Der Griff nach den Sternen

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

sciby
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Beitrag: # 6724561Beitrag sciby
25.7.2008 - 14:38

Die Fähigkeiten, die nur einer wollte

„Los! Jetzt sprinte mal wenn du wieder hier vorbeikommst!“
„Nein!“
, rief ich ihm lautstark zu und hoffte, dass er es noch hörte. Mit einem Höllentempo raste ich vorbei. Ich hielt das Tempo noch die ganze Runde. Diese war 5km lang. Frank stand an einer kaum befahrenen Straße und gab mir nach jeder Runde die Zeit und eine Anweisung durch. Doch die letzte Anweisung gefiel mir gar nicht. Nicht nur dass ich schon ziemlich am Ende war, immerhin fuhr ich nun schon das fünfzehnte Mal die Runde, sondern auch weil ich einfach kein Fahrer bin, der kurze Zeit extrem hohes Tempo fährt, also sprintet. Ich fahre durchgängig hohes Tempo, aber halt keine Sprints. Außerdem sagte ich Frank erst gestern, dass ich mich entschieden habe und voll auf Zeitfahren trainieren will. Ich wollte zunächst mal sehen, wie ich überhaupt klarkomme und erst dann werde ich möglicherweise meine schwächeren Fähigkeiten verbessern. Sicherlich kann ich weder gut sprinten, noch Anstiege schnell hochkommen und noch weniger schnelles Tempo auf Schotter- oder anderen schlechten Straßen fahren. Aber das Zeitfahren ist mein Gebiet. Da möchte ich irgendwann der Beste der Welt sein. Das ist mein großes Ziel. Frank meinte, er verstehe meine Entscheidung und wird mich daher im Zeitfahren weiter verbessern. Doch er zeigte das nicht wirklich. Er ging meiner Entscheidung kaum nach. Ich wollte ihn darauf ansprechen, wartete allerdings noch ab.
Als ich nach der letzten Runde bei ihm anhielt, lobte er mich und machte weiter:
„Du René, ich habe mir überlegt, ob wir am Freitag nicht in den Harz fahren und am Sonntag wiederkommen. Dort könntest du perfekt deine Schwäche am Berg verbessern. Außerdem würde ich gerne sehen, wie du dich wirklich schlägst.“
Ich war geschockt. Ich wendete mich von Frank ab und ging ein Stück in die andere Richtung. Ich hörte Frank etwas wie „Das habe ich mir schon gedacht“ sagen. Ich drehte mich um und ließ es heraus.
„Sag mal verstehst du es nicht? Ich habe mich entschieden. Für das Zeitfahren und gegen deine Idee. Du hast mir die Wahl gelassen und sagtest, dass du dich darauf einstellen wirst. Und was machst du jetzt? Du entscheidest selbst und versuchst deine grandiose Idee durchzusetzen.“
„Aber René. Ich will nur dein Bestes.“
„Du willst mein Bestes, das Zeitfahren, verschlechtern. Das ist es was du gerade machst.“
„Nein. Habe ich dich in meinen Entscheidungen jemals enttäuscht? Habe ich je mit meinem Plan nicht das erreicht, was wir wollten?“
„Du sagst es- wir. Du hast mir die Entscheidung überlassen. Du sollst mich nur dahin bringen, wo ich hin will und dass so gut wie möglich, aber du sollst nicht entscheiden, was ich brauch! Du sollst mich dann in Form bringen, wann ich es will und mich da verbessern, wo ich es will!“

Ich schwang mich auf mein Rad und raste los. Ich wollte einfach nur weg. Ich hörte Frank noch nach mir rufen, doch dadurch wurde ich nur noch schneller. Ich fuhr in einem Höllentempo in Richtung Zuhause. Ich prustete voller Ermüdung und war noch völlig im Rausch, als ich die Tür betrat.
„Schatz? Was ist los?“
„Sei einfach nur leise und lass mich bitte in Ruhe.“

Wutentbrannt rannte ich ins Badezimmer. Ich hockte mich an die Badewanne und dachte kurz nach.
„René? Was ist denn... Hey meld dich doch mal!“
Sara klopfte an die Türe.
„Verschwinde!“
Ich sprang auf und stellte mich unter die Dusche. Ich hatte das Wasser auf kalt gestellt und ließ es an meinem Körper herunter laufen, als ich bemerkte, dass ich noch meine komplette Trainingskleidung trug. Doch das war mir jetzt auch egal. Das kalte Wasser kühlte meinen Körper und auch mich ab. Ich wurde wieder etwas ruhiger und dachte noch einmal darüber nach, was geschehen ist. Ich war entsetzt wie ich mit Sara und auch mit Frank umgegangen bin. Ich war zu hart mit Frank. Er hatte es nicht verdient so behandelt zu werden. Er hat mich jahrelang unterstützt und immer das richtige für mich getan. Er hat mich aufgebaut als ich am Boden war und ohne ihn wäre ich niemals so weit gekommen. Sara hatte ich ebenfalls zu Unrecht so schlecht behandelt. Sie konnte gar nichts dafür und ich hatte nur meine Wut an ihr ausgelassen.
Ich wusste, dass ich mich bei beiden entschuldigen musste. Also zog ich meine Sachen aus, duschte mich nochmals ab und zog mir dann einen Bademantel über. Sara lag schluchzend auf dem Bett. Ich wusste nicht um wen ich mich jetzt kümmern sollte. Frank oder Sara?! Ich entschied mich für Frank und gegen Sara. Nachher wusste ich nicht mehr wieso, aber der Radsport war mir in diesem Augenblick einfach wichtiger. Vielleicht war es auch wegen Marius, der mich als Radprofi und nicht als perfekten Liebespartner sehen wollte. Ich ging also ohne ein Wort zu sagen raus und fuhr mit meinem Rad zu Frank. Er wohnte in einer Eigentumswohnung im Zentrum Bremens. Im Prinzip war er arbeitslos. Er arbeitete eher ehrenamtlich im Verein und kümmerte sich um alle Fahrer. Aber vor allem ich und Marius waren seine Schützlinge. Ich schellte und sofort öffnete er mir die Tür.
„Ach René. Hast du dir schon einen neuen Trainer gesucht?“
„Frank… Kann ich reinkommen?“
„Aber selbstverständlich.“

Er bat mich im Wohnzimmer Platz zu nehmen und kam kurz darauf mit einem Formular zu mir. Er warf es mir hin und sagte: „Hier! Ist es das was du willst?“
Ich schaute mir das Formular an:

Team Adidas Columbus, USA Steve Edwards hat geschrieben:Vertragsangebot als Trainer für deutsche Fahrer des Team Adidas

Hiermit bestätigen sie die Einstellung, nach zuvor zugefaxten Konditionen, als Trainer aller deutschen Fahrer des Team Adidas.

Untendrunter war die Unterschrift des Teammanagers und auch die von Frank.
„Siehst du? Die Unterschrift ist schon trocken. Ich muss es nur noch zurückfaxen.“
„Das würde bedeuten, dass…“
„Ja, dass ich mich nicht mehr nur um dich kümmere und ich dir nur gelegentlich helfe, genauso wie allen anderen deutsch Fahrern im Team.“

Ich fand keine Worte mehr. Wollte er mich so hintergehen? Wollte er sich nun doch nicht mehr nur um mich kümmern? Ich war geschockt. Seine Unterschrift war schon drauf und somit hatte er sich schon entschieden.
„Willst du das?“
„…Nein… bitte nicht!“
„Dann zerreiß das Formular!“
„Wie?“
„Zerreiß es!“

Ich war mir nicht sicher, ob er es ernst meinte, überlegte noch kurz und zerriss das Blatt in drei Teile. Ich wusste nicht warum ich es tat. Ich überlegte nicht, ob Frank es wollte und ob ich ihm damit nicht viel kaputt mache.
„Entschuldigung. Ich wollte nicht…“
„Ich danke dir. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du hast das richtige getan.“
„Aber ich habe dir alles zerstört. Du würdest seit langem wieder fest angestellt sein und nun musst du dich weiter mit mir rumschlagen.“
„Nein. Ich bin froh, dass du das getan hast. Ich wollte eigentlich sowieso ablehnen, doch du hattest mir keine andere Wahl gelassen, dir zu zeigen, dass du mich brauchst. Also sind wir wieder Partner?“
„…Ja!“
„Okay. Und wie sieht es mit dem Training aus?“
„Bei der deutschen Meisterschaft und der WM möchte ich in Topform sein! Bring mich dahin!“
„Das ist ja mal eine Ansage. Und wie sieht es mit deiner Orientierung aus?“
„Entscheide du. Ich muss eingestehen, dass du am besten weiß, was für mich das Beste ist.“
„Ich habe deine Entscheidung ja verstanden, aber du musst auch einsehen, dass du nicht nur Zeitfahren trainieren kannst. Du musst mehr Härte bekommen und deswegen müssen wir auch mal an Anstiegen trainieren.“
„Ja, ich packe dann gleich die Koffer. Wir fahren morgen los in den Harz!“
Frank war erstaunt, das merkte ich sofort.
„Naja… Also in Ordnung. Ich kläre das ab. Meine Frau wird aber mitkommen. Sie hat dort Verwandte wohnen und bei ihnen können wir übernachten. Sara kann uns ebenfalls begleiten.“
„Wow. Du hast mal wieder alles geklärt und ich muss nur noch in die Pedale treten.“
„Ja. Das hab ich dir doch schon mal gesagt. Ich werde alles für dich erledigen, du musst nur noch trainieren.“
„Holst du uns bei mir ab?“
„Ja. Morgens um 10 Uhr.“
„Okay. Wir warten draußen.“

Wir verabschiedeten uns und Frank suchte noch sein Handy und wollte dann das Team Adidas anrufen und absagen. Erst als ich draußen war, merkte ich, dass Sara vielleicht gar nicht mitkommen wolle. Sie war bestimmt immer noch sauer und so überlegte ich mir etwas, damit ich sie umstimmen konnte. Doch dann hörte ich, wie Frank in der Küche mit dem Team telefonierte. Er sprach auf Englisch und ich konnte ihn durch das halb geöffnete Fenster gut hören.
„Es tut mir Leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich das Vertragsangebot nun doch ablehnen muss. Ich habe nochmals mit René gesprochen und wir haben uns entschieden, dass ich mich nun endgültig voll und ganz auf ihn konzentrieren werde.“
Er hörte gespannt dem Anrufer zu und antwortete dann:
„Es ist nett von Ihnen, dass Sie dafür Verständnis haben. Aber ich denke, dass ich in der Sache möglicherweise etwas organisieren kann und außerdem werde ich mich selbstverständlich weiter im Team engagieren, doch zunächst ist René wichtiger.“
Es reichte mir. Ich wusste nun schlussendlich, dass er es Ernst meint und nur mich trainieren will. Er hat ein super Angebot ausgeschlagen, von dem er das Geld nicht nötig gehabt hätte, da seine Frau viel Geld von ihrem Vater geerbt hat, doch es hätte ihm sicherlich viel Spaß gemacht, möglicherweise mehr als jetzt. Ich ging zu meinem Rad und schaute auf die Uhr. Ich konnte es nicht fassen. Nicht die Uhrzeit war es, die mich zur Fassungslosigkeit trieb, sondern das Datum. Vor genau einem halben Jahr lernte ich Sara kennen. Ich hatte es vergessen. Im ganzen Trainingsstress vergaß ich das Datum unseres ersten Kennenlernens. Mir war klar, dass ich hätte alles versauen können.
Sofort machte ich mich auf den Weg zum Blumengeschäft und kaufte siebzehn, die Glückszahl von Sara, rote Rosen. Ich wusste, dass das nicht reichen würde und so fuhr ich auch noch zum Juwelier und entleerte fast mein ganzes Konto und kaufte eine wunderschöne Kette.
Der Tag verlief so doch noch glimpflich. Zwar war Sara immer noch etwas sauer, doch sie wusste, in welchem Stress ich derzeit war, immerhin waren die letzten Wochen so ereignisreich wie nie, und verzieh mir.

Schlussendlich war klar, wie die nächsten Wochen und Monate verliefen:
Zusammen mit Sara bezog ich eine Eigentumswohnung am Stadtrand Bremens, diesmal machte sie keinen Rückzieher. Ich trainierte nach Franks Plan und so hatte ich über den ganzen Winter eine entsprechend gute Form. Den Rennkalender verschoben wir jedoch nicht. Der Einstieg in West-Vlanderen blieb. Ich war mit dem Training hochzufrieden. Es belastete mich nicht zu sehr und außerdem merkte ich, wie ich stärker wurde. Frank sagte mir, dass das Team doch noch mehr deutsche Fahrer enthalten würde, konnte mir allerdings noch keine Namen nennen. Dann war da noch dieses Wochenende im Harz. Das Training war scheußlich. Ich musste mich jeden Anstieg hoch quälen und mit ansehen wie viele andere locker an mir vorbeifuhren. Der Höhepunkt war die Fahrt auf den Brocken. Vor allem der Wind setzte mir oben sehr zu und ich musste mit dem Auto runter. Ich hätte keinen Meter mehr geschafft. Dieser Trip machte mir klar, dass sich noch einiges bessern muss in Sachen bergauf, und auch bergab hatte ich teilweise Probleme und musste mich stark konzentrieren, damit ich mich nicht versteuerte. Im Großen und Ganzen war ich aber froh über die Erfahrung und wusste, dass Frank Recht behalten hatte.

Nun schaute ich in den Himmel und hörte die anderen hinter mir: „10, 9, 8, 7…“ Das Jahr 2008, das erste als Radprofi, konnte kommen. „Frohes Neues Jahr!“ Sara kam zu mir, umarmte und küsste mich herzlich. „Das wird dein Jahr!“, flüsterte sie mir zärtlich ins Ohr und ging dann zu den anderen, um Ihnen eine frohes Neues zu wünschen. Dann kam Marius zu mir. Seit einer Woche bereits trug er nicht mehr den Helm. Zwar später als erwartet, doch wir allen waren froh, dass er nun wieder befreit war. Ihm ging es auch wieder den Umständen entsprechend gut. Zwar darf er mindestens ein Jahr lang keinen Sport mehr betreiben und muss höllisch aufpassen- aber er war wohl auf. Auch er umarmte mich:
„Frohes Neues Jahr! Jetzt gilt’s. Zeig was du kannst!“
„Frohes Neues Marius! Ihr habt so hohe Erwartungen in mich. Warum?“
„Weil wir wissen was du kannst.“
Ex-Profi Cédric Vasseur via Twitter: "Der Radsport wurde wieder einmal vor der ganzen Welt lächerlich gemacht...Bravo!!!"

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PepsiLight
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Beitrag: # 6724572Beitrag PepsiLight
25.7.2008 - 15:05

19.7.2001 - Ein Rennen mit Folgen

Pepe wollte dieses Rennen gewinnen.
Er hatte sich monatelang nur auf diesen einen Tag vorbereitet.
Topfit war er, bei seinem Tag. Zu dieser Zeit schlug ihn niemand am Berg. Kein Gleichaltriger konnte ihm in Südamerika das Wasser reichen.
Er gewann alles, was man in jungen Jahren auf seinem Kontinent gewinnen konnte. So qualifizierte er sich für ein bedeutendes Jugendrennen in Europa.

Nun stand er also an der Starlinie. Die Gedanken waren verschwunden. Ronald war wie in Trance.
Sein erstes Rennen in Europa, dazu in Spanien, eine der größten Radsportnation, begann mit dem Startschuss.
Die Traube der Fahrer setzte sich in Bewegung.
Pepe fühlte sich nach den ersten 30 Kilometern super, der Tritt war rund.
Es war ein sehr anspruchsvoller Klassiker, bei dem jeder auf sich alleine gestellt war. 180 Kilometer lang, mit 2 hohen Bergen am Schluss, die nur durch eine Abfahrt getrennt waren.
Teams gab es nicht, dem Gewinner winkte ein Platz in einem Profiteam.
und um diesen kämpften ca. 80 Fahrer.
Das Peloton hatte keine Probleme die Ausreißer wieder einzuholen, jeder beteiligte sich an der Arbeit.
Als der erste Berg begann, wurde für Pepes Verhältnisse sehr hohes Tempo gemacht. Er dachte sich, dass das ja kein problem sei, die würden das ja schließlich auch nicht länger durchhalten können.
Falsch gedacht. Das Tempo blieb konstant und als sie kurz vor dem Gipfel angelangt waren, wurde das Tempo erneut erhöht und Pepe ließ abreißen.
Er überquerte den Berg mit einer Minute Rückstand.
In der Abfahrt ging er ein ziemlich hohes Risiko ein und gerade als der Schlussanstieg begann, hatte er es doch tatsächlich geschafft. Er war wieder in der Spitzengruppe, die ungefähr 45 Mann zählte.

Es war sehr steil, an die 10%.
Das Tempo war nun noch höher als am ersten Berg.
Doch Pepe fasste sich ein Herz und trat an. Er flog förmlich den Berg hinauf. Er beschleunigte weiter und weiter.
Als er sich umdrehte um zu sehen, wie weit er die anderen Fahrer abgehängt hatte, bekam er wahrlich einen Schock.
Nahezu alle waren dicht hinter ihm, sie sahen blendend aus.
Pepe hatte überzogen. 5 Kilometer waren es noch bis ins Ziel.
Er kämpfte um nicht den Anschluss zu verlieren, doch schon 1000m weiter war er aus der spitzengruppe zurückgefallen.
Pepe war kaputt, er konnte nicht mehr.
Fahrer um Fahrer überholte ihn. Als er das Ziel erreichte, war er 18 Minuten hinten und als Letzter über die Linie gerollt.
Dabei hatte er sich so fit und gut gefühlt.

Er stellte sein Rad in eine Ecke, setzte sich vor es und begann hemmungslos zu weinen.
Das kann doch nicht sein, dachte er immer wieder.
Das Rennen hatte am Ende ein Italiener namens Riccardo Riccò gewonnen.
Warum konnte er hier niemandem Paroli bieten?
Doch zu dieser Frage würde er bald eine Antwort finden.
Bild Monaco
#28

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Grabba
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Beitrag: # 6724747Beitrag Grabba
25.7.2008 - 21:48

Feuer und Blut

„Hey Willie! Alles in Ordnung bei dir?“
„Oh, hi Julian! Warum sollte es nicht in Ordnung sein?“
„Ich weiß von dem, was dir widerfahren ist.“
„Wovon?“
„Von allem.“
„Woher?“
„Ich habe mit deiner Freundin geredet.“
„Meine Freundin? Ich habe keine Freundin.“
„Du bist nicht mit der hübschen Kleinen zusammen? Aber du kennst sie doch?“
„Meinst du Jayla?“
„Ja.“
„Sie ist meine beste Freundin. Nicht mehr, und nicht weniger. Und nebenbei noch der beste Mensch, den es auf der Welt gibt. Aber... was hat sie dir erzählt?“
„Wie ich schon sagte: Alles. Sei ihr nicht böse.“
„Wie könnte ich?“
„Gut. Darf ich offen mit dir reden, ohne dass es dir zu Kopf steigt?“
„Ich bin gefestigt. Sprich nur.“
„Du bist das größte neuseeländische Radtlent aller Zeiten. Das steht für mich außer Frage. Ich kann nur träumen von den Erfolgen, die du im Radsport erringen kannst. Doch es wird Zeit, dass du endlich als Profi nach Europa kommst. Wenn du noch länger wartest ist es irgendwann zu spät.“
„Heute Abend werde ich wieder Profi sein. Du wirst schon sehen.“
„Bist du dir da so sicher?“
„Ja.“
„Warum?“
„Ich zweifle nicht. Das reicht.“
„Deine Zuversicht in Ehren, Willie. Doch wenn keine Scouts hier sind wirst du auch keinen Vertrag erhalten.“
„Das mag sein. Doch zuerst habe ich ein Rennen zu fahren.“
„Das ist richtig... Wirst du nach der Siegerehrung noch ein wenig Zeit für mich haben?“
„Meine Familie wartet dort auf mich.“
„Werden sie kein Verständnis haben?“
„Doch. Also gut.“
„Schön, Willie. Bist du wieder so gut dabei wie letztes Jahr? Wirst du mir wieder so ein verteufelt hartes Rennen liefern?“
„Nein. Es wird kein Duell zwischen uns geben.“
„Was? Warum bist du dann hier, wenn du gar nicht gewinnen willst?“
„Habe ich das gesagt? Ich sagte, es wird kein Duell zwischen uns geben. Rund 15 Kilometer vor dem Ziel steht eine Steigung an. Fast zwei Kilometer lang geht es auf Schotterstraßen bergan. Dort werde ich attackieren.“
„Warum sagst du mir das?“
„Weil du mir doch nicht folgen kannst. Niemand wird das können. An dieser Stelle werde ich das Rennen gewinnen. Wirst du wenigstens zweiter werden?“
„Na, ich werde es versuchen. Wir sehen uns dann im Ziel.“


Halb lächelnd, halb ungläubig-verwirrt sah Julian Dean ihm nach, als Willie sich ins Starterfeld einreihte. Nach seinem grandiosen zweiten Platz im letzten Jahr erkannten ihn einige seiner Konkurrenten wieder und nickten ihm zu. Von seinen Eskapaden und Rückschlägen war in den Medien nichts berichtet worden. Hier erhielt er die Bestätigung. Außer Dean schien niemand Bescheid zu wissen. Warum hatte Jayla ihm das alles erzählt? Und woher kannte er Jayla? Die Beantwortung dieser Fragen musste waren. Fest stand jedoch, dass Dean verschwiegen war. Er und Willie verstanden sich sogar richtig gut. Und scheinbar hatte Dean sich vorgenommen, Willie bei der Teamsuche zu helfen. Ob Dean gar die Teamleitung bei Slipstream dazu hatte überreden können, ihm einen Platz anzubieten? Nein, daran mochte Willie noch nicht glauben.
Doch zuerst galt es ein Rennen zu fahren und zu gewinnen. Willie war aufmerksam, fuhr stets im vorderen Viertel des Feldes. Wie so ziemlich alle Fahrer ging auch er gelegentlich durch die Führung. Echte Mannschaften waren hier nicht vertreten, sondern fast nur Einzelkämpfer. Das kam ihm und Dean natürlich entgegen. Während des Rennens fuhren sie eine Weile Seite an Seite. Plötzlich gab Willie Dean einen Wink, ihm an die Spitze des Feldes zu folgen. Einige hundert Meter voraus sah man einen ersten Anstieg auf einer Schotterstraße. Willie fuhr bereits an dritter Position im Feld. Dean hielt sein Hinterrad. Mit dem Beginn des Anstiegs übernahm Willie die Führung und schlug ein höllisches Tempo an. Es war keine Attacke, doch er wusste, dass hinter ihm alle zu beißen hatten. Rund zwei Kilometer lang ging es bergan. Oben schaute er sich kurz um und nickte zufrieden. Zehn bis zwölf Fahrer hingen noch an seinem Hinterrad, die meisten schnaufend. Dahinter klaffte bereits eine große Lücke. Zu groß, um wieder geschlossen zu werden. Gemeinsam ging es nun erst bergab, dann weiter im Flachen. Alle gingen durch die Führung, denn alle waren glücklich, bereits einen so großen Teil des Feldes abgehängt zu haben. Willie lächelte in sich hinein. Mehr als Platz zwei wäre für niemanden drin, ganz gleich wie viel sie auch kämpfen mochten. Doch das konnten sie nicht wissen.
Rund 30 Kilometer waren noch zu fahren. Es folgte die erste Attacke. Schnell wurde der Angreifer wieder gestellt. Auch die zweite Attacke blieb erfolglos. Dean mahnte zur Ruhe. Es ging gemeinsam weiter. Um Willie herum schnauften einige schon ganz stark. Er selbst hingegen fühlte noch keine übermäßigen Anstrengungen. Doch auch das würde sich bald ändern. Dann sah er ihn vor sich, den Anstieg, den er sich für seinen finalen Schlag ausgeguckt hatte. Er blickte sich um. Dean hielt stets ein Hinterrad. Also hatte sein Kontrahent den Anstieg auch gesehen. Durch seine Ankündigung hatte er sich um die Möglichkeit einer Überrumplung gebracht. Doch er wusste, dass er stark genug war, sich dennoch abzusetzen.

Er schaltete seine Gedanken aus. Da vorne bog der Weg nach rechts ab. Dort ging es bergan. Er brachte sich in Position. Um die Kurve, und schon waren sie in der Steigung. Willie zögerte nicht sondern trat an. Im selben Moment fuhr der Führende in der Gruppe einen gewaltigen Schlenker. Willie konnte nicht mehr ausweichen und fiel auf den Boden. Er sah Blut an seinen Händen. Es war egal. Er durfte nicht zögern, sonst wäre er verloren. Er sprang auf, wieder auf sein Rad, spurtete los. Er hatte kaum Zeit verloren. Noch 80 Meter waren sie vor ihm, noch 50, noch 30. In einem Zug daran vorbei. Anders ginge es nicht. Willie schoss von hinten heran und an der Gruppe vorbei. Man hatte ihn kommen sehen, doch niemand besaß auch nur den Hauch einer Chance, ihm zu folgen. Noch war es weit genug bis zum Gipfel, um sich richtig abzusetzen. Er spurtete weiter. Es gab kein Morgen mehr. Noch nie in seinem Leben hatte er so gekämpft.
Als er die Hügelkuppe erreicht hatte schaute er sich um. Der Rest war geschlagen. Erst jetzt spürte er, wie sehr seine Beine brannten. Sie waren feuerrot. Seine Hose und sein Trikot waren zerfetzt. Seine Knie bluteten. Seine Hände bereiteten ihm unmenschliche Qualen. Er wollte jede Sekunde den Lenker loslassen, doch er durfte nicht. Von seinen Unterarmen tropfte das Blut. Er musste einen schrecklichen Anblick bieten. Lange würde er es nicht mehr aushalten können. Aber es waren ja auch keine zehn Kilometer mehr bis ins Ziel. Er musste es schaffen. Trotz der Schmerzen. Willie biss die Zähne zusammen.
Einen Teufelslappen wie bei den Rennen in Europa gab es hier nicht. Aber ein Schild. Einen Kilometer noch. Es kam wie eine Erlösung. Länger hätte er die Schmerzen und den Blutverlust nicht mehr ertragen können. Dazu die zermürbende Hitze, der viel zu hohe Ozongehalt in der Luft. Willie wurde schwarz vor Augen. Er nahm noch einmal den letzten Willen zusammen. Verschwommen konnte er gerade noch die Begrenzungen an der Seite der Straße erkennen. Doch mehr musste er auch nicht sehen. So rollte er über die Ziellinie. Kein Jubel. Er hätte es keinen Meter länger ausgehalten. Es wurde ihm endgültig schwarz vor Augen. Bewusstlos ging er zu Boden.

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Österreicher
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Beitrag: # 6724756Beitrag Österreicher
25.7.2008 - 22:19

Ted Foster
Juli 2007
Nimm den Job

Lange überlegte er, sollte er oder sollte er nicht. Es war ein Einwegticket. Doch er entschloss sich für diesen Weg. Er rief Beth zurück. Zu Beginn wollte er nicht zuhören. Doch dann traute er seinen Ohren nicht. Sie erzählte, dass sie ihn zurückholen wollte. Zurück in die wahre Welt des Radsports. Nicht am Rande, wie es bis jetzt bei Spezialised der Fall war, nein, wieder als Scout, so wie vor fast einem Jahr, als er alles zu verlieren glaubte. Er biss die Lippen zusammen. Nur kurz überlegte er, dann hatte er sich entschieden. Endgültig wie er fand. Er lehnte ab. Er wollte es nicht. Nicht wieder auf unsicheren Boden, nie wieder, das hatte er sich einst geschworen. Es war gut wie es war. Alles, jeder einzige Punkt seines Lebens war gut so. Beth verabschiedete sich enttäuscht. Es kam ihm vor, als wäre es das letzte Mal für sehr lange Zeit, dass er etwas von ihr gehört hatte.

Noch am selben Tag entschloss er sich mit seiner Mutter darüber zu reden. Er hatte riesige Angst. Seine Mutter spürte die Wichtigkeit dieser Entscheidung. Es würde sein weiteres Leben entscheiden. Sie entschied gegen ihren Willen, denn auch sie genoss es, wieder mehr Zeit mit ihrem ältesten Sohn zu verbringen.
„Ruf Beth noch einmal an. Es ist gut so wie es ist, aber trotz der Vorfälle im letzten Jahr, hattest du nur wenn es um deinen Sport, um den Radsport, ging, dieses Leuchten in den Augen. Ich weiß, dass uns diese Entscheidung wohl wieder trennen wird, doch ich bin bereit dieses Risiko für dich einzugehen. Ich glaube, nein ich weiß, du solltest dir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.“
Ted war überrascht diese Antwort von seiner Mutter zu bekommen. Er bedankte sich. Ihre Meinung half ihm weiter, aber er wusste noch immer nicht recht. Als er sich bereits von seiner Mutter verabschieden wollte, kam plötzlich sein Vater ans Telefon. Nie hatte er sich eingemischt, aber nun meldete auch er sich zu Wort. Ted war sprachlos. Niemals hätte er solch einen Satz seines Vaters erlebt, obwohl er oft von ihm belehrt wurde, meist als Kind noch.
„Tu es. Nimm den Job. Keiner weiß besser als ich, dass man manche Chancen nur einmal bekommt. Ich wünsche dir einfach Glück. Und denke zumindest manchmal an uns.“

Nun war es für Ted entschieden. Er legte auf und tippte nach kurzem Warten die Nummer Beths ein. Er entschuldigte sich für sein abweisendes Verhalten am Morgen, dann nahm er Beths Auftrag an. Sie wusste, dass es ihm gut tun würde, doch das wagte sie nicht zu sagen. Ebenso wie sie sich darüber im Klaren war, dass er nie wieder für die USCDF arbeiten würde, doch das war ihr in dem Moment auch ziemlich egal. Sie wollte sein Bestes, nicht ihr Bestes.

Ted würde nach Neuseeland reisen. Beth hatte einen Insidertipp bekommen. Ein junger Fahrer namens Willie Trimboli hatte sich dort in den vergangenen Wochen und Monaten einen Namen im Fahrerfeld gemacht. Erstmals hörte sie den Namen nach den diesjährigen neuseeländischen Meisterschaften, als er nur knapp von Julien Dean geschlagen wurde.
Ted willigte ein. Bereits am Samstag in einer Woche würde er zu einer Rundfahrt in Neuseeland aufbrechen. Dort würde er für sein Team am Start sein. Ted sollte ihr sagen, ob er für ein amerikanisches Profiteam in Frage kommen würde. Bezahlung wollte Ted keine. Das war ihm vorerst zuviel. Sie sollte einfach die Reisekosten übernehmen. Etwas verdutzt sagte Beth ja, und verabschiedete sich danach von Ted. Die genauen Daten würde sie ihm noch zukommen lassen.

Ted war angekommen. In Neuseeland. Nie zuvor war er dort gewesen. Er war bereit in den USA, in Kanada, Großbritannien, Südafrika und in Australien auf Talentsuche gewesen, aber Neuseeland war Neuland. Wie der Name bereits sagte. NEU. Ein Fehler wie er dachte. Das Land faszinierte ihn. Die Berge ragten vor ihm in die Höhe. Christchurch nannte sich die Stadt in der er sich im Moment befand. Ein seltsamer Name wie er dachte, doch dem schenkte er nicht mehr Bedeutung. Morgen würde hier der Start zur Rundfahrt fallen. Eine Woche würde er sich dann mit dem Tourtross quer durch Neuseeland bewegen.
Beth hatte für alles gesorgt. Auch einen Wagen hatte sie für ihn bereitgestellt. Bedanken, schoss ihm durch den Kopf. Dann wurde er auch schon ausgerufen. Sogar ein Empfangskomitee hatte man ihm zur Verfügung gestellt. Im Hotel angekommen, erledigte er noch rasch die Anreiseformalitäten um dann völlig erschöpft ins Bett zu fallen. Morgen war er wieder zurück, das war sein letzter Gedanke.
Zuletzt geändert von Österreicher am 30.7.2008 - 0:54, insgesamt 1-mal geändert.
DanyHilarious
Bananen Sind Kalt. Echt?!.

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Beitrag: # 6724807Beitrag Österreicher
26.7.2008 - 0:37

Ted Foster
Juli 2007
Ein Problem der Kommunikation

Es war zum Kotzen. Ted wäre am liebsten sofort wieder abgereist. Es gab kein Rennen, keinen Willie Trimboli, keine Rückkehr. Beth hatte ihn angelogen, all diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Als er am nächsten Morgen aufstand, wusste er nicht wie ihm geschah. Er erkundigte sich nach dem Startort der heutigen Etappe, und man blickte ihn verdutzt an. Ein Benefizrennen gab es, aber kein Rennen mit Willie. Das, aber noch viel mehr verwirrte Gesichter bekam er als Antwort.

Er rief Beth an. Sie hatte bereits alles erfahren. Es gab ein Rennen, aber nicht hier, nicht jetzt. Sie wusste nicht wie es zu dem allen gekommen war. Ein Fehler in der Informationsweitergabe, ein Problem der Kommunikation. Viele Male entschuldigte sie sich bei Ted. Und ja, nach einer Weile konnte er ihr nicht böse sein. Sie sagte sie würde ihn heute noch einmal anrufen, und im die weitere Vorgehensweise mitteilen. Er würde auf jeden Fall zu diesem Rennen kommen, wie war auch ihr egal. Sie wollte nur, dass er in der Nähe bliebe. Aber wo sollte er auch hin. Nach einem ausgiebigen Frühstück, entschloss er sich eine Runde durch die Gegend zu machen. Er fuhr bis an den nördlichen Stadtrand Christchurchs. Der Ausblick war wundervoll. Ted genoss ihn mit vollen Zügen. In genau diesem Moment schwor Ted sich, Neuseeland auch privat einmal zu besuchen. Und wer weiß, das vielleicht dann bereits mit seiner Freundin oder sogar Frau. Nein, diesen Gedanken verwarf Ted sofort wieder. Obwohl er in letzter Zeit mehr und mehr Gefallen daran fand. An der Freundin vorerst natürlich, nicht an der Frau. Sie fanden nun vielleicht doch Platz in Teds Leben. Doch irgendwie war er noch nicht bereit dafür.
Er bremste. War das gerade ein amerikanisches Lokal gewesen. Naja, eigentlich war es ja egal, amerikanisches Bier würden sie wohl überall haben.

Er trat ein, setzte sich hin, und bestellte ein Bier. Er entschied sich dabei dann doch gegen Amerika und für Australien, Fosters um genau zu sein. Die Barkeeperin fragte ihn, ob er aus Australien sein, weil ansonsten selten jemand ein Fosters bestellte. Rivalität zweier Nachbarländer fügte sie dem noch hinzu. Nein, Ted war gewiss nicht aus Australien. Columbus, USA, war seine kurze Antwort. Die Barkeeperin war nett, und hübsch, das musste Ted zugeben. Es war nicht viel los, und sie setzte sich zu ihm. Sie begannen zu tratschen. Man konnte es nicht einer Unterhaltung gleichsetzen, dazu war zuviel Smalltalk dabei, dachte Ted mit einem Schmunzeln. Dann kam ihm eine Idee.
Er fragte nach Willie Trimboli. Sie kannte ihn. Zu Beginn erzählte sie ihm von seinen Alkoholeskapaden, doch dann gab sie zu ihm seit langem kein Bier mehr ausgeschenkt zu haben. Viel zu sehr kontrollierte er sich in letzter Zeit auf den Radsport. Selbst hatte sie ihn nie gesehen, doch man erzählte viel in ihrem Pub. Und sie bekam es mit. Auch das er im Frühjahr bei den neuseeländischen Meisterschaften einigermaßen gut abgeschnitten hatte, aber das war für Ted kein Neuland mehr. Das wusste er. Dann verabschiedete Ted sich. Er hatte einiges über Willie erfahren. Vorerst genug, wie er fand.

Gleich nach seinem Aufenthalt in diesem Pub hatte Beth angerufen. Sie hatte mittlerweile herausgefunden, wo dieses Rennen wirklich stattfand, und Ted auch bereits alles organisiert. Er war froh, dass wenigstens das nun rasch funktioniert hatte. Ein elendslanger Flug stand ihm nun bevor. Genügend Zeit um wieder einmal über sein Leben nach zu denken. Und seine Gedanken waren wieder mehr geworden.
Zuletzt geändert von Österreicher am 30.7.2008 - 0:54, insgesamt 1-mal geändert.
DanyHilarious
Bananen Sind Kalt. Echt?!.

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Beitrag: # 6725004Beitrag Österreicher
26.7.2008 - 18:43

Ted Foster
Juli 2007
Steve Edwards

Die Tage vergingen wie im Flug. Ted genoss es zurück zu sein. Es war nie schöner gewesen. Tag für Tag stand er mit Freude auf. Er kostete einfach alles bis zur letzten Minute aus, war es auch nur das Fahren mit seinen neuen Mietwagen hinter dem Peloton.
Diesen ominösen Willie Trimboli zu beachten, das gefiel ihm. Er hatte ihn schnell durchschaut, sein Talent erkannt. Aber auch seine Schwächen. Die meisten davon hatte er aber durch seinen kurzen Aufenthalt in Christchurch erfahren. Ein starker Wille zeichnete ihn aus, aber Teamfähigkeit und Konstanz, das waren wohl seine Schwächen. Willie hatte die Rundfahrt gewonnen, nach einer sensationellen Flucht auf der vorletzten Etappe. Doch etwas machte ihn stutzig. Er sollte bald die wahre Geschichte erfahren.

Willie war nach seinem Soloritt von seinem Team gefeuert worden, er hätte seinem Teamkapitän helfen sollen, doch er fuhr seinen Sieg nach Hause. Am letzten Tag durfte er dank Sondergenehmigung der Rennleitung starten. Jedoch hatte auch Ted seinen Anteil daran. Er erinnerte die Rennleitung daran, das sie selten wieder solch ein Talent in ihrem Starterfeld haben würden, ob sie das umstimmte erfuhr er jedoch nicht. Aber es war im wieder einmal egal. Willie startete am nächsten Tag, und gewann die Rundfahrt. Ted sprach nicht mit ihm, es war zu früh, wie er selbst fand. Er hatte sich allerdings über den Jungspund informiert, genug um zu wissen wer er war. Ein Mann, der so wie er selbst nicht genau wusste, was er wollte. Am Ende der Rundfahrt reiste er wieder ab, mit gleichem Gepäck, aber ein Talent im Ärmel. Er würde ihn wieder sehen, das wusste er. Nur die Umstände waren ihm zu diesem Zeitpunkt noch schleierhaft.

Zuhause erst telefonierte Ted mit Beth. Er erzählte ihr, dass Willie eine Menge Talent hatte. Doch als er das für ihn bestimmte Team erfuhr, schweifte er mehr und mehr von seiner Linie ab. Am Schluss verabschiedete sich Beth mit einer Absage, Ted war froh darüber. Ein komisches Gefühl erfüllte Ted. Er hatte es selten zuvor gefühlt. Manche mögen es Zuneigung nennen, er nannte es Fremdschutz. Er hatte Willie geschützt, geschützt vor einem Team, das sein Talent nicht zu schätzen werden wüsste. Lieber ohne Team, als dieses, dachte sich Ted.

Wenige Tage später traf er sich erneut mit seinen Freunden in seinem Stammpub. Man kannte ihn mittlerweile (wieder) dort, vielleicht hatte man ihn aber auch nie vergessen. Er wusste es nicht.
Sie setzten sich an die Theke. Dort saß nur ein weiterer Typ. Auch ein Stammkunden, Ted hatte ihn in letzter Zeit öfters hier angetroffen, aber zuordnen konnte er ihn nicht. Er musste etwa in seinem Alter sein, dachte Ted.
Als er nach einer Weile wieder einen flüchtigen Blick in Richtung des Typen warf, sprach ihn die Barkeeperin an. „Mr. Edwards“, nannte sie ihn. Es klickte. Edwards, Steve Edwards, sein alter Kumpel aus der Schule. Nach einer ausführlichen Begrüßung, Ted schätzte sie auf mindestens 5 Minuten, redeten sie den ganzen Abend über die alte Zeit, dann aber auch über das Heute. Steve war Internetmillionär, hatte sich mit Werbung eine goldene Nase verdient, aber das störte Ted nicht im Geringsten. Und nach all den Geschichten und noch viel mehr Bier, hatten die beiden plötzlich eine Idee, und war sie noch so idiotisch und unmöglich: Sie wollte gemeinsam ein Radsportteam gründen mit Ted Wissen und Steves Geld, sie Beide, alles andere würde die Zeit klären.
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DanyHilarious
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27.7.2008 - 1:04

Getrübte Idylle

Als er die Augen wieder öffnete lag er in einem Zelt. Er sah einen Sanitäter neben sich stehen. Dieser betupfte gerade seinen linken Arm. Es brannte höllisch. Verfluchte Desinfektionsmittel. Verfluchter Sturz. Aber er hatte gewonnen. Trotzdem. Das machte seinen Sieg nur noch viel wertvoller. Er machte die Augen wieder zu und biss auf die Zähne. Eine warme Hand ergriff seine rechte. Er brauchte die Augen nicht zu öffnen. Diese Hand war ihm besser bekannt als jede andere. Sie hatte ihn durch sein ganzes Leben geleitet. Seine Mutter stand bei ihm.
Zwanzig Minuten später humpelte er zum dem Siegerpodest. Julian Dean war zweiter geworden, Gregory Henderson dritter. Beide hatten nur auf ihn gewartet. Denn das neuseeländische Mesitertrikot trug er, Willie Trimboli. Er reckte die Arme in den Himmel. Den Blumenstrauß warf er nicht ins Publikum. Zu groß war die Chance, dass der Strauß von der Falschen gefangen würde. Als sie das Podest verlassen hatten legte Dean ihm die Hand auf die Schulter.
„Ich bin tief beeindruckt.“
Der neuseeländische Star verneigte sich vor ihm. Eine heiße Wallung kam in Willie empor. Ja, dieses Gefühl war wohl Stolz zu nennen.
„Also Willie, kannst du dich auf den Beinen halten?“
„Ja, es wird schon gehen. Ich bin ja schließlich auch zehn Kilometer blutend Rad gefahren.“


Doch sie wurden unterbrochen. Der Fahrer, der Willies Sturz verursacht hatte, stand vor ihm und schaute ihn verlegen an. Willie kannte seinen Namen nicht, doch das war ihm herzlich egal.
„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht umfahren. Ich... hätte es nicht für möglich gehalten, dass in diesem Moment irgendwer mit einer solchen Geschwindigkeit angeschossen kommt. Ich war total am Limit und konnte nur noch auf mich selbst schauen. Ich war so schockiert, als ich dich dort liegen sah. Das wollte ich wirklich nicht.“
Willie nickte nur. Was hätte er auch sagen sollen?
„Ich hoffe, du bist mir nicht böse?“, begann der andere nach einer Pause.
„Böse? Wieso sollte ich? Ich habe das Rennen doch trotzdem noch gewonnen. Darum ging es mir heute, und um nichts Anderes. Wie könnte ich da ernsthaft sauer sein?“
Willie reichte ihm die Hand. Der andere nahm sie entgegen und wirkte erleichtert, als er ging.

„Na dann lass uns mal gehen.“, sagte Dean. Doch wieder wurden sie aufgehalten. Dieses Mal war es Willies Familie, die ihn beglückwünschen wollte. Sein kleiner Bruder Tommey war der erste, der ihm in die Arme sprang. Willie stieß einen Schmerzensschrei aus. Tommey sprang einen Schritt zurück und blickte ganz verlegen zu Boden.
„Na komm, kleiner Mann. Hier, der ist für dich.“
Willie reichte ihm den Pokal, den er gewonnen hatte. Tommey schaute ihn nur mit großen Augen an. Eine Freudenträne lief sein Gesicht hinab. Der kleine war sichtlich stolz auf seinen großen Bruder, und dadurch auch stolz auf sich selbst. Das konnte man ihm ansehen. Er nahm den Pokal und sprang vor Freude im Kreis. Willie war sicher, dass Tommey sich den Pokal in sein Zimmer stellen und ihn dann ständig anstarren wrüde. Auch Megan und sein Vater beglückwünschten ihn, wenngleich vorsichtiger und sanfter als Tommey es getan hatte. Zuletzt kam seine Mutter zu ihm und gab ihm einen Kuss. Früher hatte er das nie gewollt. Mittlerweile machte es ihn glücklich.
„Und der ist für die beste Mutter, die ich habe.“
„Na, ich bin ja auch deine einzige.“
„Er ist trotzdem für dich. Hier nimm“
„Danke. Mein Held!“

Sie hielt den Blumenstrauß in der Hand und blickte stolz auf ihren Sohn. Auch das freute ihn. Selten zuvor war er so glücklich gewesen wie in diesen Minuten.

Doch jetzt richtete sich seine ganze Aufmerksamkeit auf Jayla und den Mann an ihrer Seite. Seit einigen Wochen hatte er Jayla nicht mehr gesehen. Vor vier Tagen war er nach Christchurch gekommen, um zu Hause die letzten Tage vor den Meisterschaften zu verbringen. Er hatte Jayla besuchen wollen, doch sie hatte abgeblockt. Sie habe so viel zu tun und gerade gar keine Zeit. Aber beim Rennen wäre sie schon da. Willie hatte lange gegrübelt, was wohl los war. Hatte er irgendetwas falsch gemacht? Warum hatte sie auf einmal keine Zeit mehr für ihn? Und wer war der Mann, der dort neben ihr stand? Jaylas Freund? So ein alter Kerl? Er mochte gar nicht daran denken.
Zaghaft ging Willie auf sie zu. Erst lächelte sie leicht, dann lief sie los. Ein breites Grinsen hatte sich auf ihr Gesicht gelegt. Sie stand vor ihm und umarmte ihn. Willie schloss seine Augen. Keine Worte, weder von ihr noch von ihm. Wozu auch? Er hatte sie vermisst. So standen sie wohl eine Minute lang da, bis sie sich langsam wieder von ihm löste.
Der Mann an ihrer Seite war inzwischen neben sie getreten. Er war um die 35 Jahre alt, recht schlank und etwas kleiner als Willie, gekleidet in Jeans und ein sportliches T-Shirt. Er blickte gutmütig drein. Fast hätte man sein Gesicht vertrauenserweckend nennen können. Hätte Willie ihn unter anderen Umständen kennengelernt hätte er diesen Mann wohl sympatisch gefunden, aber so? Er störte das perfekte Bild. Dieser Augenblick sollte ihm und seiner Familie gehören. Und Jayla. Mit ihnen wollte er seinen Triumph genießen. Nicht mit irgend so einem Kerl. Dennoch streckte er ihm seine Hand entgegen.
„Und Sie sind Jaylas Freund?“
Der Mann lachte lauthals los. Auch Jayla kicherte.
„Oh nein, überhaupt nicht. Ich heiße Ted. Ted Foster.“

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Beitrag: # 6725276Beitrag Grabba
27.7.2008 - 12:07

Träumereien? Nicht bei ihm!

Steve Edwards, 35 Jahre alt. Ein typisches Beispiel eines amerikanischen Internet-Millionärs. Ein Mensch, der „aus der Unfähigkeit der Masse seinen Profit schlägt“, wie er selbst es ausdrückte. Er hatte ein kleines Internetportal aufgebaut, bei dem Leute sich ihre persönlichen Browser-Startseiten mit Links zu ihren Lieblingsseiten, kleinen Bilderchen und sonstigem Schnickschnack auf einfache Art und Weise zusammenbauen konnten. Das ganze hatte er im Laufe der Zeit, als der Erfolg sich eingestellt hatte, natürlich noch intensiv erweitert. Die Idee war neu gewesen und viele hatten daran Gefallen gefunden. Schnell hatte er großen Bekannt- und Beliebtheitsgrad damit erlangt, bis Google ihn irgendwann aufgekauft hatte. Es wurde von 100 Millionen gemunkelt. Er hielt sich dazu stets bedeckt.
Sein Lebensstil ließ alles vermuten, doch keinen Millionär. Er hauste in einer Wohnung in einem normalen Zweifamilienhaus in einem normalen Stadtteil von Columbus in Ohio. Ein kleiner Schlafraum, ein gemütliches, konservativ eingerichtetes Wohnzimmer, ein helles Arbeitszimmer mit einem großen Schreibtisch und einem Noteboock darauf und der Schatz seiner Wohnung: Der klimatisierte Rechnerraum. Kabel ohne Ende, fünf Monitore, etliche Rechner, zwei kleine Homeserver in der Ecke, ein ganzer großer Schrank voll mit Kabeln, Werkzeug und PC-Komponenten.
Wenn er einkaufen ging wurde er gelegentlich sogar als „Penner“ bezeichnet. Immer in einem gemütlichen Jogginganzug unterwegs, teilweise noch verschlafen, weil er die letzte Nacht vor dem Rechner verbracht hatte. Man sah ihm seinen Reichtum nicht an. Beleidigungen oder abwertende Blicke nahm er belustigt hin. Vermutlich gehörten viele der Spötter zu jenen Leuten, die all das nutzten, was er aufgebaut hatte.

Viele Freunde hatte er nicht. Ein paar Kumpels, einige Leute, die er flüchtig kannte, wenn er gelegentlich abends unterwegs war. Doch das war selten. Es gab drei Gleichaltrige, die er als Freunde bezeichnen würde. Von Zeit zu Zeit waren sie am Wochenende gemeinsam unterwegs. Das Beste an diesen Freunden war, dass es ihnen um ihn selbst ging, nicht um sein Geld. Bei den gemeinsamen Ausflügen zahlte er nicht mehr und nicht weniger als die anderen. Auch wenn er die Rechnungen oftmals alleine begleichen wollte wurde er von den anderen abgeblockt, die seinen Reichtum unter keinen Umständen ausnutzen wollten. Das zeigte Steve, was ihnen an ihm gelegen war. Auch und gerade deshalb waren diese gemeinsamen Wochenenden ihm immer eine gute Entspannung von seiner Arbeit am Computer.
Frauen brauchte er nicht und wollte er nicht. Sie würden ihm nur seine kostbare Zeit rauben, die er gut auch anderweitig verwenden konnte. Einmal war er einer Frau etwas näher gekommen. Als sie dann ihr Interesse deutlich werden ließ fragte er sie, ob es um sein Geld gehe. Nach einigem Zögern bejahte sie. Er stellte ihr einen guten Scheck und vergaß sie wieder. Ansonsten zeigten weder die Frauen sonderlich Interesse an ihm, noch er an ihnen. Er war sich mittlerweile sicher, alleine alt zu werden. Die Gewissheit schmerzte ihn nicht. Er würde schon immer genug zu tun haben.
Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater war ein einfacher Arbeiter, entsprechend niedrig sein Verdienst. Doch trotzdem oder vielleicht gerade deshalb war seine Familie ihm lieb und teuer. Sie hatten ihm trotz knapper Finanzen sein Studium finanziert. Seine Mutter hatte gearbeitet, um ihm das zu ermöglichen, was sie und ihr Mann nie hatten genießen können. Als er ein Jahr nach seinem Studium zum Millionär wurde kaufte er ihnen ein großes Haus und gab ihnen noch gutes Geld mit auf den Weg. Das Studium seiner kleinen Schwester finanzierte er ihr gerne. Seine Eltern besuchte er oft, und auch mit seiner Schwester traf er sich mindestens zwei Mal pro Monat. Was ihm an Freunden und Frauen fehlte gab ihm seine Familie mehrfach zurück. Er war glücklich damit.

Mit dem Radsport hatte er nie viel zu tun gehabt. Der Fernseher war selten an. So etwas betrachtete er als Zeitverschwendung. Es gab Wichtigeres zu tun im Leben. Trotzdem hatte Lance Armstrong ihn seinerzeit fasziniert. Er hatte sich manchmal gewünscht, diesen Helden eines Tages zu treffen. Dieser ungebändigte Wille, diese totale Fokussierung auf ein einziges Ziel – der Mann war einzigartig gewesen. Steve selbst hatte viel in seinem Leben erreicht. Aber die Leistungen solcher Sportler wie Armstrong stufte er noch höher ein als seine eigenen Errungenschaften.
Er selbst war kein besonders guter Sportler. Gelegentlich ging er joggen, manchmal fuhr er auch mit seinem Rad durch die Gegend. Aber er hatte weder das Talent, noch den Körper, noch den Ehrgeiz für den Sport. Aber er brauchte ihn auch nicht. Trotzdem hatte er nie eine Abneigung gegen den Leistungssport empfunden; ganz im Gegenteil. Er fand Gefallen daran. Vor allem an den Ausdauersportarten.
Mit dem Radsport hatte er nie viel zu tun gehabt. Das stimmt. Bis zu dem Tag, an dem er Ted wieder traft. Ted Foster, einen Freund aus der Schule. Nach dem Abschluss war Ted in die große, weite Welt hinausgezogen. Steve hatte diesen Entschluss damals bewundert. Er selbst war in Columbus geblieben, um zu studieren. Sie hatten sich völlig aus den Augen verloren. Und jetzt trafen sie sich wieder, abends in seiner Lieblingskneipe. Ted war schon einige Abende dort gewesen, aber keiner der beiden hatte den Anderen erkannt. Erst als die Barkeeperin ihn irgnedwann mit „Mr. Edwards“ anredete schaute Ted auf. „Edwards? Steve Edwards?“ – „Ja?“ – „Hey, ich bin’s, Ted! Ted Foster!“
Sie redeten den ganzen Abend. Viel Bier lief ihre Kehlen hinab. Ted konnte Steve die Faszination des Radsports näherbringen. Gemeinsam kam man, irgendwann tief in der Nacht, auf den absurden Gedanken, ein eigenes Radsportteam aus dem Boden zu stampfen. Als Steve sich am nächsten Tag aus dem Bett rollte rief er bei Ted an. Der war wohl schon einige Stunden auf den Beinen gewesen. Als Steve ihn auf das gemeinsame Team ansprach wusste Ted gar nicht, wie ihm geschah. Er hatte das alles für Rumblödelei und Träumerei gehalten. Nicht so Steve. Denn er war vor allem eins: Ein Dickkopf, und zwar ein überaus zielstrebiger. Was er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte gab er nicht mehr auf. So auch hier. Für ihn stand es fest: Er und Ted würden gemeinsam ein Radsportteam gründen. Bis heute hatte sich an diesem Vorsatz nicht das geringste geändert.
Zuletzt geändert von Grabba am 4.8.2008 - 23:03, insgesamt 2-mal geändert.

eisel92
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27.7.2008 - 12:51

Andrea Canfora – ein vergeudetes Talent?

Das Jahr 2006 war für Andrea Canfora kein Gutes. Er trainierte viel zu wenig, um bei den wichtigen italienischen Nachwuchsrennen auch nur den Hauch einer Chance zu haben. Das ganze Jahr über gab es nur wenige Lichtblicke, nur dann, wenn er mal zufällig das richtige Hinterrad erwischte und so praktisch unter die besten Zehn Fahrer des Rennens gezogen wurde. Die Unterstützung im kleinen, römischen Team, die er früher noch hatte, schwand langsam. Keiner hatte die großen Ambitionen Andrea’s, doch trainierten sie umso verbissener um ihren Kapitän einen guten Sprint anzuziehen. Dieser setzte aber mittlerweile einen nach den anderen in den Sand, und das nur deshalb, weil seine Trainingseinstellung nicht im Geringsten mit der eines Fahrers zu tun hatte, welcher Profi werden wollte. Andrea liebte die Nacht, liebte die Frauen, wollte keine Einschränkungen in seiner Freizeit. Wenn er einmal richtig Lust auf das Trainieren hatte, dann würde er ordentlich arbeiten, aber hartes Training zählte nicht gerade zu den Sonnenseiten des Lebens. Die Saison 2006 neigte sich dem Ende zu, nach wie vor wusste Andrea nicht zu überzeugen. Nicht einmal einen Podestplatz konnte er erringen. Die Konsequenz war klar, es musste etwas getan werden. Am Jahresende gab es eine Aussprache mit dem Teamleiter und den anderen jungen Fahrern, die sich langsam von ihren einstigen Leithammel abwendeten. Andrea war das relativ egal. Er glaubte zu wissen, dass er auch alleine Erfolg haben konnte. Wer brauchte schon die Unterstützung von diesen Leuten, die fast jeden Tag am Rad verbrachten um am Abend dann schon früh erschöpft ins Bett zu fallen. Wie konnte man überhaupt so leben? Andrea wollte Radprofi werden, ja, er liebte diesen Sport, aber solche Entbehrungen auf sich zu nehmen? Das konnte er sich zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen. Und daran änderte sich auch nichts, als er am Ende der Saison die Rolle des Sprintkapitäns verlor. Andrea lächelte kurz, stand auf und ging. Er kam nie wieder. Sollten sie doch schauen, wie sie ohne ihn zu Recht kamen.

Als er am nächsten Tag aufwachte, die Nacht hatte er wieder mal mit seinen Freunden in den Straßen und Clubs Roms verbracht, begann er langsam zu realisieren, dass er vom Traum des Radprofis noch nie so weit entfernt war wie jetzt. Er hatte keine Unterstützung mehr, er hatte keinen Verein mehr, er musste sich nun um Alles selber kümmern. Aber auch diesmal überschätzte sich Andrea und nahm vorerst alles auf die leichte Schulter. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass man ohne Unterstützung nicht weit kam. Auf seine Familie, auf die konnte er zählen. Wenn er einmal Probleme hatte und Hilfe brauchte, seine Eltern würden immer für ihn da sein. Aber weder sein Vater noch seine Mutter hatte Ahnung vom Radsport, zumindest was dies anbelangte war er nun endgültig auf sich alleine gestellt. Andrea glaubte indes den Grund für seinen Misserfolg in der vergangenen Saison gefunden zu haben. Es lag auf der Hand. Nicht er war das große Problem, sondern seine Teammitglieder. Sie wollten ihre eigenen Ambitionen wahrnehmen, und fuhren so nicht mit letztem Einsatz für ihn. Deshalb war er nie vorne dabei, deshalb fuhr er seine besten Ergebnisse ein, wenn er an das Hinterrad eines anderen endschnellen Fahrers ging. Die Rechnung dafür sollten sie noch präsentiert bekommen.

Anfang Februar 2007 wollte Andrea in die neue Saison starten. Über den Winter hatte er etliche Stunden auf der Rolle verbracht, seine allgemeine Trainingseinstellung hatte sich aber nicht geändert. Nach wie vor spulte er zu wenige Kilometer ab, um wirklich konkurrenzfähig zu sein. Sein Talent tröstete darüber etwas hinweg, aber das große Loch, das zwischen der Trainingsleistung anderer Fahrer in seiner Alterklasse und seiner klaffte, konnte auch seine natürliche Begabung nicht schließen. Andrea war allerdings davon überzeugt, dass er sich sehr wohl wenig Training leisten konnte. Als er vor seinem ersten Saisonrennen seine alten Teamkollegen sah, setzte er seine selbstsichere Miene auf. Die war auch gar nicht gespielt. Er war überzeugt, dass er heute alle in Grund und Boden sprinten würde. Eine achtzig Kilometer Schleife, dafür braucht man ja nun wirklich nicht trainieren. Das Rennen ging los, schnell war die erste Rennhälfte um, Andrea fühlte sich nach wie vor gut. Heute sollte sein Tag werden, das Trio, welches zwei Minuten vor dem Feld herumfuhr, war ihm egal. Irgendein Team würde die Lücke schon schließen, in dem Glauben, das Rennen dann durch ihren Sprinter gewinnen zu können. Schon jetzt achtete er darauf, welcher Sprinter wohl am Ende der Stärkste sein würde. Der Stärkste nach ihm natürlich. An dessen Hinterrad wollte er sich hängen.

Zwanzig Kilometer später hing Andrea am Ende des Hauptfelds, hatte einen Puls um die 200 Schläge. Er war am Ende, hatte schwer zu kämpfen, um nicht zurückzufallen. Langsam kam die Gewissheit hoch. Was er machte, war zu wenig. Der Lebensstil, den er und seine Freunde pflegten war ohne Zweifel ein angenehmer für ihn, aber ein Vertrag als Radprofi? Utopie. Er hatte in den vergangen Wochen und Monaten alles falsch gemacht was man nur falsch machen konnte, er ist vom rechten Weg abgekommen. Vor zwei Jahren war diese Einstellung noch undenkbar, er hatte fleißig trainiert. Er hatte zwar viele Freunde, aber abends weggehen? Lieber verbrachte er den Abend mit seiner Freundin, sie gab ihm Rückhalt, ihr gefiel es, dass er so für seinen Traum schuftete. Einige Wochen später teilte sie ihm mit, dass sie umziehen müsse. Andrea konnte sich noch genau erinnern. Es war ein schöner Abend. Sie waren mit Freunden ausgegangen, kamen nach Hause, lagen lange umschlungen auf der Couch, küssten sich, umarmten sich. Nie zuvor fühlte sich Andrea bei einer Frau so geborgen. Und dann lies sie die Bombe platzen. Ihr Vater war Schuld, er musste ins Ausland, würde dort erheblich mehr verdienen, und so weiter. Andrea war zu Nächst geschockt, dann zornig. Er glaubte, sie wolle ihn verlassen, und das Ganze sei nur ein Vorwand. Er warf sie raus aus der Wohnung, der Abend endete schrecklich. Danach trainierte er weniger, unkonzentrierter, trank mehr, genoss das Leben in zu vollen Zügen.

Jetzt zahlte er den Preis, 15.000 Meter vor dem Ziel wurde er abgehängt, von Fahrern, die er vor 12 Monaten noch mit einem Bein überholt hätte. War dies das Ende seiner Ambitionen? Zwei Kilometer später, das Hauptfeld war mittlerweile außer Sichtweite, stieg Andrea vom Rad. Er gab das Rennen auf, in diesem Moment wohl auch den Gedanken an seiner so gewünschten Karriere. Das Schlimmste daran war, das er selber Schuld war. Zwanzig Minuten saß er da. Er weinte nicht, das war nicht seine Art. Aus diesem Alter war er draußen, meinte er. Viel mehr war er wütend, wütend auf sich selbst. Das heutige Rennen war für ihn das Aha-Erlebnis, er musste seine Ausbildung fortsetzen, die er zuletzt für ein Jahr aussetzen ließ. Als er lange nach den anderen Fahrern ins Ziel kam, beachtete ihn niemand. Sein ehemaliger Sprintanzieher hatte das Rennen gewonnen, nun blickte er mit einem triumphierenden Lächeln auf Andrea hinab. Andrea spielte kurz mit dem Gedanken, sein Lächeln mit seiner Faust zu beenden, ließ es dann aber bei dem Gedanken. Was würde es ihm schon bringen, außer Ärger. Seine Eltern waren auch nirgendwo, wahrscheinlich steckten sie ihm Stau. Er lehnte sich an einem Baum und wartete, dachte weiter nach. Irgendjemand kam auf ihn zu. Andrea nahm die Sonnenbrille ab, doch er konnte den Mann nach wie vor nicht erkennen. Nein, diesen Typen kannte er nicht. Allem Anschein nach kannte dieser Mann aber sehr wohl Andrea, denn er blieb genau vor ihm stehen.
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Henrik
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Beitrag: # 6725388Beitrag Henrik
27.7.2008 - 17:48

Ein neues Leben

Marco stand vor einem freundlich wirkenden Gebäude, dessen Architekt gut verstanden hatte, Größe nicht bedrückend werden zu lassen. Eine schöne Gartenanlage, verwinkelte Flure, ein einladender Komplex. Dennoch, niemand wollte hier hin, aber jeder der Eingewiesenen hatte es dringend nötig. 40 Meilen nördlich von Chicago Downtown befand er sich, wenige Kilometer vom Lake Michigan entfernt in Waukegan. Andrew, der ihn vom Flughafen abgeholt hatte, führte ihn nicht zum großen Hauptportal, sondern zu einem kleineren Eingang. „Staff“, hieß es in großen Buchstaben auf der Tür, der Tür in ein neues Leben. Für ein Jahr würde er dazugehören, zum Personal dieser Einrichtung, dieser Entzugs-Klinik, um genau zu sein. Es war ein Wagnis gewesen, das ihm viele seiner Freunde nicht zugetraut hatten – doch er hatte sich darauf eingelassen, ein Jahr im Ausland, ein soziales Jahr in einer Entzugsklinik. Und noch immer war er nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Er hatte seine Familie, seine Freunde, sein komplettes vertrautes Umfeld hinter sich gelassen. Die Bundeswehr war nie ein Thema für ihn gewesen, dafür war er nicht der Typ – aber er hätte in Deutschland oder in Belgien Ersatzdienst leisten können, hätte den einfacheren Weg über eine soziale Einrichtung in Deutschland nehmen können, als Hausmeister in irgendeinem Tagungshaus arbeiten, oder sonst etwas tun. Aber er hatte sich für dieses Wagnis entschieden, hatte lange mit sich gerungen, aber letzten Endes dann diese Entscheidung getroffen. Viele hatten ihm dazu geraten, es wären unglaublich wichtige Erfahrungen, die er machen würde, hatte man ihm erzählt – aber wollte er das wirklich? Was, wenn es nach hinten losgehen würde, wenn er die Tage runterzählen müsste, bis er endlich wieder nach Hause könnte? Aber letzten Endes hatte er sich dafür entschieden, hatte den schwierigeren Weg genommen. Hoffentlich war das richtig – aber das würde er so oder so erst in knapp einem Jahr sagen.

Andrew riss ihn aus seinen Gedanken zurück.
„After you“, bat er ihn herein. 1 Meter 87 war der junge Amerikaner groß, doch seine Muskulatur ließ ihn noch größer wirken. Ein reines Muskelpaket, dem man seine Football-Vergangenheit von der Highschool deutlich ansah. Inzwischen war er auf Baseball umgeschwenkt, spielte sogar in einer mehr oder weniger professionellen Mannschaft, scheinbar war er relativ talentiert. Soviel hatte er auf der Autofahrt von Midway schon erfahren, angeregt hatten sie als Sportbegeisterte schnell ihr Thema gefunden. Von der Statur her waren sie völlig unterschiedlich: Am Steuer der Amerikaner, von oben bis unten ein absoluter Kleiderschrank, an jeder erdenklichen Stelle mit Muskulatur bepackt. Auf dem Beifahrersitz neben ihm ein schlaksiger Deutsch-Belgier, dessen einzige Muskeln in Waden und Oberschenkeln zu liegen schienen. 63 Kilo brachte er bei 1,79 gerade einmal auf die Waage, eine typische Radfahrer-Statur. Aber damit war jetzt erst einmal Schluss – er war ohne sein geliebtes Rennrad in Amerika. Noch immer war er nicht davon überzeugt, dass er ohne seinen Sport auskommen würde, dass er durch Jogging oder Kräftigungsübungen einen ausreichenden Ausgleich erzielen würde.

Andrew führte ihn zu seinem neuen Personal-Chef, Mr Frank Newman. Großgewachsen, stämmig, im schicken schwarzen Anzug, darunter ein rotes Hemd mit dunkler Krawatte.
„Mister van Maarchant?“, wurde er gefragt. Sein Nachname klang merkwürdig, wenn er so amerikanisch betont wurde, aber darauf war er vorbereitet gewesen und so versuchte er erst gar nicht, seinen Gegenüber zu korrigieren. Marco erhielt die ersten Einweisungen, regelmäßig fragte Newman freundlich nach, ob er alles verstehe. Und Marco nahm nicht alles direkt auf, aber das Essentielle verstand er. In der Schule hatte er fließend Englisch gelernt, sein erstes Abitur-Fach und mit sein bestes Fach war es gewesen. Newman schien ihm ein wenig unnahbar, aber er würde wohl nicht viel mit ihm zu tun haben – als Personalchef einer Drogen-Klinik würde er wohl anderes zu tun haben, als sich ständig um einen ausländischen Arbeiter zu kümmern, der für ein Jahr hier war. Mit Andrew würde er dagegen viel mehr Kontakt haben – schließlich sollte er während seines Aufenthalts bei Andrew und seiner Freundin wohnen.

Morgen sollte Andrew ihn ein erstes Mal durch das Gebäude führen, ihm alles zeigen und ihn dann bei seinem Vorgesetzten abliefern, der ihn in die Arbeit einführen würde. Doch jetzt ging es erst einmal „nach Hause“ – für ein Jahr würde das sein Zuhause sein. Marco sehnte sich nach nichts anderem als einem Bett, obwohl es erst neun Uhr abends war – der Jetlag machte sich bemerkbar, für sein Gefühl war es mitten in der Nacht. Eine kurze Fahrt war es, etwa zwei Meilen ins Landesinnere herein wohnte Andrew. Es war ein recht großes, freistehendes Haus auf einem scheinbar riesigen Grundstück, das Andrews Vater gehörte, vor dem sie in die Einfahrt einbogen. „Andrew Miller & Alison Mc Ryan“ hieß es auf dem Türschild.
„Alison is in Chicago with some of her friends, so you can go straight into your bed“, grinste Andrew ihn an. Offenbar schimmerte Marcos Zustand voller Müdigkeit nach außen hin durch, doch Andrew nahm ihm das nicht übel. Schließlich war Marco seit 22 Stunden unterwegs, er hatte einen anstrengenden Flug von Frankfurt über Detroit nach Midway hinter sich, auf dem er kaum hatte schlafen können. Gegessen hatte er nach der Landung in Midway, das Flugzeug-Essen hatte seinen Hunger nicht wirklich gesättigt. Andrew führte ihn noch kurz durchs Haus, Marco konnte kaum glauben, dass hier nur zwei Menschen lebten. Eine Kleinfamilie hätte hier gut und gerne hausen können, für eine Studiums-WG mit mehreren Personen wäre es eine Luxus-Behausung gewesen, doch Andrew und Alison wohnten zu zweit hier. Er bekam eines der leerstehenden Zimmer, das für ihn schon nett eingerichtet war. Ein geschmackvoller Kleiderschrank und ein Schreibtisch, dazu ein kleines Regal. Und neben einem kleinen Nachttisch stand das Bett, in das er jetzt quasi hineinfiel – es war seine erste Nacht in einem fremden Land ohne sein geliebtes Rennrad.

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tusberg
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Beitrag: # 6725460Beitrag tusberg
27.7.2008 - 20:07

Eine Entscheidung welche mein Leben verändern wird

Die Siegerehrung war vorbei, nach einer kurzen Dusche in einer anliegenden Turnhalle, wollte ich mich schnellstmöglich auf den Heimweg machen, ich saß schon im Auto und wollte gerade den Schlüssel umdrehen, als jemand an die Scheibe klopfte. Ich drehte das Fenster runter und fragte was los sei.
„Hey, was ist los!“, sagte ich.
„Du hast doch gerade hier das Hauptrennen gewonnen“, erwiderte der ca. 25 jährige Mann.
„Ja, so ist es, es war der erste Sieg überhaupt für!“
„Das ist schön, aber worum es eigentlich geht, ich bin Brian King, professioneller Radsportscout, im Moment bin ich auf der Suche nach jungen Talenten für ein ProTour Team das 2008 eröffnet wird .“
„Hmm ja und weiter?“
„Ich bin beauftragt mich auf Rennen hier in Deutschland nach jungen Talenten umgucken soll, und du bist ohne Zweifel eins!“
„Du meinst ihr habt Interesse mich ins Team zu nehmen?“
„So ungefähr! Wir haben nächsten Monat vor mit einigen Kandidaten einen Leistungstest zu machen, die besten werden einen Vertrag im neuen Team Adidas bekommen und ich bin mir Sicher du hast nach der heutigen Leistung gute Chancen.“
„Boah, ich kann das gar nicht glauben. Das ist ja wie wenn mein Kindheitstraum wahr wird. Ich werde auf jeden fall an der Leistungsdiagnostik teilnehmen.“
„Gut, damit wir noch ein paar Infos von dir bekommen kannst du bitte dieses Formular noch ausfüllen!“

In diesem Formular musste ich nur meine persönlichen Daten eintragen damit ich später noch mit Brian kommunizieren konnte. Ich verabschiedete mich von Brian, der mir noch mit auf den Weg gab, das er sich in Kürze bei mir meldet.
Ich starte das Auto und fuhr zurück nach Hause, die Fahrt dauerte ca. eine Stunde und verlief völlig problemlos.
Zu Hause allerdings wurde mir klar was ich eigentlich für eine Chance habe. Ich kann einen Profivertrag bekommen, für das werde ich alles geben. Auch wenn die Winterpause damit hinüber war. Ich nahm mir vor meine Form bis zum Leistungstest zu halten um dort voll zu überzeugen.
In der Nacht träumte ich bereits davon den Vertrag in meinen Händen zu halten. Nach zwei, drei Tagen hartem Training wurde mir allerdings klar das ich mit irgendwem über meine Situation reden muss. Ich war so aufgeregt über diesen Test der zwar erst in einem Monat war, aber trotzdem! Ich brauchte jemand der mir diese Aufregung nimmt! Aber wer sollte das sein? Meine Eltern? Sie hatten mich zwar immer in Sachen Radsport voll und ganz Unterstütz, aber vor zwei Jahren sind sie in den Norden nach Kiel gezogen, ich bevorzugte es hier im Bergischen Land zu bleiben. Klar setzte ich sie immer in Kenntnis was ich bei den Rennen machte und auch von der Chance Profi zu werden, wussten sie als erstes! Aber soviel von Radsport verstanden sie nun auch wieder nicht! Nach langem Überlegen fiel es mir wie Schuppen von den Augen, es war klar das es jemand sein musste der sich in meine Situation hineinversetzten kann, da kam ich auf die Idee Ivonne Müller anzurufen. Ivonne ist selbst erfolgreiche Radsportlerin hier aus NRW und genau so wie ich 20 Jahre alt. Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten und gingen auch zusammen zur Schule, mit der Zeit hatte sich eine richtige Freundschaft entwickelt. In letzter Zeit hatten wir uns zwar was aus den Augen verloren, aber wir sahen uns trotzdem regelmäßig bei den vielen Rennen hier in der Umgebung und ich war sicher das sie sich über meinen Anruf freuen würde! Ich wählte ihre Nummer und erreichte sie auch!
„Ivonne Müller, Hallo?“
„Hi Ivonne, hier ist der Christopher!“
„Ah, Hi! Von dir hab ich ja schon ewig nichts mehr gehört wie geht’s dir? Was macht der Sport?“
„Mir geht eigentlich gut, hab bin nur ein wenig angespannt, genau deshalb ruf ich dich auch an!“
„Wo drückt den der Schuh!“
„Naja, vll. Hast du es gelesen ich hab am Wochenende das Rennen in Kempen gewonnen!“
„Ach ja stimmt, meinen Glückwunsch noch!“
„Danke, aber worum es eigentlich geht....“
„Ja?“
„Nach dem Rennen kam ein Scout auf mich zu und bat mir einen Vertrag, für ein neues ProTour Team, welches 2008 gegründet wird an, ich muss meine Leistung von Kempen allerdings noch in einem Leistungstest, in vier Wochen bestätigen!“
„Aber das ist doch super, freut mich voll für dich!“
„Ja, es gibt nur ein Problem, ich bin total nervös von diesem test und hab mir vorgenommen die nächsten Wochen sehr hart zu trainieren. Ich suche noch eine Person die mich nach dem Training ein bisschen auf andere Gedanken bringt!“
„Aber Christopher...tzz!“
„Nein nicht das was du jetzt denkst Ivonne, wir kennen uns jetzt schon so lange und unserer Verhältnis war immer freundschaftlich und so soll es auch bleiben! Ich meine halt das wir uns ab und zu mal treffen und was gemeinsam unternehmen, vielleicht auch mal eine Runde zusammen trainieren fahren.“
„Meine Unterstützung hast du, ich werde in den nächsten tagen mal bei dir vorbeischauen, dann können wir ja mal ins Kino oder so!“
„Ja wer echt cool!“
„OK, na ja ich muss mal los, hab noch Bahntraining!“
„Achja du fährst ja bestimmt noch nächste Woche den Bahnabschluss in Büttgen!“
„Genau!“
„Viel Glück von meiner Seite, und Ciao! Bis bald!“
„Danke, Tschö!“

Dieses Gespräch beruhigte mich sofort ein wenig, ich beschloss noch zwei Stunden locker auf der Rolle zu fahren und mich heute mal früh Zeitig aufs Ohr zu hauen, damit ich morgen fit bin für weitere Stunden auf dem Rad!
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Grabba
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27.7.2008 - 20:08

Die zweite Chance

„Und was kann ich für Sie tun, Herr Foster?“
„Ted.“
„Ok. Also, was kann ich für dich tun, Ted?“
„Unterschreiben.“

Ein Autogramm geben? Wer war dieser Mann, der hier mitten in seine Familie hineinplatzte und ihn dann um ein Autogramm bat? Immerhin hatte er einen Fan. Das zumindest freute Willie.
„Na gut. Haben Sie einen Zettel und einen Stift dabei? Vorgefertigte Autogrammkarten habe ich leider noch nicht.“
Wieder begann Ted zu lachen. Es war eigentlich ein sympathisches Lachen. Trotzdem begann Willie sich zu wundern. Jaylas Kichern wurde immer unerträglicher. Zu allem Überfluss platzte jetzt auch noch Julian Dean dazwischen.
„Wollen wir uns nicht irgendwo setzen?“
Der Mann nickte. Willie wollte widersprechen, doch Jayla nahm seinen Arm und zog ihn einfach hinter Dean und Foster her. Seine Familie folgte. Was sollte das alles? Was hatte man mit ihm vor? Jayla hampelte quietschvergnügt an seiner Seite herum. Er schaute zurück. Seine Eltern waren fröhlich, munter und vergnügt. Tommey hielt den Pokal noch immer strahlend in den Händen, als würde er all das gar nicht mitkriegen. Was zur Hölle war los?!

Endlich hielt man an einem „Festzelt“ an und setzte sich hin. Willie wollte schon losplatzen, als Foster, der ihm gegenüber Platz genommen hatte, zu reden begann.
„Also Willie. Ich mag dich auch gar nicht länger auf die Folter spannen. Du sollst einen Profivertrag bei dem Team erhalten, für das ich arbeite. Und nein, wir sind kein unterklassiges Continental-Team. Und nein, du wirst nicht ständig Helferdienste leisten müssen. Und nein, wir werden dich nicht um deine Siege betrügen. Du wirst einer der Kapitäne im Team sein.“
Willies Mund stand offen. Aber so was von. Mit großen Augen starrte er den Mann an. Damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet. Er musste dabei extrem drollig ausschauen, denn alle um ihn herum verfielen in ein herzhaftes Lachen. Dieses Mal fiel er selbst mit ein. Als sie sich ein wenig beruhigt hatten ergriff Ted Foster erneut das Wort.
„Vor einigen Wochen erhielt ich einen Anruf aus Neuseeland. Julian Dean war am Apparat. Er berichtete mir von dir, von dem Kampf, den du ihm im letzten Jahr bei den neuseeländischen Meisterschaften geliefert hattest und von dem Potential, dass er in dir sieht. Als er dann die Saison 2007 erwähnte klingelte es bei mir. Ich hatte von deinem Erfolg im Juli gehört, ja, dich sogar beobachten können. Nun also sollte ich nach Neuseeland kommen, um dich bei den Meisterschaften begutachten zu können und dir gegebenenfalls einen Vertrag anzubieten.“
Willie starrte erst Foster an, dann Dean.
„Danke Julian. Ich...“
Dean winkte ab und lächelte.
„Vielleicht war ich derjenige, der Ted angerufen hat, aber bedanken musst du dich nicht bei mir. Es war Jayla, die sich um alles gekümmert hat. Sie hatte sich wochenlang im Internet nach möglichen Teams für dich umgesehen. So hatte sie auch schon von der neuen Mannschaft gehört, für die Ted arbeitet, als davon noch nicht viel bekannt war. Sie hatte recherchiert, telefoniert und Informationen gesammelt. Dieses Team war perfekt für dich. Sie hatte den Plan. Ich musste nur noch anrufen und das Anliegen vortragen. Wenn du es irgendwem zu verdanken hast, dann ihr.“
Schon während Dean sprach hatte Willie sich langsam zur Seite gewandt. Jayla saß eng neben ihm. Er sah ihr in die tiefen Augen. Sie war glücklich. Genau wie er. In diesem Augenblick brauchte es keine Worte zwischen ihnen. Das wusste er.

Ted erklärte ihm nun alles Weitere zum Team. Amerikanische Lizenz, schweizer Hauptsponsor. Credit Suisse. Willie hatte in den letzten Wochen wenig mitgekriegt, und so auch noch nichts von dem Team gehört. Vor drei Wochen erst war es der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Informationssuche hatte Jayla bereits aufgenommen, als sie aus Arthur’s Pass zurückgekehrt war. Man hatte schließlich den letzten Platz im Team freigehalten. Für Willie.
Das Ziel der Mannschaft war es, junge Fahrer in die Weltspitze zu führen. Ihnen standen dabei erfahrene Helfer zur Seite. Kein großer Star war im Team zu finden, denn die Talente sollten selbst die Stars sein. Er wäre einer von ihnen. Die Unterschrift besiegelte das Vertragswerk. Willie war an seinem Ziel angelangt.
Foster war bereits vor drei Tagen angereist. Er hatte bei Jayla gewohnt. Nun wunderte Willie sich nicht mehr, dass sie keine Zeit für ihn gehabt hatte. Er war ihr so unendlich dankbar für alles, was sie für ihn getan hatte. Auch Julian Dean war er dankbar. Und Ted Foster. Und dem Team Credit Suisse. Und seiner Familie sowieso. Nie zuvor war alles so perfekt gewesen wie in diesem Moment. Selbst über die Sturzverletzungen konnte er nur noch lächeln.

Sie saßen noch einige Minuten beisammen. Keine halbe Stunde war seit der Siegerehrung vergangen. Die Pressetermine warteten noch auf Willie. Er nahm Tommey mit. Gemeinsam ließen sie sich photographieren. Tommey präsentierte stolz den Pokal, und Willie stand aufrecht in seinem Meistertrikot daneben. Es war das schönste Trikot, das man sich vorstellen kann. Kein noch so gelbes Trikot, kein noch so regenbogenfarbiges, würde jemals besser aussehen. Wilie fühlte sich in diesen Augenblicken wie der größte Radstar der Welt. Morgen würde das Bild in vielen Zeitungen erscheinen. Am meisten freute er sich jedoch für Tommey, der so stolz auf seinen großen Bruder war.
Er gab einige Interviews. Freute sich über den Sieg. Erklärte, dass er sich nur oberflächliche Verletzungen zugezogen habe. Ob er denn schon einen Profivertrag habe, fragte man ihn. Er bejahte mit einem verschmitzten Lächeln. Das Team nannte er nicht. Er dankte Julian Dean für dessen Mithilfe. Jayla dankte er nicht. Sie hätte ihren Namen nicht gerne in den Zeitungen gelesen. Das wusste er.
Eine Stunde später kehrten er und Tommey zur Familie zurück. Gemeinsam mit Jayla und Ted fuhr man zu Willies Eltern nach Hause. Es gab noch einige Dinge zu bereden. Doch die Fakten lagen deutlich vor ihm. Im nächsten Jahr würde er in Europa fahren. Als einer der Kapitäne einer Pro Tour Mannschaft. Er hatte es verdient. Irgendwann hätte er dieses Ziel so oder so erreicht. Aber die Plötzlichkeit, mit der all das nun über ihn hereinbrach, brachte ihn doch aus der Fassung.
Zuletzt geändert von Grabba am 24.8.2008 - 22:56, insgesamt 2-mal geändert.

eisel92
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27.7.2008 - 22:48

Ein Treffen mit Folgen

Der Mann stellte sich als Simone Vivaio vor. Er sei Jugendtrainer, sagte er, habe ihn schon vor Jahren einmal fahren sehen und glaube, ihm wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Das reichte erstmal, um die Aufmerksamkeit von Andrea zu gewinnen. Vivaio reichte ihm eine Hand und half ihn auf, nahm sein Rennrad und führte ihn auf eine nahegelegene Bank. Dann begann er weiter zu erzählen. Es stellte sich heraus, dass Vivaio Leiter eines kleinen Jugendteams ist, und er auf der Suche nach neuen jungen Talenten war. Eines wie Andrea, mit viel Begabung gesegnet, allerdings nicht mit dem richtigen Training unterwegs. Der junge Mann war Andrea sofort sympathisch. Er wirkte zielstrebig, kam schnell auf den Punkt, sagte anscheinend was er sich dachte. Das gefiel Andrea, und auch die Idee eines neuen Radteams gefiel ihm. Vielleicht würde er doch noch einmal auf die Beine kommen? Die beiden verabredeten sich für den nächsten Tag, Andrea sollte erst einmal die anderen im Team kennenlernen und dann nach einen gemeinsamen Trainingstag entscheiden, ob er ins Team kommen wolle. Wenig später kamen Andrea’s Eltern, er wollte sie zumindest informieren was los sei, auch wenn sie nur das Übliche antworten würden. Toll, großartig – so etwas in der Art. Belanglos!

Am nächsten Abend war alles besiegelt. Andrea hatte seinen Trainingstag mit dem Team, er war zufrieden damit. Seine neuen Teamkollegen waren alle samt keine schlechten Radfahrer, auch wenn sie ihm gegenüber noch etwas argwöhnisch waren. Solange sie brav für ihn arbeiten würden war ihm das egal. Sollten sie ihre Arbeit gut erledigen, würden die Erfolge von vorletzter Saison bald wieder da sein. An seiner Einstellung änderte Andrea aber vorerst nichts. Am selben Abend zog er wieder mit seinen Freunden durch die Straßen Roms, klapperte eine Bar nach der anderen ab, von einer Disco in die Nächste. Irgendwann um vier Uhr morgens kehrten er und der Rest der Gruppe in die letzte Bar ein, ein paar Drinks noch, dann war für diese Nacht erstmal Schluss. Morgen war ja auch noch ein Tag. Mit vielem hätte Andrea zu dieser späten Stunde gerechnet, aber das ausgerechnet sein neuer Trainer am Tresen saß, damit sicherlich nicht. Zu seinem Unglück merkte auch Vivaio Andrea’s Anwesenheit, und auch er schien nicht minder überrascht zu sein. Die Überraschung schlug allerdings schnell um, in – ja, es sah aus wie Wut. Vivaio schnappte Andrea am Kragen und zerrte in aus der Bar.

„Was soll das, was machst du zu dieser Stunde hier? Was machst du überhaupt hier?"
„Ein bisschen Spaß haben, so wie du auch. Ist doch nichts dabei!"
„Bisschen Spaß, so wie ich? Willst du Radprofi werden, oder so wie ich den Lebenstraum nicht verwirklichen?"
„Natürlich will ich Radprofi werden, aber meine Freunde werde ich sicher nicht aufgeben!"
„Geh’ doch mal rein zu deinen Freunden, und frag’ sie, was ihnen lieber ist. Das du deinen Traum aufgibst, um dafür mit ihnen um die Häuser zu ziehen, oder das du lieber deinen Lebenstraum verwirklichst? Wenn sie wirkliche Freunde sind, werden sie wohl Letzteres von dir wollen."

Von diesem Blickpunkt aus hatte Andrea die Sache noch nie betrachtet. Er dachte, dass sich alle von ihm abwenden würden, wenn er abends nicht mehr mitkam. Vivaio hatte mit seiner Aussage nicht ganz unrecht, das konnte er nicht abstreiten. Wenn ich ihnen wirklich etwas bedeute, würden sie dafür Verständnis zeigen? Andrea dachte darüber nach, aber er kam auf keine Lösung. Würden sie wirklich zu ihm halten, wenn er weniger Zeit mit ihnen verbringen würde? Ist mir meine Karriere wichtiger? All das dachte er sich in diesem Augenblick, direkt vor der Bar. Vivaio hatte ihn inzwischen los gelassen, jetzt sah er ihn eindringlich an. Er überlegte, er ob es Sinn machte, mit diesem Jungen weiter zu arbeiten.

„Ich habe heute Abend nachgedacht. Eigentlich wollte ich dir morgen sagen, dass ich dich auf ein italienisches Rennen, ein sehr Wichtiges, vorbereiten möchte. Die Trofeo Citta di San Vendemiano. Es macht aber nicht einmal Sinn, dort anzutreten, wenn du nicht bald einen Lebenswandel vornimmst. In zwei Tagen möchte ich dich beim Training sehen, wenn du kommst heißt das für mich, dass du deine Abende mit deinen Freunden auf zwei oder drei im Monat verkürzt. Wenn du das nicht kannst, wenn du dieses Opfer nicht auf dich nehmen kannst, dann hast du im Profi-Radsport nichts verloren. Und für mich bringt es dann nichts, dich aufzubauen."

Mit diesen Worten drehte sich Vivaio um und lies Andrea abermals alleine. Noch einige Minuten blieb er so stehen, dachte über die Worte seines Trainers nach. Dachte darüber nach, ob es ihm das alles wert ist. Zehn Minuten später sahen seine Freunde nach ihm, gemeinsam gingen sie wieder in die Bar. Doch in wirklicher Feierlaune war Andrea nicht mehr, und so ging er kurz nach dem Aufeinandertreffen nach Hause. Er brauchte irgendjemanden, mit dem er reden konnte, irgendjemanden, den er um Rat fragen konnte. Mitten vor seiner Haustür blieb er stehen. Er glaube zu wissen, wen er jetzt brauchte. Die Frage war nur, ob er noch einmal eine Chance bekam …
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29.7.2008 - 0:33

Die Ziele, höher als die Sterne selbst

Willie und Ted saßen gemeinsam im Wohnzimmer der Trimbolis. Megan verbrachte den Abend bei ihrem Freund und Tommey schlief bereits. Zumindest sollte er. Willies Eltern stießen mit einem guten Rotwein auf den Sieg ihres Sohnes an. Jayla saß auf dem Sessel und schaute Ted und Willie stillschweigend zu. Letzterer ergriff nun wieder das Wort.
„Ich darf mir meine Rennen also aussuchen?“
„So ziemlich.“
„Was heißt ziemlich?“
„Na, das letzte Wort hat immernoch die Teamleitung. Aber du darfst schon alle Rennen aufzählen, bei denen du fahren willst. Was für Wünsche hast du denn?“

Willie machte eine Pause und dachte kurz darüber nach. Er war überhaupt nicht darauf vorbereitet gewesen, heute schon einen festen Vertrag in den Händen zu halten. Zwar war er überzeugt gewesen, dass man ihn entdecken würde, aber auf die Folgen war er deshalb noch lange nicht eingestellt gewesen.
„Schau, ich habe vom europäischen Straßenradsport nicht wirklich Ahnung. Einige Rennen kenne ich, sicher, die Tour de France zum Beispiel, aber eben nicht besonders viele.“
„Also willst du die Tour fahren?“
„Himmel hilf! Nein.“
„Wie? Nein?“

Ted war baff. Er hätte mit vielem gerechnet, aber damit dann doch nicht.

„Was sollte ich dort? Gewinnen könnte ich wohl kaum, und auch sonst wüsste ich nicht, was mich an diesem Rennen reizen könnte.“
„Gut. Also keine Tour. Aber welche Rennen sonst?“
„Drei Rennen stehen ganz oben auf meiner Liste. Dort werde ich gewinnen. Zuallererst die Monte Paschi Eroica, dann die Trophée Bro-Léon, und schließlich den GP Herning. So weit weiß ich in Europa immerhin Bescheid.“
„Also lauter Rennen, die über Naturstraßen führen?“
„Genau. Welcher Europäer sollte dort eine Chance gegen mich haben?“
„Überschätz dich nicht. Es gibt dort genug herausragende Fahrer.“
„So oder so, ich werde diese drei Rennen gewinnen. Aber das wird wohl kaum reichen.“
„Nein, Willie, ganz sicher nicht. Aber schau, wenn du bei der Eroica in absoluter Topform sein willst brauchst du einige kleinere Rundfahrten im Februar, dazu vielleicht einen oder zwei Klassiker direkt vor diesem Rennen. Und wenn du schon einmal in Topform bist dann nimmst du gleich noch den Tirreno und Mailand San Remo mit.“
„Gut. Also soll ich dort auch noch gewinnen?“

Ted lachte lauthals los.
„Willie?! Wie stellst du dir das vor? Du kommst mal eben so nach Europa und gewinnst im Vorbeigehen einen der wichtigsten Klassiker der Saison?“
„Und warum nicht? Ted, ich bin stark. Das hast du heute gesehen. Ich habe meine Ziele, ich habe Ehrgeiz. Und ich werde dort in Topform antreten. Natürlich werde ich um den Sieg mitfahren.“
„Ich muss mich doch sehr wundern. Dein Selbstvertrauen beeindruckt mich. Vielleicht kannst du es sogar umsetzen. Aber ich glaube nicht daran. Überhaupt wird es gerade bei Mailand San Remo noch einige andere Fahrer im Team geben, die um den Sieg mitfahren wollen.“
„Na gut. Wir werden ja sehen. So, was noch?“
„Ja, was noch? Dann versuchst du deine Form bis zur Ronde zu konservieren.“
„Ronde?“
„Flandernrundfahrt. Und auch Gent-Wevelgem und Paris-Roubaix. Diese drei Rennen führen über Kopfsteinpflaster. Das sollte dir liegen. Mehr als Achtungserfolge werden dort aber nicht drin sein.“
„Abwarten.“


Ted wusste nicht, ob er lächeln oder verärgert sein sollte.
„Jetzt hör mir mal gut zu! Dort werden ganz andere Kerle als du am Start sein. Leute, die diese Rennen schon zig Mal gefahren sind, die sich ein ganzes Jahr lang nur darauf vorbereiten. Und Leute, die einfach mehr Klasse besitzen als du sie derzeit hast. Du magst ein außergewöhnliches Talent sein, aber einige Jahre wirst auch du noch brauchen, bis du dich zu den ganz Großen zählen darfst. Denn ein Eddy Merckx bist auch du nicht.“
„Will ich das sein? Natürlich nicht. Ich bin Willie Trimboli. Ich habe keine Vorbilder und brauche keine.“

Ted schüttelte nur den Kopf.

„So, was ist jetzt? Machen wir meinen Rennplan weiter?“
Ted schaute ihn einen Augenblick lang mit einem durchdringenden Blick an.
„Es ist nicht ganz einfach mit dir, Willie. Das ist dir schon klar, oder?“
„Bist du nur hier, um mir das mitzuteilen?“

Wieder machte Ted eine kleine Pause, bevor er weiterredete. Er war nun ernsthaft etwas verärgert.
„Wie auch immer. Nachdem du bei Paris-Roubaix mit riesigem Vorsprung die versammelte Weltelite in Grund und Boden gefahren hast musst du schauen, dass du deine Form weiterhin aufrechterhälst, denn genau eine Woche später steht mit der Tro Bro-Léon ja dein zweiter Höhepunkt an. Danach kannst du dich beim Fleche Wallone und bei der Doyenne noch einmal als Helfer beweisen. Ich hoffe, dafür bist du dir nicht zu schade, großer Meister?“
„War ich mir jemals zu schade, für andere zu fahren? Nein! Ich habe ein halbes Jahr lang nichts Anderes gemacht. Wenn andere im eigenen Team stärker sind stelle ich mich gerne mit vollstem Einsatz in ihren Dienst. Aber sobald ich weiß, dass ich Siegchancen habe, bin ich entschlossen, diese auch zu nutzen. Ich sehe mich keinesfalls über den anderen Fahrern. Aber ich kann mich und meine Stärken einschätzen.“
„Ist ja schon gut. Weißt du, ich habe es noch nie erlebt, dass ein Jungtalent, das gerade seinen ersten Profivertrag erhalten hat, solche Ziele und Ambitionen hat wie du, und dann auch noch so felsenfest davon überzeugt ist, diese Ziele alle zu erreichen. Das bringt mich gerade etwas aus der Fassung.“
„Aber was sollte ich sonst sagen? Soll ich mit dem Ziel nach Europa reisen, einfach nur mitzurollen? Wohl kaum. Ich muss eines Tages ein ganz Großer werden. Also brauche ich Ziele. Das ist alles.“
„Warum musst du?“
„Weil ich will.“
„Das ist gut, Willie. Also, nach Lüttich-Bastogne-Lüttich wirst du...“
„Ach so, diese Doyenne ist Lüttich-Bastogne-Lüttich?“
„Oh weh, Willie. Hier hast du noch großen Nachholbedarf. Ja, die Doyenne ist Lüttich-Bastogne-Lüttich. Also, nach dem Rennen wirst du noch bei einem Klassiker in Spanien starten bevor dann dein letzter Höhepunkt ansteht. Danach solltest du erstmal eine Pause machen und dich erholen.“
„Wie lange?“
„So rund zwei Monate.“
„Und da kann ich zurück nach Hause?“
„Natürlich! Zuerst solltest du aber zwei oder drei Wochen richtig Urlaub machen und völlig ausspannen.“

Ted blinzelte dabei unauffällig in Richtung Jayla. Die Idee gefiel Willie. Er würde sie zu gegebener Zeit wieder aufgreifen.

„Und dann?“
„Nachdem du dich erholt hast schaust du, dass du hier in Neuseeland wieder langsam auf Touren kommst. Dann kannst du im Juli bei der Österreich Rundfahrt ganz gemütlich wieder in den Rennbetrieb einsteigen. Dann wirst du noch die Brixia Tour fahren. Die Classica San Sebastian könnte dir vielleicht ganz gut liegen. Wenn die Form dort noch nicht stimmt fährst du als Helfer mit. Spätestens bei der Portugal Rundfahrt solltest du aber wieder stark und angriffslustig sein. Vielleicht kannst du da ja auch mal was in Hinblick auf die Gesamtwertung probieren.“
„Es gibt keinen Grund, warum ich keine Rundfahrten gewinnen sollte.“
„Schön. Dann wirst du dich ja sicher freuen, dass du bei der Vuelta in Spanien starten wirst.“
„Vuelta? Drei Wochen? Eye Ted, muss das sein?“

Willie verzog sein Gesicht zu einer mürrischen Grimasse. Dieser Vorschlag gefiel ihm gar nicht. Ted musste lachen.
„Es gibt keinen Grund, warum du keine Rundfahrten gewinnen solltest, Willie.“
„Na, ist schon gut. Dann werde ich dort eben auch ein wenig gewinnen.“
„Vor allem Helferdienste wirst du verrichten müssen. Und natürlich Erfahrungen sammeln. Denn wenn du einmal ein großer Sieger werden willst, dann musst du reifen, und das geht bei den Großen Landesrundfahrten eben doch am besten. Und vielleicht kannst du auch deine Chance auf einen Etappensieg suchen.“
„Gut. Also ein paar Etappen werde ich in Spanien gewinnen. Schön. Und dann?“
„Dann stehen noch ein paar Klassiker im Herbst an. Nichts Großes mehr, nur noch einige kleinere Rennen, vermutlich in der Helferrolle. Mitte Oktober darfst du dann wieder heim.“


Ted lehnte sich in seinem Sessel zurück. Willie dachte über den Rennplan nach. Und darüber, was sich damit für das nächste Jahr ergeben würde.
„Also erlebe ich in diesem Jahr wohl zwölf Monate Sommer? Na, das ist ja nicht schlecht. Ted, deine Pläne gefallen mir. Also, wann ist mein erstes Rennen? Weißt du, ich bin heiß!“
„Das glaube ich dir. Dann... Hey, pass auf!“
„Ich passe immer auf.“

Willie grinste Ted an.
„Ruhe jetzt. Also, in neun Tagen beginnt die Tour Down Under in Australien. So wie du momentan drauf bist musst du da unbedingt fahren.“
„Schön. Also dann sehen wir uns in einigen Tagen in Australien.“
„Genau. Ich rufe dich vorher nochmal an. Wenn du willst kannst du danach nochmal eine Woche hier in Neuseeland bleiben bevor es endgültig nach Europa geht. Aber das bereden wir dann.“
„Hast du noch was zu sagen?“
„Ja. Auch wenn du es wohl nicht gerne hören wirst.“
„Na dann spar es dir lieber.“
„Nein.“
„Dann rede.“
„Überschätz dich nicht. Du wirst Rückschläge erleben. Es wird Rennen geben, die du gewinnen kannst. Du wirst deine Erfolge einfahren. Davon bin ich überzeugt. Aber du wirst nicht gleich im ersten Profijahr der beste Fahrer der Welt sein. Behalte meine Worte im Kopf.“
„In einigen Monaten wissen wir mehr.“
„Ja.“


Ted stand auf und schüttelte den Kopf. So etwas war ihm noch nie untergekommen. Es war nicht einmal Arroganz zu nennen, was dieser junge Neuseeländer an den Tag legte. Er war sich seiner Sache so sicher – und genau das verwirrte Ted. Lag es nur an seiner Unkenntnis der Verhältnisse? Oder leidete dieser Nachwuchsfahrer unter einer so krankhaften Selbstüberschätzung? Trotzdem war Ted beeindruckt von seinem Auftreten. Hätte er es selbst nicht besser gewusst, so hätte er das Erreichen all dieser Ziele sogar für möglich halten müssen. Die Selbstsicherheit des jungen Mannes war verblüffend. Doch genau darin sah er auch Konfliktpotential für die Zukunft. Aber das würde sich zeigen.
Ted wollte gehen. Er müsste morgen früh zurück nach Amerika fliegen. Doch das war nur ein Vorwand. Zu einem weiteren derartigen Gespräch mit Willie hatte er keinen Nerv mehr. Also machten er und Jayla sich auf. Jayla kam zu Willie, schaute ihm mit einem verschmitzten Lächeln in die Augen, umarmte ihn, gab ihm einen Kuss auf die Wange und flüsterte ihm ein „Schlaf schön, Schätzchen.“ ins Ohr. Seine Frage, ob sie nicht doch lieber hierbleiben wolle, verneinte sie. Sie müsste Ted morgen früh zum Flughafen fahren.
Als die beiden das Haus verlassen hatten war Willie angefressen. Ted?! Warum durfte der bei Jayla schlafen? Heute war sein Tag gewesen. Er hätte Jayla verdient gehabt. Nicht so ein Kerl, der fast schon Jaylas Vater hätte sein können. Ob die beiden... Nein, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Aber wenn doch? Aber wäre das nicht einmal Jaylas gutes Recht? Er jedenfalls war ja auch nie anders gewesen. Trotzdem, die Sache gefiel ihm nicht. Wortkarg saß er mit dem Rest der Familie zusammen, bis er schließlich schlafen ging. Warum mussten die tollsten Tage nur immer im Selbstzweifel enden? Wütend presste er die Augen zu und schlief ein.

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Beitrag: # 6726056Beitrag PepsiLight
29.7.2008 - 2:15

2007

Die letzten Jahre verliefen wiederum sehr erfolgreich für Pepe. Nun wartete aber der nächste große Schritt auf Ihn.
Der Schritt in einen großen Rennstall in Europa. Man wollte ihn ausbilden, Pepe unterzeichnete einen 4-Jahres Vertrag. Dieses Team, gesponsort von einer Bankgesellschaft, baute große Stücke auf den jungen Kolumbianer.
Doch es sollte alles anders kommen.

Das Frühjahr konnte schlimmer eigentlich nicht verlaufen, Stürze, Krankheiten, das volle Programm. Die Form passte hinten und vorne nicht, die Teamleitung hatte allerdings noch Verständnis.
Sie munterten Ihn auf, in dem sie sagten, dass es auch nach Juli noch Rennen gäbe, denn an der großen Tour, für die er eigentlich eingeplant war, durfte er nicht teilnehmen.
Im juni verscuhte er seine Form behutsam aufzubauen. um im August bei Kriterien Erfolge feiern zu können. Doch irgendwie klappte es nicht. Er kam einfach nicht in den Tritt.
Pepe wurde immer mehr von der Teamleitung im Stich gelassen, Ende August hatte er 14 Renntage auf seinem Konto stehen, die allesamt nicht erfolgreich verliefen. In seinem Team wollte keiner mehr an Ihn glauben, sogar ein Angebot zur Vertragsauflösung bekam er.
Dieses nahm er dankend an, ohne auch nur eine Sekunde dabei an Geld zu denken.
Sollte er wieder nach Amerika zurückgehen, und dort Erfolge feiern?

Anfang Oktober kam dann völlig überraschend ein Anruf vom jungen Nachwuchsteam Credit Suisse, die zur neuen Saison eine ProTour Lizenz besaßen und dafür sowohl sehr junge wie auch erfahrene Radfahrer verpflichtet haben.
Seine Gesrpächspartner waren allesamt sehr nett und versprachen ihm mehr Rücksicht zu nehmen als sein ehemaliges Team.
Ende Oktober war der Vetrag unterschrieben, dadurch konnte Pepe für einige Wochen nach Hause fliegen und den Stress in Europa hinter sich lassen.
Doch eines schwor er sich: Das nächste Jahr wird komplett anders verlaufen.
Bild Monaco
#28

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Beitrag: # 6726427Beitrag Grabba
29.7.2008 - 23:09

Abschied unter Sternen - In Stille

Morgen früh würde er bereits im Flugzeug nach Australien sitzen. Willie freute sich riesig auf sein erstes Pro Tour Rennen. Erstmals würde er im internationalen Radsport echte Akzente setzen können. Wenn auch nicht in Europa, so doch gegen die europäischen Teams und Stars. Und darum ging es ja letztlich. Nach dieser Rundfahrt wäre der Name Willie Trimboli zumindest den Radsportkennern ein Begriff.
Dafür hatte er in der letzten Woche noch ein letztes Mal hart gearbeitet. Er war einige Tage lang in Arthur’s Pass gewesen und hatte sich akribisch vorbereitet. Anstiege, Sprints, lange ein gleichmäßiges Tempo halten – all das hatte er intensiv geübt. Seine Verletzungen von den neuseeländischen Meisterschaften waren noch nicht ganz verheilt. Anfangs hatten sie ihm enorme Schmerzen beim Training bereitet. Mittlerweile spürte er sie kaum noch, und spätestens wenn übermorgen die Tour Down Under beginnen würde wäre er mindestens wieder auf dem Niveau, das er am Tag der Meisterschaften gehabt hatte. Nein, er wäre wohl noch ein wenig stärker.
Er freute sich auf das Rennen. Und vor allem darauf, endlich sein Trikot präsentieren zu dürfen. Er hatte vorgestern noch an einem kleinen Rennen in Neuseeland teilnehmen wollen, doch alle hatten ihm dringlichst davon abgeraten. Auch wenn er selten auf andere hörte, so hatte er es dieses Mal doch getan. Denn so oder so: Seine Form war da.

Heute Abend war er mit Jayla unterwegs gewesen. Er hatte versucht, aus ihr herauszukitzeln, ob da etwas zwischen ihr und Ted gewesen wäre. Sie nahm das jedoch lediglich als Anlass, Willie damit zu ärgern. Er war sich sicher, dass sie durchaus verstand, worauf er hinauswollte. Auskünfte gab sie ihm aber keine. Trotzdem festigte sich in ihm die Gewissheit, dass da ganz sicher nichts war. Sonst wäre Jayla kaum so locker und flapsig damit umgegangen.
Der Abend war klasse gewesen. Sie hatten gemeinsam ihren Spaß gehabt. Zum letzten Mal für lange Zeit. Willie hatte sich entschlossen, direkt nach der Tour Down Under mit dem Team nach Europa zu reisen, um sich dort einzuleben. Doch die Konsequenz war klar: Bis Anfang Mai würde er sie alle nicht mehr wiedersehen. Gestern war Familientag gewesen. Abschied von den Eltern und Geschwistern. Auch wenn sie sich, seitdem er in Arthur’s Pass wohnte und trainierte, nicht mehr oft gesehen hatten, so war die Situation nun doch anders. Willie wäre keine zwei Autostunden mehr entfernt, sondern am anderen Ende der Erde. Er würde die Familie nicht mehr ein oder zwei Mal im Monat sehen, sondern fast ein halbes Jahr lang von ihnen getrennt sein. Doch das war es ja, was er immer gewollt hatte – Radprofi in Europa werden. Also konnte es ihm auch jetzt, als er sein Ziel endlich erreicht hatte, nicht einfallen, darüber zu klagen.

Was auf seine Eltern zutraf, das konnte er natürlich auch über Jayla sagen. Auch sie würde er für einige Monate nicht mehr sehen. Sich keine scherzhaften Wortgefechte mehr mit ihr liefern. Sie nicht mehr in seinen Armen halten, wenn er das wollte. Selbst Telefongespräche würden ihnen nicht mehr ganz so einfach fallen. Zwölf Stunden Zeitdifferenz sind eben doch eine Menge.
Man hatte ihn gerade in der letzten Zeit oft gefragt, ob er denn nun mit Jayla zusammen sei. Auch seine Mutter hatte ihm immer wieder unterschwellig zu erkennen gegeben, was für eine tolle Schwiegertochter Jayla doch wäre. Aber nein, verdammt nochmal, sie waren nicht zusammen und würden es auch nie sein. Warum konnten die Leute das nicht begreifen? Er wollte nichts von ihr, und sie ganz sicher nichts von ihm. Sie waren befreundet. Es ging sogar noch weit darüber hinaus. Aber mehr war es eben doch nicht. Sie schliefen nicht miteinander, auch wenn Willie dem nicht einmal abgeneigt gewesen wäre. Sie waren kein Paar. Sie würden nicht heiraten oder sonst etwas. Wer das nicht einsehen wollte war ignorant und hatte eben Pech gehabt. Das war Willies Einstellung.

Doch neben dem Zwischenmenschlichen nagte eine noch viel größere Sorge an ihm. Was, wenn man ihm etwas vorgemacht hätte? Wenn das Team doch nicht so toll wäre, wie er glauben mochte. Was, wenn man ihn am Ende nur wieder als Helfer missbrauchen würde? Was, wenn schließlich nichts besser wäre als im letzten Jahr? Sollte er dann aufgeben? Oder sich im Team durchbeißen? Oder einen ganz anderen Weg einschlagen? Er wusste es nicht.
Doch sicher würde man ihm zumindest seine Rennen geben. Dort würde er gewinnen. Im Herbst wäre er dann Teil der neuseeländischen Nationalmannschaft bei der WM in Italien. Ob das Regenbogentrikot ein realistisches Ziel wäre? Vermutlich nicht. Oder vielleicht doch?
Ängste und Träume wirbelten in seinem Kopf umher und kämpften um die Oberhand. Gemeinsam lagen er und Jayla auf der Wiese und betrachteten stumm den Sternenhimmel. Seine linke Hand fuhr durchs kühle Gras, während seine rechte Jaylas Bauch streichelte. Er versuchte, seine Gedanken auszuschalten und kuschelte sich noch einmal an sie. Zum letzten Mal für lange Zeit würde er ihren warmen und zarten Körper spüren. Was ihm dann bliebe wäre nur die Erinnerung. Er gab ihr noch einen Kuss auf die Wange, dann schloss er die Augen. Morgen früh würde sie ihn zum Flughafen fahren, und dann würde seine zweite Saison als Radprofi beginnen. Hoffentlich mit einem Sieg. Das Ende war noch nicht abzusehen.

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Österreicher
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Registriert: 18.6.2007 - 16:09
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Beitrag: # 6726458Beitrag Österreicher
30.7.2008 - 0:53

Ted Foster
Juli & August 2007
Es machte Sinn & European Scouting Tour

Er war viel unterwegs gewesen in den letzten Wochen. Das Projekt hatte erste Formen angenommen. Man konnte noch nicht von einem Radteam sprechen, aber zumindest von einem Rad. Nach diesem auf Alkohol basierendem Versprechen zwischen Ted und Steve war einiges passiert. Lustige, interessante, aber auch erfolgreiche Tage hatte Ted in den letzten Wochen erlebt. Selten zuvor hatte er sich so gut gefühlt.

Nachdem er am Tag danach erst einmal seinen noch immer stark beeinträchtigtes Bewusstsein mit einem wahren Kaffeeschock wieder einigermaßen auf Vordermann gebracht hatte, brauchte es nur 2 Telefonate, um zu wissen ob die Idee, ein eigenes Radsportteam zu gründen, überhaupt einen Sinn hatte. Zuerst telefonierte er mit seinem „Radsportmädchen für Alles“ Beth. Sie meinte sie hätte kein Problem, ihm sofort ein paar Scoutingdaten und Adressen interessanter aufstrebender Radsportler zukommen zu lassen. Über die Weitergabe der streng vertraulichen Daten wollte sie jedoch noch mit dem Chef der USCDF, Mark Abramson sprechen. Sie würde ihn wieder anrufen. Ted war zufrieden, das hatte er gebraucht. Auf Beths Unterstützung konnte er zählen. Doch dann rief Ted einen vielleicht viel wichtigeren Verbündeten an. Er telefonierte mit seinem Arbeitgeber, Specialized. Es würde schwierig werden seinen Chef, Mike Sinyard, von seiner Kündigung, aber gleichzeitig von einem Engagement bei einen Radteam zu überzeugen. Mike wusste zu Beginn nicht ganz was los war, aber diese Anfragenkombination hätte wohl den ruhigsten Geschäftsmann aus der Fassung gebracht. Nach einem ziemlich hitzigen Gespräch, in dem Ted bereits jegliche Hoffnung auf Einigung aufgegeben hatte, willigte Mike ein. Ted konnte sein Glück kaum fassen. Sie einigten sich auf ein baldiges Treffen, dann beendete Mike das Gespräch.

Nachdem auch Steve sich umgehört hatte, trafen sich die beiden einige Tage später wieder in ihrem Pub. Ein seltsamer Treffpunkt für solch ein Gespräch, aber es passte vollkommen in das momentane Leben der Beiden. Typisch Amerikaner, hätte ein Außenstehender wohl gesagt. Nach einigen Stunden und wieder einmal viel mehr Bier, waren sich die beiden einig: Es machte Sinn. Das Projekt Radteam war gestartet. Jetzt endgültig. Kein Weg mehr zurück. Da waren sich die beiden klar. Auch wer welchen Part übernehmen würde. Steve den Managementbereich und Ted würde sich um die Fahrer kümmern. Dann sagten sie sich gegenseitig gute Nacht. Draußen wurde es, wie sooft in letzter Zeit, bereits hell. Ted sankt todmüde ins Bett.

Am nächsten Tag wieder wach, kam zuerst ein neuerlicher Kaffeeschock. Dann machte er sich auf den Weg Richtung Flughafen. Er würde nach Europa fliegen. Steve und Ted war von Anfang an klar gewesen, dass die beiden ohne Europa wohl keine Chance hätten. Deshalb würde Ted in Europa nicht nur auf Fahrersuche gehen, nein er würde auch Sponsoren suchen müssen. Ja, auch Steve kümmerte sich um die Sponsoren, und sollte er willige Partner finden, würde er Ted dorthin schicken. Doch von Anfang an hatte Ted bereit einen Namen fix auf seiner Listen notiert, jedoch würde er denjenigen nicht hier in Europa finden. Nein, der saß jetzt wohl gerade zuhause und war, so hoffte Ted zumindest, am Trainieren. Die Rede war von diesem jungen Neuseeländer, Willie Trimboli. Aber würden sich die beiden wohl noch einmal wieder sehen. Würde er mit einer exzessiven Art überhaupt in ein Team wie dieses es war, passen. Um über das zu überlegen hatte Ted jetzt Zeit, auf einem Flug von Columbus über New York ab nach London. Dort würde er morgen seine European Scouting Tour starten.
DanyHilarious
Bananen Sind Kalt. Echt?!.

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TOM Booonen
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Beitrag: # 6726771Beitrag TOM Booonen
30.7.2008 - 21:25

Mein Idol


...der Abend in der Bar verlief nicht sehr spannend,eine neue aber auch sehr langweilige Bar, wo noch nicht viele Menschen hingingen, also wird es nichts für die Zukunft werden.
So ging ich nach Hause und legte mich sofort in mein Bett, da ich auch sehr geschafft war.
Die nächsten Tage und Wochen verliefen nicht viel besser. Jeden Tag morgens 1-2 Stunden Radfahren und den restlichen Tag gelangweilt, weil meine Kumpels im Urlaub waren.
Als die Schule wieder begann war ich überrascht, wie einfach es mir doch fiel, obwohl ich in den Ferien die Schule komplett aussen vor ließ.
Die ersten Arbeiten in Mathe,Deutsch,Englisch und Latein waren mit der Note 2 alle sehr zufriedenstellend.
Den Traum von meinem "Trek"-Rennrad konnte ich mir nun auch erfüllen und so fuhr ich mit meinem Vater in das beste Fahrrad-Center im Umkreis.
Dort angelangt staunte ich meinen Augen nicht schlecht. Erik Zabel gab eine Autogrammstunde, natürlich stellte ich mich sofort hinten an und wartete auf mein Aufeinandertreffen mit meinem Idol.
Als ich an der Reihe war, begrüsste er mich freundlich und fragte mich, für wen es sei.

Überglücklich verriet ich ihm meinen Namen:"Niklas Siewert. Ich bin ihr größter Fan."
"Ist das so? Deinen Namen habe ich auch schonmal irgendwo gehört."
"Das kann sein, ich bin deutscher U17-Meister!"
"Das freut mich für dich.Glückwunsch!"
"Vielen Dank! Aber ich muss nun weiter,wollte mir hier nämlich ein neues Rad kaufen. Vielleicht sehen wir uns mal bei einem Rennen."
"Das wäre großartig für dich.Ich wünsche dir alles Gute!"


Stolz mit der Autogrammkarte in der Hand ging ich zu meinem zukünftigen Rennrad,mit dem ich noch viele Erfolge feiern werde.
Ich holte den Verkäufer zu mir und fragte ihn, ob ich eine Testfahrt machen könne. Das durfte ich und ich drehte eine Runde auf der Strasse. Es war wirklich großartig, noch besser als ich es mir vorgestellt hatte.
Als ich mit dem Rad zum Laden zurückkam, sah ich einen Mann mit Anzug mit meinem Vater sprechen.
Ich stieß dazu und wurde sofort begrüßt:

"Hi, du musst Niklas Siewert sein. Ich bin ein Freund von Erik Zabel und möchte nun ein Radsportteam gründen. So einen wie dich suchen wir noch, denn Ete möchte bei Milram nicht weg. Und wie ich hörte bist du deutscher U17-Meister?! Also genau richtig für unser Team!"
"Das freut mich, wo und wann muss ich unterschreiben?"
"Nicht so voreilig. Erstmal möchte ich mich selbst überzeugen, was du so kannst. Wäre nett wenn du mich zu deinem nächsten Rennen einladen würdest!"
"Ok, kann ich machen. Wie kann ich sie erreichen?"
"Hier ist meine Karte."
"Ok, danke ich werde mich morgen mal im Laufe des Tages melden. Tschüß"
"Ok,Tschüß Niklas"


Auch von diesem Aufeinandertreffen war ich wieder völlig beflügelt und sagte dem Verkäufer,dass ich das Rad doch nicht nnehmen werde, da ich bald eine Maschine von meinem Team bekomme.
Zufrieden verließ ich den Laden und ließ mir den ganzen Tag die Sache durch den Kopf gehen, was ich heute erlebt hatte.
Reifezeit-Erfolge:

(Tour de France)
1 Etappensieg 2017
2 Tage Maillot Jaune
1 Tag Maillot Vert
1 Tag Maillot à Pois

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tusberg
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Beitrag: # 6726788Beitrag tusberg
30.7.2008 - 21:46

Die Form ist da!

Die Wochen vergingen der Leistungstest kam näher und näher. Mein Training lief optimal es durfte eigentlich nichts schief gehen. Mein Nervosität legte sich auch von Tag zu Tag, Ivonne schaffte es, mich durch ihre offne und fröhliche Art zu beruhigen. Ich bin ihr sehr dankbar dafür und werde mich nach dem Leistungstest, egal was für ein Ergebnis dabei raus kommt, bedanken.
Heute erhielt ich auch endlich die offizielle Einladung per E-Mail, welche einen gewissen Steve Edwards als Absender hatte. Ich kannte mich in der Radsportszene zwar einigermaßen aus aber von diesem Namen hatte ich noch nie zuvor was gehört. Es machte mich aber auch nicht stutzig, ich wollte mir erst den Vertrag holen und dann weiter gucken. Der Test findet übrigens in Büttgen im Velodrome statt, wo auch immer wieder Fahrer trainieren die den Sprung ins Profigeschäft schon lange geschafft haben und sich auch dort etabliert haben, Markus Fothen, Linus Gerdemann um nur einige Namen zu nennen. Und auch für mich war der Name „Büttgen“ alles andere als unbekannt, ich bin auf dieser Bahn schon das ein oder andere Rennen gefahren. Unter anderem die Deutschen Meisterschaften oder auch die Landesverbandsmeisterschaften von Nordrhein Westfalen. Bisher gibt es also nur positive Ansätze. Das Programm von einem solchen Leistungstest war mir ebenfalls nicht unbekannt. Meistens bestehen diese aus einem Lacktat- und einem Ausdauertest, deshalb arbeite ich auch stark an meiner Kondition, aber dies zahlte sich aus den sie wurde von Tag zu Tag besser, so fühlte es sich zu mindest an. Ich beschloss die nächsten Tage noch mal hart zu trainieren und die letzten zwei Tage mich auszuruhen um dann fit für die Diagnostik zu sein. In meinen letzten Test hatte ich auch immer gute Ergebnisse, also warum soll es bei dem jetzigen anders aussehen.
Als ich endlich mal zu Ruhe kam lass ich das morgen, am Sonntag, ein Querfeldeinrennen in Aachen ist. Ich dachte nur kurz nach und wusste hier kann ich mich testen! Ich fuhr früher den gesamten Winter Rennen im Gelände, konnte sogar mal unter die ersten 10 bei den Deutschen Meisterschaften kommen. Zwar hatte ich seit letztem Winter nicht mehr auf dem Crossrad gesehen, aber mir war klar das meine Kondition Top war, und die Crossspezialisten Ende Oktober auch noch nicht ihre absolute Topform hatten, immerhin stand die Crosssaison auch erst am Anfang.
Also packte ich am nächsten Morgen mein Crossrad in den Kofferraum und fuhr in Richtung Aachen was von Köln aus eine Stunde fahrt war. Als ich an der Strecke ankam fand ich zwar einen selektiven aber keinen anspruchsvollen kurz vor, was auch noch mal war für diesen frühen Zeitpunkt in der Crosssaison. Das Rennen an sich war eigentlich nur mittelmäßig besetzt, zwar war mit Malte Urban der Deutsche Querfeldeinmeister am Start aber der Rest hatte sich bisher noch keinen Namen in der Querfeldeinszene gemacht. Ich nahm mir für das Rennen vor nur gut durchkommen, ohne Verletzungen oder sonstige Unfälle und zu gucken wie es um meine Form steht. Und diese Antwort sollte ich bereits früh im renne bekommen, ich lag nach der ersten Runde auf Platz zwei und hielt diese Platzierung auch bis zum Ende des Rennens, zwar mit einem Rückstand von knapp zwei Minuten auf den Sieger Malte Urban aber auch mit einem guten Vorsprung auf Platz zwei. Ich war vollends zufrieden, zweiter Platz und das ohne richtiges Training im Gelände, meine Kondition war in jedem Fall super. Das Rennen dauerte 60 Minuten und ich hätte das tempo auch noch was länger halten können, doch nun wusste ich wo ich stehe für mich war der Vertrag bereits jetzt schon zum greifen nah. Als ich zu Hause ankam beschloss ich einfach mal abzuschalten und auf andere Gedanken zu kommen, ich machte den Fernseh und machte den Rest des Tages einfach mal gar nix mehr aus mir auszuruhen. Ich wusste das ich in den nächsten tagen noch mal hart trainieren muss um meine gute Form zu behalten deshalb kam mir die Pause auch wirklich gelegen.

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TOM Booonen
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Beitrag: # 6727177Beitrag TOM Booonen
31.7.2008 - 18:47

Die Vorentscheidung

Es war der nächste Tag und ich wollte den Mann von gestern abend anrufen, den Freund von Erik Zabel.
Ich verschwand in mein Zimmer,als ich die Nummer wählte, denn sonst würde meine Mutter mich völlig verunsichern, denn sie steht immer sehr hektisch neben mir, wenn ich telefoniere und es um etwas sehr Wichtiges geht.

tuuut.....tuuut....
"Hallo?"
"Hallo, hier ist Niklas Siewert, wir hatten uns gestern im Fahrrad-Center getroffen und miteinander gesprochen."
"Ah ja. Also ich habe mir das Alles mal durch den Kopf gehen lassen. Wir wollen dich gerne mal in Büttgen auf der Bahn sprinten sehen, zusammen mit Erik Zabel. Wäre aber vorher gut, wenn ich mir dein nächstes Rennen anschauen könnte. Wann ist dein nächstes Rennen?"
"Mein nächstes Rennen ist am Sonntag in Erfurt. 11 Uhr ist Start, es sind 75 km auf flacher Strecke. Ich denke dort werden sie nur gute Sachen von mir sehen."
"Wie kommst du dort hin?"
"Ich werde vermutlich mit meinem Vater fahren,wie immer."
"Ich habe eine bessere Idee. Ich nehme euch zwei mit. Also komme ich euch am Samstag um 15 Uhr abholen und wir werden dann schon nach Erfurt fahren, um die Strecke mal abzufahren und nachts werden wir dann in einem Hotel dort in der Nähe übernachten, aber darum kümmere ich mich noch, einverstanden?"
"Das hört sich echt klasse an und ich hoffe ich werde sie bei dem Rennen nicht enttäuschen."
"Ok Niklas, das hoffe ich natürlich! Tschüß!"
"Ok, Tschüß!"


Nachdem ich die Auflege-Taste drückte, ließ ich verdutzt das Telefon auf mein Bett fallen, worauf ich saß. Ich konnte es immer noch nicht fassen, ich werde für ein Profiteam beobachtet und das schon bei meinem nächsten Rennen.
ich ging glücklich nach unten in die Küche zu meinen Eltern und erzählte ihnen Alles voller Stolz.
Meine Mutter drückte mich, mit einer kleinen Träne im Auge und mein Vater meinte zu mir:

"Junge,das ist deine Chance, verbaue sie dir bloß nicht und ich werde auf jeden Fall mit dir mitfahren, denn ich kenne dich genau, wenn es dir nicht gut geht während des Rennens,das sehe ich und kann es dem Mann sofort sagen und er wird sich dann bestimmt noch ein Rennen ansehen."
"Mama,Papa, ich werde euch auf keinen Fall enttäuschen,denn es ist unser größter Traum, aber jetzt werde ich erstmal zu Abend essen und dann werde ich nochmal bis 20 Uhr meine Runde drehen, ok?"
"Natürlich ist das ok!"
, sagte meine Mutter.

Ich nahm also mein Marmeladenbrot ,wie jeden Morgen und Abend zu mir und ging in mein Zimmer um meine Rennbekleidung anzuziehen.
Auf der Fahrt passierte nicht viel, sodass ich trotzdem erschöpft zu Hause ankam, mich duschte um dann vor dem Fernseher zu regenerieren.
Reifezeit-Erfolge:

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2 Tage Maillot Jaune
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Henrik
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Beitrag: # 6727546Beitrag Henrik
1.8.2008 - 15:28

Es war wie ein Paradies. Rennräder, einfach nur Rennräder. Eines davon würde er bald sein Eigen nennen. Gemeinsam mit Stephanie Carter war er hier, und noch immer war er sich nicht sicher. War es richtig, soviel Geld in ein neues Rad zu investieren? War Amerika das richtige Land für seinen Sport? Wäre es nicht ein verlorenes Opfer, eine große Summe für ein Rennrad auszugeben, seinen Beschluss über Bord zu werfen? Und doch, er war hier. Stephanie hatte ihren Teil der Arbeit geleistet, seitdem sie sich auf einem gemeinsamen DVD-Abend mit Andrew und Alison kennen gelernt hatten. Sie war kleiner als er, ca. 1,70 groß, und wirkte zierlich, fast zerbrechlich. Braun gebrannt, ein weiches Gesicht, umrahmt von schulterlangen, schwarzen Locken. Und Radsportlerin. Eine der wenigen, die sich in Amerika für Radsport begeisterten, und sie hatte Marco zu diesem Rennrad-Händler mitgenommen.

Die letzten Wochen waren nicht einfach gewesen. Er hatte sich in der Klinik eingearbeitet, war einigermaßen gut in seine Arbeit hineingekommen – und doch war es hart. Die Patienten waren zum Teil nicht mehr schön anzusehen, zum Teil war ihr Schicksal verdammt schwer; man durfte nicht mit jedem mitfühlen, sonst ging man an der Arbeit kaputt. Das hatte er gelernt, denn es gab auch Misserfolge zu verzeichnen. Mit den Kollegen verstand er sich gut. Sie waren extrem offen, immer freundlich. Amerikanisch halt, aber bei manchen meinte Marco auch, mehr als die übliche oberflächliche Freundlichkeit zu erkennen. Er fühlte sich gut aufgehoben, war zufrieden mit der Stelle.

Und doch, es gab Dinge, die er vermisste. Seine Freunde zum Beispiel. Mit einigen hielt er Kontakt, per e-Mail, Chat oder auch per Telefon. Doch das waren nur seine besten Freunde. Mit anderen wechselte er ab und zu am PC ein paar Worte, dabei blieb es dann aber auch; oder man sprach sich gar nicht mehr. Er vermisste sie. Aber das war vorher klar gewesen, er hatte ja gewusst, worauf er sich einließ, oder es zumindest erahnt. Auch der deutsche Lebensstil hatte ihm anfangs gefehlt, doch inzwischen hatte er sich an die typische amerikanische Lebensweise schon fast gewöhnt. Sicher, es gab markante Unterschiede – aber mit diesen hatte er sich angefreundet. Was ihm an der Kultur hier nicht gefiel, waren die Sportgewohnheiten – Baseball, Football, Basketball, wohin man guckt. Aber eben kein Radsport. Dazu musste man oft weite Strecken fahren, selten begegneten einem Rennradfahrer. Ganz anders als in Deutschland, wo er beinahe täglich unterwegs gewesen war und seine eigene Trainingsgruppe gehabt hatte.

Doch jetzt hatte er beschlossen, einer dieser wenigen Radsportler zu werden. Oder sollte man besser sagen: Er war davon überzeugt worden? In diesem Laden gab es Trek-Modelle, wohin das Auge nur sah, man war eindeutig in Amerika. Natürlich nicht nur Trek, aber die Marke, mit der Lance Armstrong gerade seinen siebten Toursieg erfahren hatte, war doch deutlich dominant; letztlich entschied sich Marco auch für ein solches Rad. Teuer war es – aber das nächste Rennrad hätte spätestens in Deutschland sowieso angestanden. Nach fünf Jahren intensiven Sports durfte man ein Rennrad auch einmal etwas mehr ausgeben, fand er. Dankbar umarmte er Stephanie – sie hatte ihn überzeugt, seiner Leidenschaft wieder nachzugehen.

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