Der Griff nach den Sternen

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Benutzeravatar
Österreicher
Beiträge: 579
Registriert: 18.6.2007 - 16:09
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6728215Beitrag Österreicher
3.8.2008 - 2:15

Ted Foster
August – Dezember 2007
Zufriedenheit

Sie standen um den Baum. Noch schöner als letztes Jahr hatte seine Mutter in geschmückt. Den Weihnachtsbaum natürlich, um den sich neben dem Weihnachtsmann zu Weihnachten ja alles dreht. Mittlerweile war er aus dem Alter heraus, wo er noch tanzend und kreischend am Morgen des 25. Dezembers um den Baum und den Kamin herum gesprungen war. Doch genoss er es jedes Jahr wieder, und dachte an die sprunghafte Zeit zurück. Verstärkt wurden diese alljährlich wiederkehrenden Gedanken von den sagenhaften Geschichten seiner Eltern. Heute musste er lachen, doch damals war es wohl das Normalste, was er sich vorstellen hätte können. Dann setzten sie sich an den Tisch. Alles war gedeckt, und seinem Mutter Jasmin brachte den so gut riechenden Truthahn bei der Tür herein. Dann begannen sie zu essen. Ted hatte bis jetzt kaum Zeit gehabt über die vergangenen Monate zu erzählen, doch nach dem Essen würde er diese wohl finden. Denn seine Eltern wollte alles erfahren, dieses Mal auch sein Vater. Ted war sehr glücklich darüber, obwohl er nicht genau wusste, ob sein Vater dieses Interesse nur vortäuschte, oder es wirklich ernst meinte.

Der Truthahn war ein Traum. Jedes Jahr schaffte es seine Mutter sich selbst zu übertrumpfen. Lobte man sie für diese wohlschmeckende Kost, antwortete sie nur: „Irgendwann muss ich es ja können, meinst du nicht auch?“ Was bleibt einem da über als zu schmunzeln. Sie war die beste Mutter, das wusste er. Er war sich dessen aber nie wirklich bewusst gewesen. Früh war er von zuhause weggegangen, doch erfuhr er erst Jahre später, wie stark er seine Mutter damit verletzt hatte. Heute hatte sie ihm verziehen, und ihre Bindung, so glaubte Ted zumindest, war stärker als je zuvor. Nach dem sie das fröhliche Schlemmen beendet hatten, setzten sich alle wieder auf die Couch, in deren Mitte der Weihnachtsbaum wie jedes Jahr seinen Platz fand. Nach einem kurzen Innehalten begann Ted dann über die vergangen Jahre zu erzählen.
Nachdem er im August nach Europa gereist war, hatte er viel erlebt. Er hatte Sachen gesehen und erlebt, von denen er zuvor keine Ahnung hatte. Lederhosen oder von Würmern zerfressener Käse Casu Marzu, über dem ihm durch Zufall erzählt wurde. Doch fand er auch ein paar Sachen aus dem „Good Old Amerika“, McDonalds zum Beispiel. Und nicht nur einmal besuchte er den American Standard.

Doch das war nicht der Sinn seiner Reise. Er war auf Talentsuche. Und er fand Talente. Wie ein Schlachtenbummler des Radsports kam er sich während seiner Reise vor, von Jugendrennen zu Jugendrennen, immer auf der Suche nach neuen Talenten. Genug gab es in Europa, sie warteten nur darauf entdeckt zu werden. Wobei er einen Namen immer im Hinterkopf hatte, Willie Trimboli. Dieser kaltschnäuzige, unbekümmerte Neuseeländer. Er sah um die 30 Rennen, und bekam auch Hilfe. Brian King, auch Amerikaner, und ihm von Steve Edwards an die Seite gestellt. Gemeinsam teilten sie sich die einstige alte Welt.
Oft standen sie stundenlang im Regen, Schnee oder einfach nur der entsetzlichen Kälte. Ted war es gewohnt, aber Brian tat sich da schon etwas schwieriger. Doch gemeinsam überstanden sie es, und wuchsen dabei immer mehr zusammen. Sie wurden eine richtige Einheit. Vor etwa einer Woche kamen sie dann von ihrer halben Weltreise wieder nach Hause.
Und Ted war irgendwie auch froh, dass es vorbei war. Noch lange unterhielten Ted sich mit seinen Eltern, ehe er sich dann doch für ein Übernachten im Elternhaus, als wie für ein Nach-Hause-Fahren im betrunkenen Zustand, entschied. Als er dann nach weiteren Stunden intensiver Unterhaltung, wohl im Morgengrauen und todmüde in sein Bett sank, machte er noch einen letzten Blick auf seine Liste, ehe er die Augen schloss. Noch einmal ging er die Namen durch. Es war das letzte Mal bevor er in den kommenden Tagen mit der Teamleitung zusammentraf um die Einzelheiten durchzugehen:
Pepe Lararája Jimenez(COL)
Juan Manuel Beloki(ESP)
Julien Armand Lino(FRA)
Niklas Siewert(GER)
René Bauer(GER)
Marco van Maarchant(BEL)
Christopher Jobb(GER)
Andrea Canfora(ITA)

Dann fielen ihm die Augen endgültig zu. Während seine Gedanken Richtung Land der Träume versanken, durchfuhr in ein angenehmes Gefühl, es war Zufriedenheit. So wie er sie schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Zuletzt geändert von Österreicher am 3.8.2008 - 19:50, insgesamt 1-mal geändert.
DanyHilarious
Bananen Sind Kalt. Echt?!.

Ricardo84
Beiträge: 351
Registriert: 8.6.2006 - 21:43
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6728268Beitrag Ricardo84
3.8.2008 - 10:28

Hält der Name was er verspricht?

Es war der vierzehnte Juli des Jahres 2003, als ein junger Spanier zuhause fiebernd vor dem Fernseher saß und angespannt beide Daumen drückte. Manuel war damals 15 und hatte gar keine andere Wahl, als radsportverrückt zu sein. Sein Großvater war leidenschaftlicher Radfahrer, sein Vater konnte einige Erfolge im Amateurbereich verbuchen. Aushängeschild seiner Familie war jedoch sein Onkel, der heute Großes erreichen wollte. An diesem Tag saßen sie alle beisammen, der kleine Manuel war inmitten der großen Runde, die lautstark ihren Liebling anfeuerte, der gleichzeitig auch Liebling der spanischen Massen war - Joseba Beloki. Lange war die Stimmung im Hause Beloki ausgelassen, ihr Schützling lag gut im Rennen und stürzte sich zusammen mit Lance Armstrong in die Abfahrt von der Côte de La Rochette nach Gap. Es entwickelte sich eine rasante Verfolgungsjagd auf den Kasachen Winokourov, ehe ein Moment allen den Atem raubte. Manuels Großmutter Emilia schlug die Hände über dem Kopf zusammen, Mutter Manuela weinte hemmungslos. Und auch die Männer im Hause waren geschockt und konnten nicht mit ansehen, welch dramatische Bilder sich vor ihren Augen abspielten. Es war ihr Junge, ihr Joseba, der vor den Augen Lance Armstrongs auf dem von der Hitze aufgeweichten Asphalt wegrutschte und böse aufschlug. Der kleine Manuel starrte gespannt auf den Bildschirm, während sein Onkel hilflos auf der Straße kauerte, unfähig sich zu bewegen. Es war der wohl schrecklichste Moment im Leben von Manuel Beloki, diese Hilflosigkeit, mit ansehen zu müssen wie ein Familienmitglied alles verlor, für das er jahrelang gearbeitet hatte. Für Joseba Beloki bedeutete dieser Sturz schon fast das vorgezogene Karriereende, er kam nie mehr an seine damalige Form heran. Ein schwarzer Tag für Joseba - ein schwarzer Tag für den Radsport.

Doch konnte man aus diesem Tag auch etwas Positives ziehen? Vielleicht. Für den jungen Manuel hatte das ganze eine Art Signalwirkung, ihm wurde plötzlich klar, was seine Lebensaufgabe war. Das zu vollenden, was seinem Onkel nicht gelang. Den Sieg der Tour de France. Doch der damals 15-Jährige hatte einen weiten Weg vor sich. Schon damals war sein Talent am Berg einzigartig, zweifellos. Regelmäßig lies er seine ältere Konkurrenz bei Amateur-Rennen am Berg stehen wie kleine Kinder. Schnell wurde er zu größeren Veranstaltungen angemeldet, noch schneller folgte die Ernüchterung. Das war ein ganz anderes Brot. In einem großen Feld zu fahren, ein hohes Tempo im Flachen, dazu Abfahrten in kleineren Rennfahrer-Gruppen. All das schienen damals unüberwindbare Hindernisse für Manuel Beloki zu werden, er schien von seinem Traum weiter entfernt zu sein wie je zuvor.

Drei Jahre waren seitdem vergangen, vieles war in Vergessenheit geraten - der 14.Juli 2003 nicht. Diese bangen Minuten des hilflosen Wartens würde Manuel nie vergessen. Lange Zeit war er nachts schweißgebadet aufgewacht, immer wieder hörte er den Angstschrei, den sein Großvater im Moment des Sturzes ausstieß. Und auch auf sein Verhalten auf dem Rennrad hatte sich dieses Erlebnis enorm bemerkbar gemacht. Er traute sich kaum noch eine Abfahrt hinunter, stieg teilweise an gefährlichen Stellen vom Rad. Das sei normal, versicherten ihm viele, und auch Manuel selbste hatte gedacht, dass sich diese Fubie mit der Zeit von alleine legen würde. Doch die entsetzlichen Bilder hatten sich viel zu tief in sein Gehirn gebrannt, noch immer bekam der inzwischen 18-Jährige Manuel Beloki fast panische Angstzustände, musste er in hohem Tempo eine Abfahrt absolvieren. Immer wieder gingen seine Gedanken weg von der Straße, hin zu seinem Onkel Joseba und dessen Tragödie. Und das war gefährlich. Er müsste hellwach in diesen Abfahrten sein, sonst könnte sein Leben mit einem Male beendet sein. Doch selbst wenn er seine ganze Konzentration der Straße widmete - er war in den Abfahrten einfach nicht konkurrenzfähig.

Manuel schien auf der Stelle zu treten, er schaffte den Sprung nach oben nicht. Immer wieder überzeugte er zwar bei Amateur-Rennen auf hügeligem Terrain, keiner hatte seine famosen Kletter-Fähigkeiten übersehen können. Doch genauso häufig folgten Enttäuschungen, sobald es in größeren Rennen um die Wurst ging. Lediglich einmal hatte sich beinahe etwas angebahnt, es meldete sich ein Mann names Ted Foster, der einen beeindruckenden Solosieg Manuels beobachtet hatte. Er würde ihn im Auge behalten und bei zwei größeren Regionalrennen erneut beobachten. Es war nur eine kleine Chance für Manuel, aber es war zumindest eine Chance. Doch es lief schlechter wie er es sich hätte ausmalen können. Hochmotiviert ging der junge Spanier an den Start, um an beiden Tagen schon früh in einer Abfahrt den Kontakt zum Hauptfeld zu verlieren. Seine Aufholjagd an den Anstiegen konnte Ted Foster schließlich nicht mehr beeindrucken - zu groß waren einfach die restlichen Defizite. "Man kann keine Rennen bergauf gewinnen, wenn man mit Minuten Rückstand am Berg ankommt", so Ted. Und Manuel wusste, der Mann hatte Recht. Seine Karriere schien zu Ende bevor sie begonnen hatte. Der Name auf seinen Schulter hielt nicht was er verspricht - er war vielmehr eine Last für ihn. Er gab auf. Er würde niemals in die Fußstapfen seines Onkels treten können. Und womöglich hätte er in seinem Leben kein Radrennen mehr bestritten, wenn nicht ein Mann etwas dagegen gehabt hätte. Ein Mann, der wusste das mehr Potential in Manuel steckt, wie viele glaubten. Ein Mann, der sich der Unterstützung von Ted Foster gewiss war. Ein Mann, der gegen Größen wie Lance Armstrong gekämpft hatte. Es war sein Onkel - Joseba Beloki.

Benutzeravatar
TOM Booonen
Beiträge: 780
Registriert: 5.5.2006 - 21:56

Beitrag: # 6728456Beitrag TOM Booonen
3.8.2008 - 21:36

Ein tolles Wochenende

Das war ein super Wochenende in Erfurt. Am Samstag wurde ich also zusammen mit meinem Vater von Ted Foster am Samstagnachmittag abgeholt und wir fuhren mit ihm zusammen nach Erfurt. Dort angelangt checkten wir erstmal in das Hotel ein und dann ging ich auf meine Beobachtungsrunde des Kurses. Die Strecke war schon für morgen ausgeschildert,also fuhr ich immer den Pfeilen nach. Ted blieb mit meinem Vater dicht hinter mir und ließ die restlichen Autos überholen. Ich war nicht der Einzige,der diesen Tag zur Beobachtung nutzte. Immer wieder kamen mir andere Fahrer entgegen. Es war eine schwierigere Strecke ,als wie ich sie mir vorstellte.
Ted gab mir sinnvolle Hinweise,wie ich die nächsten paar Meter fahren sollte,denn an einer Stelle kam ein kleiner Hügel, vielleicht 1000 m lang, dafür aber 10% steil.
Nachdem ich wieder im Hotel ankam traf ich noch mehr meiner Altersgenossen und erzählte mit ihnen über den nächsten Tag.
Punkt 21 Uhr ging ich ins Bett. Ich konnte nicht einschlafen, ich war sehr nervös,denn beim Rennen musste ich mich beweisen.
Nach eineinhalb Stunden wildem Hin- und Herdrehen im Bett schlief ich ein.
Am nächsten Morgen war ich um 9:30 Uhr wach.
Ich ging erstmal kalt duschen,damit ich richtig wach wurde.
Danach zog ich mir mein Renntrikot an und ging hinunter in das Hotelrestaurant,wo mein Vater und Herr Foster schon mit dem Frühstück beschäftigt waren.
Ich grüßte sie kurz und ging sofort zum Buffet.Ich nahm mir nicht viel, nur eine Schüssel Müsli und eine Banane. Das sollte für die ersten paar Kilometer an Kohlenhydraten reichen.
Ich aß das Müsli genüßlich und schob mir die Banane umso schneller in den Mund,denn ich sah auf die Uhr. Es war schon 10 Uhr. Nur noch eine Stunde bis zum Start.
Langsam aber sicher machte ich mich auf den Weg zum Auto,wo mein Rennrad stehen sollte.
Aber dann der Schock: Mein Rennrad war weg. Mein geliebtes Rad war gestohlen worden!
Ich fing fast an zu weinen, da kamen Ted und mein Vater auch schon.
Sie fragten mich was ich jetzt tun wolle, ich sagte natürlich dass ich auf jeden Fall starten möchte.
Da zückte Ted plötzlich sein Handy aus der Tasche und telefonierte.
ich hörte nur Bruchstücke des Gespräches: Eriks....geklaut...11 Uhr....Talent. Das waren die Worte die ich aus Teds Mund hörte.
30 Minuten später um 10:45 Uhr fuhr dann plötzlich ein Teamfahrzeug des Teams Milram vor. Ich wusste,dass wird meine Rettung sein. Und tatsächlich,aus dem Auto stieg Erik Zabel. Er hatte ein Rad dabei, meine Maschine für dieses Rennen. Der Rahmen war natürlich in den Farben des Teams lackiert und es stand Eriks Name auf dem Rahmen, aber das störte mich nicht,im Gegenteil ich schnappte mir das Rad und ging damit mit stolz geschwellter Brust zur Einschreibung. Ich bekam meine Startnummer. Es war die Nummer 15. Das sollte von nun an meine Glückszahl sein.
Nach dem Einschreiben stellte ich mich an den Start und Ted gab mir noch 2 Energiegels für unterwegs.

Punkt 11 Uhr ertönte das Startsignal und ich machte mich mit 69 anderen jungen Radsportlern auf den 75 km langen einfachen Kurs. Das Rennen war von Attacken geprägt. Schluss endlich ging eine 4-köpfige Gruppe weg und sie wurde für so ungefährlich empfunden,dass man sie bis zu 2 Minuten wegließ.
20 Km vor dem Ziel betrug der Vorsprung noch 20 Sekunden. Ich sah sie schon vor uns daherfahren. 10 km vor dem Ziel wurden sie dann eingefangen. Jeder der Zuschauer dachte nun an einen Massensprint,aber weit gefehlt,denn es gab noch diesen kleinen aber knackigen Hügel 7 km vor dem Ziel. Ab sofort war ich absolut wachsam,ich ging jede Attacke mit. Dann der Hügel, 15 Fahrer griffen an,denn sie wussten im Sprint sind sie unterlegen. Aber auch sie hatten zu früh attackiert. Also griff ich 200 m vor dem Gipfel an und riß ein kleines Loch im Feld, das Feld teilte sich so etwa in der Mitte. vorne waren dann noch 30 Mann mit mir zusammen.
2 km vor dem Ziel dann ein Sturz genau vor mir. Ich konnte noch so gerade ausweichen. aber den hinter mir erwischte es auch. Die Spitzengruppe zerfiel also auch noch einmal,sodass nun 15 Fahrer nur noch um den Sieg sprinten würden.
Doch durch den Sturz war ich aus dem Tritt gekommen und hatte nun auch 20 m auf den Vordermann Rückstand.
Es ging in den letzten Kilometer. Ich hatte immer noch 10 m Rückstand, aber ich saugte mich langsam wieder heran,doch mein Vordermann war nicht erster,davor waren noch 10 Mann. 500 m vor dem Ziel war ich wieder dran,doch das kostete Kraft. Ich hatte schon fast resigniert,da bog ich auf die Zielgerade ein und plötzlich hatte ich wieder Kraft. 200 m vor dem Ziel eröffnete ich den Sprint. Ich zog direkt an 5 Fahrern vorbei. 100 m vor dem Ziel war ich dann endlich vorne und gewann schließlich das Rennen mit ungefähr 2 Radlängen Vorsprung.

Ich war richtig glücklich. ich hatte es wieder mal bewiesen. Ich gewann auf einem fremden Rennrad,allerdings auf dem von Erik Zabel, das fühlte sich sehr gut an.Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest:Ich gehöre in ein Profiteam!
Reifezeit-Erfolge:

(Tour de France)
1 Etappensieg 2017
2 Tage Maillot Jaune
1 Tag Maillot Vert
1 Tag Maillot à Pois

eisel92
Beiträge: 1996
Registriert: 15.9.2006 - 19:57
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6728657Beitrag eisel92
4.8.2008 - 16:39

Avete capito?

Zwei Tage später erschien Andrea beim Training, und besiegelte damit den Packt mit Vivaio. Die Entscheidung traf er alleine, die Hilfe, auf die er gehofft hatte, bekam er nicht. Das nagte nur kurz an ihm, er hatte sich insgeheim wohl auch nichts anderes erwartet. Als Vivaio ihn sah nickte er grimmig. Andrea wusste nicht so Recht, was das bedeuten sollte. Vielleicht wollte er auch einfach nur cool rüberkommen. Wenn das so wäre, dann: Versuch gescheitert! Auch der Rest der Truppe war da. Andrea versuchte, irgendeine besondere Stimmung bei ihnen auszumachen, er konnte aber nicht herausfinden, ob sie ihn lieber nicht sehen würden oder aber ob sie positiv überrascht sind. Im Grund genommen war ihm das auch egal, auch wenn er wusste, dass er Helfer brauchte. Das hatte er mittlerweile gelernt, noch mal würde er sich nichts anderes vormachen. Vivaio wartete schon auf ihn.

„Ich bin froh, dass du es geschafft hast. Wenn du alles so durchziehst wie es ausgemacht ist war es der richtige Weg, das kann ich dir versprechen.“
„Ja, schon gut. Du hattest bei unserem Treffen etwas von einem bedeutenden Jugendrennen erzählt. Werd’ da mal bitte genauer!“
„Trofeo Citta di San Vendemiano heißt das Rennen! Es findet am 8. Juni statt, wir haben bis dahin also noch viel Zeit. Die werden wir aber brauchen, denn wir müssen mehr als den normalen Formaufbau hinter uns bringen.“
„Du meinst wohl, ich muss mehr hinter mich bringen!“
„Wenn du meinst, dass du das alles alleine bewältigen kannst. Dein erstes Rennen wird schon früher sein, Ende März! Da wirst du zu Nächst den Giro Belvedere di Villa di Cordignano und Tags darauf den GP Palio del Recioto fahren. Das sind beides keine einfachen Rennen, San Vendemiano übrigens auch nicht.“
„Willst du mich zu Bergrennen schicken?“
„Natürlich nicht, aber die Rennen Ende März dienen ohnehin nur zur Überprüfung, ob wir mit dem Training gut unterwegs sind. Da solltest du nicht im letzten Drittel ankommen, dann müsste alles passen. Und Anfang Juni werden dir dann die zwei kleinen Anstiege keine großen Probleme bereiten, von dort aus ist es noch weit bis zum Ziel!“
„Okay, klingt vernünftig. Und was mache ich nach dem achten Juni?“
„Ich habe einen groben Plan, aber jetzt wollen wir erstmal schauen, dass du an diesem Tag Top fit bist und das Rennen gewinnst!“


Monate später fuhr Andrea wie geplant die beiden Vorbereitungsrennen, und wie gedacht hatte er mit dem Sieg oder einer Top-Platzierung nichts zu tun. Das musste aber auch nicht so sein, es war vielmehr sogar ein gutes Zeichen. Beide Mal kam Andrea mit dem Peloton ins Feld, ohne aber jäh eine Spitzengruppe gesehen zu haben. Doch das Gruppeto blieb eben so weit hinter dem Römer. Die harte Arbeit, die Vivaoi mit seinem Schützling bis dahin hinter sich gebracht hatte, war nicht für die Katz’, das war die einzig wichtige Erkenntnis. Am achten Juni war der Tag der Abrechnung, und auf diesen konnten sie jetzt noch selbstbewusster hinarbeiten. Auch bei Andrea war wieder viel Selbstvertrauen da, er merkte, wie es immer besser um ihn stand, wusste, dass die Chance auf einen Profi-Vertrag vielleicht nie so groß sein würde wie nach Ablauf dieser Saison. Ja, er war noch jung genug um sich in den nächsten Jahren zu zeigen, aber ob er noch einmal so ein Training durchziehen könnte, mit so vielen Entbehrungen? Und ob Vivaoi ihm noch einmal diesen langen harten Weg weißen würde?

Doch all das brauchte ihn am achten Juni nicht mehr kümmern. Er merkte schon am Start, dass er außerordentlich gut drauf war, er wusste es schon vor zwei Wochen, wo er ein kleineres Rennen im Sprint mit vier Radlängen Vorsprung gewonnen hatte. Er war in der Form seiner noch jungen Karriere, und das sollten heute alle spüren. Seine einzige kleine Sorge war die, dass eine Gruppe durchkommen könnte. Aber sein Team würde schon dafür sorgen, dass dies nicht passierte. Ehemalige Konkurrenten, gegen die er vor ein Jahr noch verloren hatte, sie drehten sich um wenn sie ihn sahen, rempelten ihren Nachbarn an um es ihnen gleich zu tun, zeigten mit dem Finger auf ihn, lachten. Er konnte hören, wie einer von ihnen sagte: „Der Letzte ist auch schon da. Wahrscheinlich glaubt er wirklich, dass der Letzte der Erste sein wird!“ All das sorgte nur dafür, dass Andrea noch entschlossener an den Start trat, noch wilder darauf, sie am Ende alle zu deklassieren.

Das Rennen verlief genau so, wie es sich Andrea und sein Team vorgestellt hatten. Zu Beginn wurde viel attackiert, das Rennen begann äußerst schnell, auch weil seine Kollegen darauf bedacht waren, nur wenige Fahrer wegzulassen. Ein Quartett stellte keine große Gefahr da, und so ließ man sie gewähren. Schon vor dem ersten Anstieg schickte Vivaio drei seiner sechs Schützlinge in die Tempoarbeit, damit im Anstieg nicht zu hart gefahren werden würde. Es funktionierte. Der erste kleine Berg bereitete Andrea keine Probleme, und der Rückstand auf die vier Fahrer vorne war trotzdem merkbar kleiner geworden. Auch im zweiten Anstieg lief es nicht viel anders ab, obwohl das Tempo merkbar höher war. Andrea blieb im Hauptfeld, einige andere Sprinter die er kannte hatten nicht die Form um das Tempo zu halten. Fünf Kilometer vor dem Ziel war es um die Ausreißer geschehen, Andrea wusste, dass ihm der Sieg nur mehr durch einen Sturz zu nehmen war. Und das war auf der 500 Meter langen Schlussgeraden sehr unwahrscheinlich. Der Zug für ihn wurde aufgebaut, es funktionierte nicht perfekt, aber es funktionierte. Mehr brauchte Andrea gar nicht. Keine 200 Meter vor dem Ziel verabschiedete sich der letzte Anfahrer, Canfora trat voll in die Pedale. Er brauchte sich nicht um zu sehen, er wusste einfach, dass ihm keiner folgen konnte. Und so war es auch. Den Sieg zelebrierte er mit einem gewaltigen Jubelschrei. Avete capito?
Zuletzt geändert von eisel92 am 6.8.2008 - 14:17, insgesamt 1-mal geändert.
rz: ciclamino giro10 | maillot vert tour16
etappensiege giro [III] & tour [VI]
7 tage ciclamino; 19 tage maillot vert
CdF Buddeberg - EM2012-Europameister

Benutzeravatar
Grabba
Beiträge: 2654
Registriert: 3.7.2006 - 22:18
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6728764Beitrag Grabba
4.8.2008 - 22:36

Zwischen lachend und lächerlich

Verdammt! Warum musste diese Treppe 17 Stufen haben? 16 hätten es doch auch getan. Und wenn schon 17, dann doch bitte wenigstens mit einem Schild. Der Fuß war jedenfalls verstaucht und auch das Knie tat höllisch weh. Ganz gleich, da musste er jetzt durch. So humpelte er in Richtung Konferenzzimmer. Vertragsabschluss mit Credit Suisse, seines Zeichens Hauptsponsor. Noch nicht ganz. Aber in einer Stunde. Oder noch früher.

Die Sponsorensuche war zu einer Odyssee geworden. In Amerika war sie von vorneherein aussichtslos gewesen. „Radsport? Ist Armstrong dabei? Nein? Schönen Tag noch!“ Seine Heimat war eben kein Radsportland; das hatte Steve eingesehen. Also musste der Blick nach Europa gerichtet werden.
Lange hatte er gesucht. In Deutschland hatte er schließlich einen Partner gewonnen. Adidas hatte sich bereiterklärt, sich von der Idee begeistert gezeigt. Der Hauptsponsor schien gefunden. Woran es letztlich wieder gescheitert war wusste er auch nicht zu sagen. Ob das auf Druck vom Aufsichtsrat geschehen war, oder vielleicht auch einfach nur, weil irgendein Verantwortlicher im Unternehmen einen schlechten Tag gehabt hatte, tat wohl nichts zur Sache. Jedenfalls hatte man sich bei Adidas schlussendlich doch dagegen entschieden, im „problembehafteten Radsport als Hauptsponsor einzusteigen“. Aber Ausrüster wäre man gerne, und im Herbst wolle man mit dem Team seine neue Kollektion in Deutschland an den Mann bringen. Na gut, so lange sie zahlen.
Nach etlichen weiteren Anstrengungen war er endlich fündig geworden – in der Schweiz. Er war völlig desillusioniert gewesen, fast schon auf dem Heimweg. Nur ein kleiner Abstecher zu seiner Bank, einige Dinge bezüglich seiner privaten Anlagen klären. Ein wenig Smalltalk mit seinem Berater Monsieur Lefloque, wobei sie beiläufig auf sein Radteam zu sprechen kamen. Monsieur Lefloque horchte auf. Als Steve von seiner erfolglosen Sponsorensuche berichtet hatte grinste sein Gegenüber ihn an: „Einen Moment bitte.“ Zwanzig Minuten später, Steve war inzwischen eingeschlafen, kam er mit einem noch feiner gekleideten Mann mit einem noch unaussprechlicheren Namen wieder. Credit Suisse suchte Sportmannschaften für ein Engagement als Sponsor. Die acht oder zehn Millionen pro Jahr waren Peanuts. Eine halbe Stunde später hatte man sich per Handschlag geeinigt.

Heute war er also hier. Im Konferenzzimmer angekommen versuchte er trotz seiner Schmerzen normal zu laufen. Es war ein großer, durch riesige Glasfenster zwischen modernen Metallkonstruktionen taghell erleuchteter Raum. Ein riesiger, weißer Schreibtisch stand in der Mitte. An einem Ende standen einige Stühle, und auf dem Tisch lag neben einem Aktenkoffer ein Stapel Papier. Vermutlich das Vertragswerk.
Vor ihm standen fünf Männer, darunter Monsieur Lefloque und der Mann mit dem unaussprechlichen Namen, mit dem er bis dato alles geklärt hatte. Er war der oberste Sponsoring-Manager bei Credit Suisse. Steve erkannte auch Brady W. Dougan, seines Zeichens Amerikaner und CEO von Credit Suisse. Die beiden anderen waren ihm unbekannt. Vermutlich ein hohes Tier aus dem Aufsichtsrat und ein Notar.
Er lächelte in die Runde, trat dann auf die Männer zu. Allesamt hatten sie feine Anzüge an, waren rausgeputzt, wie man es in diesen Kreisen eben gewohnt ist. Steve stach mit seiner Jeans, seinem halboffenen Zipper und dem schwarzen T-Shirt, das er darunter trug, doch etwas hervor. Aber das störte ihn nicht. Man schüttelte die Hände. Einige Worte wurden gewechselt. Smalltalk. Einige schlechte Scherze wurden hervorgebracht. Künstliches Lachen. Steve fühlte sich bei so etwas schon lange nicht mehr angewidert. Es gehörte dazu. Daran hatte er sich gewöhnen müssen. Normalerweise hielt er sich vornehm zurück. Heute lachte er mit. Nicht über die Witze, sondern über die Erzähler. Die Stimmung war gelöst, und doch nicht echt.
Der Vertrag lag schon auf dem Tisch. Der Kugelschreiber daneben war sicherlich seine Tausend Dollar wert. Das Vertragswerk war mit goldenen Ornamenten geschmückt. Es schien echtes Gold zu sein. Steve fand Gefallen daran. Er ging auf den Tisch zu. Die anderen folgten ihm. Man setzte sich. Der Notar las das Vertragswerk. Steve war leicht genervt. Er kannte dieses Prozedere. Und vor allem war ihm der Inhalt des Vertrags längst bekannt. Am liebsten hätte er seinen I-Pod herausgeholt und Musik gehört. Er ließ es dann doch bleiben.

Die Unterschriften wurden gesetzt. Der Notar bestätigte es mit Siegel und Signatur. Drei Ausfertigungen wurden ausgestellt. Eine für Steve und das Team, eine für Credit Suisse, eine für den Safe des Notars. Es wurden noch einige flüchtige Worte gewechselt, noch einmal gelacht. Dann verabschiedete man sich. Steve humpelte aus dem großen Raum heraus. Dieses Mal würde er aufpassen. 17 Stufen hatte die Treppe, nicht 16.

Benutzeravatar
Henrik
Beiträge: 3799
Registriert: 19.4.2005 - 19:35
Wohnort: Frankfurt a. M.

Beitrag: # 6729128Beitrag Henrik
6.8.2008 - 13:36

Ein Hobby-Rennen?

Endlich. Endlich wieder Radrennen. Dieser Wind um die Nase, dieses Getümmel im Feld. Es war zwar nur ein Hobby-Rennen, von der Größe des Starterfeldes mit kleineren Jedermann-Veranstaltungen in Deutschland zu vergleichen. Knapp 2000 Starter hatten sich auf den Rundkurs begeben, vier Mal 21,5 Kilometer rund um Evergreen, einem Vorort von Denver. Es war ein milder Septembertag, Sonnenschein und 22 Grad Celsius – die Skala, die hier niemand benutzte – und eigentlich machte er hier mit Andrew und Alison Urlaub. Etwas irritiert hatten die beiden geguckt, als er sich für das Rennen eingeschrieben hatte, als er die Erholungsphase für ein Radrennen unterbrechen wollte. Aber sie hatten auch schon irritiert geguckt, als er sein Rennrad nicht hatte daheim lassen wollen, sondern es mit in die Nähe der Hauptstadt von Colorado in den Rockies nehmen wollte. Aber das war ihm egal gewesen; er wollte unbedingt ein paar Berge abfahren, eigentlich nicht so sein Terrain. Er liebte es steil. Steil, aber nicht zu lang, und doch war Denver ein gutes Trainingsgebiet. Huch, beinahe hatte es gescheppert. Das war eben doch ein Rennen für normale Leute, die sich auf dem Rad zum Teil überschätzten – er musste höllisch aufpassen, gerade hatte er sich nur knapp gerettet, als er beinahe in eine Kollision verwickelt gewesen wäre.

Das Profil dieses Rennens war recht gut auf Marco zugeschnitten, zwei Steigungen im Verlauf der Runde. Eine im ersten Drittel, eine fast zum Abschluss, abschnittsweise auch richtig schön steil – perfekt für seinen schlaksigen 63-Kilo-Körper. Er wusste nicht, wie er bei diesem „Rennen“ abschneiden würde, wie es laufen würde. In der ersten Runde müsste er wohl die Verhältnisse klären. Lohnte es sich, ganz vorne mitzufahren, oder würde das hier eher eine Spaßveranstaltung, bei der er nichts ausrichten konnte? Eigentlich sollte er doch eine vordere Platzierung belegen können, schließlich war er in Deutschland bei Jugendrennen schon öfter aufgefallen. In ein Sport-Internat hatte man ihn eingeladen, er hatte abgelehnt. Warum? Wollte er seine Karriere nicht vorantreiben? Manche hatten ihm große Chancen auf den Profi-Sport vorhergesagt. Ja, Marco wollte seine Karriere vorantreiben. Aber nicht um jeden Preis. Er wollte seine Jugend nicht völlig aufgeben, seine Freunde und sein vertrautes Umfeld verlassen. Er hatte sich entschieden, den normalen Weg zu nehmen, die Schule zu beenden, seinen Ersatzdienst zu leisten und dann vielleicht Sportwissenschaften zu studieren.

Die zweite Steigung, es lief für sein Gefühl richtig gut. Laut Streckensprecher war nur eine Dreier-Gruppe vor der ersten großen Gruppe unterwegs. Keiner machte hier Mätzchen, sich abzusetzen – eine Gruppe war einfach für die Abfahrten und Flachstücke sowie die welligen Abschnitte von Vorteil. Zwei kleinere amerikanische Teams organisierten das ganze, die Männer in Dunkelblau bzw. Hellgrau wollten heute scheinbar um den Tagessieg mitfahren. Unter ihrem Regiment lief das Rennen bei zügigem Tempo ruhig ab, das Trio wurde immer in Reichweite gehalten und zum Ende der letzten Runde gestellt. Jetzt sollte es rund gehen, an den letzten beiden Bergen würde es Attacken geben, denn es ging um den Sieg in diesem Rennen. Es war zwar ein unbedeutendes, kleines Rennen, aber es war eben ein Wettbewerb. Und jetzt hatte Marco Blut geleckt – er wollte möglichst gut abschneiden, die Beine fühlten sich gut an. Sein letztes Rennen war schon länger her – Ende Mai hatte er in Deutschland ein U 19-Rennen auf dem zweiten Platz beendet. An der kleinen Schlusssteigung war er der stärkste gewesen, doch einem Puncheur hatte man zu viel Abstand gewährt. Um wenige Sekunden musste sich Marco geschlagen geben, sodass er sich nicht mit einem Sieg aus Deutschland hatte verabschieden können.

Die erste Rampe. Anderthalb Kilometer, 95 Meter Höhenunterschied, leicht über 6 % im Schnitt, relativ gleichmäßig. Keine zu große Hürde, aber das Tempo wurde jetzt höllisch. Die ersten Attacken gingen los, Marco war ein Einzelkämpfer in diesem Rennen. Sollte er reagieren? Da er aber weder ein dunkelblaues noch ein hellgraues Trikot an der Spitze erspähen konnte, zwang er sich zur Ruhe. Die beiden Teams würden im Flachstück, dann in der Abfahrt mit den wenigen Wellen, zusammen über 10 Kilometer lang, den Abstand schon reduzieren und in Maßen halten. Früher war das oft ein Problem bei Marco gewesen: Er war zu ungestüm, attackierte zu früh, fuhr zu unbesonnen. Er musste sich unter Kontrolle halten, durfte nicht zu früh agieren. An der zweiten Rampe würde die Entscheidung fallen, hier konnte er sich zeigen – wenn die Kraft reichen würde.

Super. Es war richtig gewesen, zu warten. Zufrieden suchte er sich seine Position im Feld. Jetzt durfte er nicht warten, musste auf Attacken aufpassen. Er kannte keinen seiner Gegner, hatte bisher nur den Anhaltspunkt der Teamstärke gehabt – auf den letzten Kilometern würde es auf die Einzelpersonen ankommen. Das Vier-Meilen Schild, also noch etwa 6 Kilometer. Hinter der nächsten Kurve begann der letzte Anstieg, 4000 Meter und etwa 200 Höhenmeter. Das fiese lag im Unrhythmischen, das dieser Hügel zu bieten hatte. In drei steilen Abschnitten ging es bergauf, dazwischen etwas flachere Abschnitte. Oben wartete dann nur noch die Zielgerade, flach und 450 Meter lang. Jetzt wurde es also ernst – und sofort gab es die ersten Angriffe. Aus der ersten Reihe heraus beobachtete Marco die Attackierenden, bis er dann endlich losgelassen wurde. Ein mittelgroßer, muskulös gebauter Fahrer trat an, gekleidet in Dunkelblau. Sofort setzte sich Marco ans Hinterrad, und zu zweit kamen sie weg. Als Duo machten sie sich auf den Weg in Richtung Ziel, keiner wollte oder konnte ihnen folgen.

Benutzeravatar
tobikaka
Beiträge: 2091
Registriert: 10.6.2006 - 9:17
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6729229Beitrag tobikaka
6.8.2008 - 22:16

8. Sept. 2007
Die Frage

"Es ist nicht das Talent, die Klasse oder die Form, die über Sieg oder Niederlage, 1. oder 2. Platz entscheiden. Es ist das Herz. Der absolute Wille seine Leistungsgrenze nach oben zu verschieben. Der absolute Wille mit einer bedingungslosen Leidenschaft sich zu verreissen. Der absolute Wille nicht 100%, sondern 110% zu geben. Das ist eine Eigenschaft, die man sich nicht an eignen kann, nicht trainieren, nicht kaufen. Sie steckt tief im Herz drinnen und kommt dann raus, wenn sie gebraucht wird. Du mein Junge hast das Talent, die Klasse und du hast auch dieses Herz! Du kannst es ganz weit nach oben bringen, wenn du so weiter an dir arbeitest!

Mathieu Regnier, 23.10.2002


Dieser Zettel hängt seit diesem Tag eingerahmt in meinem Zimmer. Es ist das erste das ich sehe, wenn ich mein Zimmer betrete. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Tag erinnern. Ich fuhr bei einem 60 Kilometer langen Kriterium in Nantes bereits in der Klasse U20 mit. Das obwohl ich gerade einmal 15 Jahre alt war. Ich schloss das Rennen auf dem 13. Platz ab, der jedoch wie ein Sieg für mich war. Ich kann heute noch nicht erklären, was damals geschah. Ich wurde von einer, mir unbekannten, Kraft immer wieder angetrieben. So dass ich am Ende mit der Spitzengruppe ankam. Seither ist bei mir der Wurm drin. Verletzungssorgen, Probleme im Umfeld, Motivationsschwierigkeiten. Ich hatte mit so vielen Dingen zu kämpfen, denen ich aus dem Weg gehen wollte. Auch wenn ich jeden Tag, bei jedem Wetter, auf dem Rad bin, habe ich das Gefühl, dass ich nicht mehr so in Form bin. Da kommt mein nächstes Rennen in einer Woche doch sehr ungelegen. Die Bretonischen Meisterschaften finden in diesem Jahr in Rennes statt. Ich wurde von meinem kleinen Team, gegen meinen Willen, bei der Elite angemeldet. Wieso auch? Doch ich muss gehen. Sie haben mir gedroht, dass ich dem Team die Anmeldegebühr zahlen müsse, falls ich kneife. Die Bretonischen Meisterschaften. Bernard Hinault hatte diesen Titel auch einmal gewonnen. Das ist so der einzige Grund, warum ich fahren werde. Mein Idol Bernard Hinault. Was würde ich dafür geben, damit ich auch nur die Hälfte seiner Erfolge feiern könnte. Aber was soll's. In den letzten Wochen kam bei mir immer mehr die Frage auf, ob der Radsport das Richtige für mich ist. Besitze ich dieses Herz wirklich? Ich kann es fast nicht glauben. Zu lange habe ich kein Rennen mehr gewinnen können. Mein momentaner Trainer meint, dass ich eine Mentale - Blockade hätte. Bullshit! Ich habe eher das Gefühl, dass ich nicht dieses Talent habe, wie es mir viele attestiert hatten. Fragen über Fragen. Und wer kann sie lösen?
tobikaka***
3Mermillod B.0Lindell-V.3Babikov0 Brooks0Descombes S.0 Slavik0 Bailey0E Gasparin0

Benutzeravatar
Henrik
Beiträge: 3799
Registriert: 19.4.2005 - 19:35
Wohnort: Frankfurt a. M.

Beitrag: # 6729304Beitrag Henrik
7.8.2008 - 12:16

Im Flachstück fuhren sie gut zusammen, wechselten sich in der Führung regelmäßig ab – bis von hinten eine graue Wand heranrollte. Das Feld, oder die Überreste vom Feld, waren wieder da. Wieder hatte Marco zu früh angegriffen, seine Kräfte zu früh verpulvert. Oder würde er noch eine zweite Attacke lancieren können? Er war noch nicht vollkommen am Ende, aber es würde schwierig werden, das war gewiss. Also musste der Angriff sitzen, musste sie alle schlagen. Marco war inzwischen sicher – er fuhr hier um den Sieg. Es ging nicht mehr nur um eine vordere Platzierung, er konnte ganz vorne landen. Aber dazu musste er sich etwas überlegen; die Entscheidung, die er fällte, war riskant. Doch es war wohl der einzige Weg, auf dem er eine Chance hatte.

Die zweite Teilrampe. Nur 400 Meter lang, deshalb schon unten die Angriffe. Wieder Dunkelblau, wieder ein anderer Fahrer dabei. Marco van Maarchant dagegen blieb im Windschatten der anderen. In dem Teil seines Gesichts, der nicht von der Sonnenbrille verdeckt war, konnte man Zweifel erkennen. Es hatte ihn Überwindung gekostet, untätig zu bleiben. War das ein Fehler? Wieder erhöhte die Gruppe, jetzt vielleicht noch 20 Mann groß, das Tempo, machte Jagd auf die Flüchtlinge. Marco machte sich bereits Vorwürfe, nicht reagiert zu haben. Was, wenn die beiden durchkamen? Gut, er würde um Platz drei kämpfen können. Objektiv gesehen war er auch noch nicht ausreichend erholt gewesen, um mitzuhalten – aber er hätte die entscheidende Attacke verpasst, seine Siegchance weggeworfen durch eine Entscheidung, die er in den letzten Jahren häufiger hätte treffen sollen.

Doch seine Sorgen waren unbegründet. Wenige Meter vor dem letzten Abschnitt der Steigung war die Spitzengruppe wieder komplett; er hätte seine Kräfte ein weiteres Mal verschwendet und wäre nun chancenlos. Stattdessen hatte er jetzt, nur noch durch die 750 Meter Anstieg und die 450 Meter Zielgerade vom Ende des Rennens entfernt, jede Chance auf den Sieg. Am Straßenrand wies ein Schild die Steigung aus, 13 Prozent sollten es zwischenzeitlich werden. All das wusste er schon aus dem Info-Blatt, das man vom Veranstalter erhalten hatte. Marco fuhr wieder in vorderster Front, nur noch zwei Tempomacher vor sich. Diese führten auch in die ersten Meter der Steigung hinein, doch 900 Meter vor Ende des Wettkampfes ließen sie sich zurückfallen. Und jetzt war Marcos Zeitpunkt gekommen: er trat an, mit allem, was er hatte. Ohne einen Blick nach hinten gab er Gas, erst nach einigen Sekunden blickte er kurz zurück. Es bot sich ihm ein zufriedenstellendes Bild – eine kleine Lücke, dahinter ein Verfolgerduo (in, wie sollte es anders sein, Dunkelblau sowie Hellgrau), das mit schmerzverzerrten Gesichtern den Anschluss wieder herstellen wollte. Dahinter schienen alle geschlagen, er hatte nur noch zwei Gegner.

Die Lücke war also da, jetzt musste er durchziehen. Er merkte bereits, dass er über seinem Limit war, und die Zielgerade bereitete ihm Zahnschmerzen. Würde das Duo ihn dort stellen? Aber darüber könnte er sich später Gedanken machen, jetzt musste er erst einmal jedes Gramm seines austrainierten Körpers diese Steigung hinaufschleppen. Noch 500 Meter, vorne sah er den Rechtsknick zur Zielgeraden, an den er sich heransaugte. Ein letzter Blick nach hinten, der Abstand war klein. Würde es reichen? Egal, im Sprint hätte er wohl keine große Chance mehr, also durchtreten, alles geben. Doch noch ein Blick nach hinten – die beiden belauerten sich! Keiner schien den anderen heranziehen zu wollen, um dann geschlagen zu werden! Das war Marcos große Chance, das musste doch reichen, nur noch 200 Meter…

Er schloss sein Trikot, warf einen letzten Blick nach hinten – und reckte beide Arme zum triumphalen Jubel in die Luft. Alle Last schien von ihm abzufallen, endlich hatte er wieder ein Radrennen gewonnen. In den nächsten Tagen würde er sich einen Verein suchen, in dem er für dieses Jahr Rennen fahren konnte, in dem er eine Trainingsgruppe hatte. Doch jetzt musste er sich erst einmal in Andrews Arme fallen lassen, die körperlichen Strapazen machten sich jetzt doch bemerkbar. Ein offizieller bat ihn, ihm zur Siegerehrung zu folgen, wo er von den beiden Geschlagenen zu einem starken Fight beglückwünscht wurde. Aber die große Überraschung sollte noch folgen…

Denn als er das Podest verließ, sprach ihn jemand an. Groß gewachsen, etwa 35, sympathische Freundlichkeit. Aber die war hier in Amerika ja üblich. Was wollte der Typ? Das eine oder andere Autogramm hatte er schon schreiben müssen, obwohl ihn hier niemand kannte. Aber eigentlich war er hier fertig, wollte in das kleine Ferienhaus in den Rockies zurück. Nun gut, eben den Autogrammjäger abfertigen. Dachte sich Marco zumindest. „Hallo, mein Name ist Ted Foster.“ Schön, was interessiert mich das? „Ihr Ritt heute hat mich sehr beeindruckt, dass sie nach der ersten Attacke nicht aufgegeben haben, dass sie dann die nötige Ruhe hatten… Respekt.“ Toll. Mann, was willst du? Das heute sollte auch beeindrucken. Aber warum erzählst du mir das? Komm zum Punkt. „Ich habe Ihnen ein Angebot zu machen.“ Okay, vielleicht wird das doch interessant. Außer er will mir irgendwas aufschwatzen… „Ich habe gehört, dass sie für ein Jahr in Illinois leben. Ich bin Scout und suche nach talentierten Radfahrern, dort können sie in einem Team mit anderen starken Jugendlichen zusammen fahren und Rennen bestreiten.“ Uff, das hätte ich jetzt nicht erwartet. Klar bin ich da dabei!

Und so fand Marco ein neues Team. Und nicht nur irgendein Team, sondern eines mit gezielter Jugendförderung. Ein weiterer Schritt auf dem Weg in den Profibereich? Hm, der Weg dorthin war wohl noch weit, aber er war wieder ein kleines Stück vorangekommen. Foster erklärte ihm noch die Umstände der Trainingsgruppe, samstags waren lange Trainingseinheiten und weitere Touren vorgesehen, unter der Woche traf man sich drei Mal. Sobald Marco wieder „daheim“ wäre, könnte er loslegen. Soweit war es schon gekommen, dass er Waukegan sein Zuhause nannte, so heimisch fühlte er sich dort. Marco hatte sich gut eingelebt, hatte nette Menschen kennen gelernt, mit denen er sich gut verstand, war mit seiner Arbeit zufrieden. Und er hatte Menschen getroffen, die wahre Freunde geworden waren…

Ricardo84
Beiträge: 351
Registriert: 8.6.2006 - 21:43
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6729361Beitrag Ricardo84
7.8.2008 - 15:23

Was folgte, war ein langes Jahr harter Arbeit. Die Mühen sollten nicht umsonst sein, im Jahr 2007 wollte er einen großen Schritt in Richtung Profi-Karriere machen. Gut, er machte einen Schritt, doch ob es ein Großer war? Man kann sich darüber streiten. Aber eines war gewiss, das Training mit seinem Onkel zahlte sich aus. Er verbesserte seine Tempohärte im Flachen, verfeinerte seine Kletterfähigkeiten an Anstiegen und arbeitete zusammen mit Beloki und dessen Ex-Teamkollege bei ONCE, Igor Gonzalez de Galdeano, an seiner Zeitfahrhaltung. Erstmals durfte Manuel quasi unter Profibedingungen trainieren und er war erstaunt, wieviel Fortschritte das brachte. Igor Gonzalez de Galdeano fielen etwa auf den ersten Blick viele Kleinigkeiten auf, als er Manuel auf seinem Zeitfahrrad sitzen saß. Hier ein Zentimeter nach links, da ein wenig tiefer. Minimale Änderungen, deren Gesamtpaket große Wirkung hatten. War die neue Sitzhaltung anfangs noch ungewohnt, fühlte sich Manuel schnell wohl. Es ging vorwärts. Seine Dominanz bei Amateur-Rennen erreichte neue Dimensionen und mit Hilfe seines Onkels fand er endlich ein kleines spanisches Team, dass auch zu größeren Rennen reiste.

Doch der Durchbruch war dies beileibe nicht, er fühlte sich in diesem Team nie wirklich heimisch. Und hatte seine Schwierigkeiten mit den Team-Kameraden. Sprüche wie, "Du bist doch eh nur hier wegen deinem Onkel", wurden zum Alltag. So leicht wie sein Nachname manchmal Türen öffnen konnte, so schwierig war auch teilweise der Umgang mit Neidern. Egal. Er wollte sich durchbeißen im Team. Doch die fehlende Selbstsicherheit machte sich auf der Straße bemerkbar. Er verkrampfte bei den Rennen, Erfolge blieben aus, so dass sich die Wege zwischen Manuel Beloki und seinem ersten Team schnell trennten. Da war er also wieder, wie ein Jahr zuvor. Gescheitert. Vereinslos. Aber er sah es positiv, es war wie eine Art Befreiung. Er fuhr wieder auf eigene Faust Rennen, und in wenigen Tagen würde eine große Regional-Meisterschaft anstehen. Viele Späher und Talent-Scouts würden dort vor Ort sein - es war seine nächste Chance. Und einer dieser Scouts würde besonders genau auf Manuel Beloki achten - Ted Foster.

Benutzeravatar
tusberg
Beiträge: 253
Registriert: 19.6.2006 - 10:46
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6729925Beitrag tusberg
9.8.2008 - 17:50

Der große Tag

Heute war es soweit! Der entscheidende Termin. Es ging um alles oder nichts. ProTour Vertrag und somit Radprofi werden oder meinen Traum weiterträumen und „nur“ Amateur bleiben. Der Leistungstest sollte um 12 Uhr beginnen. Bis nach Büttgen hatte ich es von Köln nicht allzu weit. Ich beschloss mich um 10 Uhr ins Auto setzen und in Richtung Velodrom zu fahren! Kurz nach 11 kam ich an der Halle an. In der Eingangshalle traf ich sofort auf Brian King der mich beim Rennen in Kempen auf diese Veranstaltung hier eingeladen hat. Nach einem kurzen Plausch stellte er mir seinen Kollegen Ted Foster vor. Er sollte das letzte Wort haben ob ich ins neue Team kommen würde oder nicht. Ich stellte mich ihm kurz vor und zog mich dann um. In der Einladung stand das ich ein Rad gestellt bekomme und ich war doch recht erstaunt. Es war das neuste Modell von Specialized mit coolen Karbonlaufrädern die ich bisher nur aus dem Fernseh kannte. Ich machte mich mit dem Rad erst mal auf der Bahn vertraut, Bremsen und Schaltung waren wie gewöhnlich nicht an einem Bahnrad zu finden, deshalb ist es enorm wichtig das Rad bevor es erst wird zu testen. Nach und nach kamen immer mehr Fahrer in die Halle, bevor dann eine rede von Ted Foster begann waren es genau zwölf andere.
„So Leute ich bitte kurz um Aufmerksamkeit“, begann Ted.
„Ihr seit alle von Brian oder von mir zu diesem Leistungstest eingeladen wurden, weil wir der Meinung sind das ihr im Profigeschäft, Fuß fassen könnt. Aber um eins klar zu Stellen das Geschäft ist kein Zuckerlecken und sollte jemand nicht gewillt sein 100% zu geben, sollte er am besten sofort gehen.“
Alle blieben!
„So“, fuhr Ted fort, „um euch keine falschen Hoffnungen zu machen, wir haben nur noch einen Platz im Team frei deshalb wird heute auch nur einer von euch den Sprung ins Team schaffen. Ihr werdet alle heute das gleiche Pensum fahren. Wir werden euch allen in fünf Minuten Abständen einen Tropfen Blut abnehmen, so können wir nachher feststellen wer von euch das größte Talent und somit für unser Team in Frage kommt. Ihr werdet nacheinander zunächst 1000 Meter dann 2500 und zu letzt 10000 Meter fahren, ganz wichtig gibt dabei alles um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Wir beginnen mit Holger Mittag.“

Ich kam als vierter an die Reihe. Ich hatte die Zwischenzeit genutzt um mich ein wenig im Innenraum warm zu fahren. Es wurde nicht lang geredet sondern, ich musste sofort aufs Parkett. Nach allen drei Distanzen gab einen kurzen Pick ins Ohr. Ich mochte so was nicht, ich kam dabei immer aus dem Rhythmus. Zuerst kamen also die 1000 Meter, direkt gefolgt von den 2500. Ich war mit beiden Läufen zufrieden. Aber dann kamen ja noch die 10 Kilometer. Ich ging wohl ein bisschen zu schnell an, ich musste mich auf den letzten Kilometern so quälen wie nie. Als ich ins Ziel kam, kippte ich fast um. Ich war froh alles die offiziellen mir das Blut abgenommen hatten und ich endlich durchatmen konnte. Nach ca. fünf Minuten war ich wieder einigermaßen bei Atmen und erkundigte mich bei Brian wann das Ergebnis bekannt gegeben wird.

„Hey Brian!“
, sagte ich.
„Ach wie ist es gelaufen, bist du zufrieden?“
„Naja hätte ein bisschen besser sein können, aber jetzt ist es vorbei und ich kann mich nicht mehr verbessern. Was ich eigentlich wissen wollte wann wird eigentlich der Fahrer bekannt gegeben der den Sprung ins Team geschafft hat?“
„Ach so! Der wird in den nächsten zwei Wochen per Post benachrichtigt“
„Ah ok! Dann mach ich mich jetzt auf den Weg nach Hause oder braucht ihr mich noch hier?“
„Nein eigentlich nicht du bist fertig!“
„Ok dann machs gut!“


Ich verabschiedete mich bei Brian und auch noch kurz bei Ted und fuhr zurück nach Hause, auf das Ergebnis bin ich echt gespannt!

Benutzeravatar
Henrik
Beiträge: 3799
Registriert: 19.4.2005 - 19:35
Wohnort: Frankfurt a. M.

Beitrag: # 6730325Beitrag Henrik
11.8.2008 - 21:12

Heiligabend. Zum ersten Mal nicht im Kreise der Familie. Beziehungsweise mit seiner Mutter – Marcos Vater feierte inzwischen mit der Familie seiner neuen (belgischen) Freundin. Mit seiner Mutter hatte er morgens telefoniert, sie war zu ihrer Schwester an die Nordsee gefahren, saß also zu Hause auch nicht alleine unter dem Baum. Marco war zu Andrews Familie gefahren, mit seinen Angehörigen wurde im stillen Kreise gefeiert. Kein großes Fest, eher eine kleine Runde. Marco gefiel es, diese Zurückgezogenheit, die Möglichkeit, etwas abzuschalten von den turbulenten letzten Monaten.

Von seinem Erfolg in Denver an war es stetig bergauf gegangen. Marco hatte im Urlaub trainiert, hatte seine Bergfähigkeiten verbessert, die immer ein Manko gewesen waren. Dazu hatten sich die Anstiege in den Rockies perfekt geeignet; doch Marcos Stärke würden wohl immer die kurzen Anstiege und sein Punch an diesen Hügeln bleiben. Wenige Tage später die Rückkehr nach Waukegan, die Rückkehr zur Arbeit. Aber eben auch ein Start in eine neue Trainingsgemeinschaft, von der er viel profitierte. Es waren viele Fahrertypen dabei in seiner neuen Mannschaft, Sprinter, Zeitfahrer, Klassikerspezialisten. Sie alle hatten Chancen, später einmal Profis zu werden – wenn ihr Glück mitspielte und das richtige Team anklopfte. Nur einen Tour de France-Sieger würde es aus seinem neuen Team wohl definitiv nicht geben; fürs Hochgebirge war niemand dabei. Das Team startete bei vielen Rennen, Marcos Rolle reichte vom Helfer bis zum Kapitän. Zwei Nachwuchsrennen konnte er sogar für sich entscheiden, immer öfter setzte ihn sein Team nun ein. Marcos Arbeitgeber sah dies aus zwei Perspektiven – Sport hatte ein hohes Ansehen in den Staaten, deshalb stellte man ihn frei, doch es war eben kein Baseball oder Football, sondern Radsport. Man hätte ihn vielleicht gerne öfter in der Klinik gesehen, doch man hatte einen guten Kompromiss gefunden.

Der Winter kam, und damit kam die Kälte. Hier, nördlich von Chicago, war es ein harter Winter. Schneemassen und Minusgrade machten Straßentraining unmöglich, maximal traf man sich zu provisorischen Einheiten auf einer kleinen Bahnanlage. Ansonsten trainierte er im Fitness-Center oder auf der heimischen Rolle – am Anfang noch regelmäßig, irgendwann verlor er die Lust. Im Januar und Februar musste er sich zu jeder einzelnen Übung quälen, zu jedem Pedaltritt neu überreden. Nicht selten verhielt er sich undisziplinierter, als er es hätte tun sollen. Immer häufiger vernachlässigte er sein Training, immer häufiger verbrachte er stattdessen die Abende mit Freunden. Er war noch kein Profi, der Radsport war ein Hobby, das redete er sich immer wieder ein, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Ein Hobby sollte Spaß machen, und ein Hobby konnte man im Zweifelsfall dem Spaß unterordnen. Das Training litt, aber sein Leben gefiel Marco so besser.

Marco hatte Freunde gefunden – allen voran fielen immer drei Namen, wenn er über die Menschen nachdachte, die ihm begegnet waren: Mit Andrew und Alison verstand er sich prächtig, sie waren ein Glückslos als „Gastfamilie“ gewesen. Bei ihnen zu wohnen war traumhaft, und mit Sicherheit würden sie ihn in Deutschland besuchen, mit Sicherheit würde Marco noch einmal zurückkehren. Der dritte Name im Bunde war der von Stephanie Carter, die neben seinen Gastgebern zu seiner engsten Vertrauten geworden war. Sie verstand ihn, mit jedem Problem konnte er zu ihr kommen. Entweder hatte sie Lösungen parat und half ihm aus der Misere heraus; oder er hatte jemanden, der ihm zuhörte. Auch sie würde eine Freundin fürs Leben sein – davon war Marco überzeugt. Dass sich einmal mehr daraus entwickeln könnte, hielt er von vornherein für relativ ausgeschlossen. Gut, er mochte sie, er mochte sie sehr. Aber sie war halt Amerikanerin, und in einiger Zeit würde sie wieder ganz weit weg sein. Und der Typ für eine Fernbeziehung war er nun definitiv nicht… Dennoch, er konnte mit allen Problemen zu ihr kommen, war glücklich über die Nähe, die er von ihr erfuhr und den Rückhalt und die Hilfe, die er bei jeder Schwierigkeit erhielt.

Und e solche Schwierigkeit wurde auch seine Nachlässigkeit im Training. Als es Anfang März in ein kurzes Trainingslager ging, bemerkte Marco seine Versäumnisse. Fahrer, auf deren Niveau er noch vorm Winter gefahren war, hängten ihn nun an den Anstiegen ab und sprinteten ihm um die Ohren, sein Trainingsrückstand und der Formverlust waren deutlich. Häufig musste er kämpfen, wo er im November noch nur müde gelächelt hatte, musste er reißen lassen, wo er vor vier Monaten noch das Hinterrad gehalten hatte. Bis Mitte Juni würde er noch in Amerika bleiben, bevor die Rückkehr in die Heimat anstand – sollte Marco van Maarchant sich mit einer solchen Form, mit solchen Siegen von seinen Teamkameraden verabschieden?

Ricardo84
Beiträge: 351
Registriert: 8.6.2006 - 21:43
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6730998Beitrag Ricardo84
15.8.2008 - 17:14

Er kannte die meisten seiner Gegner. Es waren viele Amigos von früher dabei, mit denen er sich gut verstand. Man konnte sich mit ihm eigentlich auch nur gut verstehen, er war ein netter Kerl. Doch heute gab es keine Freunde. Es ging nur um den Sieg. Darum zu triumphieren und sich für ein Profi-Team zu empfehlen. Der Kurs heute war wellig, hatte 7 km vor dem Ziel einen knackigen Anstieg, ehe es 3 km bergab ins Ziel gehen würde. An diesem Hügel würde das Rennen entschieden, darüber war sich Manuel Beloki im Klaren. Hellwach würde er sein müssen, um das richtige Hinterrad zu erwischen.

Schon im Vorfeld dieses Anstiegs gingen einige Attacken, doch Manuel wusste wen er ziehen lassen durfte und wen nicht. Er kannte sie fast alle. Sie alle würden am Ende wieder geschluckt werden. Nun aber waren sie langsam in der Steigung drin, nun könnte jede Attacke das Rennen beenden. Zwei Fahrer probierten es am rechten Straßenrand. Martin und Paco waren das, Manuel erkannte sie an ihren langen Haaren. Sie würden keine Gefahr für ihn darstellen. Er ließ sie ziehen, orientierte sich an einem kleinen Fahrer weiter vorne. Es war Pablo. Vielleicht der einzige Fahrer aus der Region, der ihm selbst das Wasser reichen konnte. Er würde heute wohl die größte Gefahr darstellen. Jeden Moment müsste Pablo attackieren. Manuel ging aus dem Sattel, allzeit bereit zum entscheidenden Angriff zu lancieren. Vor Pablo attackierte nun ein stämmiger Typ, den Manuel hier noch nie gesehen hatte. Er war dunkelhäutig, ja fast schon schwarz. Sollte er ihm folgen? Er zögerte einen Moment und ehe er sich entscheiden konnte, traf die Entscheidung jemand anders. Pablo ging dem Dunklen hinterher und setzte nach. Jetzt musste auch Manuel. Schnell schloss er die Lücke zu Pablo und zusammen fuhren sie zum Fremden auf. Ein kurzer Blick nach hinten. Nichts. Sie hatten sich gelöst, keine Überraschung für Manuel, zu groß waren hier die Leistungsunterschiede.

Manuel kannte diesen Anstieg, sie waren kurz vor dem Gipfel. Er würde noch einmal attackieren müssen, um sich nicht auf einen Sprint einzulassen. Zudem stand noch eine nicht einfach Abfahrt auf dem Programm - er wollte nicht daran denken. Also das Ding hier und jetzt entscheiden. Einen Überraschungseffekt hatte er logischerweise nicht auf seiner Seite, vor allem Pablo wusste das Manuel attackieren muss. Egal - die Wucht der Attacke müsste es richten. Jetzt. In einer Linkskehre holte er Schwung und sprintete aus der Kurve heraus. Erfolgreich. Schnell legte er einige Meter sich zwischen und seine Gegner. Erneut drehte er sich um. Zufriedenheit machte sich für einen Moment breit, die Attacke hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Pablo war bereits außer Schlagdistanz. Auch zu seinem zweiten Gegner hatte er viel Boden gut gemacht, er schätzte den Abstand auf etwa 10 Sekunden. Er biss auf die Zähne, die letzten Meter dann war er oben. 4000 Meter noch bis ins Ziel - 4000 Meter bis zum Profivertrag?? Schnell verwarf er die Gedanken, fast hätte er eine scharfe Rechtskurve unterschätzt, in großem Bogen rettete er sich noch. Viele dieser Fehler dürfte er sich nicht mehr leisten. Er konzentrierte sich auf den Asphalt, auf die Straße vor ihm. Schnell war es sicher nicht, wie er hier bergab fuhr, aber er hatte auf jeden Fall Fortschritte gemacht. So große Fortschritte, dass es hier zum Sieg reichen sollte. Er erkannte das aufgehangene Schild, welches die 1000m Marke markieren sollte. Immer noch leicht abschüssig war das Terrain, das müsste langen. Er wollte sich vergewissern und drehte seinen Kopf über die rechte Schulter. Nichts. War das schon der Sieg? Es sah so aus. Er blickte wieder nach vorne und da der Schock. Auf der anderen Seite huschte ein schwarzer Blitz vorbei. Er hatte ihn übersehn, überhört. Wie konnte das passieren? Sein Gegner war in einem Mordstempo an ihm vorbeigerast, so dass Manuel nach wenigen Metern erkennen musste, dass er das Rennen so eben verloren hatte. Wieder einmal in der Abfahrt, er konnte es nicht fassen. Wenigstens rettete er seinen zweiten Platz ins Ziel, knallte sein Rad in die Ecke und wollte keinen Menschen mehr sehen.

Ein Mann näherte sich dem Häufchen Elend, welches zusammengekauert auf einem Stein saß. Er wusste, dass in einer solchen Situation Worte zwecklos waren. Er stand eine Weile ruhig daneben. Manuel blickte ihn mit glasigen Augen an. Er kannte diesen Mann. Es war Ted Foster. Inklusive Papier und Stift.

Benutzeravatar
Grabba
Beiträge: 2654
Registriert: 3.7.2006 - 22:18
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6731101Beitrag Grabba
16.8.2008 - 17:20

Ob konventionell oder nicht, das bleibt sich gleich

Blitzlichtgewitter. Steve mochte es nicht sonderlich. Aber es gehörte einfach dazu. Das hatte er eingesehen und akzeptiert. Er schloss für einen Moment die Augen, um den grellen Lichtern zu entgehen. Dann setzte er sich in Bewegung, nahm Platz in der Mitte des langen Tisches. Hinter ihm prangerte das Logo von Credit Suisse an einer Großleinwand, vor ihm saßen über 200 Journalisten. Auch drei Fernsehteams waren da. Nervosität verspürte er nicht. Er hatte schon vor viel mehr Leuten gesessen. Überhaupt war es ihm nie schwergefallen, zu einer großen Menschenmenge zu reden. Das würde auch heute nicht anders sein.
Langsam kehrte Ruhe ein. Er ergriff das Wasserglas, das vor ihm stand, nahm einen kleinen Schluck. Es waren nicht mehr als ein paar Tropfen. Trotzdem bereiteten sie ihm ein angenehmes Gefühl im Mund. Es war nun völlig still geworden. Gebannt blickten alle auf ihn. Es war offensichtlich, dass er der Kopf hinter der ganzen Sache war. Also fiel ihm auch das Reden zu.
Er überlegte kurz. Vorbereitet hatte er sich nicht. Wofür auch? Es würde ihm schon zu gegebener Zeit das Richtige einfallen. Keine langweiligen Begrüßungen, keine öden Einleitungen. Direkt zum Punkt kommen. Das war seine Devise für heute. Er stand auf. Ein Mikrofon brauchte er nicht.

„Hiermit präsentiere ich ihnen offiziell das Team Credit Suisse.“

„Wir stellen ein internationales Radsportteam dar, dessen oberstes Ziel es ist, junge Talente an die Weltspitze zu heranzuführen. Wir haben keine Weltstars verpflichtet. Die Mannschaft besteht aus erfahrenen Helfern und Nachwuchshoffnungen, von denen manche in diesem Jahr den Durchbruch schaffen können und werden.“

„Wir fahren in der Pro Tour und nehmen somit an allen wichtigen Rennen des Jahres teil. Wir erwarten keine Wunderdinge von unseren Fahrern. Dennoch wird im Laufe des Jahres mit uns zu rechnen sein, und auch der Erfolg wird nicht ausbleiben. Machen Sie sich auf starke Auftritte unserer Mannschaft gefasst.“

„An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen bedanken, die uns auf diesem Weg unterstützt haben. Sie werden die Namen unserer Sponsoren noch oft genug lesen dürfen in diesem Jahr.“

„Um meine Worte zu untermauern wird ihnen nun das Team in einem kurzen Video präsentiert.“


Team Credit Suisse – Präsentationsvideo

Steve setzte sich. Hinter ihm lief das Video. Er kannte es zur Genüge. Er hatte es schließlich selbst bearbeitet, geschnitten und fertiggestellt. Ein wenig selbstgefällig lächelte er, als es Beifall klatschte. Nun würde es also beginnen.

„Wie kommt es, dass Sie ganz offensichtlich eine Pro Tour Lizenz besitzen?“
„Wissen Sie, es gibt Dinge, die werden einem förmlich hinterhergeworfen. Die Zukunft der Pro Tour steht in den Sternen. Für uns war dies die ideale Möglichkeit, gleich richtig in den Radsport einzusteigen und den jungen Fahrern ihre Chancen zu geben. Nächstes Jahr sehen wir weiter.“

„Ihnen ist schon bewusst, dass die Pro Tour Lizenz alleine keine Garantie für eine Einladung zu den großen Rennen, vor allem den drei großen Landesrundfahrten, ist?“
„Wir werden bei allen drei großen Landesrundfahrten und bei allen anderen Rennen ambitioniert am Start stehen. Wie das letztlich zustande kommen wird darf Ihnen getrost egal sein. Wir werden dort fahren. Allein darauf kommt es an.“

„Wie konnten Sie Credit Suisse als Sponsor gewinnen? Warum sind Mapei und Adidas bei Ihnen eingestiegen?“
„Ich bin bei Credit Suisse persönlich bekannt. Es war mehr ein glücklicher Zufall, dass mein geplantes Radteam zum Gespräch kam, aber als es einmal ausgesprochen war fehlte nicht mehr viel bis zum Vertragsabschluss. Adidas war zwischenzeitlich sogar als Hauptsponsor im Gespräch, wird uns nun aber ausrüsten. Man will seine Produktpallete erweitern und vor allem den Verkauf der Herbstkollektion in Deutschland ankurbeln. Und bei Mapei sehnte man sich wohl einfach danach, endlich wieder Erfolge im Radsport zu feiern. Die Sponsoren passen perfekt zu unserem Team.“

„Und Ihr Material? Im Video konnte man sehen, dass Sie Rahmen der Firma Specialized benutzen?“
„Das ist richtig. Ted Foster, seines Zeichens Mitbegründer und Sportlicher Manager der Mannschaft, war vor seinem Engagement für unser Team bei Specialized in führender Position beschäftigt. Auch hier fiel es also nicht schwer, einen hervorragenden Ausrüster zu gewinnen.“

„Kann es sein, dass Sie all ihre Sponsoren nur durch persönliche Beziehungen gewinnen konnten?“
„Selbst wenn Sie Recht hätten: Wäre das schlimm? Ist es nicht völlig egal, woher wir unsere Sponsoren nehmen? Würde nun mein Name auf den Trikots stehen – wäre das Team dann etwa ein Anderes? Würden die Fahrer anders fahren? Wären wir weniger erfolgsversprechend? Ich glaube es kaum. Wie wir unsere Sponsoren gewonnen haben tut nichts zur Sache. Fakt ist, dass sie unser Team unterstützen. Das allein ist von Bedeutung.“

„Was sind ihre konkreten Ziele für die nächste Saison?“
„Wir wollen auf uns aufmerksam machen und Rennen gewinnen. Konkrete Ziele zu formulieren ist nicht einfach. Natürlich wollen wir bei der Tour ein oder zwei Etappen gewinnen. Auch bei den beiden anderen großen Landesrundfahrten wollen wir uns zeigen und wenn möglich eine Etappe gewinnen. Dazu stehen mit der Tour de Suisse, der Deutschlandtour und der Tour de Romandie drei wichtige Ziele im Sprachraum des Sponsors an. Ansonsten wollen wir vorne dabei sein und den Stars zeigen, wer wir sind. Dabei werden auch die Erfolge nicht ausbleiben.“

„Wie stellen Sie sich das vor? Sie wollen einfach so in die Weltspitze hineinplatzen und die Superstars besiegen?“
„Ja. Warum sollte das nicht möglich sein? Dass es zum Toursieg nicht reichen wird ist uns allen klar. Es kommt aber vor allem auf die richtige Einstellung an, darauf, es zu versuchen. Wie gut wir am Ende wirklich sein werden muss sich erst noch zeigen. Aber hinterherfahren werden wir nicht. Das ist sicher.“

„Was sind das für Fahrer, die ihre Mannschaft anführen werden? Was sollen diese Fahrer gewinnen? Von den allermeisten hat man noch nie etwas gehört.“
„Dass Sie noch nie etwas von diesen Fahrern gehört haben ist kein Indiz für mangelnde Leistungsfähigkeit. Wir haben hervorragende Scouts im Team. Diese Fahrer wurden auf der ganzen Welt gesucht. Es sind nicht diejenigen, die man bisher am höchsten gelobt hat. Es sind nicht diejenigen, die bisher das beste Training genossen haben. Doch es sind zweifelsohne diejenigen mit dem größten Potential. Wir werden ihnen helfen, dieses Potential auszuschöpfen. Die Erfolge werden nicht auf sich warten lassen.“

„Wo wir schon über die Fahrer reden – was haben Sie zu den Kapitänen und Helfern zu sagen?“
„Wir haben Helfer für jedes Terrain. Starke Sprintanfahrer, gute Kletterer, Männer für welliges Terrain, Tempodrücker für die Ebene. Dazu Mannschaftshelfer, erfahrene Altmeister und talentierte Nachwuchsfahrer auf jedem Gebiet. Es wird kaum ein Rennen während der Saison geben, in das wir ohne Ambitionen starten werden. Wenn Sie mehr über die Fahrer erfahren wollen empfehle ich Ihnen das Internet oder Gespräche mit dem Betreuerstab und den Fahrern selbst.“

„Finden Sie nicht, dass diese Pressekonferenz etwas unkonventionell war? Und wer sind Sie eigentlich? Woher haben Sie die Qualifikationen zur Führung eines Radteams?“
„Ich heiße Steve Edwards. Ob Ihnen der Name etwas sagt oder nicht bleibt sich gleich. Ich nehme jedoch für mich in Anspruch, es in meinem Leben bereits deutlich weiter gebracht zu haben, als das bei Ihnen je der Fall sein wird. Viel Ahnung vom Radsport habe und brauche ich nicht. Dafür ist das Team um mich herum da. Ob eine Pressekonferenz konventionell abläuft oder ob man sie anders angeht ist egal. Was zählt sind die Informationen, und die haben wir vermittelt.“


Steve lächelte. Er hatte mit solchen Stimmen gerechnet und sich seine Worte zurechtgelegt. Nun sah er die Zeit gekommen, die Konferenz zu beenden. Noch einmal stand er auf und schaute mit festem Blick in die Runde der Journalisten.

„Ihre Fragen sollten nun geklärt sein. Die Pressekonferenz ist hiermit beendet. Weitere Erkundigungen dürfen Sie gerne in Einzelgesprächen mit den Vertretern der Sponsoren, mit meinem Team oder mit den anwesenden Fahrern einholen. Im großen Empfangssaal ist ein Buffet aufgebaut. Ich wünsche einen guten Appetit und noch einen angenehmen Abend.“

Er setzte sich wieder. Es war völlig zufriedenstellend gelaufen. Er hatte alle Fragen beantworten und jegliche Kritik im Keim ersticken können. Um mehr war es heute nicht gegangen. Er wartete einige Augenblicke, bis der Raum sich zu leeren begann. Die Journalisten würden nun im festlichen Empfangssaal das Buffet genießen und den Rest seiner Mannschaft mit ebenso lästigen wie sinnlosen Fragen löchern. Das wollte er sich nun wirklich nicht mehr antun.
Er zog sich hinter die Bühne zurück. Schnell hatte er seinen alten Joggingdress wieder angezogen. Wofür diese ach so feinen Anzüge gut waren wollte ihm noch immer nicht einleuchten. Dazu in die bequemen Turnschuhe geschlüpft, den Rucksack aufgesetzt, die Cappy auf den Kopf. Er verließ den Konferenzraum durch eine Hintertür, ging mitten durch den festlichen Empfangssaal, nahm sich noch einige Happen zu essen mit und verließ dann, von den herabwürdigenden Blicken der meisten Anwesenden begleitet, das Gebäude. Man hatte ihn nicht erkannt. Bald säße er wieder im Flugzeug. Seine Arbeit wartete auf ihn.
Zuletzt geändert von Grabba am 19.8.2008 - 17:21, insgesamt 3-mal geändert.

sciby
Beiträge: 4619
Registriert: 26.9.2005 - 15:55
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6731114Beitrag sciby
16.8.2008 - 18:13

Teamtreffen mit Training und Kennenlernen

Das neue Jahr, das Jahr 2008, das erste als Radprofi, begann gleich mit etwas für mich neuem. Am 2. Januar begann das Kurztrainingslager mit dem kompletten Team. Es ging nach Südfrankreich in die Nähe von Cannes. Als wir kurz vor Weihnachten die Einladung und ein paar Infos zum Team, unter anderem eine Liste, welche Fahrer alle verpflichtet wurden, bekamen, fragte ich sofort bei Frank nach, wie alles ablaufen würde. Ich war sehr froh, dass ich mit ihm einen perfekten Kontakt zur Teamleitung habe und er mich über alles informiert.
Er sagte mir, dass er selbst mitkommen wird, Sara aber nicht mitkommen könnte. Die Teamleitung wollte die Fahrer genau kennen lernen und außerdem Rennpläne und weiteres besprechen, was bei mir entfiel, da ich bereits alles mit Frank klären konnte.
Also musste ich mich von Sara verabschieden und zusammen mit Frank flog ich gegen 10 Uhr nach Nizza. Mir und Sara war klar, dass wir uns auf so etwas öfters einstellen müssen. Ich werde über 60 Renntage fahren und daher wohl mindestens 100 Tage im Jahr nicht zu Hause sein. Zwar wird sie manchmal mitkommen können, doch irgendwie bin ich auch froh, dass wir öfters mal eine Auszeit haben. So können wir uns viel mehr aufeinander freuen und die Tage, an denen ich zu Hause bin, genießen.
Auf dem Flug zum Trainingslager fragte ich Frank, wieso ich eigentlich keine Rennkleidung, Rennrad und sonstiges Material mitnehmen musste. Er erklärte mir, dass wir alles, was wir brauchen, während des Treffens bekommen werden. Zwei Wochen zuvor waren wir deshalb extra zum Vermessen. Also würde ich mein neues Rennrad und Rennkleidung bekommen. Frank meinte zudem, dass wir jederzeit mit Material versorgt werden. Ich solle ihm nur sagen, wenn ich was bräuchte und er würde es dann alles für mich regeln. Wieder einmal war ich froh, dass ich ihn habe. Außerdem sagte er mir, dass das Trainingslager eher ein Teamtreffen sein wird, bei dem alles abgeklärt wird, man sich kennen lernt und ein wenig Rad fährt.

Als wir dann am Flughafen ankamen, wurden wir herzlich von einem uns bekannten Herrn empfangen. Ted Foster, Scout und wie ich später erfuhr Mitgründer des Teams, begrüßte zunächst mich, dann Frank und führte uns in einen großen Raum am Rande des Flughafens. Dort warteten bereits viele andere. Es waren alles Fahrer und Betreuer. Ich konnte einige Fahrer erkennen. Doch alle erschienen sie anscheinend alleine. Sie betrachteten mich etwas seltsam, weil ich zusammen mit Frank kam. Er sagte mir dann, dass man noch auf einen Fahrer aus Südamerika warte und dann mit dem Bus zum Hotel fahren würde. Kurze Zeit später traf dann der kleine Südamerikaner ein. Ein richtiger Bergfloh, wie mir schien. Ich hätte ihm auf den Kopf spucken können.
Geschlossen gingen wir zum Bus und stiegen ein. Die Sitze waren in Viererplätzen angerichtet. Ich setzte mich also mit Frank zusammen an einem freien Viererplatz. Mir war etwas mulmig, wer sich zu uns setzen würde. Oder wollte niemand zu mir, weil ich der einzige war, der nicht alleine kam? Doch dann kam jemand auf mich zu.
„Bist du nicht René Bauer?“
Ich konnte ihn kaum erkennen, da das Licht im Bus so dunkel war, doch dann sah ich, dass es Sebastien Rosseler war.
„Ja das bin ich. Und du bist Sebastien Rosseler?“
„Jep genau. Von nun an bitte nur noch Sebastien. Darf ich mich setzen?“
„Ja klar.“

Er setzte sich gegenüber von mir und Frank und fing an.
„Ich habe bereits viel über dich gehört. Du sollst ein ganz starker Zeitfahrer sein.“
„…Ja…Kann man so sagen.“
„Nun sag doch die Wahrheit, René“
, forderte Frank.
„Ja okay, ich bin ein starker Zeitfahrer.“
„Hehe. Und Sie? Sind Sie sein Vater?“
„Nein, nein. Um Gottes Willen. Ich bin sein persönlicher Trainer.“
„Da scheinst du aber in guten Händen zu sein.“
„In besten!“
, unterbrach Frank ihn arrogant und verabschiedete sich dann, ging nach vorne und sprach mit ein paar Betreuern und Sportlichen Leitern.
Ich sprach mit Sebastian noch die ganze Fahrt. Er fragte mich viel, wie ich trainiere und was ich bereits für Erfolge feiern konnte.
Doch dann war die kurze Fahrt auch schon vorbei. Ted Foster teilte uns allen mit, dass es Doppelzimmer gäbe und wir somit mit jeweils einem Kollegen uns ein Zimmer teilen sollten. Frank sagte mir, dass er ein Einzelzimmer nehmen würde. Wieder war mir etwas mulmig, ich wollte immerhin nicht alleine dastehen. Aber dann kam Sebastian nach einem kurzen Gespräch mit seinem Landsmann Bert Roesems auf mich zu und fragte, ob wir zusammen auf ein Zimmer gehen sollen. Ich stimmte sofort zu und zusammen gingen wir auf ein Zimmer. In diesem standen zwei Einzelbetten, zwei Schränke und ein Tisch mit zwei Stühlen und einem großen seperaten Bad. Es war nicht das luxuriöste, aber ein sehr angenehmes Zimmer. Sebastien sagte mir, dass er während Rundfahrt in weitaus schlechteren Betten schlafen musste.
Wir packten zunächst unsere Sachen in den Schrank und unterhielten uns dann noch etwas. Er fragte mich nach etwas privateren Sachen, ob ich solo bin und wo ich lebe. Als ich ihm sagte, dass ich meinen Beruf für den Radsport aufgegeben habe, meinte er, dass er es gut findet, dass ich früh auf eigenen Beinen stand, da ich so schneller wachse.
„Wachsen? Bin ich nicht bereits groß genug?“
„Haha. Und Humor hast du auch noch. Bist ein wirklich netter Kerl. Obwohl deine Größe ist wirklich extrem für einen Radsportler. Du bist einiges größer als ich.“

Wir unterhielten uns noch einige Zeit und er erzählte mir von seinen größten Erfolgen, die leider nicht so zahlreich sind, und dann mussten wir runter in einen Vorführsaal des Hotels. Ich setzte mich zusammen mit Sebastien hin. Frank kam zu uns und setzte sich neben mich.
Vorne versammelten sich dann die Verantwortlichen des Teams. Zunächst stellte sich der Teammanager, Steve Edwards, der bereits bei der Vertragsunterzeichnung dabei war, vor und erklärte, dass man mit diesem jungen Team viel erreichen will, auch wenn noch nicht direkt im ersten Jahr. Aber hauptsächlich liegt der Fokus auf die jungen Fahrer. Immerhin gibt es 8 Neo-Profis im Team, die von vielen erfahrenen Fahrern unterstützt werden.
Dann stellten sich die Sportlichen Leiter vor. Am interessantesten war Christopher Boardman- der Stundenweltrekordhalter. Ich wollte mich mal mit ihm über die Technik beim Zeitfahren unterhalten, aber leider kam ich während des Trainingslagers nicht dazu. Ted Foster erklärte, wie der heutige und die nächsten Tage ablaufen würden. Zunächst erhielten wir jeder Kleidung und unser angefertigtes Rad. Diese konnten wir am Ausgang mitnehmen. Es war wirklich alles dabei. Von Trikot über Socken bis hin zu Lenkerbändern. Die nächsten Tage würde man erst einmal lockere Trainingsfahrten machen, bei denen wir für die Teampräsentation am 10.1 gefilmt werden, und danach wird das Training etwas angezogen. Im Großen und Ganzen dient das Trainingslager auch eher zum Kennenlernen als zum trainieren. Wir sollten schon unsere Form verbessern, doch vor allem sollten wir nicht nur die anderen Fahrer, sondern auch die Betreuer kennenlernen.
Nach der Vorstellung wurden jedem Kleidung und sein Rad gegeben. Die Trikots sahen klasse aus. Die dazu passenden Accessoires ebenfalls. Mein Rennrad unterschied sich gewaltig von den meisten anderen. Neben meinem wirkten die anderen ganz zierlich. Ich glaube sogar, dass viele andere gar nicht erst auf mein Rad hoch gekommen wären. Mir passte es jedoch perfekt. Sofort fuhr ich einmal um das Hotel und merkte gleich, wie sich Sattel und Rahmen perfekt anschmiegten. Ich hätte gleich drauf los fahren können, doch zunächst brachte ich mein ganzes Equipment auf das Zimmer und zog meine komplette Rennkleidung an.
Dann begaben wir uns auf unsere erste gemeinsame Fahrt. Mit 29 Mann trudelten wir an der Mittelmeerküste entlang und fuhren auch den ein oder anderen Anstieg im Norden hoch. Ich hatte keine Probleme, fühlte mich sogar auf dem neuen Rad sehr gut, das Tempo war allerdings auch recht langsam. Wir fuhren aber immerhin gut drei bis vier Stunden. Während der Fahrt filmte uns einer der Sportlichen Leiter aus dem Begleitwagen heraus. Die meiste Zeit unterhielten wir uns. Beinahe jeder Fahrer war mir sehr sympathisch und mit jedem konnte man sich unterhalten. Das einzige Problem war die Sprache, doch mit Englisch ging alles. Ich unterhielt mich am meisten über meine und die Körpergröße anderer. Es war beeindruckend zu sehen, welche Unterschiede im Fahrstil zwischen mir und einem kleinen Fahrer liegen. Ich gehe selten aus dem Sattel, andere erhöhen nur im Stehen das Tempo.
Nach der Ausfahrt ging ich sofort duschen und traf mich mit Grischa Niermann, Marcel Sieberg und Ronny Scholz in der Lobby, wo wir was tranken und uns unterhielten. Zusammen mit ihnen werde ich Ende April im Schwarzwald trainieren. Alle drei sind sehr nett und gaben mir sogar schon viele Tipps, zum Beispiel auch, dass ich meinem Trainer vertrauen sollte und ich mich wirklich vielseitiger entwickeln muss.

Die nächsten Tage bis zur Teamvorstellung waren ebenfalls eher Spaß als Arbeit. Zwar fuhren wir bis zu 7 Stunden am Tag, aber wir hatten viel Spaß am Fahren und an der Freizeit, die wir zu Genüge hatten. An einem Tag gingen wir bowlen, an einem anderen schauten wir uns den Hafen von Monaco an. Die meiste Zeit verbrachte ich mit den deutschen Fahrern und mit Sebastien. Die täglichen Massagen genoss ich förmlich. Wir hatten eine Masseurin im Team. Sie hatte eine Traumfigur und war gerade mal 23. Trotz der Abwesendheit von Sara, verfiel ich ihr nicht. Zwar war der Drang zu ihrem wunderbaren Körper extrem groß, doch zu Hause wartete eine viel hübschere junge Frau, die mir jeden Tag am Telefon mitteilte, wie sehr sie mich vermisse.
Am Abend vor der Teamvorstellung, die mit einer kurzen Pressekonferenz eingeleitet werden sollte und dann mit einem Buffet mit anwesenden Fahrern, Betreuern, Sportlichen Leitern, Sponsorenvertretern und auch Journalisten, die uns falls gewünscht jederzeit befragen dürfen, fortgesetzt wird, teilte mir Frank mit, dass ich am 12.1 mit ihm in die USA reisen werde. Der Radhersteller Specialized wollte für mich ein besonderes Zeitfahrrad anfertigen. Dazu müssten wir mindestens zwei Tage im technischen Labor der Firma testen. Im Windkanal werden wir dann austüfteln, welche Fahrposition perfekt passt und welche Ecken und Kanten am Rad noch aerodynamischer gemacht werden können. Ich war überrascht und erfreut, dass man mir so etwas anbieten wollte. Immerhin weiß ja eigentlich noch niemand wie stark ich gegen die Weltelite im Zeitfahren bin, aber anscheinend vertraute man Franks Aussagen. Das etwas härtere Training im Trainingslager sei für mich sowieso nicht nötig und würde meinem Formaufbau eher schaden und somit kam auch das gelegen.
Ex-Profi Cédric Vasseur via Twitter: "Der Radsport wurde wieder einmal vor der ganzen Welt lächerlich gemacht...Bravo!!!"

sciby
Beiträge: 4619
Registriert: 26.9.2005 - 15:55
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6731277Beitrag sciby
17.8.2008 - 22:27

Ungewöhnliche PK und erste Interviews

Die Pressekonferenz war lustig anzusehen. Die Art des Teammanagers, Steve Edwards, ist einfach komisch. Er ist arrogant und unfreundlich den Medien gegenüber und jeder von uns musste schmunzeln, als wir in einem Saal mit wunderbarem Buffet die Übertragung der Pressekonferenz verfolgten. Zu uns war er eigentlich immer nett und kam freundschaftlich rüber. Ich glaube er ist einer, mit dem man auch mal einen trinken gehen kann. Ob es den Sponsoren gefällt, wie er mit den Medien umgeht? Ich hoffe doch. Aber Frank hat mir erzählt, dass Edwards Millionär oder sogar Milliardär ist und das Team im Prinzip alleine stellen könnte.
Nach der wirklich sehr kurzen Pressekonferenz wurden dann alle Journalisten gebeten, in den Saal zu gehen und dort am Buffet teilzunehmen. Alle waren sehr überrascht als hätten sie mit so etwas nicht gerechnet. Jetzt durften sie zu allen anderen Fahrern und Sportlichen Leitern und unendlich Interviews führen. Voller Vorfreude kamen die Journalisten nach und nach die große Tür herein. Einige machten sich sofort daran auf Fahrer loszugehen und sie zu löchern, andere stürzten sich erst auf das Buffet. Ich konnte erkennen, dass vor allem Ten Dam ein gefragter Mann war.
Nachdem ich ein paar Happen vom Buffet nahm- die Lachshäppchen schmeckten vorzüglich, aber ich hätte das mindestens genauso gut hinbekommen, auch wenn ich jetzt schon gut drei Monate aus der Übung bin- kam ein kleiner dicker Journalist mit Schnauzbart auf mich zu. Also klein war er nicht, nur mir kam er klein vor. Weggehen? Nicht antworten oder sich den Fragen stellen? Ich traute mir diese Aufgabe noch nicht wirklich zu. Frank war heute nicht dabei. Er bereitete den Flug in die USA vor.
„Hallo. Sie sind wohl eines der vielen neuen Gesichter im Team und im Radsport. Wer sind Sie denn?“
„Hallo. René Bauer.“
„Dann hat mich mein Blick also nicht getäuscht, dass Sie Deutscher sind.“
„Ja das bin ich.“
„Und wie sind Sie zu diesem Team gekommen? Immerhin muss ich gestehen, dass ich Ihren Namen noch nie gehört habe.“
„Das ist eine lange Geschichte…“
„Wir haben doch den ganzen Abend lang Zeit.“
„Okay…“

Ich erzählte ihm also über den Unfall von Marius und dass so ich anstatt er den Vertrag bekommen habe. Außerdem erzählte ich ihm davon, dass ich nun alles geben werde, damit ich Marius Traum fortsetze und ihm alle Siege widmen werde. Das ganze Gespräch nahm er mit einem Aufnahmegerät auf.
„Und was sind sie für ein Fahrertyp? Sicherlich kein Bergfloh, oder?“
„Nein, nein. Ich bin mit meinen 1,98 der größte Fahrer im Team und wohl auch einer der größten von allen Radprofis. Ich hasse Anstiege. Mein Terrain ist die Ebene. Spezialisiert habe ich mich in den letzten Jahren auf Zeitfahren. Mir liegt es einfach ein konstant hohes Tempo im Flachen zu fahren.“
„Also werden Sie auch speziell an Rennen mit Einzelzeitfahren teilnehmen?“
„Ja das wird so sein.“
„Sie sagten, dass Sie nur für Ihren Freund Marius fahren würden. Hatten Sie selber nie den Wunsch Radprofi zu werden?“
„Ich glaube, dass Sie da etwas nicht verstanden haben. Ich wollte schon immer Radprofi werden. Reine Zeitfahrer sind für viele Teams aber nicht interessant und es war mein und Marius’ Traum, dass ich Profi werde.“

Das Interview dauerte noch eine Weile. Der Reporter fragte mich, was für Ziele ich habe und was ich gewinnen könnte.
Den ganzen Abend unterhielt ich mich noch viel mit anderen Journalisten, die meistens alle die gleichen Fragen stellten. Nach vielen Lachshäppchen und noch mehr Orangensaft, der Champagner stand uns nur zum Anstoßen zu Verfügung, machten wir uns dann vereinzelt zum wenige Meter entfernten Hotel auf.
Die Nacht hätte recht kurz sein können, wenn uns nicht vorher ausdrücklich gesagt worden wäre, dass die nächste Trainingseinheit erst um 14 Uhr stattfindet. Und die hatte es dann in sich. Wir fuhren 120km auf meistens sehr hügeligem Terrain und mit hohem Tempo. Schnell bildeten sich Grüppchen. Ich im hintersten Teil. Doch es machte mir Mut, dass einige am Berg noch schwächer waren als ich. Also quälte ich mich jeden Anstieg von neuem hoch und erreichte die Vordersten wieder in der Abfahrt und im Flachen Stück am Ende. Sie waren überrascht, wie ich den großen Rückstand so schnell habe gutmachen können.
Der Tag war sehr anstrengend und am Abend fielen alle halbtot ins Bett. Doch ich musste noch meine Sachen zusammenpacken. Zum Glück hatte ich einen großen Koffer, sonst hätte ich die vielen neuen Sachen nicht mitnehmen können. Ich packte eine kleine Reisetasche mit Kleidung für ein paar Tage. Mein Rad und der Koffer würde morgen zu mir nach Hause geschickt werden. Ich flog am nächsten Morgen früh in Richtung Westen. Mir graute es schon, mindestens ein zwei Tage Trainingspause zu haben, aber die Mission USA, das Testen des Zeitfahrrads, stand an.


Stabil, leicht und schnell


Zusammen mit Frank verließ ich frühmorgens das Hotel. Zuvor verabschiedeten wir uns von Steve Edwards und den anderen. Sebastien musste somit die weiteren drei Tage ohne mich alleine auf dem Zimmer verbringen. Frank setzte sich bereits ins Taxi und ich hatte schon die Hand am Türgriff, da kam Steve angerannt. Im Bademantel rannte er frühmorgens auf die Straße. Die wenigen Leute, die schon unterwegs waren, staunten ihn verwundert an.
„Rene?“
„Ja, was ist denn noch?“
„Wie du vielleicht bemerkt hast, haben wir noch keinen persönlichen Teamkoch. Du bist doch gelernter Koch!?“
„Ja das bin ich.“
„Könntest du vielleicht jemanden finden, der sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt und vielleicht schon etwas Erfahrung darin hat?“

Ich überlegte kurz und dann fiel mir jemand ein.
„Ja. Ich hab da jemanden.“
Es war Peter Rachenbach. Er hatte meine Ausbildung bei uns im Restaurant übernommen. Nachdem ich die Ausbildung beendet hatte, ging er seinen eigenen Weg und ich übernahm somit seinen Platz. Er wollte einen Kurztrip in die USA machen und danach sich vor allem im Sportbereich weiterbilden. Was er derzeit macht, wusste ich nicht. Aber ich war mir sicher, dass er für so eine ruhmreiche Aufgabe immer zu haben ist. Außerdem war er großer Radsportfan.
„Okay. Es wäre wirklich klasse, wenn du da jemanden hättest.“
„Ich gehe schwer davon aus, dass er zusagt, doch hundertprozentig kann ich das noch nicht bestätigen. Ich werde ihn anrufen sobald wir in den USA sind.“
„Würdest du ihm meine Handynummer geben, wenn er zustimmt?“
„Na klar. Wie ist sie denn?“
„Die kann dir Frank geben. Ich muss jetzt auch wieder. Die Arbeit ruft schon wieder. Die anderen werden heute hart drangenommen.“

Er lachte und zwinkerte mir zu, bevor er mir noch viel Spaß in seinem Heimatland wünschte.
Steve ging wieder sehr schnell ins Hotel zurück und ich stieg ins Taxi ein.
„Das muss ich Ihnen aber jetzt mit anrechnen.“, sagte der Taxifahrer.
„Jaja. Fahren Sie los. Zum Flughafen bitte.“, konterte Frank und der Fahrer fuhr los.
„Das rechnen wir sowieso Steve an“, meinte Frank mit einem breiten Grinsen zu mir.
„Ich habe euer Gespräch mitbekommen. Hast du wirklich jemanden?“
„Ja. Meinen Ausbilder Peter. Er wollte schon immer in diesem Bereich arbeiten.“
„Hast du denn überhaupt seine Nummer?“
„Ja. Die hab ich noch auf meinem Handy. Übrigens gib mir mal Steves Nummer, bevor ich das vergesse.“

Wir holten beide unsere Handys raus und ich speicherte Steves Nummer ein.
„Aber keine Dummheiten damit anstellen!“
„Bist du das etwa von mir gewohnt? Meinst du ich möchte noch vor meinem ersten Rennen schon wieder raus sein?“
„Man weiß ja nie“
, lachte Frank.
Die Fahrt zum Flughafen dauerte etwas länger, weil wir genau in den Berufsverkehr reinkamen. Vor dem Terminal mussten wir noch eine Stunde warten. Der Flug war sehr lang und ich schlief fast die ganze Zeit. Gegen Abend waren wir dann da.
Wir fuhren zunächst zum Technikzentrum von Specialized. Auf der Fahrt telefonierte ich mit Peter. Er war sofort einverstanden, da er derzeit nur Kurzstationen bei regionalen Sportvereinen hat und er froh darüber sei, dass er nun endlich etwas habe. Er sagte mir schon, dass er mir etwas schuldig sei, doch die Ausbildung und Unterstützung war mir schon genug. Aber solche Angebote sollte man nie abschlagen. Er wollte sich nochmal melden, wenn er mit Steve telefoniert hat.
Es war ein großes modernes Gebäude. Als wir rein kamen, begrüßte uns sofort freundlich einer der Mitarbeiter. An diesem Abend wollte man ein erstes Mal testen, wie das Rad auf mich passt. Nach meinen Maßen haben sie es zunächst hergestellt und nun wollte man persönlich sehen, wo man noch dran feilen kann.
Ich war von der Größe des Zentrums erdrückt. Wir liefen an einem großen Windkanal vorbei und gelangten dann in einem großen Raum, indem genau sechs Leute bereits warteten. Einer war der Leiter von Specialized und erklärte mir, dass ich als Vorzeige- aber auch Probemodell für das neue Zeitfahrrad diene. Selbst das Gerolsteiner und Quickstep Team benutzen noch nicht diese Rennmaschine. Es machte mich sehr stolz, als er mir das mitteilte.
Kurz darauf gab man mir Rennkleidung und vor allem die Schuhe mit passenden Aufsätzen. Die waren schon etwas Besonderes. Laut dem Entwicklungsleiter bieten sie extreme Stabilität, aber trotzdem Freiheiten in der Bewegung, sodass die Kraft optimal in die Pedale übergehen kann. Die Schuhe passten wie angegossen. Als ich aus dem kleinen Ankleidungsraum wieder raus kam, stand es da. Das neue Zeitfahrrad. Es war in einem Guss und sah stabiler aus als jedes Rad zuvor. Es sah aufgrund seiner Stabilität sehr schwer aus. „6,8kg“, sagte einer der Arbeiter. Also genau das Gewicht, was minimal zugelassen ist. Ich setzte mich drauf und als ich in meine optimale Position ging, merkten ich und der Entwicklungsleiter etwas Entscheidendes. Er ging zu einem Schrank, öffnete ihn und holte einen Zeitfahrhelm heraus. Nach hinten spitz zulaufend und perfekt aerodynamisch geformt. Doch er passte nicht. Er rutschte und wackelte. „Kein Problem, bis morgen haben wir das erledigt.“ Ich sollte meinen Helm wieder abnehmen. Dann setzten zwei Techniker mir einen Gummihelm auf. Es war ein neuartiges Vermessungsgerät für den Kopf. Anscheinend wollte man noch in der Nacht den Helm nach den genommenen Maßen verbessern.
Danach setzte ich mich wieder in meine Position und sollte ein wenig fahren. Erst als ich in die Pedalen trat, merkte ich, dass die Maschine auf einer Rolle stand. Ich fuhr also los. Ich merkte, wie ein Gerät mit roten Strahlen den Bereich um das Rad erleuchtete. Das Gerät nahm meine kurze Fahrt auf. Die Gangschaltung war elektronisch und so, so sagte man mir zumindest, kann ich in jeder Position jederzeit schalten. Dann sollte ich ohne zu treten in meiner perfekten Position verharren. Drei der Techniker machten sich mit Stiften und Klebeband an die Maschine ran und versuchten mögliche Störenpunkte zu markieren.
Dies dauerte einige Zeit und danach war die erste „Sitzung“ beendet. Man sagte mir, dass am nächsten Tag vor allem an meiner Position gearbeitet wird. Dazu würde man in den Windkanal gehen und die Haltung auf die Rennmaschine anpassen und ausfeilen. Der Helm und der Rahmen würden bis morgen angepasst sein. Anscheinend arbeitet man in der Nacht durch. Dann verabschiedeten wir uns und fuhren mit dem Taxi zu einem kleinen Hotel in der Nähe.
Ich telefonierte noch mit Sara, doch ich war sehr müde, obwohl ich fast den ganzen Flug lang geschlafen hatte, und so legte ich mich kurze Zeit später schlafen und verarbeitete die Eindrücke des hochmodernen Entwicklungszentrums.

Am nächsten Tag ging es gegen Mittag wieder zu Specialized. Am Morgen ging ich joggen. Ein Rad hatte ich ja nicht. Danach traf ich mich mit Frank in der Innenstadt. Er hatte ein paar Sachen für seine Familie eingekauft. Ich wollte Sara auch ein kleines Souvenir aus den USA mitbringen. Also kaufte ich ihr etwas Schönes.
Im Entwicklungszentrum angekommen, leitete man mich sofort zum Windkanal, nachdem ich mich umzog. Wieder sollte ich mich auf die Zeitfahrmaschine setzen. Der Helm saß diesmal perfekt und auch am Rahmen konnte man kleine Veränderungen erkennen. Vor allem der Sattel wurde verändert. Ich konnte nun viel tiefer sitzen und dazu war es sogar noch etwas angenehmer. Nun sollte ich einige Zeit fahren. Währenddessen flog mir der Wind nur so in die Augen. Meine Augen tränten. Ich trug keine Brille.
„Entschuldigung. Wir haben wohl wieder etwas vergessen.“
Einer der Techniker verschwand in den Nebenraum, aus dem heraus auch alle anderen meine Haltung überprüften. Als er wiederkam, brachte er ein Etui, das er öffnete und mir hinhielt. Ich nahm die Brille heraus und setzte sie auf. Auch sie passte perfekt. Sie wurde nach denselben Maßen wie bei dem Helm noch in der Nacht angefertigt. Es war einfach unfassbar, wie schnell Specialized arbeitete. Und dazu diese Qualität.
Danach machte ich weiter. Aus dem Nebenraum heraus gaben mir die Techniker Anweisungen wie ich meine Haltung verbessern kann. Teilweise erkannte ich sogar selber, wo ein Luftzug gegen Stellen meines Körpers prallte.
Wir benötigten den ganzen Tag um die perfekte Position zu finden. Es war schwerer als ich dachte, aber am Ende merkte ich richtig, wie leicht ich treten konnte und sah, wie alle Luftzüge an mir vorbeihuschten.
Ich war sehr zufrieden und man erklärte mir, dass der Helm und das komplette Zeitfahrrad in spätestens einer Woche zugeschickt würden. Die Schuhe und die Brille konnte ich bereits im Handgepäck mitnehmen. Wir verabschiedeten uns herzlich und bedankten und schon jetzt für die tolle Zusammenarbeit und tauschten Telefonnummern aus, damit wir uns gegenseitig immer wieder auf den neusten Stand bringen.
Den Rückflug bekam ich kaum mit. Ich war so kaputt von den beiden Tagen. Fast den ganzen Tag musste ich ruhig auf dem Rad sitzen und mich millimetergenau in die bestimmte Richtung bewegen. Das stresste sehr. Ich schlief den kompletten Flug. Morgens waren wir wieder zurück in Deutschland. Zuhause überraschte ich Sara mit dem Souvenir. Ihre Freude über dieses war sehr gering. Sie freute sich vielmehr darüber, dass ich wieder da war und auch ich freute mich, dass ich sie wieder bei mir hatte.
Einen Tag später rief Peter an. Er sagte, dass mit dem Team alles klar sei. In wenigen Tagen reist er bereits nach Down Under und begleitet dort das Team und versorgt es mit köstlichem, gesundem und energiereichem Essen. Doch in der kurzen Zeit konnte er keine wirklichen Pläne für Gerichte aufstellen. Zudem kannte er noch keine Vorlieben der Fahrer. Also schlug ich ihm vor, dass wir zusammen etwas austesten und so trafen wir uns und stellten ein paar mögliche Gerichte zusammen. Sie hatten genau das, was benötigt wurde- Geschmack, Energie und trotzdem kalorienarm. Wir hatten viel Spaß und es war nett ihn nach langer Zeit wiederzusehen.
Ex-Profi Cédric Vasseur via Twitter: "Der Radsport wurde wieder einmal vor der ganzen Welt lächerlich gemacht...Bravo!!!"

Benutzeravatar
Österreicher
Beiträge: 579
Registriert: 18.6.2007 - 16:09
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6732034Beitrag Österreicher
23.8.2008 - 16:48

Ted Foster
Jänner 2008
Ein abstinenter Durschnittsamerikaner

Keiner konnte über die nervöse Anspannung im Raum hinwegsehen. Sie war einfach zu präsent. Immer wieder versuchte blickte Ted in die Runde. Es waren nicht die alten Hasen, die Profis, nein es waren, wie sollte es auch anders sein die jungen Wilden, die heute dasaßen wie ein Haufen ängstlicher Hasen. Ted konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Doch erntete er nur ernste Blicke. Aber das machte Ted nichts. Er wusste wie seinen Schützlingen zu Mute war. Oft hatte er dasselbe miterlebt. Sie wussten, dass er es nicht böse meinte.

Dann war es endgültig soweit. Steve und Ted gingen raus. Die Fahrer würden später nachkommen. Aber das hatten sie alles bereits hunderte Male durchgespielt. Eigentlich dürfte nichts schief gehen. Ted hatte sich mehrmals die Höhe der Stufen angeschaut, um nicht bereits am ersten offiziellen Arbeitstag einen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Und nein, er stolperte nicht als er in anmutiger Pose die Stiege zum kleinen Podest hinaufging. „Geschafft!“, dachte er, und nahm Platz. Steve trank noch einen Schluck, und ergriff dann das Wort.
Wie immer cool und lässig sprach er seinen Part, stellte sich selbst vor, dann das Team. Auch Ted erwähnte er, welcher sich mit vor Stolz geschwellter Brust erhob, um sich den durchlöchernden Blicken der vielen Journalisten zu stellen.
Ansonsten war Ted nicht wirklich geistig anwesend gewesen. Viel zu sehr dachte er noch an die vergangenen Tage nach. Über das Trainingslager, das Team, über die gescouteten Fahrer, ob sie das halten würden, was er und Steve sich von ihnen versprachen.
Auch hatte er erstmalig Kontakt mit den Fahrern außerhalb des Renngeschehens gehabt. Die unterschiedlichsten Fahrer würden in diesem Jahr für Credit Suisse an den Start gehen, das war Ted von Anfang an klar gewesen. Aber nicht nur von der fahrerischen Auslegung, ob Sprinter oder Bergziege, auch menschlich sah er riesige Unterschiede. Es gab wie in jedem Team die ruhigeren Fahrer, aber auch die lauteren, die Alphamännchen. Ted aber wusste, dass sie das bald einpendeln würde, spätestens nach ein paar Rennen der noch jungen Saison, würden sich diese „Klassenunterschiede“ legen.
Aber was wohl in den kommenden Tagen passieren würde, dessen war er sich noch etwas unklar, denn morgen früh würde er von Cannes Richtung Neuseeland aufbrechen, um sich noch einmal diesen Willie Trimboli anzusehen. Er wäre der letzte Fahrer fürs Team. Irgendwie wäre er einer Vertragsunterzeichnung des jungen Ozeaniers nicht abgeneigt, wäre er doch ein weiterer englischsprachiger Fahrer, dessen Muttersprache er nicht zu lernen brauchte.

Plötzlich schlug ihm jemand an die Schulter. Es war Steve gewesen. Er war mit seinem Part fertig, das Team war vorgestellt, nun waren die Fahrer dran. Ted hatte die gesamte Fragestunde irgendwie verpennt, besser gesagt sich dermaßen in seinen Gedanken verloren, dass er nicht einmal die Verabschiedung mitbekam. Etwas benommen stand er auf, und die beiden verließen nach einem kurzen Winken die Bühne. Ted hatte seinen Teil erfüllt, wenn es überhaupt etwas zu erfüllen gegeben hatte. Jetzt waren die Fahrer dran. Hungrig stürmten sie das Buffett, stellten sich aber vorher noch wie echte Profis den Fragen der Journalisten. Dieser Anblick erfüllte Ted mit Stolz. Immerhin waren es ja auch irgendwie seine Jungs. Einige genossen das Rampenlicht, andere wieder wollte nur ganz schnell weg. Auch Ted war irgendwie etwas unwohl, doch zeigten die Journalisten zu seinem Glück, kein Interesse an einem Scout Ende 30. Er holte sich einen Teller zu Essen und verschwand dann in der Umkleide. Nach einer Weile kam auch Steve herein. Ebenfalls einen Teller voll beladen mit Essen, um den Journalisten so lange wie möglich aus dem Weg gehen zu können. Sie waren sich wirklich ähnlich, und es war ein witziges Bild sie so sitzen zu sehen: die beiden Durschnittsamerikaner in einem Raum ohne Tischen, die gehäuften Teller auf den Oberschenkeln, nur darauf wartend den gegenüber wegen seines bekleckerten Outfits auszulachen. Wie einfach das Leben oft sein kann.

Anmerkungen:
1.) Werde ab jetzt meine Überschrift nicht mehr aus dem Text heraus nehmen, da diese oft nicht genügend Auskunft über den folgenden Text geben. Werde aber versuchen die Überschrift weiterhin in enge Verbindung mit dem Text zu stellen. Hoffe dies stellt kein Problem für die Leser meiner Posts da.
2.) Zum Ende meines Post, wollte ich mich noch zum meiner langen Postpause äussern, damit keiner glaubt ich hätte kein Interesse mehr. Das Netzteil meines Laptops macht mir in den letzen Wochen ziemliche Probleme, weiters bin ich gerade dabei selbst einen AAR zu schreiben, das braucht bekannterweise auch Zeit, und meine Freundin darf ich auch nicht vergessen. Also entschuldigt größere Postpausen. Danke!
DanyHilarious
Bananen Sind Kalt. Echt?!.

Benutzeravatar
Österreicher
Beiträge: 579
Registriert: 18.6.2007 - 16:09
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6732046Beitrag Österreicher
23.8.2008 - 17:44

Ted Foster
Jänner 2008
Willie Trimboli, ein verrückter Neuseeländer

Ted war sich sicher. Willie musste unterschreiben. Selten zuvor hatte er dieses Gefühl gehabt, einen so großen Nachwuchsfahrer gefunden zu haben. Willie war ein sensationelles Rennen gefahren, und auch ein Sturz kurz vor dem Ziel konnte den jungen Neuseeländer nicht aufhalten. Gleich nach dem Rennen, und dem Sieg Willies, bahnte sich Ted den Weg durch die Menge, eine hübsche junge Dame an seiner Seite. Sie war es, die das alles erst möglich gemacht hatte.
Sie erreichten Willie.

„Und Sie sind Jaylas Freund?“
Was für eine Frage war das denn? Er konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Auch das Mädchen neben ihm begann verlegen zu kichern.
„Oh nein, überhaupt nicht. Ich heiße Ted. Ted Foster.“, antwortete Ted nach einer kurzen Kreativpause.
„Und was kann ich für Sie tun, Herr Foster?“
„Ted.“
„Ok. Also, was kann ich für dich tun, Ted?“
„Unterschreiben.“ Komisches Gespräch dachte Ted. Willie wirkte etwas verdutzt.
„Na gut. Haben Sie einen Zettel und einen Stift dabei? Vorgefertigte Autogrammkarten habe ich leider noch nicht.“ Ted musste erneut Lachen. „Ein lustiger Bursche“, dachte sich Ted. Er war gerade dabei Willie etwas genauer zu mustern, als plötzlich Julien Dean, das neuseeländische Aushängeschild vor ihnen stand. Ted begrüßte ihn. Die beiden kannten sich von einigen Rennen, bei denen Ted von der Seite beobachtete was Julien so anstellte. Aber auch Willie und Julien schienen sich zu kennen. Julien wollte sich setzen. Sie folgten ihm.

Nachdem sie einen geeigneten Platz gefunden hatten, setzen sie sich. Ohne Umschweife begann Ted: „Also Willie. Ich mag dich auch gar nicht länger auf die Folter spannen. Du sollst einen Profivertrag bei dem Team erhalten, für das ich arbeite. Und nein, wir sind kein unterklassiges Continental-Team. Und nein, du wirst nicht ständig Helferdienste leisten müssen. Und nein, wir werden dich nicht um deine Siege betrügen. Du wirst einer der Kapitäne im Team sein.“

Seinem Gegenüber stand erst einmal der Mund offen. Aber was sollte Willie im Moment auch sagen. Ted fuhr fort. Er erzählte Willie von der Rundfahrt im Juli 2007, bei der er ihn bereits erstmals beobachtet hatte, von den Telefonaten mit Julien, aber auch von jenen mit Jayla, dieser jungen Dame an ihrer Seite, die das alles erst möglich gemacht hatte.
Noch brachte Willie keinen Ton heraus. Aber das brauchte er auch nicht. Noch war Ted dran. Er erklärte allfällige Einzelheiten, sprach über das Team, die Ziele, die Voraussetzungen. Langsam kam Willie wieder zurück. Aufmerksam lauschte er den Erklärungen Teds, eher er sich zu Siegerehrung verabschiedete. Vorerst hatte Ted genug erzählt. Sie würden sich bald bei Willie zuhause treffen, das hatten die beiden so vereinbart. Ted freute sich.

Erneute Anmerkung:
Ich würde euch bitten, sollte euch das Gespräch bei Willie zuhause interessieren, einfach Grabbas Beitrag noch mal durchzulesen, da es unnütz wäre, dies alles noch einmal aufzuschreiben. Hoffe ihr habt damit kein Problem. Weiters möchte ich anmerken, dass ja die Fahrer mehr im Mittelpunkt stehen sollen, nicht ich als Scout. Denn sie sind ja mehr oder weniger die Hauptakteure. Hoffe ihr versteht das, viel Spaß beim weiteren lesen.
DanyHilarious
Bananen Sind Kalt. Echt?!.

Benutzeravatar
tobikaka
Beiträge: 2091
Registriert: 10.6.2006 - 9:17
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6732217Beitrag tobikaka
25.8.2008 - 9:57

Cannes - Im Rampenlicht

Er musste lange dafür kämpfen, hart dafür arbeiten, doch jetzt hatte er es geschafft. Sichtlich glücklich sass Julien im Hintergrund genoss die, etwas andere, Teampräsentation seines neuen Teamchefs. Er war entzückt ab der Art, wie sein neuer Chef Steve Edwards mit den Journalisten umging. Die Atmosphäre war entspannt. Ruhig konnte er nicht auf dem Stuhl sitzen. Zu viele neue Kumpels sassen an seiner Seite. Neue Kumpels, die er in den ersten Tagen des Trainingslagers hier in Cannes kennengelernt hatte. Es sollte Zufall sein, dass es nur Franzosen waren, mit denen er die freie Zeit bisher verbrachte. Vor allem mit Julien Mazet, Fredy Guesdon und Séba Joly verstand er sich prächtig. Lustig waren die Abende in der Hotel - Lobby, wo jeder Gast sein Fett weg bekam, oder die ruhigen Trainingsausflüge, wo ganz hinten bei den Franzosen mehr gelacht als gefahren wurde. Für Julien war es noch ein Problem, neue Freundschaften zu knüpfen. Er war schon immer der offene, kontaktfreudige und lustige Mann, immer gut für einen Spass oder einen Spruch. Während das Teamvideo lief, war es für einen Augenblick ruhig. Diesen Moment genoss er wie keinen anderen. Er bewunderte sich selbst, seine graziöse Fahrweise. Auch das Trikot gefiel ihm sehr gut, doch er würde lieber sein Bretonisches Meistertrikot tragen. Dafür fehlte ihm bisher der Mut um Edwards danach zu fragen. Doch er wusste, dass er es noch tun würde. Denn schliesslich hatte er vor genau vier Monaten endlich das geschafft hatte. Juliens gedachten schweiften ab....

-----------------------------------------------------------

Die Blockade

Rennen gewinnst und verlierst du nur im Kopf. Kein Talent, keine hervorragende Form kann dir da helfen. Du musst dich nur auf dich konzentrieren können, dann kannst du auch die anderen schlagen. Die richtige Gruppe erwischst du, wenn du auf dein Gefühl hörst, nicht nachdenkst, bereit bist Risiken einzugehen. Das Mentale bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Beginne nie an dir zu zweifeln, selbst in einer Zeit, in der du nichts zu Stande bringst. Glaube an dich, denn dein Umfeld tut es auch. Du hast das Talent, um grossartiges zu erreichen!

Mathieu Regnier, 05.08.2005


Diese Notiz seines Trainers lass er sich einen Tag vor den Bretonischen Meisterschaften durch. Dieses Rennen sollte seine Blockade lösen, auch wenn er nicht wusste wie er das anstellen sollte. Er selbst konnte sie auch nicht lösen, es war ein Amerikaner. Ein von den Franzosen ansonsten so ungeliebter Amerikaner, der vier Stunden vor dem Rennen zu ihm kam und ihm einen Profi - Vertrag in Aussicht stellte, falls er diese Rennen auf einem guten Platz beenden würde. Julien kann sich nur noch Schemenhaft an das Rennen erinnern. Das Einzige, was er aber nicht vergessen konnte ist das Gefühl, als er Solo über die Ziellinie fuhr und wusste, er hatte das Erbe von Bernard Hinault angetreten!

-----------------------------------------------------------

Julien kam wieder zurück in die Gegenwart. Soeben hatte Edwards den offiziellen Teil als beendet erklärt und liess den Journalisten nun die Möglichkeiten offen, dem Team Fragen zu stellen. Julien wartete noch einen kurzen Augenblick. Er wollte nicht ins Gedränge geraten, sondern liess den anderen den Vortritt. Irgendwer wird sich sicherlich für ihn interessieren, das wusste er. So schritt er gemächlich zum Buffet und nahm sich zuerst ein Glas Orangen - Jus.
tobikaka***
3Mermillod B.0Lindell-V.3Babikov0 Brooks0Descombes S.0 Slavik0 Bailey0E Gasparin0

Benutzeravatar
tobikaka
Beiträge: 2091
Registriert: 10.6.2006 - 9:17
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6737410Beitrag tobikaka
24.9.2008 - 10:30

Sein Element

Ohne Aufsehen zu erregen ging er an den vielen Journalisten vorbei zurück zum Buffet. Schon wieder war sein Glas Orangenjus leer. “Zum wievielten Mal stehe ich nun hier“, fragte er sich, während er sich sein Glas auffüllte, wieder einen Schluck nahm, noch einmal auffüllte und sich dann wieder der Menschenmenge zudrehte. Er konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen. Mit etwas Abstand war kein einziges Wort zu verstehen. Nur der sehr hohe Lärmpegel zeugte von vielen emotionalen Gesprächen. Solche Gespräche wie er eigentlich liebte zu führen, aber heute wollte es noch nicht so richtig klappen. Ob es jetzt an ihm, oder an seinen Gesprächspartnern lag, er wusste es nicht. So langsam wollte er sich noch ein letztes Mal unter die vielen Leute mischen, sich den Medienvertretern noch einmal stellten. Noch ein kurzer Schluck und, hoppla. Julien musste ab sich selbst lachen. Schon wieder hatte er sein Glas geleert. Einmal mehr drehte er sich zum Buffet um und griff nach dem Orangenjus ohne hin zu sehen. Der ansonsten kühle glasige Griff des Kruges fühlte sich anders an. So weicher, wärmer aber auch eckiger. “Wie viel Geld geben sie denn für Orangenjus aus Julien?“ Verwundert drehte er seinen Kopf zur Seite und blickte ins Gesicht einer jungen Dame. Es gab nicht viel, dass Julien normalerweise aus der Fassung bringen konnte. Doch diese Mal wusste er nicht was sagen. “Erschreckt? Tut mir Leid. Aber ich musste es tun...“ Die junge Dame hatte sichtlich ihren Spass daran, dass sie so erschrecken konnte. Sie hatte ihn wohl lange beobachtet.
Jetzt musste Julien lachen. Er begann den Tag noch mehr zu lieben. “Ist kein Problem. Ich bin es mir zwar gewöhnt, dass es umgekehrt ist, aber ich habe keine Probleme damit“, antwortete er schliesslich.
Auch die Dame musste lachen. “Es tut mir Leid“, führte sie schliesslich das Gespräch fort, “ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Amanda Mercier vom Magazin ’Bretagne Sports’. Unsere erste Auflage erschien im am 1. Januar 2008. Wir wollen in zwei- bis dreimonatigen Abständen über sie berichten. Ich denke über allfällige Preise können wir noch zu einem späteren Zeitpunkt sprechen.“

Strahlend blickte Julien sie an. Er war so glücklich, dass seine Person in der Bretagne nun schon so bekannt war. “Ja, eine Reportage über mich wird sicherlich nicht billig“, antwortete er lachend. Wieder mussten die beiden lachen.
“Ja so was in der Art habe ich gedacht. Aber es stört sie doch nicht, wenn ich ihnen jetzt schon ein paar Fragen stelle“, fragte die Journalistin scheu.
“Nur unter einer Bedingung“, antwortete Julien. Er sah, wie unsicher Amanda Mercier nun wirkte. “Sag nicht mehr Sie, sondern Julien zu mir.“ Er konnte sich ein lächeln nicht verkneifen, entschuldigte sich jedoch sofort dafür. Es war seine Retourkutsche für den Schreck, dem ihm Amanda einjagte.
Amanda musste auch wieder lachen. Die beiden verstanden sich doch sehr gut. “Alors Julien. Seit wann hast du den Vertrag mit dem Team unterschrieben?“
“Das war irgendwann nach meinem Sieg bei den bretonischen Meisterschaften. Dieses Rennen war auf eine Art mein Bewerbungsschreiben.“
“Und was ist denn nun dein Ziel in diesem Jahr? Welches Rennen möchtest du unbedingt gewinnen oder bestreiten?“
“Gewinnen möchte ich die Tour de France. Aber dummerweise werden mindestens 80 Fahrer da etwas dagegen haben.“ Julien musste grinsen. Es war wieder ein normaler Tag. Ein normaler Tag, an dem er nicht normal war. “Nein im Ernst. Der französische Titel oder den Weltmeistertitel. Einen dieser beiden Titel möchte ich schon gewinnen. Und falls ich die Chance habe, bei der Tour, dem Giro oder Vuelta um das Bergtrikot mitzufahren, werde ich dies sicherlich versuchen. Wobei Etappensiege für mich mehr bedeuten würden. Und am Ende der Saison möchte ich dann sagen können. Julien, du hast dich eindeutig verbessert.“
“Wow. Du hast ja einiges vor in deiner ersten Profisaison. Was hältst du eigentlich von deinem Teamchef Steve Edwards?“
“Was sollte ich von ihm halten? Er ermöglicht mir, dass ich in der Pro Tour fahren kann. Er ist gegenüber den Medien ein arrogantes Arschloch. Aber er ist mein Teamchef und was er sagt versuche ich zu tun, wenn ich gleicher oder ähnlicher Meinung bin. Aber ich will und kann ja auch noch nicht sagen, dass ich ihn wirklich kenne. Darum kann ich auch keine gute Antwort geben. Aber alles in allem ist er ein netter Mensch.“
“Gut, noch eine letzte Frage, bevor ich gehen muss. Ich habe noch einen anderen Termin. Würdest du dich als Spassvogel oder als Clown bezeichnen?“
“Schwierig zu sagen. Was macht für dich da den Unterschied?“
“Ja Spassvogel ist einer der für Stimmung sorgt, aber auch wieder ernst sein kann. Der Clown macht nur scheiss....“
“Dann bin ich der Spassclown...“, Julien fühlte sich sichtlich wohl. Es lag jedoch nicht nur an Amanda. Sie war eine Journalistin, genau wie fast alle anderen hier im Raum auch. Denn genau an diesen vielen Leuten lag es. Er mochte es schon immer, unter vielen Leuten zu sein und dass mittlerweile auch noch ein paar Leute mehr ihrem Gespräch zuhörten und sich Notizen machten, freute ihn noch mehr.

Kurz ging Amanda die Fragen und Antworten noch einmal durch und verabschiedete sich dann von Julien. Er selbst drehte sich wieder kurz zum Buffet um, um sein Glas zum achten, nein neunten Mal zu füllen. Jetzt stand er jedoch mehr im Mittelpunkt. Er war beinahe eingekreist von Journalisten. Er war in seinem Element.
tobikaka***
3Mermillod B.0Lindell-V.3Babikov0 Brooks0Descombes S.0 Slavik0 Bailey0E Gasparin0

Benutzeravatar
Henrik
Beiträge: 3799
Registriert: 19.4.2005 - 19:35
Wohnort: Frankfurt a. M.

Beitrag: # 6738357Beitrag Henrik
1.10.2008 - 12:27

Wie durch einen Tunnel blickte er hinaus auf die Journalistenmenge. Gut, eigentlich war es ein kleiner Tunnel, durch den Marco gleich die Bühne betreten würde. Edwards erzählte den Journalisten die Geschichte des Teams, natürlich auf seine ganz eigene, zum Teil aneckende Weise. Er kam zur Idee hinter dem Projekt, zu seiner Philosophie. Die Philosophie, die Marco gewissermaßen hinter diese Bühne gebracht hatte.

Vorne lief ein Film über das Team, in Marcos Kopf lief ein ganz anderer Film. Die Bilder und Erlebnisse der letzten Monate zogen an ihm vorbei, angefangen mit jenem Abend, an dem er seinen Beschluss gefasst hatte. Den Beschluss, sich nicht im Formtief nach Deutschland zu flüchten, sondern sich noch einmal für den Erfolg zu quälen. Es war hart gewesen, zum Teil hatte er bei Schneefall im Gebirge geackert, einmal wäre er fast erfroren. Aber es hatte etwas gebracht; Marco konnte sich mit guten Ergebnissen von seinen amerikanischen „Teamkollegen“ verabschieden. Er würde sie vermissen, die Gruppe. Aber es war mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen, dass er sie gesehen hatte.

Es folgten die Bilder vom Abschied, in einem Jahr waren ihm viele neue Menschen ans Herz gewachsen. Jetzt galt es, Lebwohl zu sagen – vorläufig. Seit jenem warmen Juni-Tag im Sommer 2006 hatte er sie regelmäßig wieder gesehen, wenn er Semesterferien gehabt hatte. Wieder zu Hause war er nach Heidelberg gegangen, hatte dort Medienwissenschaften studiert – jedoch nicht sehr lange. Denn er hatte sich bei einem Radverein in der Nähe angemeldet, hatte weiter dazugelernt in den Hügeln des Schwarzwaldes. Bis zu jenem Tag, an dem ihm Ted Foster zum zweiten Mal einen Vorschlag unterbreitete.

Es war mittlerweile September 2007, Marco hatte gerade ein Nachwuchsrennen beendet, voller Enttäuschung, dass es nicht zum Sieg gereicht hatte – trotz seiner mutigen Attacke am vorletzten Anstieg. Im letzten kurzen Flachstück war er gestellt worden, im Sprint der großen Gruppe war er kraft- und daher auch chancenlos. Doch für Foster schien dieses Rennen nur untergeordnete Wertigkeit zu haben – er hatte sich in Amerika einen Eindruck von Marco gemacht. Weder das große Potential, noch der Hang zum Vernachlässigen des Trainings waren ihm verborgen geblieben; jetzt lud er Marco zu einem letzten Probetraining nach Ohio ein.

Von da an war sein Studium praktisch beendet. Das Probetraining war gar nicht mehr sonderlich maßgebend (auch wenn es einigermaßen gut verlief), denn Ted Foster hatte sich bereits ein umfangreiches Bild von Marco gemacht. Schnell folgte die Vertragsunterzeichnung, anschließend wurde Ausrüstung bereitgestellt, das Grundlagentraining begann (vorläufig war Marco hochmotiviert, seine Begeisterung musste eher gezügelt werden), und die ersten Planungen für die Saison liefen. Am heutigen Tag wusste Marco, dass er aller Voraussicht nach als Kapitän in die Ardennen-Klassiker gehen sollte, man plante ihn als zentrale Säule für die Frühjahrsklassiker ein. Und das in seiner ersten Profi-Saison!

Viele waren jetzt schon auf der Bühne, der Moment rückte näher. Langsam stieg der Puls, es war sein erster richtig großer Auftritt. Als sein Name gerufen wurde, begab er sich nach vorne, gesellte sich zu den anderen und ließ den Blick über das Publikum schweifen. Seine Mutter war hier, irgendwo in der Menge. Sein Vater hatte sich wieder einmal nicht blicken lassen, wie er ohnehin selten da war seit der Scheidung. Marco seufzte; zu sehr hatte er sich an die Abwesenheit seines Vaters gewöhnt.

Die Veranstaltung nahm ihren Lauf, irgendwann wurde das Büffet eröffnet. Doch zuerst musste er sich den Journalisten stellen, die auf ihn zuströmten. Ein unbekannter als Kapitän für die Klassiker? Bei einwöchigen Rundfahrten kam es ja ab und zu vor, dass jemand aus dem Nichts auftauchte – aber für Klassiker, brauchte man da nicht Erfahrung, Rennhärte? Sie schienen eher kritisch zu sein, trauten ihm offenbar Erfolge nicht zu. Aber sie würden schon sehen: Marco van Maarchant war zwar nicht der Erfahrenste unter den Rennfahrern, aber ein gewaltiges Talent.

Er setzte sich an einen noch freien Tisch, und schnell gesellte sich Chris Horner zu ihm. Beide stellten sich kurz vor und schnell hatte sich eine angeregte Unterhaltung entwickelt – zwischen zwei Fahrern, die beide auf hügeligem Gelände Rennen gewinnen wollten.

Benutzeravatar
Henrik
Beiträge: 3799
Registriert: 19.4.2005 - 19:35
Wohnort: Frankfurt a. M.

Beitrag: # 6739473Beitrag Henrik
9.10.2008 - 11:50

Endlich. Die wohlverdiente Massage nach einem harten Tag, die Entlohnung für die vielen Mühen in der Schinderei des Trainings. Es war sein Terrain gewesen, das sie heute durchfahren hatten, französische Hügel. Als 21-jähriger wollte er sich nicht lumpen lassen – es war eins, von einem 15 Jahre älteren und 15 Jahre erfahreneren Chris Horner die Kapitänsrolle zu fordern, etwas anderes, sie von einem völlig überlegenen Chris Horner zu fordern. Deshalb hatte er heute schon ernst gemacht, er wollte Eindruck machen. Und er hatte zwei Dinge festgestellt: Zum einen war er ebenbürtig, die Grundlage für die Saison war gut gelegt. Zum anderen aber war es eben eindeutig nur die Grundlage; bis zum Saisonstart bei Paris-Nizza würde er noch einiges tun müssen.

Nach den ersten Trainingseindrücken hatte man auch den Rennplan für die ersten Saisonmonate aufgestellt. Den Januar und Februar würde er zum Trainieren haben, im März dann bei Paris-Nizza der erste Auftritt des Marco van Maarchant im Profisport. Folgen würden wohl Nokere-Koerse, das große Mailand - San Remo, Rund um Köln als sein Heimrennen und abschließend das Critérium International, bevor im April dann die unmittelbare Vorbereitung auf die Ardennenklassiker, sein Hauptziel, anstand. Es war für ihn immer noch merkwürdig, von Rund um Köln als sein „Heimrennen“ zu sprechen. Schließlich war seine Nationalität immer noch „Belgier“ – doch er fühlte sich genau so sehr als Deutscher, wenn nicht sogar mehr. Denn in Deutschland war er aufgewachsen, hatte die Schule besucht, sein Studium begonnen.

Heute waren sie Hügel gefahren. Erst hatte es eine kleine Einheit im Flachen gegeben, die durch den kräftigen Wind erschwert worden war. Wenigstens schien die Sonne, auch wenn es zu dieser Jahreszeit doch noch recht frisch war. Später ging es dann ins hügelige Gelände, einige kleine Berge wurden abgefahren und die große Gruppe wurde geteilt. Marcos Gruppe bestand aus acht Fahrern, allesamt recht bewandert am Berg, sodass das Tempo ab und zu auch in höhere Bereiche getrieben wurde. Aber dafür waren sie hier – dieses Trainingslager war halt kein Zuckerschlecken, sondern sollte die Grundlagen für eine lange und harte Saison legen. Seine erste Saison im Profizirkus – einerseits sollte er Erfahrungen sammeln, sich weiterentwickeln; andererseits war es seine Aufgabe, in hügeligen Rennen einer der Teamkapitäne zu sein und die Mannschaft anzuführen. Eine hoch gelegte Messlatte – in der ersten Saison als Kapitän eingeteilt werden? Nun, Edwards hatte sich das sicher gründlich überlegt, Ted Foster hatte nach guten Talenten gescoutet, irgendwie würde das schon gut gehen…

Chris Horner riss ihn aus seinen Gedanken:
«You did a really good job today. Seems as if you will be a good team captain for the spring classics.» Wow. Das war ja schon mal ein ganz schönes Lob, ein ganz schöner Vertrauensvorschuss. Mit Chris hatte er sich gut verstanden, trotz des Altersunterschiedes funkten sie auf einer Wellenlänge – auch wenn sie möglicherweise Konkurrenten in den Ardennen sein würden. Schnell hatten sie sich bei der Zimmeraufteilung zusammengefunden, schnell hatte Chris angefangen, einen Teil seines riesigen Erfahrungsschatzes weiterzugeben.
«I guess i still have to become much better to do a good job in Liège, too», gab Marco zurück. Man konnte ihn wohl einen Zweckpessimisten nennen – nach außen hin. Wenn es möglich war, verbarg er seine Ambitionen gerne vor der breiten Öffentlichkeit. Dann könnte nachher keiner sagen, er wäre gescheitert, keiner würde ihm die ruhige Vorbereitung auf das nächste Mal versalzen.
Von Chris kam ein leises Lachen, mit einem Schmunzeln fragte er: «Looks as if you’re always overmodest, doesn’t it?»
«Oh, it’s just… The spring classics are really long and hard races and im not really experienced…»
«Well, then I guess it’s my job to stay at your side as long as possible and guide you through the race. I’ll get my chances, but you will be our team captain in the spring classics.» Sah Chris Horner sich wirklich nur als Helfer eines Marco van Maarchant? Gut, wohl nicht nur Helfer. Mehr ein Mentor, der Erfahrungen weitergab, der einen Siegfahrer formte. Marco würde diese Hilfe brauchen, zu oft war er in seiner Vergangenheit ungestüm gefahren und hatte sich dadurch die Suppe selbst versalzen. Durch zu häufiges, zu frühes Attackieren, woraufhin er wieder gestellt wurde und dann nichts mehr zuzusetzen hatte. Nun ja, in der Eliteklasse des Radsports würde er es wohl nicht sein, der die Attacken setzte – sein Job war, möglichst lange vorne dabei zu bleiben und mit Glück dann eine Top-Ten-Platzierung zu erreichen…

Antworten