf die Antwort. Wer weiß, wie lang das dauern konnte… Die Bewerbungsfrist lief noch eine Woche, bis zum 22. Juni. Ein Montag. Zu lange. Viel zu lange! So lange konnte er nicht warten, es würde ihn zerreißen! Er musste sich jetzt ablenken. Er zog sich um, zog seine Laufschuhe an und machte sich auf den Weg.
Tatsächlich konnte er während dem Laufen alles um sich herum vergessen. Er war nur noch bei sich selbst. Er konzentrierte sich ganz auf seinen Körper und blendete alles andere aus. Das hatte er schon immer können. Hätte er es bemerkt, wäre er froh darüber gewesen, aber er machte sich nicht einmal darüber Gedanken. Er lief einfach drauf los, einfach immer gerade aus. Einen Fuß vor den anderen. Er nahm nicht einmal wahr, dass es begonnen hatte zu Regnen. Er fühlte jeden Schritt. Er konzentrierte sich darauf, den Fuß perfekt aufzusetzen.
Abrollen. Absprung. Flugphase. Der nächste Fuß setzte auf.
Inzwischen schüttete es wie aus Kübeln. Er nahm es nicht wahr. Er war in seinem Element. Er hatte das Gefühl er könnte ewig so weiterlaufen.
Erst als es dunkel wurde, merkte er, wie weit er gekommen war. Er war eine 30km Runde gelaufen. Bis zu seinem Ausgangspunkt waren es noch ca. 2km. Er behielt sein Tempo bei und machte sich auf den Rückweg, aber es gelang ihm nicht mehr sich abzulenken. Erschöpft, müde und klatschnass kam er zuhause an. Seine Gedanken kreisten erneut um den Radsport. Wäre es nicht gut, sich einen Verein zu suchen? Würde das nicht einen besseren Eindruck hinterlassen? Er könnte dann immerhin vielleicht schon ein paar Rennen fahren und sein Training verbessern. Auf Anhieb fiel ihm kein Verein ein. Gab es hier überhaupt einen? Er würde sich erkundigen müssen.

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Mor!tz
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Der Gipfelstürmer - Teil 1 - Kapitel 4

Beitrag: # 6749118Beitrag Mor!tz
18.12.2008 - 16:54

Kapitel 4 – Warten - 16.06.08

Er hatte sich mit seinem Freund Clemens zu Radfahren verabredet. Clemens war etwas größer, schmächtig und hatte breite Schultern. Unter seinem Fahrradhelm schauten braune Locken hervor. Wie er war Clemens auch Läufer. Sie waren zusammen ihren ersten Marathon gelaufen, und mit nur einer Minute unterschied ins Ziel gekommen.
Die beiden kannten sich schon seit der Grundschule und hatten viele gemeinsame Interessen.
„Sag mal, hast du das mitgekriegt, dass dieses Radsportteam vom Bodensee Nachwuchstalente sucht?“ fragte Clemens. „Klar hab ich das gelesen“, antwortete er.
Moritz schaute auf den Tacho: 52km, es war Zeit ein bisschen Gas zu geben. Nach der nächsten Kurve würde eine steile Rampe kommen, das wusste er. „Lust auf ein kleines Rennen?“ fragte er. „Jederzeit, wer zu erst oben ist“, antwortete Clemens und ging aus dem Sattel. Schon vor der Kurve trat er kräftig in die Pedale und setzte sich ab. Die Rampe war ca. 2km lang, er hatte also noch viel Zeit. Hinter der Kurve beschleunigte auch er sein Tempo und holte wieder ein kleines Stück auf.
Clemens war schon 20m vor ihm, doch das machte ihm keine Sorgen. Er schaltete noch mal einen Gang hoch und trat in die Pedale. Er kam immer näher. Nach der hälfte der Steigung hatte er Clemens wieder eingeholt. Im sitzen. Er ging wieder aus dem Sattel und trat an. Er fühlte sich frei und sorglos. Er erinnerte sich an seinen Traum. Wieder flog er die Steigung hinauf. Wieder konnte niemand mithalten, wobei hier ja nur Clemens war. Als er das Ende der Steigung erreichte streckte er die Fäuste zum Himmel und jubelte. Dann schaute er nach hinten. Er hatte sich 20m von Clemens abgesetzt. „Gratulation, du bist am Berg einfach nicht zu schlagen. Aber nachher zeig ich’s dir!“ sagte Clemens, als er wieder zu ihm aufgeschlossen hatte. Mit nachher, meinte er einen Sprint im Flachen. Dort würde Clemens eine Revanche fordern.
„Ich hab mich übrigens beworben“, sagte Clemens auf einmal. Was wollte er damit jetzt sagen? „Wo?“ fragte Moritz abwesend. Er war in Gedanken immer noch in Frankreich. „Na bei dem Casting“, gab Clemens ungeduldig zurück. „Du auch?“ Moritz konnte es nicht fassen. Vielleicht würden sie es ja beide schaffen…
Eine halbe Stunde Später näherteten sie sich wieder der Stadt. „Jetzt kommt meine Revanche“, rief Clemens und eröffnete den Sprint. Moritz gab alles, aber trotzdem konnte er mit Clemens nicht mithalten. Dieses Mal war es an Clemens zu Jubeln. Sie hatten eben Unterschiedliche Stärken.

Nachdem er geduscht hatte sah er sich die zweite Etappe der Tor d’Helvetie im Fernsehen an. Nachdem Aurélien Clerc (BOUYGUES TELECOM) die erste Etappe im Massensprint hatte gewinnen können, war im Gesamtklassement noch alles offen. In der Bergwertung führte der Niederländer Lars Boom (TEAM ANTIVIR) vor dem Deutschen Markus Eichler (TEAM MILRAM). Die Etappe führte von Langnau über 197km auf den Flumserberg, auf dem Nach einem 10km langen Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 8,8% das Ziel auf die Fahrer wartete.
Das Rennen begann sehr unruhig und viele große Gruppen versuchten dem Feld zu entkommen. Lars Boom vom Team Antivir versuchte sein Bergtrikot zu verteidigen, wurde aber durch eine Reifenpanne daran gehindert.
Warum sympathisierte er eigentlich auf einmal so sehr mit diesem Team? Weil er sich für dessen Casting beworben hatte? Weil ihm die Trikots gefielen? Weil sein Lieblingsfahrer Markus Fothen dort fuhr? Er wusste es nicht.
Irgendwann hatte sich ein Duo an der Spitze gefunden. Murilo Fischer (LIQUIGAS) und Pavel Brutt (TINKOFF CREDIT SYSTEMS) konnten ihren Vorsprung auf bis zu 6min ausbauen. Die Nachführarbeit im Feld funktionierte nicht und die Beiden harmonierten gut, und so hatten sie 15km vor dem Ziel noch immer knappe 3min Vorsprung. Jetzt musste das Feld reagieren. Bis zum Beginn des entscheidenden Anstiegs, 10km vor dem Ziel, war es bis auf 1’31’’ herangekommen. Jetzt attackierte Alejandro Valverde (CAISSE D'EPARGNE), gefolgt von Markus Fothen (TEAM ANTIVIR) und Daniele Di Luca (LPR BRAKES).
Bild
Moritz freute sich schon, doch das Feld ließ nicht locker. 5km vor dem Ziel hatte das Feld unter Führung von Astana und CSC wieder zur Spitze aufgeschlossen.
Kurze zeit später attackierte Vladimir Efimkin vom Team AG2R LA MONDIALE. Es bildete sich eine Spitzengruppe, in der schließlich alle Favoriten vertreten waren.
Alejandro Valverde eröffnete früh den Sprint und zog die Gruppe weit auseinander. Am Ende Siegte Valverde vor Efimkin und Szmyd. Markus Fothen landete auf Platz 12 mit 1’04’’ Rückstand.
Bild
Alles in Allem war die Etappe relativ langweilig gewesen.

Ergebnis:


1 - Alejandro Valverde - CAISSE D'EPARGNE 4h39'27
2 - Vladimir Efimkin - AG2R LA MONDIALE + 2
3 - Sylwester Szmyd - LAMPRE + 12
4 - Samuel Sánchez Gonzalez - EUSKALTEL - EUSKADI + 14
5 - Juan Manuel Gárate - QUICK STEP + 15
6 - Jurgen Vandenbroeck - SILENCE - LOTTO + 16
7 - Carlos Sastre - TEAM CSC - SAXO BANK + 26
8 - Michael Rogers - TEAM COLUMBIA + 32
9 - Andreas Klöden - ASTANA + 41
10 - Danilo Di Luca - LPR BRAKES + 47
11 - Josep Jufre SCOTT - AMERICAN BEEF + 48
12 - Markus Fothen - TEAM ANTIVIR + 1'04
13 - Roman Kreuziger - LIQUIGAS + 1'05
14 - Christian Knees - TEAM MILRAM + 1'11
15 - Mikel Astarloza - EUSKALTEL - EUSKADI + 1'39

Gesamtklassement:

1 - Alejandro Valverde - CAISSE D'EPARGNE 7h58'39
2 - Vladimir Efimkin - AG2R LA MONDIALE + 6
3 - Sylwester Szmyd - LAMPRE + 18
4 - Samuel Sánchez Gonzalez - EUSKALTEL - EUSKADI + 24
5 - Juan Manuel Gárate - QUICK STEP + 25
6 - Jurgen Vandenbroeck - SILENCE - LOTTO + 26
7 - Carlos Sastre - TEAM CSC - SAXO BANK + 36
8 - Michael Rogers - TEAM COLUMBIA + 42
9 - Andreas Klöden - ASTANA + 51
10 - Danilo Di Luca - LPR BRAKES + 57
11 - Josep Jufre - SCOTT - AMERICAN BEEF + 58
12 - Markus Fothen - TEAM ANTIVIR + 1'14

Bergwertung:

1 - Alejandro Valverde - CAISSE D'EPARGNE 12
2 - Lars Boom - TEAM ANTIVIR 10
2 - Murilo Fischer - LIQUIGAS 10

Sprintwertung:

1 - Aurélien Clerc - BOUYGUES TELECOM 25
2 - William Bonnet - CRÉDIT AGRICOLE 20
3 - Jean-Patrick Nazon - AG2R LA MONDIALE 16
Zuletzt geändert von Mor!tz am 14.1.2009 - 17:18, insgesamt 1-mal geändert.

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Mor!tz
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Der Gipfelstürmer - Teil 1

Beitrag: # 6749229Beitrag Mor!tz
19.12.2008 - 14:26

17.06.08

Sie hob den Kopf und drehte sich zur Seite. Ihre schulterlangen braunen Haare wirbelten um ihren Kopf. Sie sagte irgendetwas zu ihrem Nebensitzer und wendete sich dann wieder dem Professor zu, der die Vorlesung hielt. Worum ging es eigentlich in dieser Vorlesung? Er hatte es schon wieder vergessen. Er hatte nur Augen für sie. Sie trug ein graues Sweatshirt und darüber eine kurzärmelige rot karierte Bluse. Ihre Augen waren hatten eine durchdringend blaue Farbe, als ob man dadurch direkt in ihre Seele blicken könnte. Sie war etwas schüchtern, aber sie lächelte immer so hinreißend. Manchmal wirkte sie ein bisschen naiv. Dabei war sie das garantiert nicht. Regine war eine der drei Frauen in seinem Studiengang und seiner Meinung nach die Klügste. Wahrscheinlich war sie sogar klüger als die meisten anderen hier im Raum.
Bisher war sie ihm noch nie so richtig aufgefallen. Klar hatten sie sich schon ab und zu unterhalten, und er fand sie echt nett und sie wohnte nicht weit von ihm weg, aber mehr war da bisher nicht gewesen. Bis heute morgen, als sie in der S-Bahn zusammengestoßen waren. Sie hatten beide noch die S-Bahn erreichen wollen, bevor sie abfuhr. Dabei waren sie direkt hinter der Tür zusammengestoßen. Es war nichts passiert und sie hatten sich beide nur ein bisschen erschrocken, und so hatten sie sich in der voll besetzten S-Bahn ein bisschen unterhalten. Erst da war ihm aufgefallen, wie schön sie war. Seitdem konnte er an nichts anderes denken. War das Liebe? Er war sich nicht sicher. Er war gern in ihrer Nähe. Sie war sympathisch und klug. Mehr noch, man könnte sagen sie befand sich auf seiner Wellenlänge. Er könnte sie den ganzen Tag lang nur anschauen…
„Vielleicht weiß Herr Frei ja die Antwort.“
Was war los? Hatte da jemand seinen Namen gesagt? „Herr Frei?“ fragte der Professor, „alles in Ordnung?“ Alle Augen ruhten auf ihm. Er spürte wie er rot wurde. Was nun? Er hatte ganz vergessen, dass er in einer Vorlesung saß. „Äh… ja, alles in Ordnung. Tut mir leid, ich war wohl ein bisschen abgelenkt…“, antwortete er. Lachen. Dass er immer so Gedankenverloren sein musste, konnte er nicht einmal aufpassen? Die Situation war ihm peinlich. Hatte er womöglich die ganze Zeit Regine angestarrt? War das den anderen vielleicht aufgefallen? Zum Glück zog der Professor die Aufmerksamkeit schnell wieder auf sich und fragte einen anderen Studenten.

Nach der Vorlesung verließ er schnell den Hörsaal und ging in die Cafeteria. Er holte sich etwas zum Essen und setzte sich an einen Ecktisch, so, dass er zur Wand blickte. Nur nicht auffallen. Der Ausrutscher von vorhin war ihm immer noch peinlich.
„Na, Moritz, da standst du ja vorhin ganz schön auf dem Schlauch. Wo warst du denn mit deinen Gedanken.“ Er brauchte sich nicht umdrehen um zu wissen wer das war. Er hatte ihre Stimme sofort erkannt. Er erinnerte sich an ihren Zusammenstoß in der S-Bahn. Hatte er sie vielleicht doch angestarrt? Was jetzt? Sollte er ihr einfach unverblümt die Wahrheit sagen? Dass er an sie gedacht hatte? Würde dass nicht plump rüberkommen? Würde er da nicht wie ein Macho aussehen? „Ach ich weiß nicht…“, sagte er und steckte schnell einen weiteren Löffel in den Mund, um nichts sagen zu müssen. Sie war jetzt um den Tisch herumgekommen und setzte sich ihm gegenüber. Hoffentlich merkte sie nicht, dass er schon wieder rot wurde. Was war nur los mit ihm, diese Frau machte ihn verrückt. „Weshalb ich eigentlich da bin…“, begann sie und kramte in ihrer Tasche.
Weshalb könnte sie da sein? Wollte sie ihm sagen, dass sie genauso empfand wie er? Es wäre vermessen gewesen, dass zu glauben. Wollte sie ihn zur Rede stellen, weil er sie angestarrt hatte? Sie kramte immer noch in ihrer Tasche. Um die Nase war ihre helle Haut mit Sommersprossen gesprenkelt. Hatte er sie überhaupt angestarrt? Würde sie ihm unmissverständlich klarmachen, dass bei ihr nichts lief? Sie schien endlich gefunden zu haben, was sie gesucht hatte und erlöste ihn von seinen Spekulationen.
„…Wir starten mit einer Gruppe bei der Alb-Extrem und einer von uns hat sich verletzt und fällt aus. Jetzt wollte ich dich fragen, ob du für ihn einspringen würdest“, kam sie zur Sache und legte vor ihm einen Flyer auf den Tisch.
Moritz war völlig perplex. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht mit so etwas.
Alb-Extrem, das war ein Radmarathon. Man konnte zwischen drei Streckenlängen (190km, 210km und 260km) wählen und hatte von 5:30 Uhr bis 18:30 Uhr Zeit. Der Radmarathon war wirklich extrem und hatte ein sehr anspruchsvolles Profil. Es war kein Rennen, sondern es ging darum möglichst viele Kilometer zu sammeln. Die Gruppe mit den meisten Kilometern pro Fahrer gewann.
Warum war er eigentlich noch nie mitgefahren? Warum hatte er sich dafür nicht angemeldet?
„Ich weiß, das ist sehr kurzfristig“, fügte sie hinzu, als sie sah dass er nachdachte, sie meinte wohl er wollte nicht, „aber mir fällt niemand anderes ein. Außerdem würden mit dir unsere Siegchancen enorm steigen…“ Es war bekannt, da Moritz’ Entscheidung stand schon fest, als sie das erste Mal gefragt hatte. „Was ist denn das für eine Gruppe?“, wollte er wissen. „Wir sind nur 12 Leute, das heißt wenn einer ausfällt erreichen wir das Gruppenlimit nicht. Ein paar kennst du, 5 Jungs aus unserem Studiengang. Zwei Freundinnen von mir, mein Bruder und seine Freundin, und die Freundin von Manuel.“, zählte sie auf. Manuel war einer seiner Studienkollegen, ein netter Kerl. Er war erstaunt, dass so viele Frauen dazugehörten. „Wir wären die Gruppe mit dem jüngsten Altersdurchschnitt“, fügte Regine noch hinzu. Moritz war klar, wie die Antwort lauten musste. Er könnte sie niemals enttäuschen. „Na dann werde ich eure Gruppe gerne verstärken“, sagte Moritz. „Welche Strecke hast du dir denn vorgenommen?“ fragte er sie. Seine anfängliche Schüchternheit hatte er inzwischen einfach vergessen. Vielleicht konnte er sie ja beeindrucken. „Ich fahr die 260km“, sagte Regine. Jetzt war nicht sie, sondern er beeindruckt. Die schwierigste Strecke! Er wusste gar nicht, dass sie so sportlich war. „Außer mir fährt aber niemand aus der Gruppe die längste Strecke.“ fügte sie noch hinzu. Was sie damit bezwecken wollte war eindeutig, und sie hatte ihr Ziel mit einem Blick erreicht, obwohl sie das sicher nicht vorgehabt hatte. Moritz überlegte nicht lange. „Jetzt nicht mehr“, gab er zurück und grinste sie an. „Das finde ich toll, dann bin ich nicht so allein. Wir könnten ja zusammen fahren… Natürlich nur wenn ich dir nicht zu langsam bin.“ Moritz schaute sie an. Unmöglich. Eher würde er zu langsam für sie sein, weil er nur noch Gedanken für sie hatte und darüber das Fahrrad fahren vergaß. „Bestimmt nicht“, gab er zurück, „Ich freu mich schon drauf.“
„Ach ja, wir treffen uns bis zum Alb-Extrem noch ein paar Mal um zusammen zu trainieren. Hast du morgen um 6 Zeit?“ „Klar“
, antwortete Moritz, „Ich freu mich drauf die anderen kennen zu lernen.“ In Wirklichkeit freute er sich darauf Regine wieder zu treffen, denn hier in der Uni boten sich kaum Möglichkeiten dazu. Er hatte das Gespräch genossen und war traurig, dass es schon wieder vorbei war.

Am Abend schaute er sich im Internet das Profil des Radmarathons an:
Bild

Hoffentlich hatte er sich mit den 260km nicht übernommen. Immerhin mussten 4300 Höhenmeter zurückgelegt werden. Er beruhigte sich damit, dass er ja 13 Stunden Zeit hätte. 13 Stunden, die er vielleicht mit Regine verbringen konnte. Bis zum 29. Juni waren es noch 12 Tage. Er freute sich wahnsinnig darauf. Inzwischen musste er sogar noch öfter an Regine denken…
Obwohl er sich heute angeregt mit Regine unterhalten hatte, war er enttäuscht. Sie schien ihn zu mögen, aber dass schien auch schon alles zu sein. Allem Anschein nach war ihr, im Gegensatz zu ihm, eine freundschaftliche Beziehung genug. Hatte sie am Ende vielleicht sogar einen Freund?
Zuletzt geändert von Mor!tz am 14.1.2009 - 17:19, insgesamt 1-mal geändert.

Ullrich_gewinnt_2006
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Beitrag: # 6749529Beitrag Ullrich_gewinnt_2006
22.12.2008 - 1:49

an sich finde ich es in der 2. Hälfte nach der Kritik bedeutend besser. Aber eine Sache ist noch ein bisschen unkorrekt bzw. man merkt, dass du noch nie Rennen gefahren bist ober aber du fährst nur aus Spaß an der Freude, denn irgendwo beschreibst du bei deinem Traum wo du Neben Contador etc. fährst, dass du langsam immer mehr von der Umgebung wahrnimmst.
Dem ist aber nicht so, denn wenn du dich anstrengst verengt sich das Sichtfeld und du siehst gerade noch die Fahrer vor dir, die Zuschauer an der Strecke bemerkst du Teilweise gar nicht mehr auch wenn du es so wirkte als sei er seiner Konkurrenz überlegen, aber ich glaube kaum, dass er dahinten saß uns sich hätte ein Liedchen pfeifen können, aber solche kleinen Schlitzer seien dir gegönnt, schließlich ist mein AAR auch alles andere als Perfekt, doch leider komme ich aktuell nicht mehr zum schreiben, nur mal kurz zum lesen einiger AARs.

Wünsche dir auf jeden Fall weiterhin viel Spaß und auch Erfolg.

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Mor!tz
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Beitrag: # 6749535Beitrag Mor!tz
22.12.2008 - 9:15

Hallo

Danke auf jeden Fall für die Erklärung, das ist natürlich aucvh immer interessant sowas zu erfahren. Allerdings musst du bedenken, das er selbst ja auch noch nie ein Rennen gefahren ist, es ist ja schließlich ein Traum. Deshalb war auch mein Gedanke, dass er in diesem Traum erst gar nicht so richtig weiß, wo er ist und das ganze mit der Zeit dann immer klarer wird.

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Beitrag: # 6750154Beitrag Mor!tz
29.12.2008 - 13:51

HAllo

Über die Feiertage bin ich zu gar nichts gekommen, und morgen gehts in den Urlaub. deshalb wird bis 11.1. nichts kommen

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Rene75
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Beitrag: # 6750161Beitrag Rene75
29.12.2008 - 15:20

Na dann Ski Heil :)

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Mor!tz
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Der Gipfelstürmer - Teil 1

Beitrag: # 6751044Beitrag Mor!tz
8.1.2009 - 21:45

18.06.08

Der Tag an der Universität wollte einfach nicht vorüber gehen. Eine Vorlesung folgte auf die nächste. Er hatte das Gefühl, dass man ihn absichtlich so lange hier sitzen ließ. Der Professor schien jeden Satz extra langsam zu betonen und ihm fielen immer neue Dinge ein. Hier noch eine Floskel, dort eine unnötige Frage. Moritz wollte nur, dass die Zeit schnell verging. Er freute sich auf heute Abend und gerade eben war ihm ein Grund eingefallen, schon nach der Vorlesung wieder mit Regine zu sprechen. Gedankenverloren schaute er aus dem Fenster. Die Sonne schien. Nur vereinzelt hingen Wolken am Himmel. Der Tag war eigentlich viel zu schön um ihn hier zu verbringen. Eigentlich sollte er nach draußen gehen und etwas unternehmen. Am besten zusammen mit Regine. Er stellte sich vor, wie es wäre ihre Hand zu halten, Hand in Hand mit ihr durch den Park zu spazieren. Er konnte es sich nicht vorstellen. Wie sich ihre Haut wohl anfühlte? Leider würde in nächster Zukunft wohl nichts daraus werden. Aber Träumen war ja wohl erlaubt.
Scheinbar doch nicht, zumindest nicht im Unterricht. Sein Nachbar stieß ihm den Ellenbogen unsanft in die Seite und Moritz zuckte zusammen. Hatte er schon wieder eine Frage überhört?
Er konnte sich sofort beruhigen. Der Professor redete immer noch. Allerdings schaute er immer wieder böse zu ihm her. Scheinbar hatte sein Nebensitzer bemerkt, dass er nicht bei der Sache war und ihn vor einer so peinlichen Situation wie gestern bewahren wollen. Die nächste Frage stellte der Professor, wie konnte es auch anders sein, natürlich ihm, aber Moritz hatte genug gehört um die Frage zu beantworten. Der Professor schaute ihn streng an. War die Antwort doch falsch gewesen? „Sie scheinen tatsächlich Multitasking fähig zu sein Herr Frei“, sagte er emotionslos und fuhr fort. Moritz schaute zu Regine. Er erwatete ihr Profil, das er den ganzen Morgen schon mehrmals beobachtet hatte. Ihre zierliche Spitze Nase mit den Sommersprossen war einfach zu süß. Doch er sah nicht ihr Profil. Sie schaute ebenfalls zu ihm. Es kam ihm minutenlang vor, als er ihr in die Augen blickte. Obwohl sie etwas weiter weg saß konnte er die feinen braunen Streifen im Blau ihrer Pupille genau erkennen. Er merkte wie er errötete und wendete sich schnell ab. Er kam sich unglaublich dumm vor. Wieso hatte er ihr so lange in die Augen geschaut? Er hatte sie sicher in Verlegenheit gebracht.
Allerdings musste er feststellen, dass er den Zwang verspürte ihr noch einmal und noch länger in die Augen zu schauen. Es war das Schönste gewesen, was er je gesehen hatte. Er war sich sicher. Was sollte schöner sein, als ihre Augen? Ihm fiel nichts ein. Genau deshalb war er sich ja so sicher, dass er noch nie etwas Schöneres gesehen hatte. Es gab einfach nichts. Er musste sich zwingen, sich nicht schon wieder zu ihr zu drehen. Man konnte es wirklich übertreiben. Was war nur mit ihm los? So unkontrolliert war er doch sonst nicht! Hoffentlich hatte niemand ihren Blickkontakt bemerkt. Er hörte schon die Gerüchte aufkommen. Er sah schon, wie sie, um alle Gerüchte im Keim zu ersticken, ihm klarmachen würde, dass da nichts lief! War ihm nicht vielleicht doch etwas entgangen? War sie nicht auch errötet? Hatte sie nicht auch weggeschaut? Oder redete er sich das nur ein?
„Du musst es ihr endlich sagen“, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Was sollte er ihr denn sagen? Liebte er sie überhaupt? War das nicht vielleicht nur eine oberflächliche Schwärmerei? Er kannte sie schließlich kaum.
Das zumindest wollte er ändern. Heute Abend sollte die erste Gelegenheit sein, sie näher kennen zu lernen.
„Also ich weiß ja nicht, zu wem du die ganze Zeit rüberstierst, aber viel Auswahl gibt es ja nicht und ich bin sicher nicht der einzige, dem das aufgefallen ist“, raunte ihm sein Nachbar zu. Moritz war erschüttert. War es so offensichtlich? Er hatte sich doch extra Mühe gegeben nicht ständig zu ihr zu schauen. „Also, ich weiß ja nicht, welche von den dreien es ist, aber ich denke, du solltest ihr sagen wie es um dich steht… Falls sie es nicht schon längst selbst gemerkt hat.“ Ein Schock folgte dem nächsten. Er musste sich irgendwie rausreden. „Ähm… was meinst du?“, stotterte er. Kein guter Beginn um sich rauszureden. „Also dich hat’s ja voll erwischt, was?“ Sein Nachbar nahm kein Blatt vor den Mund. Vielleicht war es ja besser so. Vielleicht musste ihm ja einfach mal jemand sagen, dass er verliebt war, wenn er es sich schon nicht selbst eingestehen konnte.
Aber ihr sagen, dass er sie liebte, das konnte er nicht. Dafür war er viel zu schüchtern. Dazu war seine Angst viel zu groß, zurückgewiesen zu werden. Wie sollte er das überhaupt sagen? „Ich liebe dich…“, das klang ja wie ein schlechter Witz. Ein Zitat aus einem Liebesfilm, der vor Schmalz nur so strotzte. Das klang einfach viel zu hochgestochen. „Ich hab dich lieb“ brachte aber auch nicht zum Ausdruck, was er eigentlich sagen wollte. Im Gegenteil, das drückte doch nur aus, das er sie mochte. Womöglich würde sie denken, er würde sie gar nicht lieben.
Was zerbrach er sich eigentlich den Kopf darüber? Er würde sich ja doch nicht trauen. Als ob er Gedankenlesen könnte sagte sein Nachbar nur: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Es war zum Verrücktwerden. Konnte man ihm seine Gefühle wirklich so leicht ansehen? Er hatte immer gedacht, er könnte sie gut verstecken. Diese Frau musste bei ihm irgendwie einen Kurzschluss ausgelöst haben.
„Einen schönen Tag noch“, schloss der Professor die Vorlesung. Endlich war sie vorbei, aber bis heute Abend war noch viel Zeit. Wie sollte er das nur aushalten?
Da fiel ihm wieder ein, dass er ja einen Grund hatte, zu ihr zu gehen.
Zuletzt geändert von Mor!tz am 14.1.2009 - 17:20, insgesamt 1-mal geändert.

Andy92
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Beitrag: # 6751049Beitrag Andy92
8.1.2009 - 22:31

:D Sehr schöner Teil! Der Schreibstil gefällt mir immer besser.
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Mor!tz
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Der Gipfelstürmer - Teil 1

Beitrag: # 6751131Beitrag Mor!tz
9.1.2009 - 23:04

Hi Regine“, begrüßte er sie fröhlich. Sie drehte sich um. „Oh…“,sie schaute ihn seltsam an, „Hallo Moritz“. Hatte sein Nachbar recht gehabt? Hatte sie etwas gemerkt? „Weshalb ich da bin…“, Moritz ärgerte sich. Konnte er nicht einfach mal ein bisschen Smalltalk halten? Regine war wirklich eine Schönheit. Nicht perfekt, und deshalb eigentlich doch perfekt. Er glaubte nicht, dass überhaupt irgendjemand perfekt wäre. Er schon gleich dreimal nicht. Wäre das nicht auch langweilig?
„Ja, was gibt’s?“ fragte Regine jetzt. „Ach ja, du hast mir gestern gar nicht gesagt, wo ihr euch trefft.“ Regine musterte ihn mit abschätzigem Blick. Hatte sie etwas anderes erwartet? Hatte sie bemerkt, was mit ihm los war? Erwartete er, dass er ihr sagte was Sache war? „Ach ja, wir wollten ja trainieren… Wir wollten uns eigentlich am Sportplatz in Göppingen treffen, oder hast du eine bessere Idee?“ Moritz war erstaunt. Er war gerade erst dabei, und sie fragte ihn nach einer besseren Idee. Er hatte nicht gedacht, dass er bei einem bereits verabredeten Treffen noch nach einer Änderung gefragt würde. „Nein, wieso auch?“ Jetzt wurde ihm klar, weshalb sie ihn gefragt hatte, ob er eine bessere Idee hätte. Sie dachte wohl, er würde sich besser auskennen. Wahrscheinlich hatte sie recht. „Ich denke, das ist ganz gut, wenn wir erst ein bisschen durch die Ebene fahren, wir müssen es ja nicht gleich übertreiben.“ „Da hast du Recht“, meinte Regine nur. Könnte er noch irgendetwas sagen, damit das Gespräch länger dauerte?
„Schicke neue Frisur, steht dir gut.“ Das war wirklich blöd. Warum hatte er das gesagt. Wie sah denn das aus?
Zu seiner Erleichterung schien Regine es nicht als Anmache aufzufassen: „Oh, ist es dir aufgefallen?“
Natürlich war es ihm aufgefallen. Ihm wäre jede noch so kleine Änderung an ihr aufgefallen. „Klar, sieht echt gut aus.“
Danke… Also bis heute Abend!“ Regine wollte schon weglaufen, er musste sie daran hindern. Er wollte noch weiter reden. Sie hatte sich umgedreht und lief Richtung Ausgang. Jetzt, er musste schnell etwas sagen, sonst wäre sie weg! „Bis heute Abend!“ rief er ihr hinterher. Warum war ihm nichts Besseres eingefallen. Warum hatte er ihr nicht einfach gesagt, wie gut ihr das Top stand, das sie trug. Warum hatte er nicht gesagt, wie gern er sie hatte, wie schön er sie fand.
Im gehen drehte sie sich noch einmal um und winkte zum Abschied. Sie lächelte ihn an.
Dieses lächeln. Für einen Moment war er der glücklichste Mensch auf der Erde. Viel zu schnell drehte sie sich wieder um und ging zur Türe hinaus. Könnte er dieses Lächeln nur noch öfter sehen.
Er machte sich auf den Heimweg. Auf einer Informationstafel im Bahnhof konnte er lesen, dass sein Zug 20 Minuten Verspätung hatte. Er ärgerte sich. „Sänk you for träweling wif Deutsch Bahn“, dachte er ironisch. Sie sollten „Sänk you for waiting auf Deutsche Bahn“ sagen…
Er wäre gerne mit dem Fahrrad zur Uni und zurück gefahren, aber er hatte einfach nicht die Zeit dafür. Von ihm Zuhause bis Stuttgart waren es fast 50 Kilometer. Vor allem morgens reichte ihm die Zeit nicht.
Heute Abend, zum Training mit den anderen könnte er allerdings mit dem Rad fahren. Göppingen war ja nicht weit von ihm weg.
Warum traf sich die Gruppe eigentlich in Göppingen? Gut, von dort konnte man gut auf den Hohenstaufen fahren, aber wäre näher an Stuttgart nicht geschickter für den Rest gewesen? Er dachte nach. Regine wohnte hier in der Nähe, ihr Bruder höchstwahrscheinlich auch. Was war mit dem Rest? Nach kurzer Zeit ging ihm auf, dass alle aus dem Team, zumindest die, die er kannte, hier im Filstal wohnten.
Er überlegte sich, was er bis um 6 noch machen konnte. Er wollte sich über Radsportvereine in der Nähe informieren. Wo machte man das am Besten? Im Internet? Er beschloss, es auszuprobieren. Inzwischen war der Zug an seinem Ziel angekommen und Moritz lief die restliche Strecke vom Bahnhof nach Hause.

Daheim aß er erstmal etwas. Dann ging er ins Internet. Er rief eine Internetsuche auf und gab den Suchbegriff „Radsportverein Göppingen und Umgebung“ ein. Das Ergebnis war enttäuschend. Er rief sich ins Gedächtnis, wie solche Suchmaschinen arbeiteten. Kein Wunder, dass er so nichts fand. Er löschte „und Umgebung“ und probierte es erneut. Das sah doch schon besser aus. Er sah sich die Ergebnisse etwas genauer an. Die Meisten waren Webseiten von Fahrradgeschäften. Mist. Laut dem Internet gab es keinen Verein in der Nähe. Nach einiger Zeit fand er eine Liste mit Vereinen im Filstal. Hoffentlich fand er hier etwas.
Tatsächlich, in Faurndau, einem Vorort von Göppingen gab es nach dieser Liste einen Radsportverein. Er hieß „Radteam Staufen“. Auf der Internetseite, die aussah, als wäre sie schon 20 Jahre alt, allerdings erst 3 Jahre alt war, erfuhr er, dass sich das Radteam donnerstags um halb 6 zum Training traf. Interessierte sollten einfach dazu kommen. Das würde er morgen machen. Blieb noch das Problem, dass er kein Rennrad besaß.
Klickpedale für sein Treckingrad hatte er sich schon vor zwei Jahren zugelegt. Er hatte sich damals für Kombi-Klickpedale entschieden, da er doch sehr viel in der Stadt unterwegs war, wo er normale Schuhe brauchte. Trotzdem machte das sein Treckingrad nicht leichter und Aerodynamischer. Es war zwar erst fünf Jahre alt und ständig gut in Schuss gehalten, aber für richtigen Radsport war es einfach nicht geeignet. Trotzdem musste es reichen. Er konnte sich kein Rennrad leisten. Ob das seinen Traum zerstören würde?
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Beitrag: # 6751237Beitrag Mor!tz
10.1.2009 - 23:02

Moritz bog um die Kurve und hielt auf dem Parkplatz des Sportplatzes an. Sechs Radler waren schon da. Er stieg ab und begrüßte der Reihe nach jeden. Regine stellte ihre zwei Freundinnen als Mirjam und Steffi vor. „Ich hatte eigentlich gedacht, du würdest mit dem Rennrad kommen…“, Stephen, ein Studienkollege, schien enttäuscht zu sein. „Ich hab keins.“ Stephen war fassungslos: „Du trainierst so viel und hast kein Rennrad? Das hätte ich nicht gedacht… Wie alt ist das Teil?“ „Fünf Jahre, knappe fünfzehntausend Kilometer.“ „Meinst du nicht, es wäre mal Zeit für ein Neues?“, fragte Stephen? „Das tut seinen Dienst noch gut genug.“ Inzwischen waren alle da.
„Ich würde sagen, wir fahren los, wo sollen wir hinfahren?“ Regine schien in dieser Gruppe das Kommando zu haben. „Ich hätte gesagt wir fahren auf den Hohenstaufen und dann sehen wir weiter.“ Meldete sich Stephen zu Wort. Er war der einzige, der ein Rennrad hatte.
Alle waren einverstanden, und so machten sie sich auf den Weg. Die Straße verlief leicht ansteigend durch den Wald. Moritz hielt sich in der Mitte der Gruppe und passte sich erstmal dem Tempo der anderen an. Gemütlich fuhren sie durch den Wald. Als sie den Wald wieder verließen und der Anstieg zum Hohenstaufen richtig begann war die Sonne schon einiges tiefer gesunken. Sie hielten kurz am Straßenrand an und teilten sich in drei Gruppen auf, damit sie nicht so viel Platz brauchten und Autos einfacher überholen konnten. Außerdem könnte so jeder seinem Vermögen entsprechend fahren. Oben wollten sie sich wieder treffen. Moritz fand sich mit Stephen und Daniel, zwei seiner Studienkollegen wieder. Die beiden waren Handballer und hatten sicher gute Kondition. Zu seiner Freude gesellte sich Regine zu ihnen. Als vermeintlich schnellste Gruppe warteten sie bis alle anderen weg waren. Dann fuhren sie los. Stephen setzte sich an die Spitze und ging die Steige mit ordentlichem Tempo an. Nach der ersten Kurve wurde er allerdings schnell langsamer, weil die Steigung auf ungefähr 6% anstieg. Daniel ließ sich nicht beirren und zog vorbei. Nach ungefähr zwei Kilometern sagte Regine nur: „Jungs geht das auch etwas schneller?“ und verschärfte das Tempo. Moritz schaute auf den Tacho: 18 km/h. Er schätzte die Steigung auf 7%. Das hätte er von Regine nicht erwartet. Bis nach Hohenstaufen überholten sie tatsächlich die Gruppe vor ihnen. Sie fuhren auf der anderen Seite nach Manzen wieder hinunter. Dort drehten sie wieder um und fuhren erneut nach Hohenstaufen. Als sie fast oben waren ging rechts von ihnen die Sonne unter und tauchte die Szene in ein rot-orangenes Licht. Von Ottenbach aus fuhren sie die dritte mögliche Auffahrt nach Hohenstaufen hinauf. Die Ottenbacher Seite war die Steilste mit teilweisen 8% Steigung. Da sie sich jetzt auf der Ostseite des Hohenstaufens befanden, waren sie jetzt komplett im Schatten und langsam wurde es kühl. Als es noch ungefähr ein Kilometer bis zum höchsten Punkt der Steige war schlug Stephen ein kleines Rennen vor. Wer zuerst an der Kreuzung wäre sollte gewinnen. Alle waren einverstanden.
Daniel ging sofort aus dem Sattel und verschärfte das Tempo. Stephen hängte sich kurz entschlossen dran. Regine schüttelte nur den Kopf: „Das halten die nie bis oben durch.“ Moritz war erstaunt, genau das Gleiche hatte er auch gerade gedacht. Er fuhr jetzt auch schneller, blieb allerdings im Sattel. Ein Blick nach hinten zeigte ihm, dass Regine das Tempo mühelos halten konnte. Bereits nach der nächsten Kurve konnte er die zwei wieder vor sich sehen. Sie hatten sich beide wieder gesetzt und keuchten den Hang hinauf. Noch eine Kurve, ungefähr 500m. Moritz ging aus dem Sattel und trat an. Innerhalb kürzester Zeit zog er an den beiden vorbei und ging mit Schwung in die letzte Kurve. Er schaute nach hinten. Regine war ebenfalls an den beiden vorbei gezogen und war ungefähr 15 Meter hinter ihm. Sie war nicht aus dem Sattel gegangen. Moritz setzte sich wieder und fuhr gemütlich weiter. Die zwei würden nicht mehr rankommen.
Doch er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Besser gesagt ohne die Wirtin.
„Schon fertig?“ rief Regine, als sie an ihm vorbei raste. Er ging aus dem Sattel und versuchte hinterher zu fahren, doch es war zu spät. Regine hatte die Kreuzung schon fast erreicht. Er hatte sie unterschätzt…
Für heute hatten sie genug trainiert und so machten sie sich gemeinsam auf den Heimweg.
Als er sich abends schlafen legte, dachte Moritz schon wieder an Regine. Er sah sie, wie sie an ihm vorbei zog. Ihre Haare schauten unter dem Fahrradhelm hervor und wurden von ihren Bewegungen hin und hergeworfen. Irgendwie war er glücklich. Mit diesen Gedanken schlief er ein.
Zuletzt geändert von Mor!tz am 14.1.2009 - 17:21, insgesamt 1-mal geändert.

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Der Gipfelstürmer - Teil 1

Beitrag: # 6751617Beitrag Mor!tz
14.1.2009 - 17:15

Moritz

Manchmal gibt es Tage, da stimmt einfach alles. Heute war so einer. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, schien die Sonne zum Fenster herein. Mein Zug war pünktlich und in der Uni habe ich mich endlich wieder richtig konzentrieren können. Ich habe gemerkt, dass ich in den letzten Tagen nicht sehr viel mitbekommen habe. Ich musste etwas unternehmen, schließlich gehe ich nicht umsonst in die Uni. Tatsächlich habe ich es geschafft, mich aufs Thema zu konzentrieren. Beim Mittagessen habe ich mich dann lange und ausführlich mit Regine unterhalten. Wir sprachen über dies und das, die Vorlesung am Morgen und natürlich auch übers Radfahren. Regine hat mir erzählt, dass sie schon seit 3 Monaten trainiert. Ich war echt erstaunt, so etwas hätte ich nicht erwartet.
Ich weiß nicht warum, aber während unserem Gespräch war ich einfach Glücklich. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich fühlte mich leicht und frei, als ob ich jeden Moment abheben würde. Dabei haben wir nur geredet.
Gegen Abend bin ich mit dem Fahrrad nach Faurndau gefahren. Um halb 6 waren tatsächlich 12 andere Sportler da. 2 Jugendliche in meinem Alter, einige Männer um die 40 und zwei Senioren. Einer von ihnen sprach mich an, er erzählte mir alles Mögliche über den Verein und schließlich schlug er vor ich sollte einfach einmal mitfahren. Natürlich trug mein Fahrrad zur allgemeinen Belustigung bei, doch ich konnte die ganze Trainingsausfahrt über locker mithalten. Die zwei Jugendlichen lernte ich als Fabian und Tobias kennen. Mit Fabian verstand ich mich auf Anhieb. Er ist, wie ich, 20 Jahre alt und ein freundlicher, aufgeschlossener Kerl. Tobias ist eher ein bisschen zurückhaltender, allerdings kam ich auch mit ihm gut aus. Sie erzählten mir, dass es noch ein drittes Vereinsmitglied in unserem Alter gibt. Peter soll ein großes Talent sein, und Tobias hat ihn überschwänglich gelobt. Fabian hat ihm zwar zugestimmt, was das Talent von Peter betrifft, war aber irgendwie nicht so begeistert von ihm.
Am Ende der Ausfahrt habe ich mich dann im Verein angemeldet. Vielleicht fahre ich ja schon bald ein richtiges Radrennen.

Abends habe ich dann im Internet noch nach den Ergebnissen der Tour d’Helvetie geschaut. Das Rennen hatte mit vielen Ausreißversuchen begonnen. Nur der Allererste war allerdings erfolgreich. Der Schweizer Oliver Zaugg vom Team Gerolsteiner holte sich dabei das Bergtrikot. Erst am letzten Anstieg wurde er wieder gestellt. Kurz vor dem letzten Gipfel attackierten dann sämtliche Favoriten. Auf der Kurzen Abfahrt ins Ziel versuchte mein Lieblingsfahrer Markus Fothen sein Glück und verschaffte sich somit eine gute Ausgangsposition für den Schlusssprint. Nur der Russe Vladimir Efimkin konnte mithalten und übersprintete Fothen zum Schluss noch knapp.
Ich kann es nicht beschreiben, aber ich bin einfach glücklich. Heute war eben so ein Tag, an dem alles läuft. Mit der Hoffnung, dass morgen wieder so ein Tag ist gehe ich jetzt ins Bett. Morgen treffen wir uns wieder zum Trainieren. Ich freu mich schon drauf…


Ich habe jetzt mal eine andere Erzählperspektive ausprobiert, vielleicht kommt das ja noch öfters.

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Beitrag: # 6751667Beitrag Mor!tz
15.1.2009 - 13:51

Johannes Knauf war wütend. Dabei gab es eigentlich keinen Grund dafür. Im Gegenteil, eigentlich hatte er genügend Gründe um zufrieden zu sein.
Als er im Herbst Markus Fothen und Sylvain Chavanel in sein neues Team geholt hatte, war er erstaunt gewesen, dass die beiden für ein Team ohne Pro Tour Lizenz fahren würden. Die ganze Saison war bisher richtig gut verlaufen. Die Ergebnisse stimmten, die Sponsoren waren zufrieden, sein Team führte die Kontinentaltour an, kurzzeitig sogar in der Fahrerwertung. Wildcards für Pro Tour Rennen bekamen sie inzwischen mit Handkuss. Sogar zur Tour de France hatte man sie eingeladen. Trotzdem war er wütend. Er hätte zu Beginn der Saison nicht damit gerechnet, dass es so gut laufen würde. Eigentlich war es zu erwarten gewesen, dass Fothen nicht an jedem Berg mithalten konnte. Schließlich war er keine Bergziege.
Aber mit den Vielen Guten Ergebnissen waren eben auch die Erwartungen gestiegen.
Als sie heute Morgen die Taktik besprochen hatten war klar gewesen, wie das rennen laufen sollte. Lars Boom hätte früh angreifen sollen, um sich das Bergtrikot zurückzuholen. Die Taktik für den Rest war klar definiert: Abwarten, und am letzten Anstieg versuchen an den Favoriten dran zu bleiben. Aber es war alles anders gekommen.
Lars Boom hatte nach seiner Flucht gestern einfach nicht die Kraft um vorne mit dabei zu sein. Bereits vor der ersten von zwei Bergwertungen wurde er vom Feld wieder geschluckt. Johannes Knauf hielt seine Fahrer bewusst aus der Tempoarbeit heraus, das sollten andere machen. Auf der Abfahrt vom Nufenpass stürzte der Schweizer und verletzte sich schwer. Auf diesem Wege sollte sich Lars das Bergtrikot zumindest für heute trotzdem zurückholen. Dann, 15 Kilometer vor dem Ziel, hatte Markus Fothen attackiert. Seine Anweisung war gewesen abzuwarten! Kurze Zeit später war er von den Favoriten wieder eingeholt worden, eine unnötige Kräfteverschwendung!
Jetzt, 5km vor dem Ziel, fiel er immer weiter zurück. Er konnte das Renngeschehen nur über Funk mitverfolgen, aber allem Anschein nach wurde Markus Fothen jetzt durchgereicht, er hatte schon über eine Minute Rückstand zur Spitze. Johannes Knauf war wütend. Nicht, weil die Rennsituation nicht zufriedenstellend war, obwohl das definitiv der Fall war, sondern weil sich Markus Fothen über seine Anweisungen hinweggesetzt hatte. Jetzt musste er die Konsequenzen tragen, und die betrafen das ganze Team.
Er schaute aus dem Fenster. Die Landschaft war eigentlich wunderschön. Er befand sich immer noch in der Auffahrt nach Verbier, einem Wintersportort im Rhônetal. Als über Funk der Sieg von Carlos Sastre gemeldet wurde hatte er sich wieder ein bisschen beruhigt. In einer Kurve konnte er den Mont Blanc erkennen, und als er den Ortseingang von Verbier erreichte konnte er den Mont Fort mit seinen über 3000 Metern Höhe bewundern. Er fuhr hinter dem stark ausgedehnten Hauptfeld auf das Ziel zu, bis er zur Seite gewunken wurde. Immer noch wütend stieg er aus und machte sich auf den Weg hinter das Ziel um auf der Anzeigetafel das Ergebnis zu betrachten. Dort erwartete ihn eine Überraschung:
Markus Fothen war auf den 10. Platz gefahren und hatte nur 22 Sekunden verloren. Wie war das möglich? Fothen musste irgendwie wieder den Anschluss gefunden haben. Die Anzeige veränderte sich und zeigte das Gesamtklassement. Fothen war von Platz 10 auf Platz 11 abgerutscht, aber das interessierte ihn nicht. Er wollte nur wissen, wie Fothen es geschafft hatte wieder aufzuholen und dann würde der etwas zu hören bekommen. Es konnte nicht angehen, dass ein Fahrer sich über seine Anweisungen hinwegsetzte!

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Beitrag: # 6751757Beitrag Mor!tz
16.1.2009 - 13:53

„Wir fahren heute auf Sieg“, war die unmissverständliche Ansage von Johannes Knauf an sein Team. Nachdem er gestern Abend noch ein Hühnchen mit Markus Fothen gerupft hatte wollte er heute alles tun um einen Etappensieg zu erringen. Er hatte sich die Zusammenfassung der gestrigen Etappe im Fernsehen angeschaut. Auf den letzten 3 Kilometern hatte Fothen alles gegeben, und es hatte sich gelohnt. Er war sich sicher, heute war ein Etappensieg für sein Team drin. „Chef? Ich möchte gerne mein Bergtrikot verteidigen“, meldete sich Lars Boom zu Wort. „Wenn du dich in der Lage dazu fühlst, hast du freie Hand“ Da morgen noch ein Bergzeitfahren auf dem Programm stand war mit einem Podestplatz im Gesamtklassement nicht zu rechnen. Aber Lars hatte gute Chancen sein Trikot zu behalten. Er sollte seine Chance bekommen…
„Es wird Zeit“, sagte er zu seiner Truppe und stand auf. Er freute sich schon auf die bevorstehende Mittelgebirgsetappe. Heute könnte Fothen seinen Fehler von gestern wieder ausbügeln.
Um halb 2 erreichte der Bus den Startbereich. Er schüttelte jedem seiner Fahrer die Hand und gab ihnen einen guten Wunsch mit auf den Weg. Dann setzte er sich in das Teamfahrzeug und reihte sich in die Schlange der anderen Fahrzeuge ein. Um Punkt 14 Uhr erfolgte der Start. Johannes Knauf war heiß, heute würden sie es allen zeigen.
Nach nur fünf Minuten bekam er über Funk die Meldung, dass sich drei Fahrer vom Feld abgesetzt hätten. Lars Boom war dabei. Als der Vorsprung auf über eine Minute angewachsen war bekam er die Erlaubnis erteilt, ein Teamfahrzeug hinterherzuschicken. Er hatte sich mit seinem Stellvertreter vorher darauf geeinigt, wer einem Ausreißer folgen sollte, und so winkte er seinem Kollegen Lukas Keller zu, als dieser ihn überholte.
Bald erreichte das Feld die erste Steigung des Tages. Der Abstand der 4-Köpfigen Ausreißergruppe war inzwischen bereits auf drei Minuten angewachsen. Als er über Funk mitgeteilt bekam, dass Lars die erste Bergwertung für sich entschieden hatte war er sich sicher, heute würde es laufen. Das einzige was ihm noch sorgen bereitete war der lange letzte Teil der Etappe, dort war es flach und das könnte den Sprinterteams die Chance geben wieder aufzuholen. Daran wollte er jetzt aber noch keine Gedanken verschwenden. Das Rennen verlief ruhig, scheinbar hatte sich das Feld damit abgefunden, die Ausreißer vorerst gewähren zu lassen.
„Lars hat auch die zweite Bergwertung für sich entschieden, er sagt er fühlt sich prima
“, meldete Lukas sich zu Wort. Er wollte gerade antworten, als Coen Vermeltfoorth, ein junger Holländer seines Teams, sich zurückfallen ließ um seine Teamkollegen mit Trinkflaschen einzudecken. Der Junge war erst 19, er würde mal ein großer Sprinter werden, da war Johannes sich sicher. Er gab ihm was er brauchte und informierte dann seine Fahrer per Funk über den Stand des Rennens.

Alles lief nach Plan. Lars hatte gerade die dritte und vorletzte Bergwertung gewonnen. Ab jetzt sollte er sich nicht mehr an der Führungsarbeit in der Gruppe beteiligen, ihr Vorsprung war groß genug um bis zur letzten Bergwertung zu bestehen. An der Spitze des Feldes legte inzwischen das Team Caisse d’Epargne ein ordentliches Tempo vor. Als das Feld in den letzten Anstieg des Tages ging, war der Vorsprung der Ausreißer auf drei Minuten geschmolzen. „Wie fühlst du dich?“ fragte er Markus Fothen. „Als könnte ich Bäume ausreißen“, gab dieser zurück. „Ich denke, die nächste Kurve wäre ein günstiger Zeitpunkt, also los, gewinn das Rennen!“
Als das Feld um die nächste Kurve bog nahm Fothen den Schwung mit und ging aus dem Sattel. Auf der rechten Seite der Straße schlich er sich an seinen Konkurrenten vorbei und zog davon. Im selben Moment gewann Lars Boom die letzte Bergwertung des Tages.
Als die Fahrer im Hauptfeld bemerkten, dass Fothen einen Angriff gestartet hatte, hatte der schon einige Meter zwischen sich und das Feld gebracht. Jetzt reagierten die anderen. Viele Fahrer versuchten ihm zu folgen, aber nur Roman Kreuziger vom Team Liquigas konnte ihm folgen. Kurz darauf bekam Knauf die Erlaubnis, seinem Fahrer zu folgen. Nach kurzer Zeit hatte Fothen dann die Gruppe um Lars Boom eingeholt. Inzwischen war das Hauptfeld aufgesplittert, viele der Favoriten für das Gesamtklassement wollten sich nicht auf ihr Team verlassen, doch das Team Caisse d’Epargne leistete ganze Arbeit. Stück für Stück holten sie alle Ausreißer wieder zurück. Nur an einem scheiterten sie. Johannes Knauf bekam es so langsam mit der Angst zu tun. Das Feld kam immer näher. Es waren noch 20 Kilometer ins Ziel und Fothen hatte noch gute zweieinhalb Minuten Vorsprung, doch das Feld ließ nicht locker.
„Valverde greift an!“, schrie Lukas Keller in sein Funkgerät. Der Spanier schien sich jetzt nicht mehr darauf verlassen zu wollen, dass sein Team die Lücke schloss. Es entstand ein riesiges Chaos, da jetzt keiner nachgeben wollte. Knauf hatte den Überblick schnell verloren. Nur eines zählte jetzt noch. Der Abstand zu Valverde. Und der schmolz kontinuierlich. Valverde fuhr in einem großartigen Alleingang bis zur Spitze. Als Fothen in die Zielgerade einbog hatte der Spanier zu ihm aufgeschlossen. Im Sprint hatte er keine Chance.
Trotzdem war Knauf zufrieden. Es hatte nicht zum Etappensieg gereicht, aber dafür war Markus Fothen jetzt dritter des Gesamtklassements. Wenn das kein Erfolg war… Morgen im Bergzeitfahren würde er den wahrscheinlich wieder verlieren, aber das war egal, ein Top 10 Platz würde allemal reichen… Außerdem hatte Lars Boom jetzt genug Bergpunkte, dass er es sicher bis zum Schluss würde behalten können.

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Beitrag: # 6751859Beitrag Mor!tz
17.1.2009 - 0:23

Samstag 21.6.08
Regine


Heute ist Samstag Das Wetter ist einfach toll, und wir haben uns schon früh zum Trainieren getroffen. Ich bin gerade richtig im Radfahrfieber. Ich weiß auch nicht wieso… Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass ich einmal soviel Fahrrad fahren würde. Den ganzen Morgen waren wir unterwegs. Wir haben viel gequatscht und auch Quatsch gemacht.
Ich glaube meine Freundinnen haben ein bisschen Angst vor nächstem Sonntag. Ich hingegen bin richtig heiß darauf. Ich habe mich entschieden, die längste Strecke zu fahren, weil ich eine richtige Herausforderung wollte. Außerdem will ich es meinem Bruder zeigen, der fährt nämlich nur die mittellange Strecke und hat im Vorfeld so rumposaunt. Außerdem traut er mir nichts zu!
Gegen Mittag haben wir unsere Fahrräder abgestellt und sind das letzte Stück zur Burgruine Hohenstaufen gelaufen. Dort haben wir gepicknickt. Jetzt ist es 2, wir werden für heute Schlussmachen, die Meisten sind ziemlich fertig. Vor allem mein Bruder ist schon schwer am Schnaufen. Jetzt geb’ ich’s ihm!
„Wer kommt noch mal eine Runde mit?“, rufe ich den anderen zu. Ich versuche nicht angestrengt auszusehen, obwohl ich ziemlich fertig bin. „Ich komme mit“, antwortet Moritz sofort. Dabei bleibt es, keiner der anderen will noch mal mitkommen… was soll’s, sind wir eben nur zu zweit.
Wir verabschieden uns vom Rest und drehen um. Vor uns verschwindet die Straße im Wald. Auf ein Neues.
Während wir durch den Wald fahren und die Straße immer steiler wird fällt mir auf, das Moritz sich immer hinter mir hält, oder sich zumindest immer wieder umdreht um sich zu vergewissern, dass er mir nicht davon fährt. Hoffentlich bin ich ihm nicht zu langsam. „Du kannst ruhig schneller fahren, wenn ich dir zu langsam bin“ Hoffentlich fährt er nicht schneller, aber jetzt ist es schon raus…
„Nein, nein… Hast du Lust auf ein Eis?“ Was soll das jetzt? Na gut, es ist ziemlich warm und ich hätte eigentlich nichts gegen ein Eis. „Klar“, rufe ich zurück.

Moritz


Sie hat tatsächlich ja gesagt… Ich kann es gar nicht glauben. Gut, gehen wir ein Eis essen. In Hohenstaufen gibt es eine Eisdiele, das weiß ich. Hab ich überhaupt Geld dabei? „Ich hab aber glaube ich kein Geld dabei“, ruft Regine mir zu. Ja, ich habe Geld dabei.
Macht nichts, ich lade dich ein“. Hoffentlich nimmt sie dass nicht schlecht auf… Ich warte auf eine Antwort. Sekunden vergehen, es kommt mir vor wie Stunden. „Oh… Danke“, antwortet sie verblüfft.

Inzwischen sitzen wir auf einer Bank in der Sonne und essen Eis. Sie sitzt so nah bei mir, dass ich sie berühren könnte. Natürlich mache ich das nicht.
Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll. Ich sitze so nah neben ihr, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann. Ich kann ihr Haar riechen. Wenn ich so etwas früher in Büchern gelesen habe, dachte ich immer, das wäre nur „Geschwätz“, aber es riecht tatsächlich. Natürlich ist sie verschwitzt und riecht in der Hauptsache nach Schweiß, aber da ist noch etwas anderes. Ein zarter Geruch, kaum merklich aber dennoch da. Sie riecht nach Hyazinthen.
„…Was meinst du?“
Mist, ich habe schon wieder nicht aufgepasst. In letzter Zeit passiert mir das öfters… „Was? Äh…“, stottere ich. „Alles in Ordnung?“ Regine mustert mich von der Seite. „Äh… Ich war gerade irgendwie abgelenkt, was hast du gesagt?“ Scheiße! „Ich habe gefragt ob du Lust hast… Oh, jetzt wird mir einiges klar.“

200km südlich schaute Johannes Knauf auf die Ergebnisliste. Fothen war 8. geworden. Platz 5 Im Gesamtklassement. Damit konnten sie zufrieden sein. Sein Handy klingelte im selben Moment, als er es gerade herausholen wollte. „Knauf?“, meldete er sich. „Hallo Herr Knauf, sie wollten über die Bewerbungen für das Casting informiert werden.“ sagte seine Sekretärin. „Gerade wollte ich anrufen. Schießen sie los:“ „Die Anmeldefrist ist vor zwei Stunden abgelaufen, wir haben 200 Bewerbungen.“

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Beitrag: # 6751900Beitrag Mor!tz
17.1.2009 - 14:29

„Oh, jetzt wird mir einiges klar.“
Was wurde ihr klar? Was würde sie sagen? Hatte sie bemerkt, dass er in sie verliebt war? An sich wäre das ja nicht schlimm, aber er wusste nicht, wie sie zu ihm stand. Er hatte Angst, sie könnte ihn abservieren. Sie könnte einfach aufstehen und ohne ein Wort davonfahren. Was sollte er tun? Sich einfach blöd stellen und abwarten was sie sagte? Das war vielleicht die beste Idee…
„Hä?“ Ein einfacher Laut des Unverständnisses, der eigentlich nur ausdrückte, dass man etwas nicht verstanden hatte, wobei es sich eher um ein unaufdringliches „Hm“ handelte. Er wusste einfach nicht, was er sonst tun sollte.
„Na da, schau doch mal zu der Eisdiele.“ Moritz tat was sie sagte.
Was sollte da sein? An der Eisdiele war doch nichts Besonderes. Ein Pärchen ging gerade hinein. Sie waren mit dem Rad gekommen.
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Dieses Pärchen, das war…
„Deshalb hat er so darauf gepocht, dass ich sie überrede…“
Regine war total aus dem Häuschen. Es war tatsächlich ihr Bruder. Und seine Freundin, das war – Moritz konnte es nicht genau erkennen – doch, jetzt sah er sie, es war eine von Regines Freundinnen.
„Ich glaub’s ja nicht“ sagte Regine, immer noch ganz aus dem Häuschen. Wie hieß sie noch mal? Moritz überlegte. Sabine? Nein, aber irgendwas mit „S“. Steffi, jetzt hatte er es.
„Na ja, im Prinzip macht er doch nichts anderes als ich gerade.“
Moritz biss sich auf die Zunge. Er hatte laut gedacht. Würde sie verstehen, was er damit gemeint hatte?
„Du hast Recht“, gab Regine zu und lachte, allerdings sah sie seine Einladung wohl als etwas anderes an, als die ihres Bruders. Schade eigentlich.
„Komm, wir fahren zurück, bevor sie wieder rauskommen. Dein Bruder muss uns ja nicht unbedingt sehen. Er wird schon früh genug erfahren, dass du bescheid weißt, oder?“ „Da kannst du Gift drauf nehmen. Das wird er allerdings bald merken…“

Sie stiegen auf ihre Fahrräder und machten sich auf den Rückweg. Als sie zu der Kreuzung kamen, an der sich ihre Wege trennten, verabschiedete sich Regine – Wie Mädchen das eben so tun – mit einer Umarmung. Normalerweise hatte Moritz nicht viel für diese Zeremonie übrig, aber bei Regine hatte er nichts dagegen. Es könnte ruhig auch länger dauern…
Viel zu schnell war die Umarmung zu Ende, und beide machten sich auf den Heimweg.

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Beitrag: # 6751918Beitrag Robbie
17.1.2009 - 15:43

Mor!tz hat geschrieben:Natürlich ist sie verschwitzt und riecht in der Hauptsache nach Schweiß,
Sehr feinfühlig. :lol:

Das mit dem Teamchef von Avira gefällt mir nicht so gut. Die Teile mit Moritz hingegen sind toll. Super Schreibstil. Ich kann es gar nicht fassen, dass ich das sage, aber es ist gar ein wenig spannend.
Genial.
Bitte um schnelle Fortsetzung der Moritz-Story.

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Beitrag: # 6751978Beitrag Mor!tz
17.1.2009 - 22:52

29.06.08 – Kapitel 5 - Auf in den Kampf

6.29 Uhr, Ottenbach
Gleich würde der Startschuss erfolgen. Moritz war schon ziemlich aufgeregt. Und er war nicht der einzige. Die meisten der Fahrer hier am Start schwiegen. Vereinzelt hörte man leise Unterhaltungen. Er schaute in die Gesichter um sich herum. Vorfreude, Anspannung, Nervosität. Das war in den Gesichtern um sie herum zu lesen. „Viel Erfolg, wir sehen uns dann im Ziel“, brach Regine das Schweigen. Dann wurde der Start freigegeben. Innerhalb der nächsten halben Stunde musste gestartet werden. „Also, packen wir’s an“, sagte Moritz. Unter dem Gelächter der anderen rief Stephen: „Auf in den Kampf“. Moritz gab ihm insgeheim Recht. Er würde heute mehr als nur die 260km die Vor ihm lagen in Angriff nehmen.

Klingenthal, Hotellobby Johannes Knauf hatte seine fünf Fahrer in der Hotellobby versammelt. Die Meisten seiner Fahrer hatte er alleine zu ihren Landesmeisterschaften geschickt. Nur die Franzosen wurden von Lukas Keller betreut. Er betreute die Deutschen. Den Sponsoren war eben ein Deutscher und ein Französischer Meistertitel wichtiger.
Die Zeitfahrmeisterschaften waren gut verlaufen. Lars Boom war in Holland siebter geworden, Gianluca Cavalli hatte in Italien Platz acht belegt. Herausragend waren Sylvain Chavanel und Markus Fothen gefahren. Sie hatten beide gewonnen. Heute strebten beide den gleichen Erfolg im Straßenrennen an. Auch Lars Boom wollte seinen Niederländischen Meistertitel vom letzten Jahr verteidigen und Gianpaolo Caruso wollte in Italien groß rauskommen.
Nur eines machte ihm Sorgen. Er hatte zwei Fahrer im Team, die heute eine Chance auf den Sieg haben würden. Marcus Burghardt hatte zwar zugesichert, für Fothen zu fahren und nur falls Fothen nicht gut drauf wäre sein eigenes Rennen zu fahren, aber Knauf war sich nicht sicher, wie die beiden sich im Rennen verhalten würden. „Also vergesst nicht, wir wollen heute gewinnen!“ schloss er seine Ansprache. Der Sieg, das war das Ziel, aber es würde schwer werden. Die stärksten Konkurrenten, Jens Voigt, Andreas Klöden und der Vorjahressieger Fabian Wegmann waren Topfit. Es würde nicht leicht werden. „Also, auf in den Kampf!“ sprach John Degenkolb allen aus der Seele.

Die ersten 150km waren absolviert, schon mehr als die Hälfte. Bisher hatten sie sich noch hin und wieder unterhalten und fuhren noch in einer relativ großen Gruppe mit Radfahrern. Die Teilnehmer hatten sich zwar schon stark verteilt, aber immer wenn ein Auto vorbeifuhr gab es Chaos. Im Gegensatz zu einem Radrennen war die Strecke nämlich nicht gesperrt. Jetzt würde allerdings bald die Abzweigung auf die 210 und 260 Kilometer Schleife kommen. Dann würde es etwas leerer werden.

Wie erwartet versuchten schnell einige Fahrer ihr Heil in der Flucht. Das Team Antivir war mit allen deutschen Fahrern, also Markus Fothen, Marcus Burghardt, John Degenkolb, Benjamin Hentschel und Peter Hartmann, am Start. 10 Runden mit je 22km waren zu absolvieren. Direkt nach dem Start kam ein steiler Anstieg, dann ging es leicht bergab ins Ziel zurück.
In der zweiten Runde durfte dann Benjamin Hentschel sein Glück versuchen. Er setzte sich ein Stück vom Feld ab, aber es reichte nicht. Bereits am nächsten Anstieg fiel er wieder ins Feld zurück. An der Spitze fuhr immer noch eine 8-köpfige Ausreißergruppe, die ihren Vorsprung zwischen 2 und 4 Minuten hielt.
In Runde 5 durfte dann auch John Degenkolb sein Glück versuchen. Nach kurzer Zeit hatte er zur Spitze aufgeholt. Die Gruppe arbeitete gut zusammen, trotzdem wurde sie in der 8. Runde vom Feld gestellt. Die Fahrer vom Team Gerolsteiner hatten ganze Arbeit geleistet. Sie wollten ihren Kapitän siegen sehen, Den Fahrern des Team Antivir ging es genauso.


Die Sonne brannte vom Himmel. Vor ihm sah er 5 Fahrer, dann kam eine größere Lücke. Hinter ihm waren noch mal 2, das wusste er. Die Hitze war unbarmherzig. Er wollte etwas trinken, aber seine Flasche war leer. Er schaute auf den Tacho. Bis zur nächsten Versorgungsstation waren es noch 25km. Er setzte die leere Flasche an die Lippen. Vielleicht fand sich ja noch ein Tropfen Wasser darin. Fehlanzeige. Er würde es so schaffen müssen. Der Berg war steil. Vermutlich um die 8%, es kam ihm vor wie 20.
„Brauchst du noch was zu trinken?“ Auf einmal war sie neben ihm. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie neben ihn gefahren war. Regine war - wie er - total verschwitzt, und die Anstrengung stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber sie gab nicht auf. Sie zog ihre Trinkflasche aus der Halterung und gab sie ihm. Sie war schon halbleer. Er zwang sich langsam zu trinken, und obwohl er eigentlich immer noch Durst hatte, trank er die Flasche nur bis zu einem Viertel leer. Regine würde es auch noch brauchen.

Zum letzten Mal vor dem Ziel fuhr das Feld über den Start. Die letzte Runde hatte begonnen, jetzt waren sie in der heißen Phase des Rennens. Sofort ging es los: Jens Voigt nahm sich ein Herz und attackierte. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Fothen nickte Burghardt zu und sie nahmen gemeinsam die Verfolgung auf. Erst, als das Trio sich bereits einige Meter abgesetzt hatte reagierten auch die anderen Favoriten. Wegman, Klöden und Gerdeman zogen hinterher.
Kurz vor dem letzten Gipfel musste Marcus Burghardt reißen lassen. Er klopfte Markus Fothen auf die Schulter und kämpfte verbissen weiter, trotzdem fiel er immerweiter zurück. Das Führungsduo Fothen/Voigt blieb nicht lange zu Zweit. Kurz nach dem Gipfel konnte Andreas Klöden zu ihnen aufschließen.
Jetzt ging es nur noch bergab. Inzwischen war es sicher, einer dieser drei Fahrer würde hier und heute Deutscher Meister werden. Burghardt war inzwischen in die Verfolgergruppe um Wegmann und Gerdeman zurückgefallen.



@Robbie: Vielen Dank für das Lob. Schön dass es dir gefällt, das macht Mut.

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Mor!tz
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Beitrag: # 6752068Beitrag Mor!tz
18.1.2009 - 15:30

Noch 15 Kilometer. Sie hatten es fast geschafft. Regine war mit der Zeit immer langsamer geworden, doch Moritz hatte darauf geachtet, dass sie nicht zurückfiel. Vor ihm tauchte der letzte Kontrollpunkt auf. Noch 500 Meter, dann würde es nur noch bergab gehen.
Plötzlich brach vor ihm ein älterer Mann zusammen und fiel vom Rad. Moritz wollte schon anhalten und ihm helfen, doch vom nahen Kontrollpunkt aus kam bereits ein Sanitäter angerannt. Also fuhr er weiter. Regine hatte das ganze gar nicht bemerkt. So verbissen kämpfte sie gegen den Berg, dass sie nichts anderes mehr wahrnahm. Moritz fuhr wieder neben sie. „Jetzt haben wir es fast geschafft, jetzt geht es nur noch bergab. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht auch stürzen.“

Noch 6km. Immer noch waren drei Fahrer an der Spitze. Nach der Abfahrt kam noch ein kurzes ebenes Stück. Jetzt war es Zeit zu handeln. Markus Fothen mobilisierte seine letzten Kräfte und griff an. Der Abstand wuchs immer weiter.
Noch 3km bis ins Ziel, er hatte 25’’ Vorsprung. Noch hatte er nicht gewonnen. Die Fans am Straßenrand jubelten ihm zu, als hätte er schon gewonnen.
„Jens Voigt ist gestürzt!“, rief irgendjemand. Jetzt könnte ihn nur noch Klöden schlagen. Aber nicht heute! Markus Fothen gab noch einmal alles. Noch ein Kilometer. Er schaute nach hinten. Klöden war nur 100m hinter ihm. Voigt war von den Verfolgern geschluckt worden. Jetzt würde sich zeigen, wer die bessere Ausdauer hatte. Er bog um die letzte Kurve und begann zu sprinten. Ein Blick nach hinten zeigte ihm, dass Klöden nicht mehr heran kommen würde. Er ging wieder in den Sattel und jubelte ausgiebig. Markus Fothen war neuer Deutscher Meister!

Moritz bog um die letzte Kurve. Er konnte das Ziel schon sehen. Endlich hatten sie es geschafft. Die Qualen hatten sich gelohnt, sie hatten es geschafft. Er streckte die Hand aus, und Regine nahm sie. Hand in Hand fuhren sie über den Zielstrich. Jetzt wusste er, wie es sich anfühlte, ihre Hand zuhalten. Sie stellten ihre Räder ab und Regine umarmte ihn stürmisch. „Wir haben es tatsächlich geschafft!“. Viel zu schnell löste sie sich von ihm.
Es kam ihm vor als würde sie ganz langsam die Augen schließen, dann knickten ihre Knie ein und ihr Oberkörper neigte sich nach vorne. Instinktiv reagierte Moritz. Er machte einen Ausfallschritt nach vorne und fing sie vorsichtig auf. Sofort kam ein Sanitäter angerannt, doch so schnell würde er sie nicht mehr hergeben. Er trug sie behutsam in das Sanitätszelt und legte sie Vorsichtig auf ein Feldbett. Er nahm ihre Hand, in dem Moment, als sie wieder zu sich kam. „Danke, dass du da bist“, flüsterte sie nur. Moritz war Glücklich. Er war der Gewinner des Tages!

Fothen war nicht der einzige Gewinner des Tages. In Frankreich hatte sich Sylvain Chavanel kurz vor Schluss von seinen Konkurrenten Dessel und Moncutié abgesetzt und souverän gewonnen. In Holland hatte es überraschenderweise wie im letzten Jahr einen Überraschungssieg gegeben. Der Sieger war der 19 Jährige Coen Vermeltfoorth. Für ihn freute sich Knauf besonders. Der Vorjahressieger Lars Boom musste sich im Sprint der Verfolger nur Thomas Dekker geschlagen geben und landete so auf Platz sechs. In der Ukraine hatte es ebenfalls eine Überraschung gegeben. Vladimir Bileka hatte im Schlusssprint glänzen können. In Kolumbien wurde Giovanni Baèz am Schluss nur ganz knapp von Mauricio Soler übersprintet und so Zweiter. Gianpaolo Caruso hatte in Italien im Sprint nicht mehr die Kraft etwas zu reißen. Er wurde sechster. Trotzdem ein starkes Ergebnis. In Spanien war Ruben Plaza nur 9. geworden, allerdings war er auch nicht ganz fit ins Rennen gegangen, da seine Saison Höhepunkte erst spät lagen. Einzig in Belgien konnte das Team Antivir keinen Top 10 Platz herausfahren.
Johannes Knauf zählte zusammen:
4 Landesmeistertitel und 2 Zeitfahrmeistertitel.
Was für ein erfolgreicher Tag! Der Tag der Sieger. Gerade hatte er mit dem Vorstandsvorsitzenden telefoniert. Der Vorstand war hellauf begeistert von den Leistungen des Teams. Mit diesen Erfolgen im Rücken, würden sie zur Tour aufbrechen. Dort können die Fahrer erstmals ihre neuen Meistertrikots präsentieren.

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Mor!tz
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Beitrag: # 6752258Beitrag Mor!tz
19.1.2009 - 21:43

„Mit diesem Team werden wir an der Tour de France teilnehmen:
Unsere Kapitäne werden Markus Fothen und Sylvain Chavanel sein. Als Sprinter haben wir Romain Feillu und Coen Vermeltfoorth dabei. Das Team wird vervollständigt durch Marcus Burghardt, Lars Boom, Gianpaolo Caruso, Gianluca Cavalli und Giovanni Baèz.
Wie sie sehen werden wir uns also schön bunt zeigen, immerhin fahren drei Teammitglieder in ihren neuen Meistertrikots.
Wir starten dieses Jahr zum ersten Mal und wir haben große Ziele. Wir wollen eine Top10 Platzierung in Paris und mindestens einen Etappensieg.“


Die Pressekonferenz war zu Ende. Da hatte sich das Team Antivir aber einiges vorgenommen... Er war eigentlich nur auf die Website gegangen, weil er einen Brief vom Team Antivir bekommen hatte:

„Sehr geehrter Herr Frei,

Vielen Dank für ihre Bewerbung zu unserem „Casting“. Bitte haben sie Verständnis, dass wir im Moment sehr beschäftigt sind und ihnen erst nach der Tour de France eine Zusage/Absage erteilen können.

Mit sportlichem Gruß

i.A. Johannes Knauf, Teamchef“

Er hatte das Casting ganz vergessen gehabt. Viel zu sehr war er mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Am Tag nach dem Radmarathon hatte er erstaunlicherweise kaum Muskelkater gehabt. Überhaupt fühlte er sich richtig fit, Weshalb er gleich zu einer lockeren Runde aufgebrochen war.
Er hatte das Gefühl, dass er in seiner Beziehung zu Regine weit in die richtige Richtung gekommen war, aber er traute sich immer noch nicht, sich ihr zu offenbaren.

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