Der Griff nach den Sternen

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

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Grabba
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Beitrag: # 6739901Beitrag Grabba
12.10.2008 - 11:15

Willie hatte dem Start der Tour Down Under förmlich entgegengefiebert. Sein erstes Rennen in der Pro Tour, gespickt mit einigen Superstars. Und das sogar als Kapitän seines Teams. Eine gewisse Aufregung hate er wirklich nicht verbergen können. Dennoch war er zuversichtlich wie selten zuvor.
Sie starteten zu acht in die Rundfahrt. Er, Niklas Siewert, Ronny Scholz, Alberto Ongarato, Christopher Jobb, Sébastien Joly, Bert Roesems, Matthew Lloyd. Die Aufgabenverteilung war klar. Siewert sollte in den Sprints glänzen und Willie möglichst gut in der Gesamtwertung abschneiden. Dafür wäre wohl vor allem die fünfte Etappe entscheidend. Von wegen. Direkt am ersten Tag würde er angreifen. Ein Zeichen setzen und Zeit gewinnen. Vielleicht sogar die Etappe.
Matthew Lloyd war ihm als persönlicher Adjutant zur Seite gestellt worden. Er sollte ihn im Verlauf der Rundfahrt aus dem Wind halten, ihn im Feld nach vorne bringen und ihm die Flaschen reichen. Grandios. So hatte er sich das vorgestellt. Erstaunlich war es zwar, dass gerade der Australier Lloyd bei seiner Heimrundfahrt zurückstecken sollte. Bei den Landesmeisterschaften eine Woche zuvor hatte er am letzten Anstieg die entscheidende Spitzengruppe initiiert, aus der heraus schließlich Allan Davis vor Cadel Evans den Meistertitel ersprintet hatte. Für Lloyd selbst war lediglich der sechste und letzte Platz der Gruppe geblieben, doch immerhin - Form hatte er unter Beweis gestellt. Doch eigentlich war es Willie auch völlig egal. Hauptsache er hatte seine Hilfe und konnte sich voll und ganz auf sein eigenes Ziel konzentrieren: Den Angriff auf den Rundfahrtsieg.





Tour Down Under - Etappe 1

Willies erstes Rennen in der ProTour. Eine Katastrophe. Er hatte angreifen und gewinnen wollen. Am Ende war er als 108. am Ende des Hauptfeldes ins Ziel gerollt, weit hinter seinen Erwartungen, und weit hinter den Tagesbesten. Er fühlte sich mies und niedergeschlagen. Das hätte nicht sein müssen. Mehr wäre möglich gewesen, und doch nicht das, was er sich erhofft hatte. Rund 20 Kilometer vor dem Ziel war er im hinteren Bereich des Feldes gefahren als das Tempo plötzlich ganz gewaltig angezogen hatte. Die Sprintvorbereitungen hatten bereits begonnen, als Willie versuchte, sich nach vorne zu orientieren. Doch weder hatte er die Kraft dazu, noch wäre es überhaupt irgendwem möglich gewesen, hier eine Attacke zu lancieren. Kraftlos und dumm war Willie heute gefahren. So konnte er nicht gewinnen.
Das Team Credit Suisse war die Etappe zurückhaltend mitgefahren. Ein erstes Abtasten, erste Kontakte im Peloton knüpfen, sich zeigen. Das war die Devise gewesen. Einzig Niklas Siewert hatte im Schlusspurt mit um den Tagessieg gekämpft. Ein siebter Rang war sicher aller Ehren wert für das erste Profirennen des jungen Mannes. Den Sieg hatte sich indes der Belgier Philippe Gilbert von FDJ geholt, der sich an den Columbia-Zug für den Österreicher Bernhard Eisel gehängt hatte. Den beiden Superstars Hushovd und Freire blieben auf der anderen Straßenseite trotz der höchsten Endgeschwindigkeit nur die Ränge vier und fünf.

Ergebnis 1. Etappe Tour Down Under
1 Philippe Gilbert FRANCAISE DES JEUX
2 Assan Bazayev ASTANA s.t.
3 Bernhard Eisel COLUMBIA s.t.
4 Thor Hushovd CRÉDIT AGRICOLE s.t.
5 Oscar Freire RABOBANK s.t.


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Credit Suisse im Peloton ----------------------------------- Trimboli am Ende des Feldes ------------------------------- Gilberts Antritt





Tour Down Under - Etappe 2

Willie lag frustriert in seinem Bett. So viel wäre möglich gewesen. Und im Endeffekt hatte er nichts erreicht. Rund zwölf Kilometer vor dem Ziel hatte er an einem leichten Anstieg angegriffen und sich abgesetzt. Seine Attacke war stark und wuchtig gewesen und er hatte sich gut gefühlt. Beste Voraussetzungen eigentlich, um das Ziel als Solist zu erreichen. Doch so sehr er sich auch angestrengt hatte - er war chancenlos gewesen. Fünf Kilometer später hatte das Feld unter der Führung von Bradley McGees ihn wieder eingeholt.
Das Rennen hatte zuvor einen normalen Verlauf genommen. In der Anfangsphase hatte sich eine fünfköpfige Spitzengruppe gebildet, zu der wenig später auch Credit Suisse Fahrer Alberto Ongarata und Ben Day von Toyota vorgefahren waren. Rund 55 Kilometer vor dem Ziel hatte der Belgier Leif Hoste erstmals seine Form getestet, als er mit seinem Teamkamerad Roy Sentjens zur Spitzengruppe aufgeschlossen hatte. Doch die Tempoarbeit von CSC, Crédit Agricole, Rabobank und Francaise des Jeux hatte dem Unternehmen Spitzengruppe schon bald ein Ende bereitet. Dann hatte Willie seine Attacke gesetzt und war wieder eingeholt worden.
Es war ein überaus hektisches, ja beinahe chaotisches Finale in einem Höllentempo gefolgt. Eine leichte Abfahrt, zwei enge Kurven, und schon hatten sich drei Fahrer von Columbia leicht abgesetzt. Adam Hansen lag alleine ganz vorne, und auch der Vortagesdritte Bernhard Eisel und Edvald Boasson jagten zwischen ihm und dem Feld dem Ziel entgegen. Auf den letzten Metern kamen die besten aus dem Peloton nochmal ganz nah, doch es reichte nicht mehr. Die besten aus dem Feld. Der Beste war heute Willie gewesen, der sensationell vierter im Schlussspurt wurde. Der nominelle Sprinter Siewert war im Finale zurückgefallen, und Willie hatte sich nach seinem Angriff stets in guter Position ganz vorne im Feld gehalten. Was wäre nur möglich gewesen, wenn er seine Kräfte geschon hätte?
Der australische Tagessieger Adam Hansen übernahm auch die Gesamtführung vom zeitglichen Gilbert, der heute nicht in die absolute Entscheidung hatte eingreifen können. Die Punktewertung führte der Österreicher Bernhard Eisel an.

Ergebnis 2. Etappe Tour Down Under
1 Adam Hansen COLUMBIA
2 Bernhard Eisel COLUMBIA s.t.
3 Edvald Boasson Hagen COLUMBIA s.t.
4 Willie Trimboli CREDIT SUISSE s.t.
5 Oscar Freire RABOBANK s.t.


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Erster Angriff von Credit Suisse ---------------------------- Trimboli attackiert------------------------------------------ Hansen bejubelt seinen Coup





Tour Down Under - Etappe 3

Es war eine ganz normale Etappe der Tour Down Under. Die Sprintankunft war bereits am Start Gewissheit gewesen, und so hatte Willie seinem Beschützer Lloyd heute den Freifahrtsschein zur Attacke erteilt, den dieser auch gleich umsetzte. Am ersten Anstieg des Tages kämpfte er sich an eine zweiköpfige Spitzengruppe heran. Hier sah es noch richtig gut aus. Wenig später jedoch verlor er in der heiß umkämpften Startphase wegen eines Defekts den Anschluss. Beinahe 30 Kilometer lang versuchte er nun als Solist, den Anschluss wiederherzustellen. Erst nach mehrmaliger Aufforderung aus dem Teamwagen hatte er sich wieder ins Feld fallen lassen. Dort konnte er sich jedoch nicht lange halten. Er hatte sich scheinbar völlig übernommen. Er wurde schließlich Tagesletzter, mit über einer Viertelstunde Rückstand. Dennoch wollte er morgen wieder an den Start gehen. Tatsache ist jedoch, dass das Team Credit Suisse das Glück mit den Ausreißergruppen bis dato noch nicht hold gewesen ist.
Das Finale war heute geordnet und normal verlaufen, und so verwundert es kaum, dass mit Thor Hushovd ein reinrassiger Sprinter das Rennen gemacht hat. Willie hatte den Sprint für Siewert angefahren, und Hushovd hatte sich an dessen Hinterrad geklemmt, von wo aus der Sieg nur noch Formsache gewesen war. Dennoch konnte man den starken zweiten Platz von Siewert als einen echten Erfolg für das Team werten, der auch einigen Grund zum Feiern bot. Hushovd hatte nun die Gesamtführung vor den beiden zeitgleichen Vortagessiegern Hansen und Gilbert inne. Auch die Punktewertung hatte er von Eisel (Tagesneunter) übernommen. Willie war als Anfahrer noch zehnter geworden - auch das war beileibe keine schlechte Leistung.

Ergebnis 3. Etappe Tour Down Under
1 Thor Hushovd CRÉDIT AGRICOLE
2 Niklas Siewert CREDIT SUISSEs.t.
3 Matti Breschel CSC s.t.
4 Aitor Galdos EUSKALTEL s.t.
5 Sébastien Chavanel FRANCAISE DES JEUX s.t.


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Lloyd kämpft sich an die Spitzengruppe heran --------------- Jobb holt Flaschen für das Team---------------------------- Hushovd siegt vor Siewert





Tour Down Under - Etappe 4

Windkante. Eigentlich genau die Situation, die gerade ein so junges Team wie Credit Suisse völlig aus der Bahn werfen kann. Umso erstaunlicher und erfreulicher jedoch, dass Credit Suisse heute als einziges Team vollzählig im vorderen Teil des von CSC zerfahrenen Feldes anzutreffen gewesen war. Eine herausragendes Leistung. Am Ende hatten nur 44 Mann zeitgleich das Ziel erreicht. Klassikergrößen wie Ivanov, Eisel, Ballan, Hansen oder Arvesen waren im zweiten Feld mit fast zwei Minuten Rückstand ins Ziel gekommen. Es war zwar noch keine Vorentscheidung um den Gesamtsieg gefallen, aber allemal eine erste Selektierung vorgenommen worden.
Das Team Credit Suisse hatte sich bis zum entscheidenden Zeitpunkt 25 Kilometer vor dem Ziel zwar stets aufmerksam aber dennoch passiv gezeigt. Als aber hinter Hushovd die Lücke aufgeklafft war kämpften sich alle Fahrer des Teams, mit Ausnahme von Siewert und Willie, an die Spitze des Feldes und hielten das Tempo hoch. Im klassikerähnlichen Finale war Siewert immerhin noch achter geworden. Matti Breschel war im Schlussspurt der Schnellste und ist nun der neue Gesamtführende. Willie hingegen hatte am Ende im Kampf gegen den Wind schlichtweg die Kraft für bessere Leistungen gefehlt. Dennoch war er vorne dabeigewesen, und das alleine zählte. Morgen würde er dann das Unternehmen Rundfahrtsieg in Angriff nehmen. Oder zumindest das Unternehmen Podium.

Ergebnis 4. Etappe Tour Down Under
1 Matti Breschel CSC
2 Assan Bazayev ASTANA s.t.
3 Roger Hammond COLUMBIA s.t.
4 Dimitri Muravjev ASTANA s.t.
5 Christian Murro LAMPRE s.t.


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Windkante ------------------------------------------------- Credit Suisse hält das Tempo hoch-------------------------- Breschel holt den Tagessieg
Zuletzt geändert von Grabba am 14.10.2008 - 12:43, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag: # 6740070Beitrag Grabba
13.10.2008 - 11:55

Tour Down Under - Etappe 5

Nervosität und Anspannung. Das waren die Schlüsselwörter vor dem heutigen Tag. Willie wollte und musste hier heute endlich den ersten Sieg einfahren. Sonst wäre seine eigene Zielsetzung für die Rundfahrt wohl verfehlt. Der Anstieg rund 25 Kilometer vor dem Ziel bot sich förmlich dafür an. Hier das Feld sprengen, eine kleine Spitzengruppe zustande bringen, diese dann irgendwann stehenlassen oder sich an der ansteigenden Zielgeraden den Sieg ersprinten. Oder gar gleich am Anstieg als Solist absetzen und als solcher das Ziel erreichen. Es gab viele Möglichkeiten für Willie. Irgendeine würde er schon nutzen können.
Es war ein gewöhnlicher Etappenverlauf. Rund 15 Kilometer vor dem Anstieg spannten sich die Fahrer von Credit Suisse in die Tempoarbeit vor das Feld, um die Ausreißer möglichst schnell wieder einzuholen. Auch im Anstieg selbst bestimmten sie das Tempo, allen voran Lloyd und Joly. Als dann knapp einen Kilometer vor dem Gipfel die ersten Attacken gingen war die Zeit für Willie gekommen. An der linken Straßenseite sah er sie aufblitzen, ein Trikot von Rabobank und das des besten Nachwuchsfahrers. Freire und Gilbert. Sofort ging er hinterher. Noch brannten die Beine nicht, noch war er stark. Er hängte sich an die beiden dran. Aber nochmal eine Attacke zu setzen war vorerst aussichtslos.
Noch im Anstieg schloss der Italiener Ballan zu ihnen auf, welcher sich auch die Bergpunkte sicherte. Willies Beine brannten bereits gewaltig. Es war egal. Keine Zeit war mehr vorhanden für irgendwelche Spielereien. Jetzt hieß es kämpfen und durchziehen. Willie spannte sich vor die Gruppe und machte Tempo. Indes hatten auch Yon Bru Pascal von Euskaltel und Paolo Tiralongo von Lampre den Anschluss geschafft. Nicht zuletzt dank Willies und der beiden Lamprefahrer Einsatz lief die Gruppe nun rund. Nach der Abfahrt betrug der Vorsprung beinahe 50 Sekunden, und bis zwei Kilometer vor dem Ziel konnten sie die Hälfte davon retten.
Die ansteigende Zielgerade, die Willie sich für seinen finalen Schlag ausgeschaut hatte, sollte ihm nun zum Verhängnis werden. Mehr, als sich am Ende der Gruppe zu halten war für ihn nicht mehr möglich. Als schließlich 700 Meter vor dem Ziel Ballan und Gilbert noch einmal das Tempo verschärften war es endgültig um ihn geschehen. Die Beine brannten, der Kopf schmerzte, die Luft fehlte. Er hatte keine Chance mehr. Während Gilbert Ballan übersprintete und somit die Gesamtführung zurückeroberte und Freire sich gegen Pascal durchsetzte gelang es Willie mit einem letzten Kraftakt, sich eine Sekunde vor dem Feld als Tagesfünfter ins Ziel zu retten.
Im Ziel fiel er nur noch von seinem Rad. Die Erschöpfung war ähnlich groß wie bei den Neuseeländischen Meisterschaften. Neuseeländische Meisterschaften. Er schloss die Augen. Damals hatte er triumphiert. Heute war er nur fünfter geworden, in der Gesamtwertung irgendwo ganz gut, doch nicht da, wo er sein wollte. Es war nicht sein Rennen gewesen. Oder war es doch die Konkurrenz, der er nicht ganz gewachsen war? Die Weltelite war eben doch noch einmal stärker als die neuseeländische. Die neuseeländische Elite. Das war er. Ganz sicher. Das zumindest hatte er vor anderthalb Wochen erreicht. Eigentlich hätte er auch ein Trikot tragen sollen, das zeigt, wer der stärkste neuseeländische Radfahrer dieser Zeit ist. Sein Landesmeistertrikot. Eigentlich. Tatsächlich aber war ein großer Fehler unterlaufen, und statt seinen neuseeländischen Meistertrikots hatten sie australische für Matthew Lloyd gekriegt. Er, der doch gar nicht Landesmeister geworden war. Willie war stinkesauer gewesen. Und hatte es doch nicht ändern können. Spätestens in Europa würde er jedoch in seinem Trikot fahren. Und dann auch die Erfolge holen. Hoffentlich.

Ergebnis 5. Etappe Tour Down Under
1 Philippe Gilbert FRANCAISE DES JEUX
2 Alessandro Ballan LAMPRE s.t.
3 Oscar Freire RABOBANK + 3
4 Yon Bru Pascal EUSKALTEL s.t.
5 Willie Trimboli CREDIT SUISSE + 5


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Die Favoritengruppe ---------------------------------------- Gilbert übersprintet Ballan---------------------------------- Willie kämpft sich ins Ziel





Tour Down Under - Etappe 6

Die Abschlussetappe der Tour Down Under. Heute wollten sie noch einmal alles geben für ihren Sprinter Niklas Siewert. Ongarato sollte das Tempo lancieren und Willie dann den Sprint anfahren. Vielleicht würde ja heute ein Sieg herausspringen. Das tellerflache Rundkursrennen über gerade einmal 84 Kilometer sollte Siewert jedenfalls entgegenkommen.
Am morgen schon erlebte Willie eine Überraschung, als die Masseurin des Teams, Sandra Buchinski, ihm beim Frühstück ein weißes Trikot gab. Nicht sein Meistertrikot, aber immerhin das Trikot des besten Nachwuchsfahrers, das er heute in Vertretung für Gilbert tragen durfte. Ein wirklicher Trost war es nicht, aber es zeigte ihm doch, dass er immerhin irgendwas erreicht hatte. Und ein Tag in einem Wertungstrikot wäre sicherlich auch eine angenehme Erfahrung.
Das Rennen selbst verlief weitestgehend ereignislos. Einzig Bert Roesems und seine Ausreißerkollegen sorgten für etwas Spannung. Der Belgier wurde jedoch als letzter von ihnen bereits 25 Kilometer vor dem Ziel wieder eingeholt. Heute musste es den letzten Massensprint geben. Alles war dafür angerichtet, und die Vorbereitungen begannen bereits weit vor dem Ziel.
800 Meter vor der Ziellinie sorgte ein böser Sturz des Italieners Moletta von Gerolsteiner für eine Schrecksekunde. Er riss einen Fahrer von Columbia und Astana sowie den Basken Aitor Galdos mit sich. Bis auf den Mann von Euskaltel kamen sie mit einigen Schürfwunden aber ohne schwerere Verletzungen davon. Einzig Galdos, der bei seinem Sturz mit vollster Wucht gegen Molettas Rahmen geschleudert wurde, brach sich das Schienbein und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Im Sprint selbst erwies sich heute der Österreicher Bernhard Eisel als der Stärkste. Zwar kam Thor Hushovd zum Ende hin noch einmal ganz stark auf, doch gegen Eisel war auch er heute chancenlos gewesen. Niklas Siewert war im Finale leicht eingeklemmt, sprintete aber dennoch auf einen erneut starken fünften Rang.

Ergebnis 6. Etappe Tour Down Under
1 Bernhard Eisel COLUMBIA
2 Thor Hushovd CRÉDIT AGRICOLE s.t.
3 Markus Zberg GEROLSTEINER s.t.
4 Mark Renshaw CRÉDIT AGRICOLE s.t.
5 Niklas Siewert CREDIT SUISSE s.t.


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Willie im weißen Trikot ----------------------------.--------- Moletta stürzt---------------------------------------------- Eisel siegt, Hushovd ist geschlagen





Tour Down Under - Gesamtwertung

Philippe Gilbert (FDJ) ist der Gesamtsieger der Rundfahrt, Matti Breschel (CSC) der Punktbeste, Fabio Baldato (LAM) gewinnt die Bergwertung, Gilbert die Nachwuchswertung und Lampre ist das beste Team. Gilbert ist mit seinen beiden Tages- und dem Gesamterfolg auch der erste Führende der diesjährigen Pro Tour Wertung und ganz sicher auch der stärkste Fahrer des Monats Januar.
Für das Team Credit Suisse war diese Tour Down Under ein durchaus gelungener Einstand in den Profiradsport und die Pro Tour. Einmal Tageszweiter, einmal -vierter, zweimal -fünfter, außerdem zwei Mann in den Top 10 der Gesamtwertung und dritter der Teamwertung. Es war wirklich eine zufriedenstellende Ausbeute, doch das ganz große Ergebnis, beispielsweise ein Tagessieg oder ein Platz auf dem Podium der Gesamtwertung, blieb am Ende leider aus.

Bild

Gesamtwertung Tour Down Under
1 Philippe Gilbert FRANCAISE DES JEUX
2 Thor Hushovd CRÉDIT AGRICOLE + 8
3 Matti Breschel CSC + 10
4 Assan Bazayev ASTANA s.t.
5 Oscar Freire RABOBANK + 13
6 Willie Trimboli CREDIT SUISSE + 17
7 Bradley McGee CSC + 18
8 Maxim Iglinsky ASTANA s.t.
9 Stuart O'Grady CSC s.t.
10 Ronny Scholz CREDIT SUISSE s.t.

Punktewertung: Matti Breschel CSC
Bergwertung: Fabio Baldato LAMPRE
Nachwuchswertung: Philippe Gilbert FRANCAISE DES JEUX
Teamwertung: Lampre






29. Januar 2008 - Ankunft in Europa

Zwei Tage nach der Abschlussetappe der Tour Down Under waren die Fahrer von Credit Suisse wieder in Europa. Genaugenommen in der Teamzentrale am Greifensee, etwa zehn Kilometer östlich von Zürich, dem Hauptsitz des Sponsors. Es war eine wirklich schöne Gegend, um Rad zu fahren. Der Greifensee, der Züricher See, die Erhebung des Pfannenstiels dazwischen. Gerade für ihn, der keine Heimat in Europa hatte, war diese Teamzentrale der perfekte Ort für das Training und Leben als Radprofi.
Die Teamzentrale war ein schöner Ort. Der Sponsor hatte offenbar eine ganze Menge Geld in dieses Schmuckstück investiert. Ein größeres Verwaltungsgebäude, ein gemeinsames "Aufenthaltshaus" mit Billardtischen, Fernsehräumen und ähnlichen Spielereien, eine große Turnhalle mit Krafträumen, eine Lager- und Technikhalle, ein kleines Schwimmbad und etliche Bungalows für die Fahrer und Betreuer. Auch Willie bezog einen solchen. Für viele Monate wäre dies nun sein Wohnsitz. Die Fahrer, die ihre Familien in Europa hatten, waren nur gelegentlich hier anzutreffen. Für sie gab es zwei größere Gemeinschaftswohnhäuser. Manche andere hingegen machten es ähnlich wie Willie und lebten die ganze Saison über hier. Für sie gab es einzelne Häuser. Die nächsten Tage würden Willie zeigen, wer alles hier wohnte und mit wem er gemeinsam trainieren konnte. Die Menschen, denen er über den Weg lief, egal ob Fahrer, Mechaniker, Trainer oder sonstiges Personal, waren allesamt nett, freundlich und gut gelaunt. Er fühlte sich wohl.
Doch trotz der tollen Atmosphäre trauerte er noch immer der Tour Down Under nach. Bereits auf der zweiten Etappe hätte er mit etwas mehr Cleverness gewinnen können. Die Attacke unterlassen, sich an Hansens Hinterrad hängen, vorbeisprinten. Das wäre der Tagessieg gewesen. Dann hätte er auch auf der fünften Etappe passiver fahren können. Bis zur Kuppe des Hügels nur mitfahren, seine Attacke erst oben setzen. Wenn er auch nicht gewonnen hätte, so hätte er doch zumindest mit Ballan und Gilbert mithalten können. Rang zwei in der Gesamtwertung wäre sicher gewesen, wenn nicht gar der Gesamtsieg. Er ärgerte sich. Doch es hatte ihm auch aufgezeigt, was seine Fehler und Schwächen waren. Zu frühe Attacken. Zu wenig Rennverständnis. Und der Kampf gegen den Wind, das kraftvolle Fahren in der Ebene, so wie ein Ballan oder Cancellara es perfekt versteht.
Alle hatten ihn gelobt. Ein sechster Platz zum Saisoneinstand in der Pro Tour, bei solcher Konkurrenz, direkt hinter einem Oscar Freire, dazu vierter und fünfter auf zwei Etappen und auch noch die Sprints angefahren. Es sei eine wunderbare Leistung gewesen, und er bräuchte sich wirklich nicht zu ärgern. Tat er aber dennoch. Es war schlichtweg frustrierend gewesen. Wenn er gewonnen hätte, oder zumindest zweiter geworden wäre, dann stünde er jetzt in einem ganz anderen Licht da. Dann wäre er bereits einer der Großen. So kämpfte er noch immer um den Anschluss.
Er legte sich in sein Bett und griff nach dem Telefon. Er überlegte einen Moment. Dann wählte er Jaylas Nummer. Credit Suisse würde die teuren Ferngespräche schon zahlen. Er brauchte jetzt Ablenkung. Über irgendwas würde er mit ihr reden. Nur nicht über den Radsport.
Zuletzt geändert von Grabba am 14.10.2008 - 12:44, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag: # 6740318Beitrag Grabba
14.10.2008 - 12:25

7. Februar 2008 - Teamzentrale

Der Frust der Tour Down Under war noch immer nicht gewichen. Dennoch trainierte Willie weiterhin äußerst fleißig. Einige Stunden auf dem Rad, und das jeden Tag, danach noch ein bis zwei Stunden im teameigenen Hallenbad schwimmen, teils gemütlich, teils mit etwas mehr Anstrengung. Er merkte den Fortschritt. Dreimal war er bisher außerdem im Kraftraum gewesen, um seine Oberschenkel zu stärken. Das war eines seiner großen Probleme in Australien gewesen. In der Ebene hatte er das Tempo der Stars nicht ganz halten können. Das musste und würde sich ändern.
Viele andere Fahrer hatte er noch nicht angetroffen. Die meisten wohnten momentan zu Hause; schließlich waren die meisten ja auch Mitteleuropäer aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien oder Belgien. Dennoch waren sie bereits zu viert. Der Schwede Marcus Ljungvist, der Kasache Mizurov und Willies Kumpel Matthew Lloyd lebten hier. Sein neuer Kumpel Matthew. Während und vor allem nach der Tour Down Under hatten die beiden sich angefreundet. Willie war glücklich, jemandem im Team gefunden zu haben, mit dem er sich gut verstand. Auch, wenn es ein Australier war. Diese Bekanntschaft half über einige Probleme hinweg. Und es half der Frustbewältigung der Tour Down Under, die auch Matthew zu überstehen hatte. Gemeinsam waren sie stark. Oder so ähnlich.
Die vier fuhren fast täglich gemeinsam durch das Züricher Land. Oftmals hängten Matthew und Willie, oder nach den härteren Einheiten Willie alleine, noch ein bis zwei Stunden Kletterei im Pfannenstiel an. Marcus war kein Freund der Anstiege, und Andrey wollte mit seinen Kräften haushalten und seine Topform noch nicht zu zeitig erreichen. Ganz anders Willie. Sein großes Ziel, die Monte Paschi Eroica, stand in etwas mehr als einem Monat an. Danach ging es nach Italien zum Tirreno und dann stand Mailand San Remo an. In diesem Zeitraum lag sein Saisonhöhepunkt. Danach gäbe es noch die Flandernrundfahrt, die Tro Bro Léon und den GP Herning. Und dann erstmal eine große Pause. Seine Saison begann also bald voll und ganz. Bei den Höhepunkten musste er in Topform sein. Sonst wäre er chancenlos. Das jedenfalls hatte ihn Australien gelehrt.
Morgen würden sie nach Italien fahren um tags darauf beim GP Costa degli Etruschi an den Start zu gehen. Gemeinsam mit dem Italiener Canfora sollte er dort für das Team Credit Suisse die Kohlen aus dem Feuer holen. Am selben Abend würde er mit einem Teil der Mannschaft nach Mallorca fliegen um dort an einer kleineren Rennserie oder Rundfahrt, ganz wie man es nun nennen will, teilzunehmen. Einige weitere Chancen also für Willie, endlich seine absolute Klasse unter Beweis zu stellen.
Das neuseeländische Meistertrikot war noch immer nicht eingetroffen. Diese verdammte Druckerei. Jeden Tag hatte er auf die Lieferung gewartet, doch angekommen war noch gar nichts. Er würde also auch in Italien und auf Mallorca im Teamtrikot fahren. Sicher, ein schönes Trikot. Aber sein neuseeländisches wäre ihm um ein Vielfaches lieber gewesen. Spätestens aber in zehn Tagen würde er es bei der Andalusienrundfahrt endlich tragen dürfen. Hoffentlich.





GP Costa degli Etruschi

Das erste größere Eintagesrennen des Jahres auf italienischem Boden. Das Profil des Rennens bevorzugt traditionsgemäß die Sprinter. Und die schnellen Männer waren auch die großen Favoriten des Rennens. Gert Steegmans, Danilo Napolitano, Robert Hunter, Francesco Chicchi und Greg van Avermaet. Doch auch andere endschnelle Klassikerspezialisten wie das Lampreduo Mirko Lorenzetto und Damiano Cunego, Enrico Gasparotto von Barloworld oder Danilo di Luca von LPR waren keinesfalls zu vergessen. Auch das Team Credit Suisse war mit großen Ambitionen angereist. Andrea Canfora und Willie Trimboli sollten für ein gutes Ergebnis sorgen. Auch in den Spitzengruppen wollte man sich zeigen.
Das Rennen fing gemächlich an. Sébastien Joly setzte sich an einem leichten Anstieg zu Beginn des Rennens gemeinsam mit zwei anderen Fahrern vom Feld ab und fuhr daraufhin den ganzen Tag vorne an der Spitze. Das Rennen plätscherte vor sich hin, bis die Mannschaften von Liquigas und Quickstep plötzlich bei heftigem Seitenwind Tempo machten. Windkante. Schnell war das Feld in viele kleine Gruppen zersplittert. Vorne kämpften vereinzelte Fahrergrüppchen um den Anschluss. Doch vor allem Quickstep hielt das Tempo so hoch, dass diese Versuche meist aussichtslos waren.
An der 10-Kilometer-Marke, als mir Joly nur noch ein letzter Ausreißer vorneweg war, setzte sich der Belgier Steegmans mit einem starken Antritt ab. Quickstep nahm sofort das Tempo heraus und für einen Moment herrschte Unordnung, Verwirrung und Uneinigkeit im Feld. Willie Trimboli nutzte diesen Moment und setzte sich gemeinsam mit Ivan Rovny ab. Jetzt kam wieder Leben in die Verfolger. Greg van Avermaet setzte die nächste Attacke und nur Credit Suisse Fahrer Andrea Canfora konnte ihm folgen. Dahinter kämpften die Fahrer alleine oder zu zweit oder dritt gegen den Wind.
Während Steegmans vorne einem ungefährdeten Sieg entgegenfuhr konnten van Avermaet und Canfora zu Trimboli und Rovny aufschließen und vorbeziehen. Im Schlussspurt setzte sich van Avermaet gegen Canfora und Trimboli gegen Rovny durch. Dahinter sprintete Robert Hunter aus einer kleineren Gruppe auf Rang sechs. Auch Damiano Cunego hatte, nachdem er bei der Windkantensituation den Sprung in die erste Gruppe verpasst hatte, noch einmal richtig Tempo gemacht und war unter die Top 10 des Rennens gefahren. Er hatte bereits eine beachtliche Frühform unter Beweis gestellt. Der klare, eindeutige und verdiente Sieger des Tages heißt jedoch Steegmans. Auch Credit Suisse kann mit dem Ergebnis, Rang drei und vier durch Canfora und Trimboli sowie Rang sieben durch den stark kämpfenden Ausreißer Joly, durchaus zufrieden sein.

Ergebnis GP Costa degli Etruschi
1 Gert Steegmans QUICKSTEP
2 Greg van Avermaet SILENCE-LOTTO
3 Andrea Canfora CREDIT SUISSE
4 Willie Trimboli CREDIT SUISSE
5 Ivan Rovny TINKOFF CREDIT SYSTEMS


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Kantenwind sprengt das Feld ------------------------------- Steegmans triumphiert ------------------------------------- van Avermaet übersprintet Canfora

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Beitrag: # 6740896Beitrag Orfeus
18.10.2008 - 11:54

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Beitrag: # 6741339Beitrag Grabba
22.10.2008 - 15:23

Mallorca Challenge - Vorausblick

Mallorca Challenge. Ein illustres Starterfeld. Jahr für Jahr gaben die Stars sich hier ihr Stelldichein. Auch 2008 war dies nicht anders. Valverde, Ricco, Mosquera, Zubeldia, Schleck, Rogers, Anton, Rodriguez, Voigt, Sanchez, Mc Ewen, Bennati und Eisel waren nur einige Namen. Hier zu siegen wäre keine einfache Aufgabe. Dennoch musste es versucht werden. Weiter in die Weltspitze vorzustoßen war das erklärte Ziel. Ein Erfolg hier würde wohl noch mehr Beachtung finden als gute Leistungen in Australien. Ganz sicher.




Mallorca Challenge - Etappe 1 und 2

Zwei Sprintetappen, zwei Massensprints. Das war der unspektakuläre Beginn der Mallorca Challenge 2008. Auf dem tellerflachen Rundkurs über gerade einmal 84 Kilometer, der am ersten Tag zu befahren gewesen war, hatten sich mit McEwen und Bennati zwei absolute Sprintasse durchgesetzt. Der Rest des Fahrerfeldes war chancenlos gewesen. So auch Willie, der sich zwar am Sprint beteiligt hatte, über Rang 12 aber nicht hinausgekommen war.
Auch am nächsten Tag war wieder alles für einen Massensprint gerichtet gewesen. Doch dieses Mal waren es nicht die reinen Sprinter McEwen und Bennati, die sich in Szene setzen konnten, sondern Alejandro Valverde, der bereits am Vortag mit Rang fünf eine starke Frühform hatte aufblitzen lassen. Rojas Gil hatte ihn perfekt lanciert und Valvdere konnte problemlos den Sieg einfahren. Einzig Bernhard Eisel, am Vortag bereits auf Rang drei und vor wenigen Wochen Sieger der Abschlussetappe der Tour Down Under, war ihm am Ende noch gefährlich geworden. Erfreulich war der Tag auch für Willie gewesen, der immerhin auf Rang fünf gefahren war. Zwar brachte dies keine Bonifikationen mit sich, doch es war immerhin ein weiteres gutes Ergebnis.

Ergebnis 1. Etappe Mallorca Challenge
1 Robbie McEwen SILENCE-LOTTO
2 Daniele Bennati LIQUIGAS s.t.
3 Bernhard Eisel COLUMBIA s.t.
4 Aitor Perez Arrieta EXTREMADURA s.t.
5 Alejandro Valverde CAISSE D'EPARGNE s.t.


Ergebnis 2. Etappe Mallorca Challenge
1 Alejandro Valverde CAISSE D'EPARGNE
2 Bernhard Eisel COLUMBIA s.t.
3 Candido Barbosa BENFICA s.t.
4 David Herrero Llorente KARPIN GALICIA s.t.
5 Willie Trimboli CREDIT SUISSE s.t.


Bild Bild Bild
McEwen gewinnt Etappe ------------------------------------ Ausreißergruppe auf Etappe 2------------------------------ Valverde siegt; Trimboli wird fünfter





Die Entscheidung naht

Die nächsten drei Tage würden die Entscheidung auf Mallorca bringen. Alles bisher Gewesene war nur Vorgeplänkel. Zwei Massensprints ohne Zählbares. Morgen wäre der wichtigste Tag. Es ging die letzten zwei Kilometer bergauf ins Ziel. Durchaus ein ideales Terrain für Willie. Ein kurzer aber nicht zu schwerer Anstieg, bei dem er seine Sprintfähigkeiten wunderbar ausspielen konnte. Und bei dem er seiner Konkurrenz echte Zeit abnehmen konnte. Es wäre die Chance auf den ersten Saisonsieg in Europa. Dass er die Rundfahrt dann noch mitnehmen würde verstand sich von selbst. Er konnte es kaum noch erwarten.
Das Team würde für ihn arbeiten müssen. Er hatte seine Form und Klasse unter Beweis gestellt. Er war siegfähig, im Gegensatz zum Rest. Er musste die Kohlen aus dem Feuer holen. Also mussten sich die anderen auch für ihn aufopfern. An den Anstiegen im Verlauf des Rennens würden sie vielleicht Tempo machen. Willie aus dem Wind halten, ihn mit Flaschen versorgen. Und dann den finalen Antritt auf den letzten Kilometern perfekt lancieren. Nichts würde schiefgehen können. Der Sieg war zum Greifen nahe.

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Beitrag: # 6742323Beitrag Grabba
28.10.2008 - 19:38

Ein Achtungserfolg

Einzig die Ankunft würde am heutigen Tag die Entscheidung bringen. Hochmotiviert ging Willie ins Rennen. Zwei Kilometer bergauf ins Ziel. Hier wollte er gewinnen, hier musste er gewinnen. Schon am Start spürte er, dass seine Beine heute gut waren. Trotz einer gewissen Anspannung hatte er in der vergangen Nacht tief und fest schlafen können. Manche im Team sagten sogar, er habe die Ruhe weg vor solch wichtigen Rennen. Doch es war immer die Frage, wie man wichtig definierte. Das heutige Rennen war nicht sein Saisonziel. Also war es auch nicht wichtig. Natürlich wäre ein Sieg heute ein entscheidender Schritt in seiner Karriere. Und ein toller Erfolg. Aber er hatte eben andere Ziele. Wichtigere Ziele.
Konzentriert startete er ins Rennen. Die Anfangsphase war überaus hektisch, denn viele Fahrer wollten heute den Sprung in die Ausreißergruppe schaffen. 13 Fahrer waren es letztlich, die sich vom Feld gelöst hatten und vorneweg in Richtung Ziel fuhren. Doch die Mannschaften der Favoriten waren wachsam und begannen zeitig die Tempoarbeit. Auch das Team Credit Suisse schaltete sich an den ernsten Anstiegen des Tages mit ein und verkleinerten das Feld. Zehn Kilometer vor dem Ziel war es schließlich um die Spitzengruppe geschehen.

Noch immer fühlte Willie sich gut und stark. Heute wäre er wirklich in der Lage, um den Sieg zu kämpfen. Das hohe Tempo an den Anstiegen hatte ihn nicht geschwächt. Sein Tritt war noch immer rund, er selbst noch immer frisch. Er brannte förmlich darauf, dass es endlich in den Schlussanstieg ging. Jetzt galt es nur noch, sich zu zügeln.
Mit einem höllischen Tempo fuhren seine Helfer ihn auf die letzten Kilometer. Willie hielt sich in der idealen Position am Hinterrad von Christopher Jobb, dem letzten Mann vor ihm. Ronny Scholz und Matthew Lloyd hatten ihr Tagewerk soeben verrichtet. An der Flame Rouge schaute er kurz über seine linke Schulter nach hinten. Er sah das gelbe Trikot von Alejandro Valverde hinter einigen anderen Fahrern hervorschimmern. Zu weit hinten für seinen Geschmack. Das würde heute wohl nicht reichen für den Spanier.
Ein Schrei in seinem Ohr riss ihn in die Gegenwart zurück. Ein Fahrer von Francaise des Jeux hatte auf der rechten Straßenseite attackiert. Jussi Veikkanen. Mit einem Kraftakt löste Willie sich vom Feld und versuchte, das Hinterrad des Finnen zu erreichen. Doch dieser war heute stärker gewesen. Und nicht zuletzt hatte er Willies einzige Unachtsamkeit des Tages ausgenutzt. Erst 50 Meter vor dem Ziel hatte Willie mit letzter Kraft das Hinterrad seines Kontrahenten erreicht. Das folgende Überholmanöver gelang ihm bis zur Ziellinie nicht mehr ganz. Zweiter. Verdammt.

Am Abend saß Willie alleine auf der Hotelterrasse und blickte über die malerischen Steilküsten auf das ruhige Meer hinaus. Das sanfte und gleichmäßige Rauschen der Wellen brachte auch ihm die so dringend benötigte innere Ruhe zurück. Auch ein zweiter Platz war aller Ehren wert. Ein Achtungserfolg - nicht mehr und nicht weniger. Er hatte einen Joaquin Rodriguez geschlagen, einen Riccardo Ricco, einen Jens Voigt und vor allem einen Alejandro Valverde. Dass ausgerechnet dieser Veikkanen ihm den Sieg hatte wegschnappen müssen war ärgerlich. Doch trotz allem war der Tag als ein Erfolg zu werten. Das war ihm nun bewusst geworden. Morgen dürfte er das Trikot des besten Nachwuchsfahrers tragen. Und auch die Gesamtführung lag in Reichweite. Hoffnung war also noch immer vorhanden. Ganz gewiss.

Ergebnis 3. Etappe Mallorca Challenge
1 Jussi Veikkanen FRANCAISE DES JEUX
2 Willie Trimboli CREDIT SUISSE s.t.
3 Joaquin Rodriguez CAISSE D'EPARGNE + 5
4 Jurgen vandenbroeck SILENCE-LOTTO + 7
5 Alejandro Valverde CAISSE D'EPARGNE + 8


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Veikkanen rettet sich vor Trimboli ins Ziel

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Grabba
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Beitrag: # 6742513Beitrag Grabba
29.10.2008 - 21:18

Täglicher Kleiderwechsel

Endlich war ihm ein wirklicher Erfolg gelungen. Zwar kein Sieg, aber nichtsdestotrotz würde Willie morgen im gelben Trikot des Gesamtführenden an den Start gehen. Das allein machte all die Misserfolge der letzten Tage beinahe vergessen, und so war auch die Stimmung am heutigen Abend entsprechend ausgelassen. Denn das gesamte Team hatte für diesen Teilerfolg gearbeitet, und so hatten sie auch alle einen Grund zum Feiern.

Den ganzen Tag über war Matthew Lloyd in der Spitzengruppe unterwegs gewesen. Als rund fünfzig Kilometer vor dem Ziel der Spanier Luis Leon Sanchez, noch immer in aussichtsreicher Position im Kampf um den Gesamtsieg, mit einer mutigen Attacke zur Spitzengruppe vorgestoßen war hatte der Australier sich aus der Führungsarbeit verabschiedet und nur noch das Hinterrad des Spaniers gehalten. So hatte er noch einige Reserven, als es schließlich in den zweigeteilten letzten Anstieg ging, dessen Gipfel siebzehn Kilometer vor dem Ziel lag.
Kurz vor der ersten Bergwertung zur Mitte des Anstieges setzten sich Mosquera, Ricco und Rodriguez von der Gruppe ab. Noch als Ronny Scholz und Christopher Jobb sich vor das Hauptfeld spannten gingen auch der spanische Meister Valverde und der Gesamtführende und Vortagessieger Veikkanenen im kurzen Flachstück nach der ersten Bergwertung in die Attacke. Willie hingegen tat das einzig Richtige in dieser Situation - er bewahrte die Ruhe. Mit einem wahren Kraftakt im Flachstück und in den ersten Kilometern der zweiten Hälfte des Anstiegs konnten Scholz und Jobb Mosquera und sogar den Gesamtführenden Veikkanen zurückholen und fast zu Valverde aufschließen.
Diesen Moment der Schwäche des Mannes in gelb nutzte schließlich Willie. Mit einem saftigen Antritt fuhr er zu Valverde auf, mit dem er gemeinsam zu Ricco vorstieß. Veikkanen war bereits zu diesem Zeitpunkt geschlagen. Die ehemalige Spitzengruppe war indes vollends zerfallen. Rodriguez hatte Sanchez und Lloyd, die beiden letzten Verbliebenen der ehemaligen Spitzengruppe, überholt und fuhr nun alleine an der Spitze. Lloyd hatte versucht, das Hinterrad des kleinen Spaniers zu halten und hatte sich so von Sanchez abgesetzt, doch Rodriguez war schließlich doch zu stark gewesen.
Auch Willie konnte dreihundert Meter vor der Bergwertung noch einmal beschleunigen und sich von Valverde und Ricco lösen. Gemeinsam mit Matthew Lloyd stürzte er sich nun in die Abfahrt. Einige hundert Meter hinter ihnen machte nun Sanchez Tempo für seinen zweiten Kapitän Valverde. Die beiden letzten Ausreißer des Tages, Lloyd und Sanchez, fuhren nun gegeneinander und für ihre Kapitäne. Und fast schien es, als würden alle Gruppen wieder zusammenlaufen, doch sowohl Rodriguez konnte sich vor Willie als auch Willie vor Valverde über die Ziellinie retten. Rang zwei, ganz wie am Vortag.
Mit einem gleichmäßigen Tempo am Anstieg und einer starken Leistung in der Abfahrt war auch Daniele Bennati noch in Valverdes Gruppe vorgestoßen und hatte mit Rang vier ein beachtliches Resultat einfahren können. Der so tapfere Matthew Lloyd hatte sich noch immer als fünfter ins Ziel gequält.

Zwar hatte Willie im ersten Augenblick eine gewisse Enttäuschung wegen des verpassten Tageserfolgs verspürt, doch als er wenig später erfuhr, dass er morgen in gelb fahren dürfe, war alle Enttäuschung verflogen. Eine einzige Sekunde Vorsprung hatte auf Joaquin Rodriguez und, was wohl viel beängstigender war, nur weitere sieben auf den sprintstarken Valverde. Entschieden war hier noch gar nichts.

Ergebnis 4. Etappe Mallorca Challenge
1 Joaquin Rodriguez Oliver CAISSE D'EPARGNE
2 Willie Trimboli CREDIT SUISSE s.t.
3 Alejandro Valverde CAISSE D'EPARGNE s.t.
4 Daniele Bennati LIQUIGAS s.t.
5 Matthew Lloyd CREDIT SUISSE s.t.


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Noch im Trikot des besten Nachwuchsfahrers ----------.---- Machtlos bei Rodriguez Tageserfolg

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