Mit Gerdemann zum Toursieg 2009

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

PS
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Beitrag: # 6721915Beitrag PS
20.7.2008 - 13:02

Allgeimein sind es zu viele Bilder. Die Wertungen gehen mal gar nicht. Auf jeden Fall müssen die anders dargestellt werden und auch z. B. beim Zeitfahren soltlen nicht so viele Bilder sein. Der AAR soll vom Text leben und nicht von den Bildern. Und weiterhin plädiere ich: Bring da mehr Spannung rein!
Pe Es - Sieger Giro 2010, 3. TdF 2011, 3. Giro 2013, 2. TdF 2015, 2. Giro 2017, 3. Vuelta 2017, Sieger Vuelta 2023
Etappensiege: Vuelta Etappe 18+19 2008; Giro Etappe 7 2010; Giro Etappe 19 2011; Vuelta Etappe 3+5 2011; Giro Etappe 3 2013; Giro Etappe 8 2016; Tour Etappe 9 2016; Giro Etappe 18 2017; Tour Etappe 17 2017; Vuelta Etappe 12 2018; Tour Etappe 13 2019; Giro Etappe 12 2020; Giro Etappe 14+20 2021; Tour Etappe 14 2021; Vuelta Etappe 7+15 2021

Andy92
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Beitrag: # 6722012Beitrag Andy92
20.7.2008 - 16:38

Toll, die einen sagen, bring mehr Bilder rein, nur Text is auch blöd, dann mach ich halt beides. Die Wertungen nehm ich raus, aber in den Bergen gabs jetzt so schöne Bilder, die muss ich einfach reinstellen.

Andy92
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Beitrag: # 6722029Beitrag Andy92
20.7.2008 - 16:48

Cima Coppi am Stilfser Joch

Die vierte schwere Bergetappe in Folge, bevor zwei Überführungsetappen in Richtung Frankreich anstehen. Es war die Königsetappe. Drei Giganten stellten sich heute den Fahrern in den Weg: Stilfser Joch, Mortirolo und Gavia Pass. Die zwei höchsten Pässe der Rundfahrt auf einer Etappe – wenn das nicht heftig werden sollte...

Profil:

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Wie die berühmten drei Zinnen in den Dolomiten erhoben sich heute die Pässe vor den Fahrern, wobei der Mortirolo der einfachste des Tages sein wird und eher wie ein kleiner Zögling zwischen seinen beiden „Eltern“ wirkt.
Da es heute an jedem Berg 20 Punkte für den Sieger gab und der erste, das Stilfser Joch, auch noch die Cima Coppi des Giros war, stellte es für Andreas als wahrer Träger des Grünen Trikots eine Pflicht dar, sich auch heute wieder vorne zu zeigen.
Leider war das Wetter nicht mehr so sommerlich warm, wie noch in den vergangen Tagen. Bei 14 Grad und leichter Bewölkung machten sich die Fahrer direkt aus Prato, am Fuße des Stilfser Jochs, auf, um sich ihren Weg nach Bormio zu erklettern.
Andreas machte seinem Trikot heute alle Ehre und setzte sich sofort vom Feld ab.

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Angefeuert von den massenhaft angereisten Fans, darunter auch viele Deutsche, erarbeitete er sich schnell einen bequemen Vorsprung, bekam jedoch einen Verfolger: Wiedereinmal Peiro Marqueno von Discovery, der das Trikot auf Andreas Schultern wohl noch nicht aufgegeben hatte. Beide jagten die berühmten Kehren des Passes auf 23,1 Kilometer bei einer Steigung von 7,4% hinauf.

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Schließlich konnte Marqueno zu Andreas aufschließen und die beiden fochten einen Sprint um den Preis der Cima Coppi vor atemberaubender Kulisse in 2731m Höhe aus.

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Andreas spielte seine ganze Erfahrung aus und konnte sich diese wertvollen 20 Punkte sichern. Im Tal hatten die beiden einen Vorsprung von rund 13 Minuten auf das Feld, während sich Jose Rujano an der Bergwertung gelöst hatte und sich nun auf die Jagd der beiden Ausreißer begeben hatte.
Den 12,9 Kilometer langen und 11% steilen Mortirolo entschied erstmals der Spanier Marqueno für sich.

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Schließlich konnte Rujano in der Anfahrt zum rund 2600m hohen Gavia Pass zu den beiden Spitzenreitern aufschließen. Die letzte Schwierigkeit des Tages, ist mit 20 Kilometern und 7,9% Steigung auch der schwierigste Anstieg des Tages. En furioses Finale wartete auf die Fans, während sich so mancher Fahrer wohl schon den Zielstrich gewünscht hätte.
Wieder griff Cunego direkt am Fuße des Anstiegs an, während Andreas vorne abreißen lassen musste.

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Julien, Morris, Vincenzo und Linus nahmen zusammen mit Ghisalberti die Verfolgung des Mannes in Rosa auf, der damit begann, das Feld von hinten aufzurollen.

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Andreas ging wie immer irgendwo unter, genauso wie Marqueno, nur Rujano konnte dem Tempo des Italieners länger standhalten.

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Doch auch diesen lies er hinter sich. Rujano hatte völlig überzogen und quälte sich die letzten Meter des Anstieges hinauf, während man Cunego schon fast im Ziel jubeln sah. Dann attackierte auch noch Ghisalberti aus der T-Mobile Gruppe heraus. Julien musste ganz abreißen lassen, wie auch Linus und Morris war irgendwann alleine an vierte Position im Rennen, da auch Vincenzo den Anschluss verloren hatte.
Während Rujano in der Abfahrt Position um Position verlor, fuhr Cunego einen weiteren sicheren Sieg vor Ghisalberti ein.

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Tageswertung:
1.Cunego 5h49’10”
2.Ghisalberti + 3’07”
3.Possoni + 5’01”
4.Nibali + 5’01”
5.Rujano + 6’52”
6.Gerdemann + 6’52”
7.Loubet + 7’48”
8.Pellizotti + 8’00”
9.F.Schleck + 8’00”
10.Plaza + 8’00”

Gesamtwertung:
1.Cunego 65h22’48”
2.Nibali + 12’25“
3.Possoni + 14’54“
4.Ghisalberti + 19’44”
5.Rujano + 21’25”
6.Gerdemann + 24’56”
7.Loubet + 29’38“
8.Pellizotti + 30’51“
9.Plaza + 30’54“
10.F.Schleck + 31’21”

Punktwertung:
1.Cunego 154 Punkte
2.Davis 140 Punkte
3.Steegmans 132 Punkte
4.Nibali 117 Punkte
5.Corioni 107 Punkte

Bergwertung
1.Klöden 110 Punkte
2.Cunego 85 Punkte
3.Peiro Marqueno 69 Punkte
4.Ghisalberti 68 Punkte
5.Runjano 64 Punkte

Nachwuchswertung:
1.Nibali 65h35’13“
2.Possoni + 2’29“
3.Loubet + 17’13”

Teamwertung:
1.T-Mobile 194h20’16“
2.Liberty Seguros + 1h29’50“
3.Rabobank + 1h32’05“

Andy92
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Beitrag: # 6722196Beitrag Andy92
20.7.2008 - 21:56

Zwei Überführungsetappen mit wenig Spannung

Profil:
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Die sechzehnte Etappe führte von Sondrio nach Novara über 197 Kilometer bei angenehmen Temperaturen und Wetter nahe an Mailand vorbei, doch noch war es ein weiter und schwerer Weg bis dort hin. Das einzige Ziel heute war den ersten Erfolg für Enrico einzufahren und den Kletterjungs ein wenig Ruhe zu gönnen. Die Verfolgung der Ausreißer übernahmen andere Teams wie Euskatel, die Davis wieder in der Punktwertung nach vorne bringen wollten, so konnten wir uns voll und ganz auf den Sprinterzug konzentrieren.

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Lorenzo zog alles von vorne, stand aber vielleicht einen Tick zu früh im Wind und musste daher zu schnell aus der Führungsarbeit. Dahinter erhöhte David das Tempo bevor Enrico selbst alles geben musste. Es lief perfekt! Doch dann rauschte Danilo Napolitano mit unglaublicher Geschwindigkeit von hinten heran – Steegmans hinter her und plötzlich verließen Enrico die Kräfte und er büßte Position um Position ein. Doch wer holte sich den Tagessieg? Napolitano seinen ersten oder Steegmans seinen dritten?

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Ein lang ersehnter Sieg des Italieners wurde heute Wirklichkeit, leider nicht der von Enrico.

Tageswertung:
1.Napolitano 4h39’20”
2.Steegmans
3.Mercato
4.Santambrogio
5.Davis
6.Rigotto
7.Gasparotto
8.Cunego
9.D’Amure
10.Chavannel

Gesamtwertung:
1.Cunego70h02’18”
2.Nibali + 12’25“
3.Possoni + 14’54“
4.Ghisalberti + 19’44”
5.Rujano + 21’25”
6.Gerdemann + 24’56”
7.Loubet + 29’38“
8.Pellizotti + 30’51“
9.Plaza + 30’54“
10.F.Schleck + 31’21”


Profil:
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Die siebzehnte Etappe wurde schon etwas anspruchsvoller. Vom gestrigen Zielort Novara ging es weiter in Richtung Westen nach Fossano über 149 Kilometer, doch am Ende wartete eine, mit bis zu 7% steilen Rampen, kleine Schlusssteigung. Vielen Fahrern gefiel die Richtung wohl nicht, die der Tross heute einschlug, denn es ging wieder zurück in die Alpen und da hätten sich einige wohl etwas leichteres gewünscht, als diese kurze Rampe am Ende der Etappe.
Man lies eine Ausreißergruppe gewähren. Das erleichterte die Arbeit schon mal gewaltig, denn der Anstieg schien doch schwieriger als erwartet.

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Vorne zerfiel die neunköpfige Spitzengruppe, in der sich auch wieder Thomas Ziegler befand, der wohl ein Händchen für durchkommende Ausreißergruppen zu haben scheint. Doch er konnte dem Tempo des Franzosen Delpech (Saunier Duval), Gerit Duchenne und dem Amerikaner Zachary nicht mehr folgen. Delpech eröffnete den Sprint und lies all seine Verfolger hinter sich, während von hinten der Belgier Van Mechelen heraneilte.

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Doch der Franzose verteidigte seinen Vorsprung souverän. Den Sprint aus dem Hauptfeld entschied Elia Rigotto für sich.

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Tageswertung:
1.Delpech 3h22’39“
2.Van Mechelen
3.Duchenne
4.Zachary
5.Jurco
6.Ingils + 35“
7.Clarke
8.Ziegler
9.Rigotto +45“
10.Davis

Gesamtwertung:
1.Cunego 73h25’32”
2.Nibali + 12’25“
3.Possoni + 14’54“
4.Ghisalberti + 19’44”
5.Rujano + 21’25”
6.Gerdemann + 24’56”
7.Loubet + 29’38“
8.Pellizotti + 30’51“
9.Plaza + 30’54“
10.F.Schleck + 31’21

Punktwertung:
1.Cunego 167 Punkte
2.Davis 158 Punkte
3.Steegmans 152 Punkte
4.Nibali 117 Punkte
5.Corioni 111 Punkte

Bergwertung
1.Klöden 110 Punkte
2.Cunego 85 Punkte
3.Peiro Marqueno 69 Punkte
4.Ghisalberti 68 Punkte
5.Runjano 64 Punkte

Nachwuchswertung:
1.Nibali 65h35’13“
2.Possoni + 2’29“
3.Loubet + 17’13”

Teamwertung:
1.T-Mobile 194h20’16“
2.Liberty Seguros + 1h29’50“
3.Rabobank + 1h32’05“

Andy92
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Beitrag: # 6726265Beitrag Andy92
29.7.2008 - 16:42

Was erleben wir auf der schwersten Bergetappe des Giros?

So lautete die Überschrift heute morgen in der Gazetta dello Sport, DER italiennischen Sportzeitung. Cunego war der neue Held und mein Team wurde in den Artikeln geschmäht: "Endlich wieder das "echte" Rosa vorne!" oder "Und? Was ist jetzt Magenta? So gewinnt kein Gerdemann die Tour!" hieß es nach den Etappen in den Dolomiten. Linus setzte das zu. Ich wollte eigentlich nicht, dass er diese Sachen liest, aber selbst ein Blinder mit Krückstock hätte irgendwann von den Schlagzeilen gehört. Und jetzt, da es in Richtung Frankreich ging und heute sogar in das Land der Tour, war Linus natürlich besonders motiviert, obwohl man in diese Region bei der Tour gar nicht fahren würde. An diesem Morgen spürte ich seine Anspannung und die Angst weiterhin zu versagen und noch lautere Schmährufe der Medien ertragen zu müssen. Ich versuchte ihm immer wieder klar zu machen, dass es nur ein Vorbereitungsrennen ist und sein 6. Gesamtrank weit über den Erwartungen liegt.
Auch er musste zugeben, dass er sich das immer wieder sagte, aber die Italiennische Presse betriebe seiner Meinung nach Rufmord. Warum nahm er sich das so zu Herzen? Sein Girosieg vor zwei Jahren war doch nur Vorbereitung auf das große Vorhaben Tour 09 in diesem Jahr. Ich hatte ihn verloren. Ich musste es einfach zugeben. Irgendwann im Laufe dieser Rundfahrt hatte ich ihn aus den Augen verloren - oder schon vorher?
Gestern Abend bat er mich wieder einmal um ein Gespräch unter vier Augen auf meinem Hotelzimmer. Wir diskutierten ungefähr eine halbe Stunde, bis er nach einer kurzen Bemerkung meinerseits ein erstauntes Gesicht machte. Ich weis nicht mehr genau, was ich gesagt hatte, auf jeden Fall schien es ihn sehr beeindruckt zu haben.
"Ich habe also keinen Druck?", fragte er.
"Keinen Druck? Junge! Wenn es das ist!? Du hast bei dieser Rundfahrt und auch bei der Tour auf keinen Fall irgendeinen Druck. Schon gar nicht von mir, vom Sponsor ein bisschen, aber ich steh nicht nur direkt hinter dir, sondern stell mich sofort zwischen dich und den Bestien aus Bonn, wenn die meinen, du solltest doch ein wenig schneller fahren. Keiner will dich bei dieser Rundfahrt zu irgendetwas zwingen."

Dennoch, heute morgen war schon wieder alles anders. Er verfiel wieder in den Trott der letzten Tage: Gelangweilt und unglücklich, mit blasem Gesicht schlenderte er vor dem Teambus auf und ab. Alle anderen saßen schon um den großen Esstisch im inneren des Fahrzeugs. Es herrschte Totenstille. Alle starrten gebannnt auf Linus, der draußen im noch leicht morgendlichen Sonnenschein auf und ab ging. Im Hintergrund ein großer Schotterparkplatz und am Horzont reihten sich die verschneiten Alpengipfel in einer Reihe auf.
Die einzigen, die ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen trugen, waren Vincenzo und Morris. Heute stand die Operation Podiumsverteidigung für diese beiden auf dem Programm. Doch was noch keiner ahnte: Ich hatte heute noch etwas vor...

Endlich beendete Linus seinen Patroulliengang. Er verschwand kurz aus meinem Blickfeld, bis er durch die Tür gebückt in den Bus kletterte. Der Fahrer schloss die Tür hinter him. Alle blickten ihn erwartungsvoll an. Als er unsre Blicke und die bedrückende Stille bemerkte, erwachten seine Züge wie zu neuem Leben: Er lachte und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
Ein gutes Zeichen und gleichzeitig das Signal, dass ich mit meiner Besprechung beginnen konnte.
Ich warf die Mappe, auf deren Frontseite immer das Profil der jeweiligen Etappe geheftet war, auf den Tisch, als würde ich sie den Fahrern zum Fraß vorwerfen und rief: "Heutige Operation: Linus Etappensieg!"

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Zuletzt geändert von Andy92 am 30.7.2008 - 22:30, insgesamt 1-mal geändert.

Andy92
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Beitrag: # 6726266Beitrag Andy92
29.7.2008 - 16:43

Ich hatte so etwas noch nie gemacht. So klar und deutlich den Rennverlauf meines Teams auf einen Fahrer abgestimmt, ein hohes Risiko eingehen und unter Umständen alles verlieren. Aber ich liebe Herausforderungen.
Ich hatte auf den vorigen Etappen genügend Kraft für diesen Tag getankt und wenn es sein musste auch noch für Morgen. Es herrschte Hochstimmung im Team. Ich hatte die Jungs perfekt motiviert, in dem ich meine Begeisterung und meine Vorfreude auf sie abfärben lies. Es sollte hoffentlich ein erfolgreicher Tag werden. Das Wetter war optimal dazu. Aber man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben, denn noch hatte das Rennen noch gar nicht so richtig begonnen.
Was die Fans noch nicht wussten: Sollte meine Taktik heute perfekt aufgehen, dürften sie eine wahre Show in Magenta erleben. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen. Jeder war mit einbezogen, musste in jedem Moment voll da sein.
„Heute und morgen, Jungs, das werden unsre Tage sein! Da werden wir siegen!“, hatte ich heute morgen immer wieder gerufen. Ich hoffe nur, dass ich einige nicht mit zu viel Enthusiasmus überrumpelt habe, vor allem Enrico schien etwas geknickt, da er offensichtlich meinte, dass das Team während dieser Rundfahrt nie so für ihn gearbeitet hätte. Ich versicherte ihm, dass wir bereits alles versucht hätten, um ihn in Szene zu setzen, aber manchmal hätte man eben Pech und heute sei ja auch noch nichts gewonnen. Dennoch versicherte ich ihm, dass wir uns alle für diese eine letzte Woche noch so viel Kraft gespart hätten, dass wir diese Show auch in Mailand fortführen könnten.

Ausgangssituation: Der Siegesdurst des Spitzenreiters Cunego war nach meiner Einschätzung noch lange nicht gestillt worden, sodass ein Etappensieg bei diesem Profil für Linus unmöglich ist, wenn er am letzten Berg in einer Gruppe mit dem Italiener unterwegs ist.
Sprich: Man muss das so verhindern, dass Linus bereits einen ausreichenden Vorsprung auf Cunego hat und dieser nicht mehr an ihn herankommen kann. Außerdem kann das dem starken Rabobankteam eh egal sein, denn Linus hatte ja bereits einen Rückstand von über 20 Minuten auf ihren Kapitän.

Trick 1: Ein ausdauernder tempoharter Fahrer, der auch die Berge ganz gut hochkommt, in die Ausreißergruppe schicken – Lorenzo Bernucci.

Trick 2: Am ersten Berg den Mann im Bergtrikot angreifen lassen, denn die Gruppe wird noch keinen zu großen Vorsprung haben, als dass Andreas nicht zu Lorenzo aufschließen könnte.

Trick 3: Am vorletzten Berg früh mit Linus angreifen, oder kurz vor dem Gipfel – je nach Rennsituation. Die kurze Abfahrt hinunter wird er von seinen beiden Teamkollegen beschützt, die ihm dann noch mal das Tempo am kurzen Schlussanstieg diktieren, bevor er es selbst richten soll.

Trick 4: Mit Morris und Vincenzo immer die Option Etappensieg und Gesamtklassement offen halten, in dem sich die beiden voll und ganz auf Cunego konzentrieren.

Trick 5: Sollten sich Enrico, David oder Gabriele gut fühlen, dürfen sie mit Lorenzo mitziehen, wenn die Gruppe groß genug ist.


Bei angenehmen 25 Grad im Schatten machten sich die verbleibenden 159 Fahrer auf den langen Weg von Fossano nach Chianale über 179 Kilometer. Insgesamt stellten sich heute 4 Ansteige den Profis in den Weg:
Der Colle Esischie mit 21,5 Kilometer und einer Steigung von 7,5 %
Der Colle di Sampeyre über 14,9 Kilometer und einer Steigung von 8,2 %
Der Colle del Angelo über 19,1 Kilometer und einer Steigung von 6,5 % mit einer Höhe von 2710 m über Meereshöhe einer der höchsten Pässe des Giros 2009
Und zum Schluss direkt auf der Abfahrt vom Colle del Angelo geht es in Chianale links ab und hinauf zur Chapelle de Clausis über 9,3 Kilometer mit einer Steigung von 5,8 %

Die Route führt zunächst über Colle Esischie nach Frankreich hinein über den Colle di Sampeyre und über den Colle del Angelo wieder zurück nach Italien, wo wir uns auf ein furioses Finale und die letzte Bergankunft des Giros (ausgenommen das Zeitfahren am Samstag) freuen können.

Es lief von Anfang an nach Plan. Lorenzo ging die erste Attacke mit, obwohl das Team Rabobank den Braten wohl roch und Gabriele nicht auch noch ziehen lies bildete sich eine komfortable 8-köpfige Spitzengruppe, die Lorenzo auf den ersten flachen Kilometern durch die wunderschönen Alpentäler genügend Windschatten bot.

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Dann am Colle Esischie sprengte Lorenzo die Gruppe durch sein konstant hohes Tempo. Andreas griff nach wenigen Kilometern im langen Anstieg an und überholte bereits nach kurzer Zeit Lorenzos einstige Begleiter. Bis jetzt lief alles wie am Schnürchen. Über Funk teilte ich Lorenzo mit, dass er sich jetzt ausruhen könne, damit der Zusammenschluss noch vor oder auf der verschneiten Passhöhe stattfinden könne. Zurzeit hatte er einen Vorsprung von rund 12 Minuten auf das Hauptfeld und Andreas lag immerhin noch 4’50“ zurück, doch man lies die beiden ziehen, denn mit über 1 Stunde Rückstand im Gesamtklassement bildeten sie keinerlei Gefahr für den Mann im Rosa Trikot.
Im Feld übernahm wie immer das Team Rabobank die Führung, doch noch konnten selbst Enrico und David mithalten, was mich zufrieden stimmte. Der Vorsprung wuchs mittlerweile auf fast 14 Minuten an! Lorenzo sicherte sich die Bergwertung mit einem Vorsprung von 2 Minuten auf Andreas, der seine Führung im Bergtrikot weiter ausbaute.

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Noch immer kein hohes Tempo im Feld, sodass der Vorsprung auf der Abfahrt schnell über 20 Minuten anwuchs, während Davide einen rabenschwarzen Tag erlebte und dem nicht gerade rasenden Tempo des Feldes nicht mehr folgen konnte.
Während das Feld erst die ersten Meter des Colle di Sampeyre erklomm, schloss Andreas endlich zu Lorenzo auf.

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Diesmal sicherte sich natürlich Andreas die Bergwertung – die beiden machten das echt gut, denn der Vorsprung lag mittlerweile schon bei 24 Minuten. Da stellte sich die Frage, ob nicht einer dieser beiden den Tagessieg holen würde.

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Jetzt ergriff Linus die Gunst der Stunde, als sich Ardila vom Hauptfeld kurz vor der Bergwertung löste und jagte hinab ins Tal, wo die Sprintwertung genommen wurde, die Andreas für sich entschied, aber das war nun wirklich völlig belanglos.
Auch Schleck und Ricco hatten sich am Anstieg gelöst, fuhren aber in einer Gruppe hinter Linus. Langsam stieg die Aufregung bei mir. Das Gribbeln im Bauch begann. So eine gute Ausgangsposition! Ein Dreifachsieg?
Dann ergriffen auch der bislang enttäuschende Menchov und Rujano an, der seinen 5. Platz in der Gesamtwertung behaupten wollte und auch Ruben Plaza griff an. Cunego machte nichts. Das freute mich natürlich. Dann gingen auch Sella und Pellizotti, Cunego zuckte kurz, doch er machte nichts, zu groß war sein Vorsprung. Linus fuhr ein klasse Rennen. Er machte Boden auf seine beiden Teamkollegen gut und auf das Feld ebenso. Mittlerweile war er alleine auf weiter Flur. Dann ging auch noch Ghisalberti – Cunego zuckte wieder, doch er blieb im Feld, Vincenzo und Morris auch. Noch konnten sie auf den Schlussanstieg hoffen und bis zur Passhöhe waren es ja auch noch 8 Kilometer. Noch ein Grund nicht anzugreifen, war Cunego selbst, der das Feld sonst wieder gnadenlos von hinten aufgeräumt hätte – also Geduld Jungs!

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Und das Feld lief wieder zusammen! Rujano, Ghisalberti – alle wieder gestellt und beisammen. Nur der Gerolsteiner Profi probierte es gleich wieder alleine, doch keiner wollte ihm folgen, schon gar nicht meine Jungs. Doch jetzt ging Cunego in die Tempoarbeit und sprengte die große Gruppe. Morris konnte ihm am längsten folgen, doch dann waren sie alle alleine unterwegs. Cunego, dann Morris, dann Ghisalberti, dann Rujano und Vincenzo, und dann Julien mit Schleck und Pellizotti. So kamen sie über die Passhöhe des Agnelo, die übrigens Lorenzo vor Andreas gewann.
Linus ging in der Abfahrt volles Risiko, denn Cunego war bereits auf eine Minute an ihm dran. So ging es in den alles entscheidenden Schlussanstieg. Nicht ganz, denn der Tagessieg war bereits entschieden. Andreas oder Lorenzo hatten noch 6 Minuten Vorsprung. Ich gab ihnen über Funk durch, dass sie machen können was sie wollen, Hauptsache gewinnen!

Vincenzo löste sich gleich mal von Rujano und spurtete zu Ghisalberti vor, während eine Gruppe weiter hinten, Julien wieder eine klasse Vorstellung bot und Schleck und Pellizotti stehen lies.

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Rujano würde seinen Platz unter den Top 5 verlieren, so viel stand auch schon fest, denn Gerdemann lag immer noch vor Cunego, mein Linus gab wirklich alles, um das Podium zu komplettieren. Doch auch Morris konnte noch an Vincenzo vorbeiziehen. Teaminterne Auseinandersetzungen, aber die beiden würden sicherlich damit leben können. Doch irgendwie wollte der Abstand zwischen den beiden Gruppen nicht wirklich größer werden. Während Cunego zu Linus aufschloss, attackierte Andreas gegen Lorenzo.

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Anscheinend hatten die beiden „freien“ Kampf ausgemacht und die Attacke saß. Andreas gewinnt wie schon 2006 in Namur eine Giroetappe und das als Bergkönig auf der schwierigsten Etappe!

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Doch wer wurde Dritter? Cunego zog den Sprint an und Linus versuchte noch zu folgen, doch heute hatte er schon zu viele Kräfte gelassen und auch die Form reichte noch nicht aus. Dennoch, mit einem vierten Platz und einem Platz Verbesserung in der Gesamtwertung konnte er wirklich zufrieden sein.

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Ich wartete bereits im Zielbereich auf ihn, so groß war der Vorsprung seiner beiden Teamkollegen noch gewesen – ich hatte mich tatsächlich etwas verschätzt, aber so ein Sieg ist eines der schönsten Sachen auf der Welt!
„Morgen, Linus! Morgen, Linus, machen wir noch mal das Selbe! Und dann klappt’s für dich und den Sergio überholst du auch noch!“
Er lachte kurz, mehr brachte er vor Erschöpfung nicht hervor.

Die Schlagzeile der Gazetto dello Sport am nächsten Morgen: „Magenta ist noch am Leben – und wie!“

Tageswertung:
1.Klöden 6h41’25“
2.Bernucci + 13“
3.Cunego + 3’34“
4.Gerdemann + 3’34”
5.Possoni + 6’07”
6.Nibali + 6’51”
7.Ghisalberti + 6’51”
8.Rujano + 7’41”
9.Loubet + 10’07”
10.Pellizotti + 10’15”

Gesamtwertung:
1.Cunego 80h10’23”
2.Nibali + 15’50”
3.Possoni + 17’35”
4.Ghisalberti + 23’09”
5.Gerdemann + 25’04”
6.Rujano + 25’40“
7.Loubet + 36’19”
8.Pellizotti + 37’40”
9.Plaza + 39’32”
10.Schleck + 39’37“

Übrigens: Lorenzo und Andreas verbesserten sich auf Rank 16 und 19 – ungefähr um 5-7 Plätze.

Punktewertung:
1.Cunego 183
2.Davis 158
3.Steegmans 152

Bergwertung:
1.Klöden 175
2.Cunego 97
3.Ghisalberti 70

Nachwuchswertung:
1.Nibali
2.Possoni +1’45“

Teamwertung:
1.T-Mobile
2.Rabobank + 2h06’42“

Andy92
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Beitrag: # 6727631Beitrag Andy92
1.8.2008 - 18:02

Eine Etappe für Ausreißer?

Heute stellte sich mir gleich einmal die Frage, ob ich heute mit dem Team die gleiche Taktik im Hinblick auf Linus angehen sollte, oder ob ich ihn von Anfang an in eine Ausreißergruppe schicken sollte. Also anstatt von Andreas oder Lorenzo gestern. Der Gesamtsieg war Cunego nicht mehr zu nehmen, also sah ich eigentlich keinen Hinderungsgrund das zu versuchen.
Gestern Abend im Hotel, gab es selbstverständlich noch ein Gläschen Champagner zur Feier des Tages. Nein, nicht nur eins, bei einem Doppelsieg gibt es unter meiner Leitung immer zwei. Aber mehr auch nicht, immerhin steht heute noch einmal eine Etappe in den Alpen auf dem Programm.
Der jüngste im Team, Gabriele, machte natürlich gleich einen Witz, als ich den Jungs mein Belohnungssystem erklärte: „Dann machen wir morgen einen Dreifachsieg, damit die zweite Flasche auch noch leer wird...Oder nein, wir fragen Rabobank, ob wir alle neun als erstes durchs Ziel fahren können. Dann kaufen wir ne Brauerei!“
Alle lachten. Selbst ich, denn die Mechaniker, Betreuer und Physiotherapeuten hatten zwei Kästen Bier eingeschleust, dessen Inhalt sie an diesem Abend nur so in sich reinlaufen ließen. Ich hatte ihnen vorher ein großes Kompliment ausgesprochen. Bei dieser Rundfahrt hatten wir bisher noch keine einzige schwerwiegende Reifenpanne. Ein paar kleiner Defekte, die aber nicht auf irgendwelchen vermeidbaren Fehler beruhten. So konnte ich ihnen das Saufgelage an diesem Abend ruhig gönnen, auch wenn die Fahrer mit nachtrauernden Blicken daneben standen, doch sie wussten, wie ich zu diesem Thema stand. Da gibt es bei mir null Toleranz!

Profil der heutigen Etappe:

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Die Strecke führt heute über zwei besondere und einen wichtigen Alpenpass. Von Les Moulins, das nur wenige Kilometer das Tal hinab vom gestrigen Zielort entfernt liegt, geht es zunächst über den Col d’Izoard – ein Berg der Ehrenkategorie. Anschließend geht es hinab nach Briancon und nach Osten über den Montgenevre – ein Berg der dritten Kategorie – wieder zurück nach Italien und weit hinunter ins Tal nach Susa, wo es dann in den letzten langen Anstieg des Tages, dem Colle delle Finestre, geht. Wieder ist es eine schlecht bis nicht asphaltierte Straße, wie schon am gestrigen Nachmittag. Sobald die Passhöhe erreicht ist, befinden wir uns im Wintersportgebiet von Sestriere. Es geht ins Tal hinab und zum Schluss noch mal ein paar Meter hinauf nach Pragelato.
Ich ahnte schon, dass es auf diesem Profil sehr schwer sein wird gegen Cunego zu siegen, denn das Flachstück zwischen dem Montgenevre und dem Finestre ist einfach zu lang. Dennoch schickte ich Lorenzo am Izoard in eine Ausreißergruppe, die er auch sofort sprengte. Im Alleingang kletterte er den mythischen Anstieg hinauf - der Izoard, wohl einer der berühmtesten Pässe im Radsport.

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Aus dem Hauptfeld griffen kurz vor der Passhöhe Weltmeister Sanchez, Ghisalberti und Ardila an, um sich in der Wertung im grünen Trikot weiter nach vorne zu schieben, denn Andreas, der heute eine wohlverdiente Pause erhielt, lag in dieser Wertung bereits uneinholbar vorne.
Auch ein gewisser Peiro Marqueno versuchte sein Glück, sowie Franco Pellizotti, Emanuele Sella und Danilo Di Luca. Alle ließen sich wieder zurück ins Feld fallen. Alle, bis auf einen, Sella, der Profi von FdJeux machte sich alleine auf die Jagd nach Lorenzo, dessen Vorsprung erst die 4 Minuten Marke gebrochen hatte. Nach seinem Angriff am Montgenevre, ging der Italiener in der langen Abfahrt volles Risiko und stellte meinen Schützling bereits 20 Kilometer später. Im Feld arbeitete jetzt das Team Rabobank und der Vorsprung der beiden Ausreißer schmolz dahin.

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Zunächst führte der Schlussanstieg, der Colle delle Finestre mit eine Länge von 19,4 Kilometern und einer Steigung von 9,1 %, über eine relativ breite und gut asphaltierte Straße. Ich hatte heute Morgen extra noch mit den Mechanikern gesprochen, dass sie einen etwas breiteren Reifen aufziehen sollten, da Vincenzo gestern auf dem letzten geschotterten Abschnitt Probleme hatte. Und heute wartete noch ein viel längeres Stück Naturstraße auf meine Jungs.

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Der gleiche Streckenabschnitt wie vorher, nur mit einem Unterschied: Es wird angegriffen! Der Mann im Rosa Trikot will es noch mal wissen und fährt wieder allen davon. Doch was ist das? Ausgerechnet Linus scheint dem Tempo am besten folgen zu können und kämpft um den Anschluss an Cunegos Hinterrad.

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Sein Teamkollege Lorenzo versucht in heranzuführen, während Sella versucht der Nutznießer der Situation zu sein. Doch das Unterfangen ist ein Ding der Unmöglichkeit und so versucht Linus schließlich seinen eigenen Rhythmus zu finden, während Lorenzo seiner hervorragenden Arbeit am heutigen Tag Tribut zollen muss und im Fahrerfeld durchgereicht wird.
Dahinter befindet sich eine Gruppe mit den Favoriten auf das Podium: Ghisalberti, Morris, Vincenzo, Rujano und sogar noch Julien.

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Diese Übermacht zahlt sich aus. Immer wieder lassen meine Jungs das Tempo in der Verfolgergruppe einschlafen, damit Linus Ghisalberti vom vierten Gesamtrank verdrängen kann.
Sella und Rujano attackieren immer wieder, doch diese Angriffe helfen meinen Jungs nur noch mehr, den Abstand zwischen ihnen und Linus zu vergrößern.
Zehn Kilometer vor der Bergwertung geht es auf die kleine steile Straße in Richtung Passhöhe in rund 2200 Metern Höhe ab.
Cunego fährt ein einsames Rennen: Sein Vorsprung beträgt 6 Kilometer vor der Passhöhe bereits 4 Minuten auf Linus, während dieser schon 1’30“ auf Ghisalberti herausgeholt hat – es wird eng!
Nur noch für wenige Sekunden zeigt das Fernsehbild den Gesamtführenden, doch der Kampf um die Plätze dahinter ist bei weitem spannender und so sieht man fast durchgehend die Gruppe um Vincenzo. Oh nein. Der Mann im Nachwuchstrikot befindet sich am Ende der Gruppe und beist auf die Zähne. Er kämpft um den Anschluss, während Rujano und Ghisalberti weiter das Tempo forcieren – Sella musste kurz zuvor abreißen lassen.
Noch 2,5 Kilometer bis zur Passhöhe und es ist um Julien und Vincenzo geschehen. Vincenzo gibt Morris ein Handzeichen, woraufhin er volles Tempo geht. Damit dürfte er heute Abend das Trikot von seinem Teamkollegen übernehmen.
Und was für ein Tempo er anschlägt! Rujano hilft ihm dabei tatkräftig, sodass sie Ghisalberti auf der Passhöhe abschütteln. Allerdings haben die beiden dadurch den Gerolsteiner Profi auch wieder an Linus herangefahren, der sage und schreibe 6 Minuten und 26 Sekunden nach Cunego die Passhöhe passiert hat.

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Alle vier gingen in der Abfahrt volles Risiko!

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Drei Kilometer vor dem Zielstrich können Rujano und Morris zu Linus aufschließen. Dann beginnt der Sprint! Rujano passiert die Ziellinie über sieben Minuten nach dem Tagessieger Cunego als zweiter. Morris überlässt Linus die Zeitgutschrift, während Ghisalberti weitere Sekunden verliert – die Ausgangssituation verspricht ein spannendes Einzelzeitfahren Morgen nach Sestriere!

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Tageswertung:
1.Cunego 4h05’23“
2.Rujano + 7’34“
3.Gerdemann + 7’34“
4.Possoni + 7’34“
5.Ghisalberti + 7’49“
6.Nibali + 9’59”
7.Loubet + 9’59”
8.Sella + 9’59“
9.Pellizotti + 11’44”
10.Szmyd + 12’44“

Gesamtwertung:
1.Cunego 84h15’26“
2.Possoni + 25’29”
3.Nibali + 26’09”
4.Ghisalberti + 31’18”
5.Gerdemann + 32’15“
6.Rujano + 33’22“
7.Loubet + 46’38“
8.Pellizotti + 49’40”
9.Plaza + 52’58”
10.Schleck + 53’03“

Punktewertung:
1.Cunego 208
2.Davis 158
3.Steegmans 152

Bergwertung:
1.Klöden 175
2.Cunego 117
3.Bernucci 90

Nachwuchswertung:
1.Possoni 84h40’55”
2.Nibali + 40”

Mannschaftswertung:
1.T-Mobile Team 251h17’46“
2.Rabobank + 2h25’13“

Andy92
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Beitrag: # 6727668Beitrag Andy92
1.8.2008 - 19:32

Ein Wintersportort im Radsportfieber – Sestriere

Der heutige Tag brachte die Entscheidung in jeder Beziehung. Nur eine war schon vergeben: Der Gesamtsieg war Cunego nicht mehr zu nehmen, sofern er nicht stürzte. Eigentlich könnte er es ganz gemütlich angehen lassen, doch alle Insider ahnten, dass bei diesem Giro der Vorhang in der „Show Cunego“, wie es die Gazetta mittlerweile nannte, noch lange nicht gefallen war.

Profil:

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Der Kurs führt über 12,1 Kilometer und ist im Schnitt 4,9 % steil – anspruchsvoll, aber eine richtiges Bergzeitfahren ist etwas anderes. Es ist viel eher ein Rollerberg, den man mit einer hohen Übersetzung durchtreten kann. Möglicherweise etwas für Linus? Ich war gespannt auf seine Leistung heute, nachdem er zumindest von den übrigen Favoriten neben Cunego gestern der stärkste Fahrer am Berg war.
Fast alle Teams hatten in Pragelato übernachtet, das gleichzeitig der Startort des Einzelzeitfahrens war. Das heißt, dass die Fahrer den Berg von der etwas leichteren Seite in Angriff nehmen werden. Im Jahre 1999 fuhr man bei der Tour de France von der anderen Seite hinauf – Armstrong machte seinen ersten Gesamtsieg im Dauerregen perfekt, doch das Wetter heute war zwar kühl, aber sonnig, also mal wieder optimale Bedingungen.
Als erster Fahrer des T-Mobile Teams ging David Kopp ins Rennen, dann Gabriele Zuffi und dann Enrico Gasparotto, dessen große Stunde morgen in Mailand schlagen soll.

Alle drei sollten, nachdem sie den Zielstrich passiert hatten, ihre Eindrücke von der Strecke an die nach ihnen startenden Teamkollegen weitergeben.

Im Ziel nach der Etappe:
David: 34. 1’40“
Gabriele: 99. +1’54“
Enrico: 62. 1’47“

Es gab genug Zeit den Jungs alles zu berichten, denn als nächster startete erst Andreas als 19. in der Gesamtwertung und direkt danach Lorenzo als 18.

Im Ziel nach der Etappe:
Andreas: 13. + 54“
Lorenzo: 29. +1’23“

Dann war es soweit: Julien ging auf die Strecke, dann Rujano und anschließend einer der großen Favoriten auf den Tageserfolg: Linus Gerdemann!

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Sein direkter Konkurrent Sergio Ghisalberti folgte. Schließlich gingen auch die beiden Kumpels Morris und Vincenzo auf die Strecke, die nur 40 Sekunden von einander getrennt lagen und sich deshalb um Platz 2 sowie um das Blaue Trikot des besten Nachwuchsfahrers einen heftigen Kampf liefern werden. Ich wusste nicht, ob sie vielleicht etwas ausgemacht hatten, aber das war mir eigentlich auch egal, Hauptsache sie verteidigen das Podium.

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Es vergingen einige Minuten bis Linus die Zwischenzeit passierte – und? Er hinterlies bei mir einen guten Eindruck und da hatte ich mich nicht getäuscht – 12. mit 10 Sekunden Rückstand. Er lag perfekt im Plan und ich gab das Kommando zum „Aufdrehen“.

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Während Ghisalberti die Führung übernahm, erkämpfte sich Vincenzo immerhin schon einen dritten Platz und auch Morris lag mit seinem 7. Platz und 5 Sekunden Rückstand zu Ghisalberti gut im Rennen.
Doch was war eigentlich mit Cunego? Er unterbietet Ghisalbertis Zeit um weitere 6 Sekunden. Auch heute scheint der Gesamtführende wieder unschlagbar zu sein.
Doch dann die Nachricht: „Loubet mit neuer Bestzeit im Ziel!“
Das lies natürlich wieder hoffen, dass der letzte Abschnitt auch den anderen liegen könnte und dass sie sich extra dafür genug Kraft gespart hatten. Meine Taktik schien mal wieder perfekt aufzugehen – zumindest bei den Zeitfahren wollte ich bei diesem Giro unschlagbar sein!
Doch Rujano unterbot Juliens Bestzeit um 15 Sekunden! Wie gut ist Gerdemann unterwegs?

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Heute scheint nicht sein Tag gewesen zu sein. Noch ist er 7. mit 21 Sekunden Rückstand, aber das kann noch viel schlimmer werden.
Ghisalberti kommt noch mal 7 Sekunden eher als Rujano ins Ziel. Die Spannung im Teamwagen hinter Morris steigt weiter an, während sich auch ein wenig Ernüchterung und Enttäuschung breit machen.
Vincenzo, der italienische Meister im Einzelzeitfahren, ist der nächste und kann sich verbessern – auf Rank zwei, nur 1 Sekunde hinter Ghisalberti!

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Ich beiße mir vor Ärger auf die Zunge und schlage mein Routebook wütend auf die Hutablage. So knapp!
Doch noch war Morris unterwegs. Doch er schaffte es nicht. 4. und 6 Sekunden Rückstand waren aber dennoch eine beachtliche Leistung.
Sollte sich tatsächlich noch einmal Cunego den Tagessieg holen und seine Dominanz und Erfolgsserie damit perfekt machen?

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Tatsächlich! Er ist noch einmal 18 Sekunden schneller als Ghisalberti und beweist um eine weiteres Mal, dass er zurzeit in einer ganz anderen Liga fährt, als seine Konkurrenz.

Tageswertung:
1.Cunego 19’10”
2.Ghisalberti + 18”
3.Nibali + 19”
4.Rujano + 25”
5.Possoni + 25”
6.Loubet + 40”
7.Plaza + 42”
8.Campacci + 42”
9.Navarro + 43”
10.Colom + 45”

Gesamtwertung:
1.Cunego 84h34’36”
2.Possoni + 25’54”
3.Nibali + 26’28”
4.Ghisalberti + 31’36”
5.Gerdemann + 33’37”
6.Rujano + 33’47”
7.Loubet + 47’18”
8.Pellizotti + 50’31”
9.Plaza + 53’40”
10.Schleck + 54’04”

Wir hatten erwartet den Giro nicht gewinnen zu können, hofften aber dennoch auf ein Wunder. Aber das es am Ende eine so deutliche Niederlage werden würde, hätte wirklich keiner gedacht!
Linus verteidigte um nur 10 Sekunden seinen 5. Gesamtrank, ohne Cunego als Zugpferd zwei Tage zuvor hätte er das wohl niemals geschafft!

Punktewertung:
1.Cunego 233
2.Davis 158
3.Nibali 153

Bergwertung:
1.Klöden 175
2.Cunego 117
3.Bernucci 90

Ohne Andreas Solofahrten und beherzten Einsatz wäre wohl auch diese Wertung an Cunego gegangen. Ein Eddy Merkx des Giros ist er sowieso geworden.


Nachwuchswertung:
1.Possoni 85h00’30“
2.Nibali + 34“
3.Loubet + 21’24“

Teamwertung:
1.T-Mobile 252h16’40“
2.Rabobank + 2h27’15“

Andy92
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Beitrag: # 6727847Beitrag Andy92
2.8.2008 - 1:44

Von Turin nach Mailand – Die Triumphfahrt

Die Etappe startet im Austragungsort des Olympischen Winterspiele 2006 – in Turin am Fuße der Alpen. Dennoch werden alle Fahrer froh sein endlich wieder ein flaches Profil vor zu finden und das Beste: Heute geht es sogar bergab.

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Bei angenehmen 23 Grad im Schatten und herrlichen Sonnenschein, wie sich das für eine letzte Etappe einer großen Rundfahrt gehört, machten sich die Fahrer heute Mittag auf den Weg in die nächste Metropole: Mailand.
Dort wartet das traditionelle Finish der Sprinter statt. Ein arg umworbener Sieg vor dem imposanten Mailänder Dom. Und den wollten wir uns sichern.
Nicht nur Enrico war bestens gelaunt, alle neun Fahrer blickten mich äußerst zufrieden an. Sie wussten, dass die Strapazen vorbei sind. Linus war in Gedanken wohl schon bei seinen Trainingsausfahrten in den nächsten Wochen, doch bevor er sich auf die Tour vorbereitete, wollte er zunächst einmal eine kurze Ruhepause von einer halben bis eine Woche einbauen.
Ganz besonders freuten wir uns natürlich über die zwei Podiumsplatzierungen, den Sieg in der Berg-, Nachwuchs- und Mannschaftswertung.
Doch so weit war es ja noch nicht. Zunächst einmal mussten alle die letzten 180 Kilometer heil überstehen.

Zunächst bildete sich eine 16 Mann starke Ausreißergruppe, doch diesen großen Haufen ließen die Sprinterteams natürlich nicht ziehen. Anschließend bildete sich wiederum eine größere Gruppe, unter anderem mit Ghisalberti. Elf Mann befanden sich an der Spitze des Rennens – und man lies sie ziehen! Man lies den 4.Mann der Gesamtwertung am letzten Tag in eine größere Ausreißergruppe ziehen?
Ich hatte einen Grund: Diese Einladung, die Ghisalberti mir da schenkte hätte perfekter nicht sein können. Ich wollte ihn einfach verhungern lassen und wenn er ausgepumpt ins Feld zurückfällt, dann wird er durchgereicht, verliert Zeit und Linus hat noch eine Chance auf Platz 4!
Selbst Linus musste Lachen, als er sich zurück an den Teamwagen fallen lies und ich ihm die Situation schilderte. Kopfschüttelnd über die Naivität des Fahrers oder des Teams Gerolsteiner fuhr er wieder nach vorne und würde den anderen wohl von der guten Nachricht erzählen.

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Vanheule (Chocolade Jaques) gewann den Zwischensprint im vorüberfahren vor Colom und Starchenkov, Van Speybroeck und Helmkvist. Die Gruppe erarbeitete sich einen maximalen Vorsprung von 8 Minuten. Ab da war Schluss, denn Ghisalberti fuhr bereits auf einem virtuellen zweiten Platz der Gesamtwertung. Zu viel Risiko konnte ich bei dieser Sache auch nicht gehen und so schickte ich einige Fahrer nach vorne um das Tempo zu forcieren.

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Das Hauptfeld arbeitete sehr gut zusammen und so schmolz der Vorsprung der elf Ausreißer rapide ab. Schließlich war der Punkt erreicht, an dem Ghisalberti keine Gefahr mehr für Morris und Vincenzo darstellte, doch ich wollte alles versuchen und lies meine Leute vorne. So eine Chance bekommt man nicht zweimal!
Doch die Gruppe hielt erstaunlich stark dagegen und hatte 15 Kilometer vor dem Ziel immer noch einen Vorsprung von fast 3 Minuten – keine Gefahr für Vincenzo und Morris, dennoch arbeitete die Mannschaft noch mal auf Hochtouren.
Dann attackierte natürlich Ghisalberti aus der Spitzegruppe heraus, die daraufhin zerfiel – Da Dalto konnte ihm folgen. Doch 6 Kilometer vor dem Ziel wurden sie von Colom, Helmkvist, Vanheule und von Van Speybroeck.
Im Feld bildeten sich die Sprinterzüge. Enrico war mittendrin und hatte Davis Hinterrad erwischt.

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Die sechsköpfige Spitzengruppe belauerte sich jetzt. Kein Fahrer wollte den Sprint eröffnen. Doch dann geht Helmkvist aus dem Sattel. Einer der Sprintstärksten aus der Gruppe und Colom ist direkt an seinem Hinterrad!

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Keiner kann den beiden folgen. Dann zieht Colom aus dem Windschatten! Es sieht alles nach einem spanischen Sieg auf der letzten Etappe aus!

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Helmkvist bricht ein und Colom reist die Arme hoch! Er siegt in Mailand!

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Doch ein Massensturz im Hauptfeld ausgelöst durch Frank Schleck zwingt Matteo Tosatto vom Team Quickstep wenige Meter vor der Ziellinie zur Aufgabe. Immer wieder hält er sich den Nacken. Vorsichtig wird er auf eine Barre gehoben und sofort ins Krankenhaus gefahren mit Verdacht auf einen Wirbelbruch. Der Verdacht bestätigte sich spät am Abend. Wünschen wir ihm gute Besserung und überhaupt einen Neustart aufs Rennrad, denn mit 35 Jahren und einer lebensbedrohlichen Verletzung wie einem Wirbelbruch denkt man schon mal ans Aufhören.
So erreichten nur 158 Fahrer das Ziel in Mailand. Der schnellste von allen war Damiano Cunego:

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Tageswertung:
1.Colom 3h57’20“
2.Van Speybroeck
3.Vanheule

Die übrigen Wertungen und Statistiken sowie eine Bilanz des Giros 2009 findet ihr im nächsten Post.

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NanDo96
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Beitrag: # 6727919Beitrag NanDo96
2.8.2008 - 13:06

tolle geschichte, du kennst mich noch von rsm, nando^^

Andy92
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Beitrag: # 6728301Beitrag Andy92
3.8.2008 - 12:43

Ja, servus und danke Nando.

Andy92
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Beitrag: # 6728303Beitrag Andy92
3.8.2008 - 12:43

Die Große Giro Bilanz

Ein kleiner objektiver Rückblick auf den Giro d'Italia 2009 steht nun zum Download als PDF-Datei bereit.

http://rapidshare.com/files/134503128/G ... z.pdf.html

Andy92
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Beitrag: # 6728317Beitrag Andy92
3.8.2008 - 13:39

Kurznachricht der deutschen Sportzeitung: "Die Mannschaft"

Der Mai im Überlblick:
In Klammern die beste Platzierung des T-Mobile Teams, sofern teilgenommen.

Rund um den Henninger Turm: Patrik Sinkewitz (18. Franz-Josef Rodhorst)
Circuit de grimpeurs: Mauricio Ardila
5 Tage von Dunkirchen: Jonathan Bridge
Vuelta a Alcobendas: Jose Angel Gomez Marchante
Giro d'Italia: Damiano Cunego (2. Morris Possoni)
Route de la Paix: Hayden Reulston
Katalonienrundfahrt: Alberto Contador (24. Nikolay Bugalo)
Tour de Belgique: Matti Breschel
Bayern Tour: Andrey Grivko (6. Marcelo Zampieri)

Im Juni warten die beiden großen einwöchigen Rundfahrten Dauphine Libre und Tour de Suisse auf die Fahrer. Für einige der Saisonhöhepunkt - für andere eine wichtige Vorbereitung auf die Tour de France. So auch für das T-Mobile Team, deren sportlicher Leiter gestern schon bekannt gab, dass nun die ganze Aufmerksamkeit der Fahrer der optimalen Vorbereitung auf die Tour gelte und das Team deshalb keine Zeit habe an anderen Rennen außer den Pro Tour Wettbewerben und den Nationalen Meisterschaften teilzunehmen.

Urbi
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Beitrag: # 6728425Beitrag Urbi
3.8.2008 - 19:26

Wow große Abstände!

Übrigens schreibt du sehr schön, weiter so! :D

Andy92
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Beitrag: # 6728671Beitrag Andy92
4.8.2008 - 17:35

Danke Urbi.

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soerenrudi
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Beitrag: # 6730726Beitrag soerenrudi
13.8.2008 - 22:13

Ich hoffe das du bei rsm-news.de noch weiterschreibst!!!!!!

Andy92
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Beitrag: # 6731078Beitrag Andy92
16.8.2008 - 13:28

Es geht bald weiter. War jetzt gerade eine Woche im Urlaub, deshalb konnte ich nicht weiterschreiben.

Andy92
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Beitrag: # 6731162Beitrag Andy92
16.8.2008 - 23:40

Wir schnuppern erste Tourluft

Mit der Dauphiné Libre, der 8-tägigen Etappe in Südfrankreich beginnt für uns nun endlich die Vorbereitung auf die Tour de France, während für andere Teams ist diese Rundfahrt ein wichtiges Saisonziel bildet.
Zum ersten Mal wird Michael Rogers richtig angreifen und in diesem Jahr als Kapitän auflaufen. Da er in der Vergangenheit vor den Zeitfahren immer etwas unsicher und angespannt wirkte und wohl deshalb nicht die optimalen Ergebnisse herausfahren konnte, war ich diesmal sehr überrascht, als er heute Morgen mit einem Lächeln auf den Lippen und einer unverkrampften Haltung auf mich zu kam und meinte: „Heute will ich richtig angreifen. Heute will ich gelb.“
Gut, bei der Tour hätte mir dieser Satz besser gefallen, aber sollte er seine Einstellung so beibehalten, könnte er im Kampf um den Tourkapitän der lachende Dritte sein.

Meine Aufstellung:

Kapitän: Michael Rogers
„Freie Hand“ aber trotzdem manchmal Helfer: Mathieu Perget, Marten Kebbe, Oscar Sevilla und Trent Liwe
Helfer: Andreas Klier, Sylvain Calzati und Sebastian Blazevic, der sich in den Sprints versuchen soll

Streckenverlauf:
Es geht los mit einem Prolog über 7 Kilometer in Annecy, wo die Favoriten um den Gesamtsieg keine Sekunden liegen lassen dürfen. Anschließend geht es über Bourgion Jallieu und Saint Galmier auf zwei Flachetappen in die Provence. Dort erfolgt ein Einzelzeitfahren rund um Bourg de Péage über 46,5 Kilometer, wo Michael seinen möglichen Vorsprung weiter ausbauen könnte. Anschließend folgt eine Etappe durch die Provence und wenn der Name dieser Region Südfrankreichs schon so oft fällt, dann ist der Mont Ventoux sicherlich nicht weit, denn auf den geht es auf der fünften Etappe. Anschließend bleiben die Fahrer in den Bergen und setzen ihre Reise durch die Alpen fort. Auf der sechsten Etappe geht es nach Briancon – selbstverständlich nicht durch das breite Tal, sondern über den berühmten Umweg „Col d’Izoard“! Anschließend erfolgt eine Hetzjagd um Saint-Michel-de-Maurienne, die Königsetappe über Galibier, Télégraph, Croix de Fer, Mollard und hinauf nach La Toussuire. Am Schlusstag geht es über gemütliche aber hüglige 134 Kilometer nach Grenoble.


Der Prolog in Annecy wurde bei schwülen 30 Grad im Schatten ausgetragen. Ich sollte die Mannschaft bis zum vorletzten Tag begleiten, denn dann würde ich in die Schweiz zum Start der dortigen Rundfahrt reisen. Bis dahin konnte ich Michael im direkten Vergleich mit einigen Tourfavoriten wie Basso, Eltink, Dekker, Brajkovic, Gonzalo, Kohl, Karpets, Evans oder Popovych beobachten. Hier die komplette Startliste aller Teams:

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Dekker stellte gleich im Prolog und auch im Zeitfahren einen ernstzunehmenden Gegner da. Leider war er nicht der einzigste, der heute zu knacken war: Jose Ivan Gutierrez und Fabian Cancellara waren ja auch noch dabei. Nachdem Sylvain den Kurs bewältigt hatte, sollte Michael als erster der Favoriten auf den Tages- und Gesamtsieg auf die Strecke kommen. Irgendetwas war bei der Startreihenfolge falsch gelaufen, aber wir konnten es jetzt nicht ändern, dass Michael schon als zweiter unseres Teams und nicht als letzter starten sollte. Sylvain lag zurzeit auf Rank 13 mit 26 Sekunden Rückstand auf den noch führenden Profi von Cofidis: Jost Posthuma.
Michael wirkte entspannt, als er auf der Startrampe dem Countdown entgegen fieberte. Schließlich war er gestartet und ich im Teamwagen raste hinterher. Mein Tacho zeigte ungefähr die gesamte Strecke rund 50 km/h! Er war unheimlich schnell unterwegs. Ununterbrochen feuerte ich ihn über das Funkegerät an. Sinnvollerweise gab es keine Zwischenzeiten, sodass ich keinerlei Orientierung während seiner Fahrt hatte und so offenbarte sich die Wahrheit erst beim Überqueren der Ziellinie!

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Bestzeit – alles andere wäre auch eine Enttäuschung gewesen! Doch er hatte nur 3 Sekunden auf Posthuma gut gemacht. Kann das gegen einen Thomas Dekker reichen?
Als nächster großer Favorit ging Cancellara auf die Strecke und unterbot nicht einmal die Zeit von Posthuma. Das gab Aufschwung. Und dann die große Überraschung: Manuel Lloret vom Team Rabobank schob sich zwischen Michael und Posthuma, allerdings nur mit wenigen Zehntelsekunden Vorsprung auf den Niederländer. So eine herausragende Leistung war ihm schon einmal bei einer Vuelta gelungen, doch an das Jahr konnte ich mich auf die Schnelle nicht mehr erinnern.
Doch dann das: Vladimir Karpets (Gerolsteiner) unterbot Michaels Zeit um eine Sekunden! Doch immerhin Gutierrez blieb heute eine Endtäuschung und verlor 9 Sekunden auf den Russen. Ivan Basso war der nächste große Verlierer des Tages und verlor 7 Sekunden auf den derzeit Führenden, doch noch war Thomas Dekker nicht unterwegs. Mit Spannung wurde seine große Show erwartet!
Dann war es soweit: Im weißen Trikot des Pro Tour Führenden machte sich der Niederländer auf den Weg. Zu meiner Überraschung schien er nicht viel schneller als Michael zu sein. Doch sein Zieleinlauf sprach eine andere Sprache!

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Niemand hätte erwartet, dass er seine Konkurrenten so deutlich deklassieren würde. Michael konnte sich dennoch über eine gute Ausgangsposition für die kommende Woche freuen, denn der Holländer galt keineswegs als ausgezeichneter Bergfahrer. Doch dann noch eine Überraschung: Ein weiterer Niederländer, De Maar von Euskatel, absolvierte den Kurs nochmals eine Sekunden schneller als Karpets und machte somit den niederländischen Doppelsieg perfekt.
Doch was war das? Die Ereignisse begannen sich zu überschlagen! Der Neuseeländer Reulston vom Team Liquigas jagte nur so über die Strecke. Gebannt starrten alle im Zielbereich auf die große LED-Tafel, dann auf den Mann in Reallive, als er auf die Zielgerade einbog. Als er den Zielstrich völlig ausgepumpt überquert, starre ich mit offenem Mund auf die Anzeigetafel: Bestzeit mit 8 Sekunden Vorsprung vor Dekker!
Sofort machen einige Fotografen einen Schnappschuss von meiner ungläubigen Geste – eines der Bilder war am nächsten Morgen auf Seite 2 der Sportzeitung „Die Mannschaft“ zu finden. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, katapultierte sich Yaroslav Popovych mit 3 Sekunden Rückstand auf Dekker auf Rank 3 und damit in die Favoritenrolle der Rundfahrt. Keiner hatte mit diesem Tagesergebnis gerechnet!

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Andy92
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Beitrag: # 6731270Beitrag Andy92
17.8.2008 - 22:13

Zwei Sprintertage

Die erste Etappe der Dauphiné Libre führte von Annecy nach Bourgion Jallieu über 202 Kilometer. Trotz eines kurzen Anstiegs rund 10 Kilometer vor dem Zieleinlauf sollte der heutige Tag eine Angelegenheit für die Sprinter werden: Boonen, Corioni, Napolitano und Co.
Direkt nach dem Start setzte sich der US-Amerikaner Clarke vom Team Navigators vom Feld ab und baute seinen Vorsprung durch den starken Rückenwind begünstigt auf über 12 Minuten aus.

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Doch dem Team Liquigas wurde dieser Ausreisversuch zu heikel und sie erhöhten das Tempo im Hauptfeld, während sich Clarke die erste Bergwertung sicherte. Rund 90 Kilometer vor dem Ziel schalteten sich auch die Teams Rabobank, CSC und Cofidis in die Führungsarbeit ein. Und so schnell Clarks Vorsprung angewachsen war, so schnell schmolz er auch wieder. Schon vor der zweiten Bergwertung und damit rund 60 Kilometer vor dem Ziel wurde er wieder vom Feld gestellt. Ein taktischer Fehler der Sprinterteams?
Das Rennen könnte hektischer werden. Kreuziger und Garcia Quesada sprinteten um die Bergpunkte. In diesen Kampf schaltete sich Oscar nach meiner Anweisung mit ein, wurde aber nur dritter hinter Kreuziger und Quesada, der diese Wertung gewann. Die erste Sprintwertung entschied Mercato (CSC) vor Bennati und Corioni für sich. Bei der zweiten Sprintwertung tauschte Napolitano mit Mercato den Platz – die Italiener schienen heute sehr dominant zu sein.
Doch dann das: Das Feld riss durch den starken Wind auseinander. Michael befand sich noch in der ersten kleineren Gruppe, wo sich auch das gelbe Trikot und Thomas Dekker befanden. Doch Trent, mein Co-Kapitän, verschlief die Situation genauso wie Popovych, Karptes, Gonzalo, Cancellara, Basso und Brajkovic. Der Abstand der beiden Gruppen hielt sich bei rund 1 Minute.
Ich überlegte eine Weile, sprach kurz mit Trent, der mit Michael sehr gut befreundet war und gab dann grünes Licht für Mathieu, Marten, Michael, Sylvain und Sebastian in der ersten Gruppe Tempo zu machen. Oscar fiel sogar noch aus der zweiten Gruppe zurück – für ihn war damit das Thema Gesamtwertung erledigt. Die letzte Bergwertung entschied Mathieu für sich, Michael folgte ihm!
Das Feld reagierte zunächst nicht – mein Plan ging auf. Schnell wuchs der Vorsprung der beiden auf über 20 Sekunden an – das könnte für gelb reichen. Doch jetzt hielt das Hauptfeld dagegen.
Doch dann rollte das Feld wieder zusammen. Nicht nur Michael und Mathieu wurden wieder eingeholt, sondern auch die große abgehängte Gruppe rollte wieder auf.
An der Spitze hatten sich zwei Züge gebildet. Bennati auf der einen Seite und Van der Linden (Chocolade Jaques) auf der anderen Seite. Doch beide standen viel zu früh im Wind, wodurch Napolitano, Corioni und Renshaw zogen vorbei. Boonen konnte den dreien nicht folgen und von hinten rauschte auch noch Mercato heran!
Corioni hatte eine unglaubliche Endgeschwindigkeit, doch für ihn kam die Ziellinie ein paar Meter zu früh – Napolitano siegt!

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So viel Spannung hätte auf dieser Etappe niemand erwartet. Das am Ende ein Dreifachsieg für Italien stand schon eher.

Tageswertung:
1.Napolitano 4h47’00”
2.Corioni
3.Bennati
4.Renshaw
5.Van der Linden
6.Mercato
7.Boonen
8.Mondory
9.Pagliarini
10.Lancaster

Sprintwertung:
1.Naplitano 26 Punkte
2.Bennati 23 Punkte
3.Corioni 21 Punkte

Bergwertung:
1.Kreuziger 6 Punkte
2.Clarke 5 Punkte
3.Quesada 5 Punkte


Vor der zweiten Etappe meldete mir einer meiner Scouts, der eine nicht ganz zu unterschätzende spanische Auswahl beim Euskal GP, einem 5-tägigen Etappenrennen durch Spanien, von einem überlegenem Gomez Marchante berichtete. Für die Öffentlichkeit außerhalb Spaniens blieb dieser Sieg relativ unbeobachtet, doch für mich war nun endgültig klar, dass mit diesem Spanier dieses Jahr bei der Tour zu rechnen war.


Die zweite Etappe führte vom gestrigen Zielort nach Saint Galmier über 203 Kilometer mit einem ähnlichen Profil wie gestern, aber noch stärkerem Wind. Nach einer hektischen Anfangsphase bildete sich eine siebenköpfige Spitzengruppe mit Grishkine (Navigators), Hincapie, Rosseler, Klostergaard, Coenen, Ghyllebert und Morinangeli. Dahinter kämpften die beiden Italiener Mauro Da Dalto und Andrea Moletta als Solisten um den Anschluss. Doch keiner der beiden schaffte es zur Spitzengruppe aufzuschließen, die sich einen maximalen Vorsprung von 8 Minuten auf das Hauptfeld erarbeitete.
Und wieder zerbrach das Feld, nachdem die Teams CSC und Cofidis im Hauptfeld das Tempo erhöht hatten. Diesmal waren Basso, Boonen, Kohl und Gonzalo die Hauptleidtragenden.
Doch da es noch über 80 Kilometer bis ins Ziel waren, übernahm kein Team in der ersten Gruppe die Initiative. Auch ich lies diesmal lieber die Finger davon und so schloss das zweite Feld wieder auf, während sich die Spitzengruppe langsam in ihre Einzelteile zerlegte und nur noch Hincapie und Coenen als Duett an der Spitze blieben. Doch auch ihr Glück wehrte nicht lange und so wurden die beiden letzten Ausreißer an der letzten Bergwertung rund 30 Kilometer vor dem Ziel gestellt. Dem hohen Tempo des Rabobank Teams fielen einige berühmte Namen zum Opfer: Cancellara und auch Tom Boonen fielen zurück. Doch in der langen Abfahrt in Richtung Ziel rollte das Feld zum Großteil wieder zusammen. Dennoch galt der Belgier nach seiner gestrigen und heutigen Leistung als „Außer-Form“ und nicht mehr als Favorit um den Etappensieg. Leider war Sebastian, unser Mann für die Sprints, noch weiter zurückgefallen und fand keinen Anschluss mehr an das große Feld.
Jetzt begann die Arbeit der Sprinter: Züge wurden aufgebaut und das schönste war, dass wir uns mit gutem Gewissen raushalten konnten. Visconti zog den Sprint von vorne für Boonen an. Doch der Belgier hatte schon zu viele Körner gelassen, als dass er das Ding heute von vorne hätte anziehen können. Bennati war der erste, der ihn überholte. Doch dann das: Auf der rechten Straßenseite schoss Mercato an – im Schlepptau Napolitano!

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Und schon ging der Sieger von gestern aus dem Windschatten! Auf der linken Straßenseite hielten Bennati und Corioni dagegen, doch schnell war klar, dass Mercato auf der rechten und Bennati auf der linken die Luft ausging. Demnach war klar, dass der Tagessieg zwischen Corioni und Napolitano entschieden wird! Überraschend stark hielt der Franzose Delpech mit, doch an der Dominanz der 4 Italiener an der Spitze konnte er nichts mehr ändern.
Es wird ganz knapp! Corioni kommt immer näher heran! Endlos scheint sich der Sprint für Naplitano in die Länge zu ziehen – noch ist er vorne – da, endlich die Ziellinie!
Er schaut rüber und setzt zum Jubel an! Der Computer bestätigt es!

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Tageswertung:
1.Napolitano 4h31’27”
2.Corioni
3.Mercato
4.Bennati
5.Delpech

Sprintwertung:
1.Napolitano 46 Punkte
2.Corioni 38 Punkte
3.Bennati 36 Punkte

Bergwertung:
1.Hincapie 8 Punkte
2.Kreuziger 6 Punkte
3.Clarke 5 Punkte

Andy92
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Beitrag: # 6731763Beitrag Andy92
21.8.2008 - 12:32

Führungswechsel?

Keiner verspürte heute Druck. Der Tag des langen Einzelzeitfahrens war gekommen, doch wie ich diese Rundfahrt kannte, passierte hinten raus, sprich in den Alpen noch sehr viel und der Gesamtsieg war mir sowieso schnuppe. Michael, Trent, Mathieu und Andreas sollten hier bei dieser Rundfahrt nur ihre Form bestätigen, damit ich mir im Vorfeld der Tour in Sachen Nominierung der Fahrer keinen zusätzlichen Stress machen musste. Für Michael war es sowieso klar: Fuhr er bei der Dauphiné mit aufsteigender Form, so hatte er gute Chancen in der Kapitänsrankliste an Platz zwei hinter Jan zu rücken, denn Linus und er waren für mich weiterhin noch gleich auf.
Jan bereitete sich zuhause auf die Tour de Suisse vor – sein letzter großer Baustein auf dem Weg zur Topform bei der Tour.
Und Linus trainierte fleißig, um den Formschwung vom Giro mitzunehmen. Einzig die Deutsche Meisterschaft wollte er noch fahren – und gewinnen. Ich war auf das Wochenende gespannt und hatte gleichzeitig ein wenig Angst um ihn, denn was würde mit ihm passieren, wenn er merkt, dass die Form nicht stimmt? Eine Woche vor der Tour? Nein, so viel Professionalität konnte ich ihm zutrauen – ihm und seinem Trainer.

Heute standen 46 anspruchslose Kilometer auf dem Programm. Die ersten 20 ging es stetig leicht bergan – am höchsten Punkt wurde die Zwischenzeit genommen, bevor es in einer langgezogenen Abfahrt ins Ziel zurück nach Bourg de Péage ging. Also der perfekte Zeitfahrkurs.
Ich musste zugeben, dass mich Michael mit seinem taktischen Kalkül überrascht hatte. Die Ausgangsposition war eigentlich perfekt: Fast alle Favoriten um den Gesamtsieg starteten vor ihm und nach ihm Prologspezialisten: Keiner erwartete, dass Reulston das Trikot heute verteidigte – doch wir werden sehen...
Da Oscar, Sebastian und Marten bereits Minuten verloren hatten, sollten sie den Kurs als erstes aus meinem Team absolvieren. Wie immer lautete die Aufgabe: Tipps an Michael und auch Trent weitergeben.
Marten setzte bei der Zwischenzeit sogar eine neue Bestzeit, überholte den vor ihm gestarteten Vilardita (Choc.-Jaq.), verlor aber bis ins Ziel noch über 1 ½ Minuten und hatte im Ziel so einen Rückstand von 29 Sekunden – doch das würde sich noch gewaltig ändern, davon konnte man ziemlich sicher ausgehen. Dennoch bot der junge Deutsche heute eine klasse Leistung und machte Hoffnung auf nahe (er will die Vuelta fahren) und ferne Zukunft.
Schließlich war es soweit: Trent und Mathieu gingen auf die Strecke und setzten weitere Duftmarken. Trent knackte die 29 Minutenmarke bei der Zwischenzeit, während diese Mathieu um nur 1 Sekunde verfehlte. Auch Michael war jetzt auf der Strecke und alle anderen Großkaliber, sodass diese Bestzeit wohl nicht mehr lange Bestand haben würde.
Basso und Brajkovic blieben nicht mal unter 30 Minuten, aber das sollte noch nichts heißen. Kohl präsentierte sich in guter Form und fuhr unter 30 Minuten, aber wir sind ja immer noch bei der Zwischenzeit: Es kann sich noch viel ändern.
Michael fuhr auf den ersten 20 Kilometern so stark, dass er Gonzalo kurz vor der Zwischenzeit überholte und Trents Bestzeit um 43 Sekunden verbesserte. Doch da kam ja unter anderem auch noch ein Thomas Dekker.
Karpets fuhr stark, Popovych fuhr im Rahmen des erwarteten, doch Dekker blieb zunächst noch weit unter seinen Möglichkeiten – auf den folgenden 26 Kilometern musste er endlich einmal zeigen, was in ihm steckt, sonst holt ein anderer den Tagessieg. Währenddessen konnte Trent tatsächlich seinen Vorsprung ins Ziel retten und übernahm mit knappem Vorsprung zunächst noch die Führung.
Dann kam Reulston: Sechster und damit Bester der ernstzunehmenden Favoriten, denn vor ihm lagen nur noch Andreas, der auf den ersten 20 Vollgas gefahren war (ich hatte etwas herumprobiert), Marten, Trent und Mathieu, von denen zwei nur ihre Kletterqualitäten auf diesem ersten Teil zu ihrem Vorteil nutzen konnten und im Ziel schon relativ weit zurück lagen. Reulston fuhr also weiterhin noch auf gelbem Kurs.
Diese Chancen stiegen als Kohl und anschließend Brajkovic neue Bestzeiten im Ziel aufstellten. Wir hatten also im Gegensatz zur Konkurrenz auf den ersten Teil der Strecke gesetzt, ob sich das all Vorteil erweisen würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen.
Auf der Strecke spielte sich bahnbrechendes ab: Reulston begann damit den vor ihm gestarteten Dekker zu jagen. Mittlerweile hatte er schon Blickkontakt und saugte sich förmlich heran.
Doch für mich gab es wichtigeres: Michael fuhr langsam aber sicher in Richtung Ziel und hatte Gonzalo, der lange Zeit neben ihm her gefahren war, hinter sich gelassen. Jetzt lehnte ich mich aus dem Beifahrerfenster und feuerte ihn mit Schreien an. Er gab alles und sprintete die letzten 400 Meter bis ins Ziel!

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Bestzeit war zu erwarten, aber als ich zurück auf die Anzeigetafel blickte sah ich dort: 58’28“! Er war nicht nur der erste unter 1 Stunden, nein er war auch noch der erste unter 59 Minuten! Vor Freude schlug ich mit der Faust auf das Dach des Teamwagens. Die kleine Beule und die schmerzende Hand ließen mich kalt. Jetzt hofften wir alle auf Gelb! Wie sehr wünschte ich mir diese Sätze wieder bei der Tour zurück: Das Gefühl, dass es dieses Jahr ganz anderes werden würde, lies mich schon seit Wochen nicht los – die Konkurrenz war stärker geworden, viel stärker!
Karpets kam als zweiter ins Ziel, blieb aber auch noch knapp über der Stundenmarke hängen. Dennoch für ihn war das Podium bei dieser Rundfahrt greifbar nahe. Direkt nach ihm erreichte De Maar das Ziel und lag zunächst auf Platz 3. Damit unterstrich der Niederländer seine Leistung von vor drei Tagen, doch die Gesamtwertung war nichts für diesen Zeitfahrspezialisten.
Der zweite Niederländer schien heute einzubrechen: Reulston schloss kurz vor dem Ziel zu Dekker auf – damit war klar, dass er heute mindestens zwei Minuten verloren haben musste.
Doch zuvor erreichte noch Popovych das Ziel – als elfter und 2 ½ Minuten langsamer als Michael, schien auch er damit aus dem Favoritenkreis um den Sieg dieser Rundfahrt zu fallen. Den Grundstein dafür schien Michael heute gelegt zu haben und wenn man bedenkt, was die Konkurrenz aber noch nicht weis, dass er noch lange nicht in Topform ist, wie er mir heute Abend versicherte, dann könnte er bei der Tour um das Podium ein ernstes Wörtchen mitreden.

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Wer hätte das gedacht? Reulston ist heute der einzigste neben Michael der die Strecke unter einer Stunde absolviert. Er konnte das Gelbe Trikot zwar nicht verteidigen, aber immerhin hat er gezeigt, dass er jetzt zur Weltelite der Zeitfahrer gehört.

Tageswertung:
1.Micahel Rogers 58’28“
2.Reulston + 56“
3.Karpets + 1’43“
4.De Maar + 1’58“
5.Brajkovic + 2’05“
6.Kohl + 2’07“
7.Liwe + 2’18“
9.Dekker + 2’36“
12.Basso + 2’40“
13.Popovych + 2’41“
16.Gonzalo + 2’46“
19.Perget + 2’51“
27.Kebbe + 3’19“
40.Klier + 4’08”
53.Calzati + 4’35“
56.Sevilla + 4’37”
97.Blazevic + 5’51”

Gesamtwertung:
1.Rogers 10h23’29“
2.Reulston + 40“
3.Karpets + 1’42“
4.De Maar + 1’56“
5.Brajkovic + 2’11“
6.Kohl + 2’12“
7.Dekker + 2’28“
8.Liwe + 2’31“
9.Popovych + 2’36“
10.Posthuma + 2’39“

Nachwuchswertung:
1.De Maar 10h25’25“
2.Brajkovic + 15“
3.Dekker + 32“
4.Liwe + 35“

Teamwertung:
1.T-Mobile 31h16’02“
2.Cofidis +1’44“
3.Ag2R + 3’29“

Andy92
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Beitrag: # 6731771Beitrag Andy92
21.8.2008 - 14:30

Der windige Berg

„Typisches Wetter. Immer wenn wir hier sind, dann ist es so“, dachte ich heute Morgen beim ersten Blick aus dem Fenster des Hotelzimmers.
Schwülwarm, bewölkt und starker Wind, der auf dem Schlussanstieg dem legendären Mont Ventoux heute sicherlich noch stark zunehmen würde.
Für heute nahm ich mir nur eines vor: Michael sein eigenes Tempo fahren lassen. Der erste Test in den Bergen sollte mir den letzten Aufschluss über seine Verfassung geben. Sollte er heute gut fahren und das Trikot verteidigen, dann würde ich die Mannschaft auch in den Alpen das Trikot verteidigen lassen. Aber heute wollte ich abwarten.

Heute gab es mehrere kleine Ausreißergruppen, die sich innerhalb von 2 Minuten in einem Abstand von 8 Minuten zum Feld auffächerten. In der letzten Gruppe war Freire, in der ersten Eltink. Doch der Bergspezialist hatte sich schon über 12 Minuten Rückstand eingehandelt und stellte somit keine Gefahr für Michael dar. Schließlich befanden sich zwei vierköpfige Gruppen an der Spitze des Rennens. Und wieder: Eltink in der ersten und Freire in der zweiten. Vielleicht hatte es der Niederländer auf den Tagessieg abgesehen, oder er sollte Popovych am Mont Ventoux helfen, wenn das Feld schließlich zu den Gruppen auffahren würde.
Im Feld hatten ausschließlich die Teams Cofidis und Gerolsteiner ein Interesse an der Verfolgung der Ausreißer. Und das mit erfolg. Karpets und Kohl schienen sich heute wirklich stark zu fühlen und solange gleich zwei Teams die Arbeit im Feld machten, konnte ich meine Leute noch schonen.
Dann tauchte er auf: Der Berg der Provence – der Mont Ventoux, den es auf einer Länge von 23 Kilometern zu bezwingen gilt, thronte erhaben vor dem Fahrerfeld in der Landschaft.
Dann der Schock für Cofidis: In einer Kurve stürzt David Arroyo, ein wichtiger Helfer von Kohl – er kann wohl bei diesem hohen Tempo nicht mehr zum Feld aufschließen.
Währenddessen wurde die Gruppe um Freire gestellt und das Feld nahm die ersten Steigungen in Angriff. Die Spitzengruppe hatte immer noch einen Vorsprung von 2 Minuten – Eltink schien gute Chancen auf den Tagessieg zu haben. Schließlich sprengt er die Gruppe, während einige Meter weiter hinten Arroyo den Anschluss zum Feld doch wieder herstellen kann.
Doch Eltink hat keine Chance, als Gadret (Gerolsteiner) im Feld das Tempo macht ist er schnell eingeholt, während das Höllentempo des Franzosen aus dem Pulk eine Gruppe der Favoriten macht. Michael, Trent, Marten, Oscar und Mathieu halten sich gut.
Gut 13 Kilometer vor dem Ziel wird es Sinkewitz zu bunt. Gonzalo und Basso folgen ihm. Mathieu und Sylvain fallen in Folge des Angriffs in eine zweite Gruppe zurück – somit befinden sich nur noch 31 Fahrer in der Spitzengruppe. Sinkewitz kann den Angriff nicht zu Ende bringen, während Gonzalo und Basso aus der Gruppe rausfahren können.
Ich schicke Michael und Trent hinterher. Basso ist mir zu gefährlich und ich möchte schauen, ob Michael seinem Tempo folgen kann. Falls nicht, soll er sein eigens Ding fahren.
Und das kann er auch nicht. Basso an der Spitze, dann Evans, der den Angriff am besten kontern konnte und dann das Feld. Schließlich bekommt Kohl das Nervenflattern und prescht an Michael und Evans vorbei und hängt sich an Basso dran.

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Noch liegt alles sehr eng zusammen. In der großen Gruppe macht CSC das Tempo, bis sie Michael wieder gestellt haben. Sofort sage ich ihm, dass er sein Ding fahren soll. Er setzt sich an die Spitze der Gruppe und macht jagt auf die drei Fahrer an der Spitze. Kohl und Basso sind immer noch vorne und haben bereits eine halbe Minuten auf Evans herausgeholt. Dieser wiederum vierzig Sekunden auf das Feld um das gelbe Trikot.
Ich verspüre zwar ein wenig Nervosität, aber mir ist der Formaufbau von Michael wichtiger als der Gesamtsieg der Dauphine. Basso scheint seinen Titel verteidigen zu wollen.
„Soll er nur“, sage ich ins Funkgerät und versuche Michael zu beruhigen. Schließlich fährt er einen richtig guten Rhythmus, doch der Abstand nach vorne vergrößert sich weiter. Schließlich übernimmt wieder Gadret die Führung, der für Karpets wieder mächtig in die Pedale steigt. Die Gruppe wird stark dezimiert, Evans scheint den Anschluss nach vorne nicht mehr zu bekommen, er resigniert, während Michael ein einzigster Begleiter bleibt: Trent. Er kann ihm nur noch eine Trinkflasche geben – nach vorne fahren und Tempo machen? Unmöglich, er kämpft wie Michael um den Anschluss.
Ich nutze die Zeit um mir einen Überblick zu verschaffen: Brajkovic, Mathieu und Karpets sehen nicht so gut aus und sind zum Teil schon abgehängt. Heute ist alles etwas durcheinander, sodass ich aus den Fernsehbildern auf die Schnelle nicht ganz schlau werde. Vielleicht gibt es heute Abend noch eine Zusammenfassung.
Die Gruppe um Michael hat schon fast zwei Minuten Rückstand auf die Spitze. Trent kann sich zum ersten Mal als Helfer erweisen und macht richtig Tempo. Michael ist an seinem Hinterrad. Und dann das: Basso bricht ein! Fällt zurück. Kohl alleine vorne, auch von Evans wird der Italiener überholt und ist auf gutem Weg wieder hinten im Feld zu fahren. Was für ein Tag für den Österreicher, der jetzt alleine an der Spitze fährt. Reicht es für gelb?
Ich hoffe nicht. Michael und Trent geben alles oder versuchen es zumindest. Der Gipfel kommt in Sicht – es sind nur noch weniger als 3 Kilometer!
Die Kilometermarke ist erreicht. Basso kann doch noch an Evans dranbleiben und übersprintet ihn. Vorne fährt Kohl einem einsamen aber grandiosen Sieg entgegen!

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Basso geht vor dem Ziel doch wieder die Puste aus und wird nur dritter hinter Evans. Vom Feld kann sich eine kleine Gruppe im Endspurt lösen: Di Gregorio wird vierter, dahinter folgt Wim Van Huffel, dann noch eine Zweiergruppe mit Anton und Gadret. Und dann endlich das Feld mit Michael und Trent, der etwas abgeschlagen ins Ziel kommt. Auch Michael ist am Ende und verliert das Trikot an Kohl. Als ich ihm das erste Mal wieder sehe, scheint er fast froh zu sein es wieder verloren zu haben.
„Ich habe eigentlich schon alles erreicht was ich während dieser Rundfahrt wollte. Den Rest nutze ich jetzt noch als Training“, war als Kommentar von ihm in der Sportzeitung „Die Mannschaft“ am nächsten Morgen zu lesen.

Tageswertung:
1.Kohl 5h00’32“
2.Evans + 1’08“
3.Basso + 1’22“
4.Di Gregorio + 1’22“
5.Van Huffel + 1’38“
6.Anton + 2’01“
7.Gadret + 2’01“
8.Popovych + 2’22“
9.Casar + 2’30“
10.Karpets + 2’30“
18.Rogers + 2’46“
23.Liwe + 3’57“
27.Kebbe + 4’56“
29. Sevilla + 5’20“

Gesamtwertung:
1.Kohl 15h26’13“
2.Rogers + 34“
3.Basso + 1’56“
4.Karpets + 2’00“
5.Evans + 2’32“
6.Popovych + 2’46“
7.Pereiro + 3’10“
8.Casar + 3’18“
9.Gonzalo + 3’21“
10.Kreuziger + 3’21“
16.Liwe + 4’16“

Punktewertung:
1.Napolitano 46 Punkte
2.Reulston 42 Punkte
3.Corioni 38 Punkte
4.Bennati 36 Punkte
5.Kohl 32 Punkte

Bergwertung:
1.Kohl 40 Punkte
2.Evans 35 Punkte
3.Basso 30 Punkte

Nachwuchswertung:
1.Kreuziger 15h29’34“
2.Gonzalo + 0“
3.Di Gregorio + 11“
4.Liwe + 55“
5.Brajkovic + 1’02“

Teamwertung:
1.T-Mobile 46h29’17“
2.CSC + 1’16“
3.Discovery + 3’00“

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