Der etwas andere Weg zum Ruhm

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

sciby
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Der etwas andere Weg zum Ruhm

Beitrag: # 6731540Beitrag sciby
19.8.2008 - 19:27

Ich beginne hier einen neuen AAR. Es ist eine neue Art von AAR’s- Kein Quantensprung aber was neues. Er wird im Bahnradmodus stattfinden. Hierzu fahre ich die wichtigsten Meisterschaften. Die Berichterstattung der Rennen wird daher auch etwas anders sein. Dazu später mehr.
Da kein Karrieremodus mit Bahnrad möglich ist, überlasse ich mir die Werteverbesserungen. Überraschende Siege schwacher Fahrer werden dabei zum Beispiel berücksichtigt oder auch konstante Leistungen.
Im Prinzip steht mir viel offen. Ein Großteil wird wohl Hintergrundgeschichte sein, da es nicht ganz so viele Rennen gibt. Deshalb werde ich wohl auch Sechstage-Rennen einbauen.
Die Werte meines Fahrers werden nach Ausgangslage, Vorfällen und Erfolgen gewählt und verändert. Bei den Rennen versuche ich immer das Beste zu erreichen und das Ergebnis nicht zu manipulieren.
Kritik, Verbesserungen und Vorschläge sind jederzeit erwünscht. Allerdings bitte ich darum die erste Seite nicht mit „Super, endlich mal ein Bahnrad-AAR!“-Sprüchen vollzumüllen.
Ich hoffe der AAR findet Anklang, auch wenn vielen (auch ein wenig mir) der Bahnradmodus nicht so sehr gefällt. Möglicherweise wird es bald aktive Möglichkeiten, wie Tippspiele (dabei werde ich nicht Ricardo nachahmen, sondern nur auf meinen Fahrer tippen lassen) oder anderes, für euch geben.




Der etwas andere Weg zum Ruhm

Tempo. Das ist es was mir gefällt. Und damit meine ich sicherlich keine teuren Markentaschentücher. Es ist der Rausch. Das Gefühl, der Zeit wegzufliegen. Den Windsog um die Ohren spüren. Jederzeit der Gefahr ausgesetzt zu sein, dass man die Gesetze der Physik überschreiten könnte und stürzt.
Runde um Runde immer schneller. Immer näher dran- an Platz eins und dem Sieg. An den anderen vorbeiziehen und in ihr enttäuschtes und frustriertes Gesicht zu blicken. Die Zuschauer auf den Rängen einem frenetisch jubeln zu sehen und im kompletten Rausch nur noch die Anfeuerungen und seinen Adrenalin zu spüren. Alles prasselt auf einen ein. Alles nur einem zugute- dem Erfolg. Und dann kommt er, der Tunnel. Kein Tunnelblick, sondern der Tunnel im Rausch des Erfolges. Nur ein Ausgang und der wird genommen. Plötzlich taucht sie auf. Die einfachste geometrische Form- die Linie. Der Strich, der alles beendet. 3 Meter, 2 Meter, 1 Meter und das Profil des Vorderrads überquerte die Ziellinie. Blitzschnell zieht der Rest der Maschine nach. Endlich können die Beine sich erholen. Das Letzte wurde aus ihnen herausgeholt. Das Gewicht verlagert sich nach rechts und langsam verringert sich die Geschwindigkeit. Von hinten zwei Schulterklopfer und ein lobender Händedruck. Stolz erkennt man, dass man der Beste ist. Die anderen hatten keine Chance. Am äußeren Rand hält man an. Mittlerweile hat einen das hohe Endtempo eine weitere Runde vorwärts gebracht. Alle versuchen einen Blick aus nächster Nähe zu erhaschen. Doch nur engste Verwandte, wie Frau und Kind, schaffen den Weg über die Absperrung und nehmen einen herzlich in Empfang. Eine Umarmung, ein Küsschen und tausend dankende Worte.
Man besinnt sich und realisiert nach und nach, was man geleistet hat. Man war wahrlich der Beste. Niemand konnte einem folgen. Alle waren machtlos. Nun sahen sie alle zu mir auf. Betreuer nehmen einem das Rad ab. Ein erneuter Kuss, der Griff nach dem Kind und der Gang in die Mitte. Die Krönung beginnt. Stolz kann man die betrachten, die einem nicht das Wasser reichen konnten. Dann ist man selber an der Reihe. Der Aufstieg zum höchsten Punkt. Das Podium ganz oben zu besteigen. Den Freuden freien Lauf lassen. Das Kind weiß nicht zu schätzen, was gerade geschieht. Jahre später erfährt es, dass es in zig Zeitungen auf der Titelseite mit seinem Vater auf dem Olymp ist. Jeder kennt einen. Auf der Straße hat man keine Ruhe mehr und die Hand muss stündlich einen Edding leeren.
Endlich ist es erreicht. Man ist da, wo man immer sein wollte. Alles läuft nach Maß. Mehr ist nicht möglich. Man spielt mit hunderten Gedanken- von Rücktritt bis hin zur ewigen Karriere. Das Ziel ist erreicht. Alle Wege stehen offen. Nur wenigen Menschen wird diese Ehre zuteil.
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Grabba
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Beitrag: # 6731634Beitrag Grabba
20.8.2008 - 11:11

„Super, endlich mal ein Bahnrad-AAR!“ :!:



Ernsthaft. Dieser Prolog ist grandios. Bis auf zwei, drei Stellen, wo du sprachlich einen Holprer drinhast (einmal schießt du auch am Ziel vorbei) bin ich begeistert. Wirklich ganz toll! 8O

sciby
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Beitrag: # 6731712Beitrag sciby
20.8.2008 - 18:44

16. Oktober 2007

Der Weg nach oben ist steil, lang und schwer. Doch ich möchte diesen Weg gehen. Allerdings müsste ich ihn dafür erst einmal erreichen.
Eigentlich habe ich wohl die besten Chancen aller Deutschen. Ich bin in einer Radsportverrückten Familie aufgewachsen. Mein Opa war zweimaliger DDR Meister auf der Straße. Er war sehr erfolgreich, bis ein schwerer Sturz ihn stoppte. Ich kann mich noch genau erinnern als er mir von seiner Vergangenheit erzählte. Es war zur Zeit der Dopingskandale ausgelöst durch Herrn Fuentes. Jan Ullrich gab sein Karriereende bekannt und mein Opa nutzte den Zeitpunkt, um der ganzen Familie von seiner Dopingvergangenheit zu erzählen. Er sagte, dass es damals üblich war und es ohne nicht ging. Es gab keinen Weg heraus. Nachher war er froh, dass ein Sturz seine Laufbahn beendete. Heute ist er strikt gegen Doping. Genauso wie mein Verein. Opa war nicht beim RC Charlottenburg 1883, wie ich. Mein Vater fuhr ebenfalls für diesen. Sein Metier war die Bahn. Die meisten seiner Rennen fuhr er auf dieser. Allerdings war er bei weitem nicht so erfolgreich wie sein Vater. Der war oft sehr enttäuscht. Er hat so viel trainiert und so wenig erreicht. Noch nicht mal ein einziger Sieg bei einer Meisterschaft sprang für ihn raus. Nun, so glaubte ich, sah er in mir seine Karriere. Er wollte alles dafür tun, dass ich eine erfolgreiche Laufbahn habe und so kann er den Erfolg mit mir genießen. Dadurch haftete ein noch größerer Druck auf mich. Ich war die größte Hoffnung meiner Familie. Meine Mutter fährt nur hobbymäßig. Sie unterstützt uns alle. Nicht beim Training, sondern zwischendurch- pünktliches Wecken, Frühstück, Taxiservice, Hilfe bei Schulsachen, jegliche Unterstützung mit Geld und die Vorbereitung auf ein Leben, wenn die Radsportkarriere mal nicht funktioniert hat. Und danach sah es bei mir derzeit aus.
Mein Bruder ist da ganz anders. Er ist sehr erfolgreich. Er ist schon häufig Berliner Meister auf der Straße geworden und hat sich drei Mal die Bergmeisterschaft in der Jugendklasse geholt. Ihm stehen alle Türen offen. Er hat unglaubliche sechs Vertragsangebote von Profiteams. Vom Sparkasse Team bis hin zum Team Gerolsteiner. Ihm steht eine großartige Karriere bevor. Dabei ist er gerade mal ein Jahr älter als ich und hundertfach erfolgreicher. Mein Vater kümmert sich nach und nach immer mehr um ihn. Früher war ich sein Lieblingskind. Ich fahre wie er auf der Bahn. Mein Bruder auf der Straße. Doch er ist erfolgreicher und hat dadurch das Interesse meines Vaters auf sich gelenkt. Es wurde immer weniger, dass er beim Training dabei war.
Seit einem Monat trainiere ich vollkommen alleine. Ich kann auch das. Ich brauche nicht unbedingt jemanden, der mich immer anfeuert. Doch helfen würde mir das schon. Aber wer sollte mir helfen? Wofür? Aus mir kann man sowieso nichts rausholen. So denken viele über mich. Jedoch weiß ich, dass tief in mir das Gen meines Großvaters steckt. Ich muss es nur wecken. Ich weiß, dass ich ein ganz Großer werden kann. Ich brauche nur etwas, das mich dahin bringt. Alleine schaffe ich das nicht. Mein Vater schafft es ebenfalls nicht. Zudem hat er die Hoffnung aufgegeben. Auch deshalb wohne ich nicht mehr bei meinen Eltern. Zwar pflege ich noch sehr viel Kontakt zu ihnen, doch meine Radsportkarriere ist nur ganz selten Gesprächsthema. Immer wird nur über meinen Bruder geredet. Im Prinzip hat er es auch verdient. Ich hab meine Chance nicht genutzt. Eine Wendung ist nicht in Sicht. Trotzdem fühle ich mich ungerecht behandelt. Meine Mutter weiß das zu schätzen und versteht mich. Sie versucht mich immer wieder aufzubauen.
Mir ist klar, dass ich durch Rennen und Erfolge auf mich aufmerksam machen muss. Die meiste Zeit trainiere ich auf der Straße. Jetzt wo es auf den Winter zugeht versuche ich so häufig wie möglich im Berliner Velodrom trainieren zu können. Dort findet auch mein nächstes Rennen statt. Es wird ein Ausscheidungsrennen mit 16 Startern sein. Jede zweite Runde scheidet ein Fahrer aus. Also werden insgesamt 30 Runde gefahren. Das macht also gerade mal 7,5km. Es ist meine letzte Chance meinem Vater zu beweisen, was ich kann. Er wird dabei sein. Möglicherweise das letzte Mal. Wenn ich nicht unter die letzten drei komme, dann wird er nicht mehr als Zuschauer bei meinen Rennen dabei sein. Ich war sehr enttäuscht, dass er es so ernst meint und ihm wirklich nur der Erfolg zählt, aber wenigstens meine Mutter wird auch danach mich noch immer unterstützen.
Ein dritter Platz wird für mich sehr schwer zu erreichen sein. Ich habe mich vor allem auf kurze Distanzen konzentriert. Der Eins-zu-Eins Sprint ist meine Lieblingsdisziplin. Leider ist da auch immer viel Glück notwendig. Häufig war das nicht auf meiner Seite. Ich hoffe, dass ich einigermaßen über die Runden komme. Ich werde einfach alles geben. Ich werde es müssen. Insgeheim hoffe ich sogar auf den Durchbruch. Ich bin erst einmal zuvor in einem Ausscheidungsrennen gestartet. Bei dem wurde ich Sechster. Ich war sehr überrascht von dieser Leistung, habe aber trotzdem weiter auf Sprints trainiert. Doch nun wird die ganze Elite in der Klasse U20 dabei sein. Die Besten sind auf den Sprung zu großen Profiteams oder in Nationalmannschaften. Mal sehen was sich für mich machen lässt…
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Fabian
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Beitrag: # 6731721Beitrag Fabian
20.8.2008 - 19:32

sciby hat geschrieben: Opa war nicht beim RC Charlottenburg 1883, wie ich. Mein Vater fuhr ebenfalls für diesen.
Hm, irgendwas begreife ich da nicht. Auch der Rest der Familiengeschichte ist für meinen Geschmack etwas holprig; ich habe an manchen Stellen erst beim zweiten Durchlesen verstanden, wen du nun meinst. Aber im Grossen und Ganzen liest es sich bisher sehr gut - klingt etwas nach billiger Hollywoodgeschichte (vom Tellerwäscher zum Millionär), aber ich mag sowas zwischendurch auch ganz gerne. Freue mich schon auf deine Rennberichte :)

sciby
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Beitrag: # 6731738Beitrag sciby
20.8.2008 - 21:32

20. Oktober 2007

Es waren nur noch zwei Minuten bis zum Start. Der große Favorit, Julian Schmidt, stand vor mir. Ein letztes Mal blickte ich zu meiner Mutter. Hoffnungsvoll rief sie mir letzte aufmunternde Worte zu. Mein Vater sah mich mit einem kritischen Blick an. Ich war mir sicher, dass ich ihn glücklich machen könne. Es würde schwer werden, aber ich kann es schaffen. Dann blickte er zur Seite. Er neigte sich von mir ab. In wenigen Minuten wird er den Blick nicht mehr von mir abwenden, da war ich mir sicher. Neben meinem Vater konnte ich meinen Bruder erkennen. Interessiert schaute er auf das Drumherum. Er war noch nicht oft bei Bahnrennen. Der Rennleiter rief lautstark. Jetzt ging es an den Start. Ich positionierte mich in letzter Reihe. Ich wusste, dass ich meine Kraft genau einteilen muss.
Dann fiel der Startschuss. Es konnte losgehen. Alles oder nichts. Sieg oder Niederlage. Vater oder Mutter. Alleine oder mit einem Trainer trainieren.
Meine Rückennummer war die 141. So viele Fahrer waren nicht am Start, aber man hatte die Nummern nicht angeordnet. Ich hatte die höchste im Feld. Hatte das was zu bedeuten? Werde ich der Letzte sein? Oder lässt sich aus der Startnummer mein Endrang bilden? Erster, Vierter, Vierzehnter? Ich wusste dass alles drin war.
Die erste Runde hielt ich mich im hinteren Teil auf. Der Druck auf uns alle war extrem groß. Keiner wollte als Erster rausfliegen. Wie sieht das auch aus? Das bedeutet man ist der Schlechteste. Alle anderen sind besser. Man ist meilenweit vom Besten entfernt. Jedoch wollte ich nicht meine Kraft schon auf den ersten Runden verpulvern. Ich hielt mich also sehr weit rechts von den anderen auf, um durch einen kurzen Sprint nach vorne zu gelangen. Jedoch brauchte ich nicht nach vorne. Ein kurzer Blick nach hinten reichte. Zwei andere waren mit einer Radlänge hinter mir eingeklemmt. Die erste Runde hatte ich überstanden. Sofort ging ich wieder ans Ende der Gruppe. Schon jetzt fühlte ich mich als Dauerlutscher. Aber was sollte ich auch machen? Nach vorne gehen und früh ausscheiden? Nein, ich wollte es meinem Vater zeigen- und dafür musste ich meine Kraft sparen.
Die hinteren Fahrer sprinteten nach vorne. Sofort folgte ich einem von ihnen. So kam ich leicht nach vorne und überlebte eine weitere Runde. Schon jetzt merkte ich es. Die Beine liefen gut. Ich spürte die ungeheure Kraft in der Wade. Ich versuchte gar nicht daran zu denken. Ich achtete einfach nur auf die anderen Fahrer. Wieder lag ich hinten. Aber dann musste ich mich durch die anderen drängeln. Rechts wurde mir zugemacht. Mit höchstem Risiko fuhr ich durch die Mitte an den anderen vorbei. Mit etwas Glück, aber noch mehr Kraftaufwand kämpfte ich mich an die siebte Stelle.
13 Fahrer waren jetzt noch dabei. Also musste ich noch zwanzig Runden durchhalten. Ich hielt mich in der Mitte der Gruppe auf und wartete auf die nächste Runde. Lockerleicht konnte ich diese bestehen. Ich musste nicht einmal das Tempo großartig erhöhen und folgte nur den vorderen Fahrern.
Noch einmal erholte ich mich am Ende des Feldes. Lange blieb ich an letzter Position. Beinahe wäre es zu lange gewesen. Vor der letzten Kurve riss eine Lücke. Ich musste den längsten Weg nehmen und einen richtigen Sprint einlegen. Glücklicherweise überholte ich noch die letzte Reihe. Das brauchte allerdings viel Kraft. Ich musste schnell entscheiden- ein weiteres Mal erholen und im Sprint nach vorne fahren oder im Feld aufhalten und das Risiko eingehen, eingeklemmt zu werden.
Ich entschied mich für den Mittelweg und fuhr außen von den anderen. Es war die richtige Entscheidung. Ich konnte mich durch die anderen durchdrängeln und an vorletzter Position die Runde beenden. In der nächsten Runde fuhr ich ähnlich. Julian Schmidt fuhr durchgängig unter den ersten Dreien. Er konnte es sich auch leisten. Seine Zeit kommt immer dann, wenn die anderen schon nicht mehr können. Ihn hätte man nur im Sprint abhängen können. Vor mir eröffnete jemand den Zwischensprint und an seinem Hinterrad konnte ich leicht die Runde überstehen.
Ich kam meinem Ziel immer näher. Aber immer noch waren neun Fahrer mit dabei. Ich hatte Angst. In der folgenden Runde fühlte ich mich wieder gut. Jetzt auszuscheiden wäre äußerst enttäuschend gewesen. Also ging ich das Risiko ein, später keine Kraft mehr zu haben und fuhr weit vorne. Ganz innen hätte ich leicht abgedrängt und durchgereicht werden können. Ich suchte mir die Lücke. Hinter mir konnte ich erkennen, dass ein Fahrer den Anschluss verlor. Ich schnaufte durch- eine weitere Runde war überstanden.
Aber dann zog er links wieder ran. Er sprinte neben mir und zog dann rechts rüber. Ich hatte mein Tempo verringert. Nur schwer kam ich wieder auf Touren. Normalerweise ist das meine Stärke. Ich konnte wieder Fahrt aufnehmen und verringerte den Abstand zu den anderen. Mit einem hohen Tempo kam ich wieder ran- aber nur an den Hintersten. Ich konnte gerade mal an sein Hinterrad aufschließen. Den Zielstrich erreichte ich als Letzter. Es war vorbei. Ich wurde Neunter. Neunter! Das Rennen war gerade mal in der Hälfte und ich war schon draußen. Mein Ziel war bei weitem nicht erreicht.
Ich fuhr nach rechts und verlangsamte mein Tempo. So hatte ich es mir vorgestellt. Aber der Kopf, der war gesenkt.

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Ich war zu tiefst enttäuscht. Meine letzte Chance war vertan. Alles war vorbei. Mit Tränen in den Augen fuhr ich rechts an die Bande. Ich zog meinen Helm ab und warf ihn voller Frust auf den Boden. Ein freiwilliger Helfer reagierte schnell und sammelte den auf die Fahrbahn rutschenden Helm ein. Nachher erhielt ich noch eine gewaltige Standpauke vom Rennleiter, weil ich die Gesundheit der Fahrer hätte gefährden können. Für meinen Frust hatte er kein Verständnis. Dabei war ich nicht mal so enttäuscht, dass ich nur Neunter wurde- nein- es war, weil ich noch ausreichend Kraft hatte und leichtfertig einen guten Platz verschenkt hatte. Ich war es selbst Schuld. Meine eigene Dummheit. Der starke Körper wurde vom schwachen Kopf geschlagen. Ich hätte mich selbst köpfen können. Ich hätte es locker geschafft, aber ich war so blöd und habe mir alle Chancen verbaut.
Meine Mutter kam zu mir. Ich stieg über die Absperrung und setzte mich zunächst auf einen freien Platz. Mein Vater verließ derweil die Halle. Mein Bruder schaute sich das noch laufende Rennen weiter an. Er beachtete mich gar nicht.
Meine Mutter versuchte mich zu trösten. Sie wusste Bescheid, dass ich eigentlich sehr gut drauf bin, nur einen taktischen Fehler begonnen habe. „Hey, du kennst diese Art von Rennen doch kaum. Der Keirin Wettbewerb übermorgen wird ganz anders enden!“ Erst da wurde mir bewusst, dass es den ja auch noch gibt. Zwar ist da die Chance auf einen Sieg recht groß, aber heute hatte ich meine Chance vergeben. Mein Vater wird dort nicht mehr anwesend sein und ich muss mir endgültig einen neuen Trainer suchen. Zwar meinte meine Mutter, dass sie mit ihm noch mal sprechen wird, aber ehrlich gesagt ist es mir nun egal was er macht.
Ich sah mir noch die Entscheidung des Rennens an. Am Ende blieben Julian Schmidt und Michael Bänsch über. Überraschend konnte Julian das Tempo von Michael nicht mehr folgen und wurde nur Zweiter. Aber er war trotzdem zufrieden. In zwei Tagen wäre ich das auch. Aber heute war alles vorbei.
In zwei Tagen würden dann zwölf der Fahrer von heute noch mal am Start stehen. Ich nahm mir vor, dort alles zu zeigen. Alles, was ich heute nicht gezeigt hatte. Zwar hatte ich meinen Vater verloren, aber die nächste Chance erkannt. Nun muss ich meinen Weg alleine gehen. Im Keirin Wettbewerb kann ich es allen zeigen. Da kann ich meine Qualitäten ausspielen.
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sciby
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Beitrag: # 6731794Beitrag sciby
21.8.2008 - 18:40

22. Oktober 2007

Keirin- 6 Mann, 1 Spurt. Es war meine allerletzte Chance. Ich musste siegen. In zwei Teilen startete das Feld. Ich war im ersten. In dieser Gruppe war mein größter Mitstreiter- Jens Rumpel. Im ersten Durchgang musste ich ihn noch nicht schlagen. Mein Ziel war das Finale. Die ersten Drei aus beiden Gruppen kamen weiter. Es wurden immer zwei Durchgänge á 3 Runden gefahren. Ich wollte zunächst mal nur ins Finale. Das war die Hauptsache. Danach würde es um den Sieg gehen- und den musste ich mir holen.
Schon vor dem Start gab es den ersten Dämpfer. Ich musste von vorne in die erste Runde gehen. Also musste ich sofort ein wenig Kraft verbrauchen. Das hätte fatal sein können. Somit ging ich noch in der ersten Kurve ans Ende der Gruppe. Doch dabei unterlief mir ein kleiner, aber entscheidender Fehler. Ich verlor kurz den Anschluss und konnte erst nach einer Runde wieder an die anderen drankommen. Das kostete viel Kraft. Ein langer Sprint war nicht mehr möglich. Ich musste also möglichst lange warten.
Das Tempo war mörderisch hoch. Jens Rumpel fuhr sehr klug an dritter Stelle. Dann ging es in die letzte Runde. Ich blieb weiter am Ende der Gruppe. In der letzten Kurve suchte ich mir das Hinterrad von Jens. Er zog nach vorne. Aber dann war er auf einmal weg. Ich konnte ihm nicht folgen. Es war unmöglich seinem Tempo standzuhalten. Zwischen mir und ihm klaffte eine Lücke und drei andere entwischten. Mir blieb nur der fünfte Rang. Die Enttäuschung war groß.
Wieder hatte ich einen dummen Fehler gemacht, der mich alles kostete. Aber noch war es nicht vorbei. Ich wusste, dass die Chance klein, aber da war. Ich musste also schon jetzt alles geben. Ich durfte nicht pokern.
Ich hatte Glück und startete an vierter Position. Jetzt galt es. Ich musste jeder Attacke nachgehen. Ich musste den Sprint gewinnen. Ich musste bereits im Vorlauf Jens schlagen. Ich hatte es mir selber eingebrockt. Mit einem zweiten Platz hinter ihm, hätte ich beruhig in den zweiten Lauf gehen können.
Die erste Runde verlief recht langsam. Ich hatte keine Probleme. Ein langsames Anfangstempo kam mir entgegen. Dann überholte mich mein Hintermann, doch ich blieb ruhig und folgte ihm nicht. Es war die richtige Wahl, denn im Wind konnte er nur schwer das Tempo erhöhen. Die letzte Runde wurde eingeläutet und Jens ging raus. Er schoss allerdings noch nicht davon. Ich holte zum Führenden auf und fuhr links von Rumpel. Ich war eingeklemmt. Auf der Gegengerade musste ich mit Kraftaufwand von außen an allen anderen vorbei. Es war ein sehr hohes Risiko, doch ich konnte jeden überholen. Würde die Kraft reichen? In der Kurve war ich noch vorne. Dann spürte ich die letzten Kraftreserven in den Beinen. Ich wusste, dass ich noch einmal das Tempo erhöhen müsste. Ich gab ein letztes Mal alles und sprintete in Richtung Ziel.
Ich hatte es geschafft. Als ich mich umsah, erkannte ich eine riesige Lücke. Sie hatten keine Chance. Ich ballte die Fäuste und ließ meinen Emotionen freien Lauf.

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Jens wurde Zweiter. Pokerte er oder war er wirklich schwächer als ich? Gespannt hoffte ich. Ich hatte ein schlechtes Gefühl. Zwar holte ich mir so 10 Punkte, aber würden 12 Punkte aus zwei Läufen reichen? Ich wartete auf den Rennleiter, der das Ergebnis verkündete. Es reichte- und zwar locker. Als Zweiter kam ich ins Finale. Jens wurde Erster.

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Nun ging es im Finale um den Sieg. Rang drei und zwei waren uninteressant. Meine Mutter baute mich ein letztes Mal auf. Sie wusste um meine Stärke und machte mir weiter Hoffnung: „Bei einem Sieg wird er seine Entscheidung noch mal überdenken!“ Sie sagte die Wahrheit. Das war mir klar. Aber der Druck wurde dadurch nicht geringer. Er lastete noch mehr auf meinen Schultern. Jetzt musste ich wirklich gewinnen.
Mein Bruder hatte sein Ziel erreicht. Er wurde in die Eifel eingeladen. Er sollte einen Zweijahresvertrag beim Team Gerolsteiner unterschreiben. Vater war mit ihm. Würde ich siegen, so könnte auch ich mein Ziel erreicht haben. Oder zumindest vorläufig. Das Interesse an meiner Person würde steigen. Der Weg zum Profi wäre erreicht. Ich hätte ihn nur noch gehen müssen. Aber dann ging es wieder auf die Bahn.
Wieder startete ich von meiner geliebten vierten Position. Ich konnte mich also wieder etwas zurückhalten. Das Tempo in der ersten Runde war nicht das höchste. Jens fuhr neben mir. Ich war davon sehr überrascht. Es freute mich aber auch. Zwar versperrte er mir für später den Weg, doch er konnte nicht im Windschatten Kraft sparen.
Etwas plötzlich zog vorne Hendrik Mann raus. Ich schloss sofort die Lücke. Jens verlor dadurch zwei Plätze. Es ging auf die letzte Runde. Ich hatte eine perfekte Ausgangsposition. Ich musste nur auf den richtigen Moment warten. Auf der Gegengerade zog ich dann nach rechts. Meinen Hoffnungen bestätigten sich. Jens war geschwächt und fuhr hintendran. Locker konnte ich durchfahren. Mir konnte keiner folgen. Mit großem Abstand folgte Hendrik Mann. Jens Rumpel kämpfte sich noch auf den vierten Rang vor. Überlegen hatte ich gewonnen. Ich riss die Arme hoch.

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Endlich zeigte ich es ihnen. Ich konnte es doch noch. Ich war der Beste. Aber noch war ich nicht der Sieger. Der zweite Lauf entschied alles. Die Situation war allerdings perfekt.
Erneut ging es von Platz vier auf die erste Runde. Überraschend setzte sich Jens nach dem Start nach rechts ab. Ich musste also die Lücke vor mir schließen. Er setzte sich hinter mich. Es schien so, als ginge ein Sieg nur über mich. In der zweiten Runde ging er dann wieder an mir vorbei und fuhr rechts von der Gruppe. Diese Taktik konnte ich nicht verstehen. Anscheinend lief diesmal bei ihm im Kopf nicht. Bei mir funktionierte beides- so hoffte ich zumindest.
Auf der Zielgerade erhöhte man vorne das Tempo. Ich sprintete hinterher. Ein langer Sprint- das könnte schwer werden. Jens ging wieder an mein Hinterrad. Er wirkte nervös. Ich blieb ruhig. Vor der letzten Kurve zog ich dann an den anderen beiden vor mir vorbei. Ich merkte, dass keiner folgen konnte. Auch Jens nicht. Ich hatte es geschafft. Mit 20 Punkten holte ich den Sieg. Keiner konnte mich einholen. Alle wurden sie geschlagen. Selbst mein größter Mitstreiter war machtlos. Aber nicht nur gegen mich. Er konnte auch die anderen nicht besiegen. Ich hielt alle in Schach. Ich war der Beste. Nun standen mir alle Wege offen. Ich schaute auf das Ergebnis.

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Keiner hatte auch nur den Hauch einer Chance. Ich fuhr in meiner eigenen Klasse.

Freudestrahlend kam meine Mutter zu mir. Erneut hätte ich den Helm werfen können. Aber in den Himmel. Ich umarmte sie und sah über ihre Schulter, wie Jens mit Tränen in den Augen in die Katakomben ging. Ich hatte etwas Mitleid mit ihm. Sicherlich hat er sich mehr ausgerechnet. Aber das interessierte mich nicht mehr. Ich war schon etwas weiter- China, Peking, Olympia 2008. Mir war egal wie. Ich wusste aber, dass es so kommen würde. Jetzt würden sie alle auf mich zukommen. Alle wollen nur mich. Für einen Trainerjob müsste ich einen Bewerbungstest veranstalten.
Der Weg war nicht nur erreicht, sondern schon zur Hälfte genommen.
Zuletzt geändert von sciby am 21.8.2008 - 19:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag: # 6731796Beitrag <~Bace~>
21.8.2008 - 18:56

Schöner AAR und Schönes Trikot :lol: :) Weiter so!
Das geht über eure Vorstellungskraft: Jamaica hat'ne Skimannschaft!
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sciby
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Beitrag: # 6731920Beitrag sciby
22.8.2008 - 20:26

25. Oktober 2007

Jedes Intervall wurde schneller gefahren. Zwei Runden langsam, eine Runde Vollspeed. Ich war platt und erholte mich wieder. Dann war ich wieder platt und erholte mich wieder. Aber ich wurde immer schneller. Die Form war auf dem Höhepunkt. Ich machte keine Pausen. Vier Stunden fuhr ich am Stück und wurde nie langsamer. Ich erhöhte erneut das Tempo. Die Ziellinie kam näher. Nur noch wenige Meter. In aerodynamischster Haltung erkannte ich, wie ich das Ziel überquerte. Nur wenige Augenblicke konnte ich es sehen- so schnell war ich. Ich schaute auf die Zeit- plötzlich wurde alles dunkel…



Ich reagierte schnell. Sofort bremste ich ab und fuhr kontrolliert an die Seite. Ich ging aus den Pedalen und hielt mich an der Bande fest. Ich schaute mich um, aber fast alles war dunkel. Einzig allein den Schimmer der Laternen konnte ich durch die großen Fenster erkennen. Ich hörte Schritte. Sie kamen näher. Anscheinend lief jemand die Treppe aus den Katakomben hoch. Dann kamen die Schritte in Richtung Bahn. Plötzlich änderte sich der Ton. Es klackerte. Er hatte die Bahn erreicht. Hektisch versuchte ich in die Pedalen zu klicken. Ich merkte, dass er nur noch wenige Meter entfernt war. Ich ließ die Bande los. Meine Beine zitterten. Ich rutschte von der Pedale ab. Ich kippte geradewegs nach links. Mein Ellebogen knallte auf die glatte Bahn. Ich konnte mich aus der anderen Pedale nicht lösen und so rutschte ich mit dem Rennrad auf mir liegend die steile Bahn herunter. Plötzlich stoppte ich. Ich stieß gegen ein Bein. Ich nahm nur ein leises „Autsch“ wahr. Leicht benommen verspürte ich ein helles Licht. Es blendete mich. Der Lichtkegel schwenkte zur Seite und ich konnte die Person erkennen.
„Ist alles okay? Hast du dich verletzt?“
„Was, was ist los? Wieso ist das Licht aus?“
„Das erzähl ich dir später. Kannst du aufstehen?“
„Ich glaube schon. Aber ich sehe kaum was.“
„Dann steh mal auf und warte hier. Ich mach das Licht wieder an.“

Er half mir hoch und ich kämpfte mich die Bahn entlang. Ich kam mir vor, als ich würde ich bald den Mount Everest erreicht haben. Dann lehnte ich mich an die Bande. Er ging wieder weg. Es war der Hausmeister des Velodroms. Aufgrund des Sieges im Keirin durfte ich den Abend lang auf der Bahn trainieren. Aber warum hatte er dann das Licht ausgeschaltet? War es ein Stromausfall oder setzte er leichtsinnig meine Gesundheit auf’s Spiel?
Es wurde wieder hell. Es dauerte lange bis sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnte. So lange, dass er schon bald wieder vor mir stand und ich erst dann wieder klar sehen konnte.
„Haben Sie das Licht ausgeschaltet?“
„Ja das habe ich“
„Was soll denn der Scheiß? Ich hätte mich ernsthaft verletzen können.“
„Du wolltest doch nicht hören. Schau mal auf die Uhr!“

Wortlos sah ich auf meine Uhr. 23:14!
„Ich wollte schon vor über eine halbe Stunde Schluss machen. Ich habe dir zig Mal zugerufen, dass du aufhören sollst. Aber nie hast du reagiert.“
Gerufen? Ich hatte nichts gehört. Ich habe nicht mal wahrgenommen, dass er in der Halle war.
„Ich konnte nicht anders und habe einfach das Licht ausgeschaltet. Das scheinst du ja bemerkt zu haben.“
„Geht’s noch? Hätte ich nicht so schnell reagiert, wäre ich wohl geradeaus in die Bande gerast.“
„Ich hatte keine andere Wahl.“
„Nun gut. Dann entschuldige ich mich, dass Sie länger bleiben mussten.“
„Das musst du nicht. Für ein großes Talent bleibe ich gerne länger. Nur hättest du mir das mal sagen können.“

Ich hatte anscheinend nichts mehr mitbekommen. Ich fuhr, fuhr und fuhr. Meine Umwelt war mir egal. Ich bemerkte nichts. Der arme Hausmeister.
„Sag mal, trainierst du eigentlich alleine? War nicht immer dein Vater mit dir?“
„… Ja. Aber nicht mehr. Mein Bruder…“
„Ach, ich kann’s mir schon denken. Er ist ja das Gesprächsthema hier in Berlin. Der nächste Berliner Sportstar.“

Erst zu diesem Zeitpunkt wurde es mir klar- mein Bruder ist das, was ich werden wollte. Er war Kilometer weiter als ich. Auf einmal stach es mir im Ellebogen. Hatte ich doch eine Verletzung davongetragen? Oder verspürte ich bei dem Gedanken an meinen Bruder jeden kleinen Schmerz?
„Du hast keinen Trainer? Wie kann das denn sein? Du hast so viel Talent, bist einer der schnellsten Berliner und bist in der Form deines Lebens. Ich habe schon so viele Talente auf dieser Bahn gesehn. Der Schnellster warst du.“
„Ach…“
„Doch. Glaub mir! Die Trainer müssten Schlange stehen. Ich habe recht guten Kontakt zu Leuten aus deinem Verein. Bestimmt kann ich da mal nachhaken. Ich glaube kaum, dass sie dich vernachlässigen. Das werden sie gar nicht können.“
„Ach, du kannst da auch nichts machen. Anscheinend ist es so bestimmt.“

Ich nahm mein Rad und ging. Er rief mir noch hinterher, aber ich reagierte nicht. Kurz vor dem Gipfel fehlte mir das Profil auf den Schuhen. Ich rutschte wieder ab…
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Beitrag: # 6731922Beitrag Henrik
22.8.2008 - 20:45

Schöner AAR bis hierhin. Gibt das nen Lösungssatz? ;)

sciby
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Beitrag: # 6732015Beitrag sciby
23.8.2008 - 15:01

8. Oktober 2007

Der Boden. Nun war ich auf dem Boden. Ich spürte die Kraft, die verschwand. Die einzelnen Ritzen in den Rollläden ließen kaum Licht herein. Alles schwebte. Meine Kraft, meine Geduld, meine Stärke, meine Ausdauer, mein ein und alles. Es schwebte hinaus. Durch die Schlitze in den Rollläden. Nach und nach wurde ich immer leichter. Alles fiel von mir ab. Ich war erlöst. Endlich frei. Frei von Sorgen und frei von Druck. Wenn ich jetzt ein Rennen bestritten hätte, wäre ich wohl nur zwei Meter weit gekommen.
Es begann mit Dummheit.
Es endete mit dem Hausmeister.
Es fängt nie wieder an.
Ich, meine Karriere und alles um mich drum herum waren am Ende. Vierzehn Tage im Dunkeln. Durch die Dunkelheit wurde mein Ende eingeleitet. Nun ist mein Ende die Dunkelheit. Zurückgezogen saß ich dort. Keine Luft, kein Licht und keine Kommunikation. Rollläden runter und alle Sicherungen draußen. So ließ es sich leben.
Drei Mal zog ich wieder hoch. Dann entschied ich mich für das Ende- die Dunkelheit. Niemand konnte die Dunkelheit erhellen. Nichts war dazu in der Lage. Ich war am Ende. Endlich nichts mehr. Ich war glücklich. Doch wie konnte ich vereinsamt dasitzen?
Es hätte alles so schön sein können. Erfolg, Ansehen, Freude, Spaß. Aber dieser Druck. Alles wurde zerstört. Ich hatte weder Erfolg, noch Ansehen, noch Freude, noch Spaß, aber Druck. Ich war die große Hoffnung. Nun hatte ich die Hoffnung in mich selbst aufgegeben. Ich konnte es einfach nicht. Ich war zu schwach. Mein Bruder war stärker. Wesentlich.
Mein Vater wollte nichts mehr von mir wissen. Selbst nach meinem Sieg nicht. Kein Trainer machte Anstallten Kontakt zu mir aufzunehmen. Ich war uninteressant. Was sollte man bei mir auch trainieren? Aus mir war nichts mehr rauszuholen. Das Schicksal wollte es so. Es meinte es noch nie gut mit mir.

Endlich musste ich niemandem mehr zeigen was ich kann. Mein Bruder war der neue Star. Ein baldiger Tour de France Gewinner. Dies war ja noch nicht mal mein Anstreben. Ich wollte nur auf der Bahn erfolgreich sein. Das hätte mir gereicht. Aber ich werde nie so weit kommen. Ich könnte lediglich Amateurrennen fahren. Mehr ist nicht drin. Aber ich wollte nicht wie mein Vater immer unerfolgreich bleiben. Ich wollte besser sein als er. Ich wollte ihm beweisen, was ich kann. Beweisen, dass er auf mich zählen und vertrauen kann. Aber ich war zu schwach. Wenn ich stärker gewesen wäre, würde mein Bruder wohl darunter leiden müssen. So war er das, was ich sein wollte. Ich gönnte es ihm, da er extrem talentiert und stark ist, aber irgendwie war ich auch sauer auf ihn. Oder eher neidisch. Was sollte ich machen? Ein einfaches Leben führen? Nein- das war es nicht was ich wollte. Ich wollte etwas besonderes sein. Jemand, an den man sich jahrelang zurückerinnern wird. An den man nur positive Gedanken hat und immer wieder gerührt ist, wenn man an seine größten Momente denkt. Normal zu sein war das Schrecklichste, was mir einfiel. Ruhm, Ehre und Ansehen, das war es was ich wollte. Ich wollte, aber konnte es nicht.
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sciby
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Beitrag: # 6732074Beitrag sciby
23.8.2008 - 19:56

In der Finsternis suchte ich
Blatt und Stift.
Ich fand es,
Doch erkannte nichts.
Voller Schwäche und Enttäuschung
Schrieb ich nieder die Zerknirschung.

Freud und Hoffen
In meine Zukunft.
Alles war offen,
Aufgrund meiner Herkunft.

Vater, Mutter, Opa-
Alles Radsportfreaks.
Einer bekannt in Osteuropa.
Stark wie Obelix,
das war mein Ziel-
ein Abenteuerspiel.

Beste Chancen,
die hat ich.
Die größten Ressourcen,
ich nutzt’ es nicht.

Schwach, so schwach,
Ich war einfach nicht in der Lage,
Und häufig nicht wach.
Die eigene Absage
Ans Gehirn.
Ich tippte mir an die Stirn.

Die eigene Doofheit
Verbarg die Kraft.
Die nächste Gelegenheit
Wurde geschafft.

Ich war der Sieger.
Aber es kam niemand.
Ich war nicht der Überflieger.
Nicht mal jemand.
Keiner wollte mich.
Ich bin so erbärmlich.


Ich hätte nie gedacht, dass ich so poetisch bin. Anscheinend ist man zum Dichten nur im Stande, wenn es einem schlecht geht. Ich hatte es getan. Also ging es mir schlecht. Ich dachte, es ginge mir so gut. Ich fühlte mich seit langem wieder frei. Aber der Schein trügte. Ich war am Ende. Da, wo niemand sein will. Gibt es etwas nach dem Ende? Wird man mich dort draußen vermissen?
Ich nahm den Stift wieder in die Hand und schrieb einen letzten Satz. Danach fiel mein Kopf völlig kraftlos auf den Zettel. Mehrere Tage lang war ich wach. Das Zimmer hatte gefühlte 30 Grad. Geschwitzt und völlig müde schlief ich ein.


_________________
Userfrage:
Wie lautet der letzte Satz, den er aufgeschrieben hat?
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$$_gibo_$$
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Beitrag: # 6732078Beitrag $$_gibo_$$
23.8.2008 - 20:15

Alles kann nur erreicht werden, wenn alles getan wird.
Meinst du den vielleicht ?? ^^
Ich hätte nie gedacht, dass ich so poetisch bin. Anscheinend ist man zum Dichten nur im Stande, wenn es einem schlecht.
Da fehlt aber noch etwas oder?

Ansonsten echt gute AAR, vor allem mal was neues mit dem Bahnradmodus.
Wird die Geschichte eigentlich mit dem Bruder noch vertieft ? Oder läuft die
weiter nur am Rand wie bisher mit?
Ich sah den Himmel und mein eigenes Grab,
Ich feierte Siege triumphierte und verlor,
Ich starb aus Liebe.

sciby
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Beitrag: # 6732252Beitrag sciby
25.8.2008 - 15:54

31. Oktober 2007

Langsam öffneten sich meine Augen. Die grellen Lichtstrahlen trafen auf meine Netzhaut. Blitzartig schloss ich sie wieder. Beim zweiten Versuch gewöhnte ich mich an die hellen Strahlen. Die Sonne knallte voll auf das Fenster und durch die Ritzen in den Rollläden. Ich schaute nach oben. Im Spiegel erkannte ich den Schatten meiner selbst. Auf meiner Stirn sah ich etwas Schwarzes. Völlig entbrannt und interessiert sprintete ich zum Sicherungskasten und schaltete das Licht wieder ein. Ich weiß nicht was mich dazu brachte, aber die Schwärze auf meiner Stirn hatte etwas Magisches.
Wieder blickte ich in den Spiegel. In schwarzer Schrift stand es auf meiner Stirn: Alles kann nur erreicht werden, wenn alles getan wird. Woher kam dieser Satz? Wieso stand er auf meiner Stirn? Was hatte das zu bedeuten?
Nach und nach kam es mir wieder in den Sinn. Ich hatte in meiner Verzweiflung ein kleines Gedicht geschrieben. Sofort suchte ich nach dem Zettel. Ich fand ihn auf dem Boden. Er war leer. Nichts stand auf ihm drauf. Woher war dieser Satz? Hatte ich ihn mir auf die Stirn geschrieben? Ich war mir sicher, dass ich alles aufgeschrieben hatte. Aber nun war alles weg. Ich schaute wieder in den Spiegel. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Schrift spiegelverkehrt sein musste, da ich sie im Spiegel normal lesen konnte. Ich erinnerte mich, dass ich mit dem Kopf auf dem Zettel eingeschlafen bin. Also musste sich die feuchte Tinte auf meine Stirn abgedruckt haben. Aber wieso stand dann nichts auf dem Blatt? Oder war die komplette Tinte nun auf meiner Stirn? Doch was war mit den anderen Versen? Hatte ich es nur geträumt? Nein! Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass ich gestern ein Gedicht geschrieben hatte. Die letzten beiden Verse standen nun auf meiner Stirn.
Egal wie das passiert war, es hatte etwas zu bedeuten. Ich betrachtete ein erneutes Mal den Satz: Alles kann nur erreicht werden, wenn alles getan wird. Hatte ich alles getan? Ich wollte alles erreichen. Aber getan hatte ich bei weitem nicht alles. Ungläubig aber wissend, dass der Satz die Wahrheit erzählte, überlegte ich, was ich noch tun könnte.
Mein Blick schweifte auf die Seitenwand und ich sah es. Dort hing mein Rennkalender. Die Rennen, die ich bestreite, waren rot markiert. Plötzlich sah ich eine weiße Lücke. Berliner MTB Meisterschaft 08. Ein Mountainbike-Rennen- das war es, was mir noch fehlte. Eine neue Nische, die ich noch nicht durchklommen hatte. Eine erneute Chance. Vielleicht liegen dort noch mehr meiner Stärken.
Wie vom Blitz getroffen stürmte ich zum Fenster, zog hoch und räumte das Chaos weg. Ich duschte und war völlig befreit. Ich fühlte mich wie ein neuer Mensch. Ich schnappte mir das Telefon und wählte die Nummer des Rennveranstalters. Nach einigen Malen Klingeln ging er ran. Etwas voreilig fragte ich ihn, ob ich noch starten könne. Ich hoffte, dass es noch möglich war, immerhin war das Rennen schon morgen. Etwas überrascht fragte er, wer ich denn sei. Als er meinen Namen hörte, wusste er es sofort. Er stimmte zu. Er sagte, dass er von meinem Keirin-Wettkampf überzeugt war und ich starten müsse.
Als ich auflegte erkannte ich auf dem Telefon, dass ich genau 42 Mal angerufen wurde. Da ich allerdings die Sicherungen raus hatte, konnte mich keiner erreichen. Anscheinend hatten sie mich doch vermisst.
Kurz darauf holte ich mein MTB aus dem Keller und pflügte alle Felder und Wälder Berlins um. Ich hätte nie gedacht, dass es so gut läuft. Ich war richtig schnell. Die zwei Wochen Trainingspause merkte ich kaum. Ich fühlte mich sogar stärker als je zuvor. Nach der Wald- und Felderfahrt rief ich meine Mutter an. Sie hatte sich gar nicht so viele Sorgen gemacht. Zwar hatte sie mich nie erreicht, aber das war auch schon vorher oft so. Auf jeden Fall war sie froh, meine Stimme zu hören. Sie sagte mir, dass Vater immer noch mit meinem Bruder trainiert. Mir war es mittlerweile egal. Ich brauchte ihn nicht mehr. Ab jetzt wollte ich meinen eigenen Weg gehen. Auch wenn dieser nicht immer der Richtige sein wird. Mit meinen 18 Jahren war ich immernoch jung. Mir standen so viele Wege offen. Ob es mit dem MTB der Richtige war? Mir war es egal. Hauptsache ich war wieder voll im Leben.
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Beitrag: # 6732649Beitrag sciby
27.8.2008 - 22:19

1. November 07

Frühmorgens sah ich auf mein Handy. Ich hatte 6 ungelesene Kurzmitteilungen.
Jürgen Reimann (Jugendwart) hat geschrieben: 17.10.07
Hey Max! Wir haben da jemanden für dich. Du solltest mal vorbeischauen. Du wirst überrascht sein, wer es ist. Sehn uns, Jürgen
Julian hat geschrieben: 21.10.07
Hey Bro. Was geht? Wie wärs mal wenn wir ein Ründchen zusammen fahrn? Möcht mal sehn was du so drauf hast

Jürgen Reimann (Jugendwart) hat geschrieben: 22.10.07
Max? Was ist los? Antworte doch mal!
25984 hat geschrieben: 26.10.07
Hol dir jetzt brandneu und zum Spartarif von nur 3,99€ fünf erstklassige Klingeltöne. Von Madonna über Sido bis hin zu Sarah Connor. Das Angebot ist riesengroß. Du hast die freie Auswahl. Einfach nur mit „JA“ antworten (SMS-Gebühren von 0,59€) und schon kannst du dir blitzschnell deine Klingeltöne downloaden. (inkl. Internetgrundgebühren)
Jürgen Reimann (Jugendwart) hat geschrieben: 27.10.07
Was ist denn nun? Ist irgendwas bei dir nicht in Ordnung? Dann lass es mich doch bitte wissen. Sonst wird sich deine Überraschung jemand anderes suchen. Lass dir doch bitte diese einmalige Chance nicht entgehen.
Jürgen Reimann (Jugendwart) hat geschrieben: 01.11.07
Hey, Max. Endlich mal ein Lebenszeichen. Hab gehört, dass du heute bei der Berliner MTB Meisterschaft startest. Ich frag mich zwar wieso du das machst, aber ich kann dir sagen, dass ich deine Überraschung zum Rennen bestellt hab. Also freu dich drauf.
Die Werbe-SMS landete sofort im Papierkorb. Immer wieder versuchen die es. Das nervt wirklich. Dass die nicht merken, dass ich darauf nie reagiere, wundert mich schon. Die Nachricht meines Bruders überraschte mich sehr. Früher hatten wir viel zusammen trainiert. Nachdem ich so langsam auf die Bahn ging, wurde das weniger. Ich hatte mich gefreut, dass er nun wieder mehr Kontakt zu mir suchte. Ich nahm mir vor, gleich nach dem MTB-Rennen ihn anzurufen und mich mit ihm zum Trainieren treffen.
Ich wusste allerdings komplett nicht was ich von Jürgens Nachrichten halten sollte. Normalerweise war er immer direkter und schweifte nicht drum herum. Mir war nicht klar, wen oder was er mit der Person meinte. Möglicherweise einen Trainer? Oder einen neuen Teamkollegen? Ich war gespannt, wer es sei. Mit dieser Anspannung fuhr ich dann auch los. Ich fühlte mich zwar etwas ungewohnt auf dem MTB, aber ich musste es versuchen.
Das Rennen verlief durch ein Waldstück am Rande Berlins. Von mir aus war es nicht wirklich weit. Ich konnte mich allerdings gut warm fahren. Als ich zum Start kam, begrüßte Jürgen mich sofort.
„Hey, du bist aber spät. Das Rennen startet doch schon in 5 Minuten.“
„Was? In 5 Minuten? Und ich dachte, es würde erst in einer Stunde losgehen.“
„Nein. Der Start wurde doch schon vor drei Wochen eine Stunde nach vorne verlegt.“
„Achso. Davon wusste ich nichts. Ich bin von den Startzeiten in meinem Plan ausgegangen.“
„Naja. Du bist ja jetzt hier. Aber ich würd mich mal schnell einschreiben.“

Ich ging sofort zur Leitung des Rennens und schrieb mich ein. Danach wollte man mich direkt zum Start bringen, doch ich wollte Jürgen noch etwas fragen. Ich fuhr also zu ihm und fragte ihn nach meiner Überraschung.
„Achja. Das hatte ich vergessen. Sie kommt etwas später. Nach dem Rennen könnt ihr euch unterhalten.“
Sie? Eine Frau sollte meine Überraschung sein? Also war es kein Trainer. Aber wer sollte diese Frau sein? Meine Mutter? Großmutter? Oder gar die Bundeskanzlerin? Nein, sicherlich nicht. Aber irgendjemand musste es sein. Ich war perplex und stand nachdenklich vor Jürgen. Ich hörte gar nicht, dass er mich ansprach. Zu sehr war ich in Gedanken an diese Frau. Obwohl ich nicht wusste, wer es sein würde, war mir klar, dass es etwas extrem Wichtiges sein musste.
Auf einmal hörte ich einen Knall. Blitzartig wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Der Startschuss zum Rennen war gefallen. Ich fuhr schnell zum Start, als ich von einem Zuschauer aufmerksam gemacht wurde, dass ich keine Startnummer trug. Doch glücklicherweise hatte das noch jemand anderes gemerkt und kam zu mir und heftete sie mir an. Endlich konnte ich losfahren. Bis dahin verlief das Rennen also alles andere als gut. Es hätte nicht schlechter laufen können.
Ich versuchte so schnell wie möglich wieder an die anderen heranzukommen und hoffte, dass die sich nicht bereits zerfleischt hatten. Der 4,2km lange Rundkurs, der 14-mal befahren wurde, ging über größtenteils lange Abschnitte mit wenig Kurven. Lediglich an einer Stelle kurz vor Ende der Runde gab es eine schwere und steile Passage. Die Bodenbeschaffenheit war allerdings nie gut. Immer wieder Steine und Wurzeln. Zudem war die Strecke sehr schmal, sodass überholen kaum möglich war. Meine Hoffnungen, eine gute Platzierung herauszufahren, sanken also schon sehr früh.
Ich musste richtig kämpfen und aufpassen, dass ich nicht stürzte. Als ich die hinteren wieder im Blick hatte, war es um einiges leichter. Ich wollte unbedingt schnell an ihnen vorbei. Ich musste allerdings feststellen, dass vorne bereits viele ihr eigenes Rennen fuhren. Normalerweise machten die das Rennen unter sich aus, die am Anfang vorne liegen.
Von Runde zu Runde kämpfte ich mich weiter nach vorne. Es lief besser als erwartet. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mit dem Großteil des Feldes mithalten könnte. Möglicherweise lagen meine Stärken mehr in diesem Bereich als ich dachte. Das sollte sich allerdings im weiteren Rennen zeigen. Bei Hälfte des Rennens lag ich auf Rang 7. Dann blickte ich zu Jürgen im Zielbereich. Er sprach intensiv mit einer Frau und deutete auf mich als würde er ihr zeigen, dass ich es bin. Ich war mir sofort sicher- das ist die Frau, die meine Überraschung sein sollte.
Die restlichen Runden wurde ich immer langsamer. Nicht weil meine Kräfte nachließen, sondern weil ich zu sehr in Gedanken an die Frau war. Nicht dass ich mich unsterblich in sie verliebt hatte, obwohl sie für ihr Alter nicht schlecht aussah. Ich schätzte sie auf circa 25-30 Jahre. Sie hatte schulterlange blonde Haare und eine schlanke Figur. Ihre Oberweite war unverkennbar. Doch ich interessierte mich keineswegs für sie selbst. Sicherlich hatte er sie nicht für mich ausgesucht, damit ich ein heißes Date mit ihr habe.
Ich überlegte das ganze Rennen, wer sie sei. Ich war so sehr in Gedanken, dass ich mein Tempo drosselte um nicht zu stürzen. Dabei nahm ich kaum wahr, dass immer mehr Fahrer mich überholten. Mir war es egal. Zwar bemerkte ich, dass sich Jürgen und die Frau wunderten und leicht enttäuscht waren, doch auch das interessierte mich kaum. Ich wollte einfach wissen, wer sie ist. Ich wusste, dass das Rennen unwichtig war. Viel wichtiger war diese Frau. Sonst würde Jürgen sie mir gar nicht vorstellen.
Ich spielte sogar mit dem Gedanken, das Rennen vorzeitig zu beenden. Trotz der Vorfreude fuhr ich es zu Ende. Noch kurz vor dem Ziel hatte ich keine Ahnung, wer die Frau sein könnte. Als Siebzehnter erreichte ich das Ziel und fuhr direkt in Richtung Jürgen und der Frau. Zwar wusste ich nicht, was nun geschehen würde, doch ich war mir sicher, dass es etwas durchweg Positives sein wird…
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sciby
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Beitrag: # 6733290Beitrag sciby
30.8.2008 - 16:19

„Max! Hier ist deine Überraschung.“
Erstaunt starrte ich die beiden an. Dann kam sie auf mich zu und gab mir die Hand.
„Hi! Ich bin Julia Reimann. War ja ein klasse Rennen…“
„Ja, bis Sie kamen.“

Sie war völlig überrascht und schluckte. Jürgen schaute mich komisch an. Er zog die Augenbrauen hoch und deute an, dass ich das wieder geradebiegen sollte. Erst da wurde mir klar, dass man meine Antwort hätte falsch verstehen können.
„O, Entschuldigung. Das habe ich nicht so gemeint. Ich wollte nur sagen, dass ich mich nicht mehr auf das Rennen konzentrieren konnte als ich Sie gesehen hatte. Das war circa bei Hälfte des Rennens. Von da an habe ich nur noch an Sie gedacht. Ich wollte einfach zu gerne erfahren wer Sie sind. Also schießen Sie los!“
„Bevor ich losschieße streichen wir doch bitte das Sie.“
„Okay, du!“

Sie lächelte. Ihre Grübchen waren süß. Ich betrachtete sie näher und erkannte, dass sie jünger sein müsste. Vielleicht maximal 25. Sie war wirklich hübsch. Ich glaube auch Jürgen hatte Gefallen an ihr gefunden. Aber er ließ uns alleine:
„Ihr werdet euch schon verstehen. Ich schau mir das Jugendrennen an. Ich hab dort zwei meiner Schützlinge am Start. Viel Spaß euch zweien!“
„Also was für eine Überraschung bist du denn jetzt?“
„Ich werde deine Trainerin sein, natürlich nur wenn du willst. Aber lass uns doch an den Tisch dort drüber setzen. Das ist um einiges gemütlicher.“

Ich wusste nicht genau, was ich davon zu halten hatte. Ich folgte ihr zu den Biertischen. Eine Frau sollte meine Trainerin sein? Warum gerade eine Frau? Und sie war gerade mal ein paar Jährchen älter als ich. Das konnte Jürgen nicht Ernst meinen. Aber ich wollte keine Chance mehr verstreichen lassen und hörte mir also an, was sie zu sagen hatte.
„Wie schon gesagt, soll ich deine Trainerin sein. Dein Verein hat sich bei mir gemeldet. Du bist wirklich stark. Ich habe von deinen Erfolgen gehört.“
„Darf ich mir die Frage erlauben, warum du Trainerin bist, also frühere Profifahrerin warst du sicherlich nicht, oder?“
„Das wollte ich dir auch jetzt erzählen. Und zwar habe ich Sportwissenschaften studiert. Ich habe mich auf Training und Fitnessplanung spezialisiert. Natürlich alles für den Radsport Bereich. Ich liebe es einfach Rad zu fahren und bin fasziniert von den Topleistungen. Selber fahr ich auch Rennrad, aber nicht viel. Mit dir könnt ich wohl nicht mithalten. Ich bin eine von drei offiziell anerkannten Trainern. Ich hab sozusagen die Lizenz zum Trainieren.“
„Das hört sich ja interessant an. Aber wieso gerade ich?“
„Weil du gut bist. Du bist gerade mal 18 und hast noch so viel vor dir. Ich wurde ja bereits vor circa zwei Wochen von deinem Verein angeheuert. Aber du warst ja nicht da. Dein Vater hatte mit mir gesprochen. Und nun rate mal, was er von mir wollte!“
„Es hat doch nicht mit meinem Bruder zu tun, oder?“
„Doch. Auf deinen Vater bist du nicht so gut zu sprechen?“
„Ja… Du weißt aber schon viel“
„Ich musste mich ja genau über dich informieren. Dein Vater wollte in deiner Abwesenheit, dass ich mich um deinen Bruder kümmere, da der nun Profi ist und er professionellere Hilfe benötigt. Ich habe aber sofort abgelehnt. Du interessierst mich viel mehr. Ich glaube, aus dir kann man was machen. Außerdem habe ich mich mehr auf Bahn als auf die Straße konzentriert. Also wie du. Dein Bruder wird seine Karriere auch so machen. Er kann das. Aber du auch.“
„Okay. Somit habe ich endlich wieder jemanden, der mich trainiert.“
„Ich muss es ja fragen… Macht es dir keine Probleme, dass ich eine Frau bin?“

Ich überlegte lange. Sicherlich war es für mich ungewohnt. Zuerst hatte ich zurückgeschreckt, aber im Prinzip konnte es mir egal sein. Eigentlich war nur wichtig, dass sie mich weiterbringt und mich zu den richtigen Zeitpunkten in Form bringt.
„Sicher ist es ungewohnt und ich muss auch zugeben, dass ich ziemlich schlucken musste, als ich erfahren hatte, dass mein neuer Trainer eine Frau ist. Aber Ich glaube zusammen schaffen wir das. Ich bin froh, dass ich jemanden habe und wir werden sehen wie es läuft.“
„Hoffen wir, dass alles gut läuft.“


Wir unterhielten uns noch lange. Vor allem über mögliche Rennen und das Training. Wir kamen schnell auf einen selben Nenner und waren uns klar, dass ich nicht nur auf der Bahn fahren darf. So planten wir ein Rennen für nächstes Jahr sicher ein- Die Tour de Berlin. Auf fünf Etappen fahren die besten U23 Fahrer. Ich sollte dort etwas Luft schnuppern. Aber bis dahin war es noch weit. Zwischendurch werde ich aber keine MTB Rennen fahren. Laut ihrer Meinung wäre es eine Fehlentscheidung schon so früh sich vielfältig zu orientieren.
Außerdem klärten wir, dass ich mich erstmal nur auf die kürzeren Rennen auf der Bahn konzentriere. Dort liegen einfach meine Stärken und dort will ich der Beste werden. Julia meinte, dass ich bereits jetzt einer der stärksten auf der Bahn in meiner Altersklasse sei. Der Sprung zu den richtigen Profis und in die Nationalmannschaft wird allerdings schwer werden. Doch sie machte mir Mut, dass ich das schaffen kann.
Das Training wird zweigeteilt sein. Auf der Straße hole ich mir meine Form und verbessere meine Ausdauer. Wenn es dann auf die Bahn geht, wird Julia mit dabei sein und wir trainieren die schnellen kurzen Sprints. Außerdem sagte sie, dass wir mein Verhalten im Rennen verbessern müssen. Ich sollte klüger fahren und Missgeschicke wie in den vorigen Rennen vermeiden. Darüber war ich, wie über alle anderen Dinge auch, äußerst glücklich. Bis jetzt musste ich immer nach meinen eigenen Erfahrungen das Rennen gestalten. Wenn Julia mir genau beibringen kann, wie ich mich in welcher Situation verhalten sollte, bringt mich das um einiges weiter.
Etwas später kamen wir sogar noch zu etwas privatem. Sie fragte mich, ob ich eine Freundin habe. Als ich mit „nein“ antwortete, nutzte ich die Gelegenheit und fragte sie das gleiche. Sie war ebenfalls Single. Trotzdem machte ich mir keine Hoffnungen, auch wenn sie wirklich nett war und eine super Figur hat. Vor allem ihre Augen verzauberten mich. Aber als sie mir ihr Ater mitteilte, war ich schon etwas geschockt. Sie ist 29. Ein ganz schöner Altersunterschied- für eine Beziehung. Aber es war humbug an eine Beziehung zu denken. Sie ist meine Trainerin. Sie kann mich dahin bringen, wo ich hin will- nach ganz oben.
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Beitrag: # 6733656Beitrag sciby
1.9.2008 - 19:49

12. November 07

Das erste Rennen nach meinem Falldown und dem Trainerwechsel stand an. Die fast zwei Wochen Training mit Julia waren wunderbar. Zwar musste ich die ersten Tage ohne sie auf der Straße viele Kilometer bolzen, um meine mehrwöchige Trainingspause wieder einigermaßen wettzumachen. Ich fuhr sogar einmal mit meinem Bruder. Er ist wirklich saustark. Zum Glück war das Wetter außerordentlich gut und so konnten wir ganz Berlin abbrausen. Im Sprint ist er mir klar unterlegen. An Anstiegen, die wir hier rund um Berlin jedoch kaum haben, habe ich aber auch keine Probleme gehabt, ihm zu folgen. Doch je länger wir fuhren, desto stärker wurde er. Oder ich wurde immer schwächer. Am Ende musste er sogar das Tempo drosseln damit ich ihm folgen konnte. Aber mir wurde klar, dass ich zumindest das gleiche Talent wie er habe. Wir haben uns nur ganz andere Qualitäten antrainiert.
Nachdem ich wieder eine bessere Form hatte, ging es auf die Bahn. Die letzten vier Tage konnte ich im Velomax trainieren. Julie hatte das perfekt arrangiert. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen- sie klärte alles. Das Training mit ihr war einzigartig. Wir übten vor allem die kurzen und antrittsvollen Sprints. Ich merkte förmlich wie sich die Explosivität von Spurt zu Spurt verbesserte. Sie brachte mich schon die ersten Runden weiter als mein Vater je zuvor. Es war eine völlig andere Welt. Nicht nur, dass sie mich schon jetzt verbesserte, sondern wir hatten auch noch Riesenspaß. Den taktischen Bereich wollten wir nach dem heutigen Rennen angehen.

Heute galt es erstmal das Rennen zu gewinnen. Es gab nur den ersten Platz. Ich war haushoher Favorit. Da es ein U20 Rennen war, waren nur wenige wirklich gute Fahrer am Start. Die meisten meiner Gegner aus den letzten beiden Rennen waren bereits älter als 22. In meiner Altersklasse war ich das non-plus-ultra. Aber trotzdem startete ich in dem Rennen. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen musste ich nach der langen Pause wieder Rennbetrieb erfahren und zum anderen wollte Julia mich ein erstes Mal richtig beobachten. Der wichtigste Grund für den Start im Sprint gegen die mir unterlegenen Gegner war allerdings das Warmfahren und die Qualifikation für ein Rennen in Rostock. Dort sollten Fahrer aus ganz Deutschland in allen Altersklassen im Keirin starten. Die Qualifikation für den U23 Bereich fand zwar im Sprint statt, aber mit einem Sieg hätte ich sogar die Möglichkeit bei der Elite zu starten. Darüber wollten wir aber erst nach dem Rennen entscheiden. Mir war klar, dass ich siegen musste. Die Chance war riesig, schon jetzt zu den Besten zuzustoßen. Nur der Sieg zählte.
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Beitrag: # 6733673Beitrag sciby
1.9.2008 - 21:10

Es waren 8 Fahrer am Start. Im KO-Modus fuhren jeweils zwei gegeneinander. Von drei Läufen musste man zwei gewinnen um weiter zu kommen. Es wurden drei Runden aus stehendem Start gefahren. Ich kannte keinen der Fahrer. In der ersten Runde musste ich gegen Daniel Beier antreten. Es war sehr schwer, die Gegner nicht einschätzen zu können. Ich wusste nicht, wo ihre Stärken und Schwächen lagen. Also musste ich höllisch aufpassen. Trotzdem war ich mir sicher, dass ich ihn locker schlagen würde.
Von innen, also von vorne, startete ich. Ich nahm mir vor, im ersten Lauf meinen Gegner auszutesten und von vorne Tempo zu machen. Die erste Runde erhöhte ich sanft die Geschwindigkeit und merkte, wie er mir mit etwas Abstand folgte. Ich war mir unsicher, wann ich den Sprint anziehen sollte. Da ich aber auch bei einer Niederlage noch zwei Chancen gehabt hätte, begann ich schon sehr früh, das Tempo anzuziehen. Dabei erhöhte ich es aber allmählich. Es wurde zur letzten Runde geläutet und ich zog richtig an. Ich zeigte, was wir trainiert hatten. Mit voller Kraft fuhr ich davon. Vor der letzten Kurve spürte ich ihn direkt hinter mir. Aber ich hatte noch Reserven und erhöhte erneut das Tempo. Locker leicht gewann ich den ersten Durchgang mit einigen Metern Vorsprung.

Bild

Julia gratulierte mir kaum. Sie war vielmehr stolz. Ob auf sich oder auf mich- das war mir nicht klar. Auf jeden Fall gab sie mir den Tipp, beim nächsten Lauf ruhig etwas früher das Tempo zu erhöhen. Sie meinte, dass ich nicht hinter ihm auf den Schlussspurt warten müsse.
Direkt nach dem Start ordnete ich mich hinter Daniel ein. Er wirkte etwas sauer. Anscheinend hätte er lieber einen leichteren Gegner in der ersten Runde gehabt. Nun musste er mir aber zeigen, was er kann. Und das war nicht besonders viel. Die erste Runde fuhr er sehr langsam und versuchte mich dazu zu bringen, nach vorne zu gehen. Das verweigerte ich ihm aber und wir fuhren nebeneinander auf die zweite Runde. Dann merkte ich, dass er eine kleine Lücke ließ und ich zog an. Auch wenn es nicht reichte, hätte ich noch eine letzte Chance gehabt. Ich gab allerdings noch nicht alles und zu Beginn der letzten Runde war er wieder hintendran. Wieder einmal erhöhte ich das Tempo. Aber dann ging er in der letzten Kurve an mir vorbei. Ich konnte ihm nicht mehr folgen und verlor.

Bild

Ich war etwas sauer auf Julia. Aber sie hatte ihren Fehler erkannt und möglicherweise mich über- oder meinen Gegner unterschätzt. Der letzte Durchgang brachte also die Entscheidung.
Ich nahm mir vor, das Rennen wie im ersten Lauf zu bestimmen. Ich merkte, wie er seine Chance witterte. Die wollte ich ihm schnell wieder rauben. Ich erhöhte gleichmäßig das Tempo. Er folgte mir zwei Runden mit etwas Abstand. Dann sprintete ich los. Aber bevor ich richtig Tempo aufnehmen konnte, zog er an mir vorbei. Ich wurde etwas unruhig und sortierte mich hinter ihn ein. Vor der letzten Kurve ging ich dann wieder an ihm vorbei und machte mit einem Höllentempo Meter um Meter gut. Im Ziel war ich eindeutig vorne. Er hatte keine Chance.
Die nächste Runde war somit erreicht. Julia war sich klar, dass meine Taktik nun nicht anders lauten sollte: „Man merkt es wirklich. Kurze, harte und schnelle Sprints liegen dir mehr. Versuche einen Sprint vor der letzten Runde zu vermeiden.“

Nun ging es gegen einen Teamkollegen von meinem Vorrundengegner. Sicherlich hatte der ihm einiges über mich erzählen können. Aber direkt nach dem Start ordnete ich mich hinter ihm ein und folgte seinem Tempo. Er drängte mich, die Führung zu übernehmen, und das gelang ihm auch. In der zweiten Runde fuhr ich recht weit außen. Ich wartete, dass er nervös wird und nach innen zieht und das Tempo erhöht. Dies war allerdings nicht der Fall und so übernahm ich die Initiative. Auf der Zielgerade zog er an mir vorbei und in perfekter Ausgangsposition konnte ich ihm im Windschatten folgen. In der letzten Kurve zog ich dann vorbei. Sicher und mit viel Vorsprung holte ich mir den Sieg.
Nun war ich mir endgültig sicher, dass ich hier gewinnen würde. Es galt aber zunächst den zweiten Durchgang zu gewinnen.
Von Beginn an machte ich hohes Tempo. In der zweiten Runde versuchte ich es wieder etwas zu drosseln. Dann machte er denselben Fehler wie zuvor. Auf der Gerade ging er an mir vorbei und ich konnte seelenruhig im Windschatten folgen. Etwas spät, aber noch rechtzeitig, sprintete ich los. Auf den letzten Metern machte ich noch sehr viel gut.

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Julia sagte mir noch einmal, dass ich alles geben solle. Außerdem machte sie mir noch mehr Mut, indem sie sich bereits entschied, dass ich in der Elite starten werde. Dazu musste ich aber erstmal den letzten Verbliebenen besiegen.
Es war Fritz Sieg. Der Sieg würde allerdings mir gehören. Sein Name würde zwar passen, aber dieses Mal sollte Sieg der Verlierer sein. Sein graues Trikot sollte dieselbe Farbe wie sein Herz nach dem Rennen haben. Ich folgte ihm dicht ans Hinterrad, doch dann wurde mir das Tempo zu langsam. Ich hasse Stehversuche. Entweder sollte man vernünftig oder gar nicht fahren. Kurz vor der letzten Runde versuchte er sich von außen heranzuschleichen, doch ich bemerkte es früh genug und konnte das Tempo erhöhen und er ging wieder an mein Hinterrad. Dann war es das gleiche Spiel wie die Durchgänge zuvor. Er ging doch noch an mir vorbei und in völliger Ruhe konnte ich in der letzten Kurve nach vorne fahren und holte mir den Sieg.
Nun musste ich dasselbe noch einmal wiederholen. Ich fuhr vom Start weg an der Spitze und erhöhte relativ schnell die Geschwindigkeit. Ich hatte keine Lust zu lange auf meinen Weg zu den Profis zu warten. Aber Julia riet mir, nichts zu überstürzen. Nach etwas Abtasten versuchte er wieder eine Runde vor Ende an mir vorbeizugehen. Aber diesmal schaffte er es nicht, da ich zuvor begann loszusprinten. Doch plötzlich zog er einige Meter später nach vorne. Ich wurde etwas nervös, ob er sich nicht zu viel im Windschatten ausruhen konnte. Da er sich aber nicht nach links einordnete, konnte ich durch einen Schlussspurt innen vorbeifahren. Knapp aber sicher fuhr ich den Sieg ein.

Bild

Es war geschafft. Der Weg in die absolute Spitze war geebnet. Früher als gedacht, konnte ich gegen die Besten Deutschlands fahren. Julia gratulierte mir und teilte mir mit, dass ich mit weitem Abstand der Jüngste in Rostock sein werde. Ich wusste, dass ich da angekommen war, wo ich hinwollte. Beruhigt schaute ich mir das Siegertableau an. Wie erwartet konnte ich sie alle bezwingen. Trotzdem war ich unheimlich froh und freute mich tierisch.

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sciby
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Beitrag: # 6734245Beitrag sciby
4.9.2008 - 22:05

17. November 2007
Rostock

Alles war grau. Die dunklen Wolken ließen keinen Hauch von Sonnenstrahlen durch. Der prasselnde Regen und der rauschende Wind ließ den anderen Außengeräuschen keine Chance. Das Wellblechdach der kleinen Hütte wirkte unsicher. Der ohrenbetäubende Lärm war unerträglich. Jeder dachte, dass sich das Dach in wenigen Augenblicken verabschieden würde. Plötzlich erhob der Rennleiter das Wort. Nur schwer konnte er die Außengeräusche übertönen. Schließlich gelang es ihm, die Aufmerksamkeit aller zu erringen.
„Zunächst mal begrüße ich Sie herzlich hier in Rostock an der Radrennbahn.“
Er erhielt zustimmende Blicke, doch alle waren nicht so fröhlich wie sie es ihm zeigen wollten.
„Ich kann mir vorstellen wie Sie sich jetzt fühlen. Aber leider haben Sie sicherlich sehen müssen, dass unsere Bahn nicht überdacht ist und alle Rennen somit im Freien stattfinden müssen. Das tut uns natürlich sehr Leid, aber wir können es nun mal nicht ändern.“
Ungläubig blickten ihn alle an. Wir waren alle sauer. Doch dann versuchte er die Situation geradezubiegen.
„Sicherlich sind Sie nun etwas enttäuscht und vielleicht auch sauer. Immerhin haben sich einige auf lange Reise nur für diesen Tag gemacht und wollen jetzt nicht ohne Rennen wieder nach Hause fahren. Das ist auch nicht unser Anstreben. Daher haben wir uns überlegt, dass wir es morgen noch einmal versuchen. Und machen Sie sich keine Sorgen, dass Sie sich selber ein Hotel suchen müssen oder unter der Brücke schlafen müssen…“
Er hatte die Lacher nicht auf seiner Seite. Das überraschte ihn etwas, da er eine Pause eingelegt hatte um das Getose abzuwarten. Aber es blieb aus. Schmunzeln musste ich jedoch schon etwas. Aber den meisten war nicht zum Lachen zumute. Nach der kurzen Stille, die die volle Wucht des Unwetters hörbar machen ließ, setzte er wieder ein.
„Daher haben wir uns sehr darum bemüht, Ihnen jeweils ein Hotelzimmer bereitzustellen.“
Urplötzlich änderte sich die enttäuschende und wütende Ausstrahlung aller. Es machte sich ein wenig Hoffnung breit, dass die Anreise doch nicht umsonst war. Auch ich war froh. Wenigstens etwas Positives an diesem scheiß Tag.

Es begann alles damit, dass Julias Auto kurz vor Rostock einen Platten hatte. Im strömenden Regen mussten wir das Auto bis zur nächsten Tankstelle schieben. Wir ließen das Auto dort und Julia ließ es reparieren. Mit dem Taxi fuhren wir die restlichen 20 Kilometer zur Radrennbahn. Kurz vor der Reifenpanne hatte der Regen eingesetzt- und er hörte nicht mehr auf. An der Bahn angekommen waren wir ganz alleine. Trotz des Vorfalles waren wir immer noch sehr früh. Nachdem ich mir kurz die Betonbahn ansah, stellten wir uns an einer Bushaltestelle unter und warteten auf die anderen.
Nach einiger Zeit dachten wir, es würde niemand mehr kommen. Wir dachten, das Rennen sei bereits abgesagt und wir hätten nichts davon erfahren. Aber dann fuhren nach und nach immer mehr ein. Sie blieben allerdings alle im Auto. Durch die Beifahrerscheibe eines Volkswagens konnte ich Maximilian Levy erkennen. Seine prägnanten kurzen Haare waren unverkennbar. In diesem Moment wurde mir endgültig klar, dass ich angekommen war. Ich war unter den besten Bahnfahrern Deutschlands. Alle waren sie da. Sogar Stefan Nimke. Und ich war einer von ihnen. Am meisten wunderte mich allerdings, dass sie ganz normal waren. Hätte ich nicht gewusst, wie sie aussehen, dann hätte ich sie nicht von den anderen weniger bekannten Fahrern unterscheiden können.
Als der Rennleiter uns dann alle in die kleine Hütte einlud, begann es fürchterlich zu stürmen. Der Wind machte es kaum möglich die Tür der Hütte zu öffnen. Nach einer kurzen Sturmpause bekam er die Türe auf und wir gingen alle hinein. Unvorbereitet fanden wir den Arbeitsraum der Rennleitung vor. Terminpläne und andere Zettel lagen unsortiert auf den Tischen rum. Doch der Raum war größer als er von außen aussah und so fand jeder seinen Platz. Aber etwas später klopften einige weitere an und so wurde es doch noch etwas eng.
Es war richtig scheiße. Wir dachten alle, dass wir nun wieder nach Hause fahren können. Als ich durchs Fenster erkannte wie sich drei Männer der Rennleitung unterhielten und diskutierten, wurde mir klar, dass nun wieder alles hätte vorbei sein können. Ein doofes Ostseewetter hätte meine Träume unterbrechen können. Die einmalige Chance durch ein starkes Rennen nach ganz oben zu kommen hätte durch Regen und Wind beendet werden können. Ich hatte sogar fast schon Tränen in den Augen. Es war auch die Anstrengung, dorthin zu gelangen. Die Reifenpanne machte mir und Julia sehr zu schaffen.
Aber dann hatten die drei Männer doch noch eine gute Lösung gefunden und es wieder geradegebogen. Am Ende waren alle einigermaßen zufrieden. Man gab uns die Adresse von drei Hotels und sollten uns dort einfinden. Vor Ort sollte schon alles geregelt sein. Als alle bereits in ihren Autos saßen, bemerkten wir, dass wir uns ja eine Mitfahrmöglichkeit suchen mussten. Etwas hilflos standen wir da und beobachteten wie nach und nach immer mehr den Parkplatz verließen.
Julia holte schon ihr Handy raus und wollte ein Taxi rufen, da wurde sie von einem älteren Mann unterbrochen.
„Julia? Julia Reimann?“
Sie war überrascht und erkannte ihn nicht sofort.
„Ja. Und Sie?“
„Erkennst du mich etwa nicht mehr?“
„Nein…“
„Mensch Julia. Ich bin’s doch: Peter Franken.“
„Peter? Nein! Das kann nicht. Aber wo ist dein Bart?“
„Ach, der ist schon lange ab.“
„Wenn ich mir den Bart an dir vorstelle- dann bist du es wirklich!“
Sie umarmte ihn herzlich und stammelte freudig vor sich hin, wie lange sie sich denn nicht mehr gesehen haben. Ich stand etwas überrumpelt daneben und wusste nicht, ob und was ich sagen sollte.
„Was treibt dich denn hierher?“
„Na er hier.“
Sie legte ihren Arm um mich und bot mich dem Mann förmlich an.
„Das ist Max. Er fährt bei dem Rennen mit. Beziehungsweise sollte es.“
„Max…Hinrich?“
Ich war vollkommen überrascht als er meinen Namen nannte. Woher sollte er mich kennen? Ich bin doch nicht Stefan Nimke.
„Jap. Das ist der sagenumrühmte Max Hinrich.“
Sagenumrühmt? Ich stutzte als ich das hörte. Ich dachte, sie würde spinnen. Sicherlich wäre es mein großer Wunsch irgendwann mal so zu sein, aber ich stapelte wirklich nicht gerne zu hoch. Noch war ich es nicht. Ungläubig starrte ich Julia an und vermittelte ihr mit meinem Blick ganz klar: „Geht’s noch?“
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sciby
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Beitrag: # 6734369Beitrag sciby
5.9.2008 - 20:45

Endlich wurde ich aufgeklärt. Endlich wurde mir gesagt, wer dieser Mann war. Endlich konnte ich mich trocknen. Endlich wurde mir Klarheit verschafft. Endlich wurde wieder alles besser. Die Chance wurde mir endlich gegeben.

Zunächst erfuhr ich, wer Peter Franken wirklich war. Julia erklärte mir sofort, dass er ihr ehemaliger Trainer war. Als sie vierzehn war, hatte er sie trainiert. Alleine das war mir total neu. In den letzten Wochen hatten wir uns zwar nicht so unheimlich viel über ihre Vergangenheit unterhalten, aber sie hatte mir erzählt, dass sie nie wirklich Rennrad gefahren ist. Nur eher hobbymäßig. Aber nun kam es heraus. Meine Mutter sagte immer „Man kann nichts verschweigen“. Später im Hotel erklärte sie mir auch, warum sie es mir noch nicht erzählt hatte.
Sie war als Jugendliche sehr erfolgreich. Aber dann scheiterte sie an sich selbst. Ihr wurde der Druck zu groß. Sie musste immer mehr erreichen. Der Druck stieg ihr irgendwann über den Kopf. Ihr Trainer konnte damals nichts mehr daran ändern. Er war zu der Zeit schwer krank und hatte keinen Kontakt mehr zu ihr. Als er wieder gesund war, fand er Julia nicht mehr da, wo sie vorher wohnte. Danach trennten sich endgültig ihre Wege. Peter machte eine längere Pause und Julia fiel in ein tiefes Loch. So wie sie es beschrieb war es gar nichts zu meinem kurzen Tief. Sie war wirklich am Boden zerstört. Über ein Jahr lang lebte sie in einem Heim und erkannte erst viel später als ich, was und wer sie eigentlich ist.
Dann zeigte sie, wer sie heute ist. Ganz alleine und ohne jegliche Hilfe arbeitete sie sich wieder hoch. Den Radsport ließ nicht liegen. Den aktiven allerdings schon. Mit viel Mühe und Kraft und ohne jede Hilfe machte sie ihren Schulabschluss nach und studierte Sportwissenschaften. Diesen Teil verschwieg sie mir nicht, aber von ihrer Vergangenheit vor dem Trainerwerdegang erzählte sie mir nichts. Sie meinte, dass sie mich nicht entmutigen wollte und es für mich auch nicht so wichtig sei. Seitdem war Julia allerdings ein noch größeres Vorbild für mich. Ihre Findungsphase konnte man rein gar nicht mit meiner vergleichen. Sie hatte im Prinzip viel mehr erreicht als ich. Später wurden wir uns beide einig, dass man aus einem großen Loch immer stärker als je zuvor wieder rauskommt.

Julia unterhielt sich noch lange mit ihrem ehemaligen Trainer, sie umarmten sich und ich hörte ihn gefühlte hundert Mal „Es tut mir so Leid, dass ich dir damals nicht helfen konnte“ sagen. Dabei bemerkten sie gar nicht, wie die Zeit verstrich und dass sie im vollen Schauer standen und bis auf die Haut nass wurden. Sie schwelgten zu sehr in Erinnerungen und freuten sich so sehr. Ich ließ sie in diesen Erinnerungen alleine. Sie bemerkten noch nicht mal, dass ich mich von ihnen entfernte und mich unterstellte. Sie hatte es schon jetzt verdient auch mal ohne mich zu sein. Ich wollte sie nicht stören, aber nach mindestens zwanzig Minuten wurde es mir doch zu bunt und ich ging zu ihnen.
„Ehm… Herr Franken, oder soll ich Peter sagen?! Sind sie mit ihrem Auto hier?“
„Huch. O, Entschuldigung. Wir haben uns wohl ein wenig verquatscht.“
„Ein wenig…“
„Aber du fragtest nach meinem Auto. Ja klar bin ich mit dem Auto hier. Es steht gleich da drüben.“

Er zeigte zum einzigen Wagen auf dem mittlerweile komplett leeren Parkplatz.
„Würden Sie uns dann vielleicht zum Hotel fahren?“
„Achso. Ja gerne. Welches ist es denn?“

Julia nannte ihm den Namen des Hotels und er schien es sofort zu kennen.
„Ach. Das ist ja gleich nebenan. Aber lasst uns hinfahren. Unterhalten können wir uns ja noch später.“
Erst als wir uns in den Wagen- übrigens ein Audi A4- setzten, erkannten die beiden wie nass sie waren. Die Ledersitze ließen das ganze Regenwasser von ihrer Kleidung abperlen und es quietschte als sie sich leicht bewegten. Ich war nur ein wenig nass.
Die Fahrt zum Hotel war wirklich kurz. Gerade mal drei Straßen weiter lag das kleine Hotel gegenüber von einem Bürokomplex. Auf der kurzen Fahrt erzählte Peter uns, dass er in Warnemünde wohnt und von dem Rennen hörte. Da musste er dann natürlich hin. Vom Rennleiter erfuhr er von mir. Er sagte ihm, dass ich der mit Abstand jüngste und dazu einer der schnellsten Fahrer sei. Das schmeichelte mir natürlich schon und ein wenig erhöhte es auch den Druck, aber ich nahm mir vor, alles locker anzugehen.

Vor dem Hotel verabschiedeten wir uns von Peter. Er war wirklich sehr nett und gab Julia seine Handnummer. Beim zweiten Versuch des Rennstarts wollte er wieder dabei sein und mich anfeuern. Als er mit seinem Wagen davonfuhr, gingen wir in den Empfangsraum und wurden sofort als eine der Rennteilnehmer erkannt. Man führte uns zu den Zimmern. Jeder bekam einen kleinen Einzelraum. Aber es reichte locker aus. Wir hatten sogar eine Dusche auf dem Zimmer. Unter die ging ich sofort. Mir war etwas kalt und ich wärmte mich auf. Frisch und munter ging ich im Bademantel zu Julia rüber.
Als ich anklopfte, hörte ich die prasselnde Dusche. Ich wartete etwas und hörte sie dann laut rufen „Ich komm schon!“ Kurze Zeit später öffnete sie die Tür- und da stand sie vor mir. Nur mit einem Handtuch bekleidet und am ganzen Körper nass tropfend bat sie mich herein. Ich setzte mich auf ihr Bett. Sie ging zurück ins Bad. Dabei konnte ich ihren perfekten Körper betrachten. Das Handtuch war mittlerweile schon ganz durchnässt. Dann kam sie zu mir und bückte sich genau vor mir hin. Dort stand nämlich ihre Tasche. Sie kramte etwas herum und ich konnte voll in ihren Ausschnitt schauen. Mir wurden ihre zwei größten Argumente direkt vor die Augen gedrückt. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich mir absichtlich zur Schau stellte. Ihr Blick sagte mir alles. Sie forderte mich auf, ihr ins Bad zu folgen. Aber ich folgte ihr nicht. Ich wartete gemütlich auf dem Bett.
Wenige Minuten später kam sie frisch gestylt und wunderhübsch wieder.
„Na, auch schon geduscht?“
„Ja. Du ja anscheinend auch.“
„Die Duschen sind wirklich groß…da könnte man sogar gemütlich zu zweit reingehen.“

Wie bitte? Meinte sie das ernst? Also wollte sie wirklich? Ich habe es nicht glauben können. Sie ist meine Trainerin- da würde sie niemals so etwas… oder doch?
„Wollen wir noch was machen?“
„Was denn?“
„Ich hät da so eine Idee…“

Meinte sie es nun ernsthaft? Ich konnte es nicht fassen.
„Neben an ist ein nettes Café. Sollen wir es uns dort gemütlich machen?“
Ich war erleichtert. Sie wollte also nur in ein Café. Aber ich war auch enttäuscht. Sie ist eine so wunderbare Frau. Doch auch meine Trainerin und das morgige Rennen war wichtiger als eine schöne Nacht. Geschweige denn wenn es diese überhaupt gegeben hätte.
Ich zog mir meine Rennhose und ein Trikot an. Zum Glück hatte ich wenigstens meine Rennkleidung doppelt mitgenommen. Zwar kam ich mir in dem Café etwas komisch vor, aber wir konnten uns toll unterhalten. Sie erzählte mir noch viel über Peter und ihre damalige Vergangenheit.
Wir hatten viel Spaß und ich merkte ein erneutes Mal, wie nett und liebevoll sie war. Eine traumhafte Frau. Als wir wieder auf unsere Zimmer gingen, versuchte ich es doch.
„Julia? Wie wär’s wenn ich mit dir…“
Ich brachte keine weiteren Worte mehr raus. Gespannt sah sie mich an.
„Was willst du mit mir?“
„…morgen früh das Auto abhole und wir dann zur Bahn fahren?“
„Ja klar. Das hatte ich auch schon so gedacht.“
„Ich würde davor dann schon eine kleine Runde mit dem Rad fahren. Kann dich ja dann wecken.“
„Das wär super.“

Sie blinzelte mir zu und ging dann in ihr Zimmer. Ich brachte es nicht über mich. Normalerweise war ich nie schüchtern und immer wortgewandt. Aber bei einer solch schönen Frau. Dabei kannte ich sie doch schon etwas. Aber es war was anderes. Sie ist nun mal meine Trainerin.
Als ich im Bett lag, nahm ich mir vor, nie mehr auch nur irgendwie an Julia abseits vom Radsport zu denken. Meine sportliche Entwicklung war mir einfach wichtiger als eine Frau an meiner Seite. Zudem war sie viel älter als ich. Vernünftiges Trainieren wäre nicht mehr möglich. Ich musste ihr einfach widerstehen.
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sciby
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Beitrag: # 6734443Beitrag sciby
6.9.2008 - 12:49

Ist der etwas andere Weg euch nicht geheuer?
Keine Kritik? weder positive noch negative. Ich würd ja gern mal ein paar Meinungen hören. Vor allem um auch was zu verbessern.
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Beitrag: # 6734513Beitrag Fabian
6.9.2008 - 17:35

Ich möchte den AAR nicht unnötig durch Kommentare verunstalten, deshalb schreibe ich meist nichts. Deine Geschichte gefällt mir relativ gut, allerdings geht es mir fast ein wenig zu schnell vorwärts. Wenn dein Fahrer jetzt auch noch die Elite Deutschlands schlagen würde, wäre dies für mich doch relativ unglaubwürdig.
Die Rennberichte sind natürlich niemals so vielfältig und abwechslungsreich wie bei Strassenrennen, aber das liegt auch daran, dass immer nur im Kreis rum gefahren wird und es bloss 3 verschiedene Disziplinen gibt. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass dieser AAR jahrelang dauern wird - ausser du findest einen Weg, um ihn auch während der ganzen Zeit attraktiv und interessant zu gestalten. Bisher ist er sicherlich lesenswert, spannender als die Rennen selbst ist allerdings die Geschichte mit Julia ;)

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