Wie ihr hier sehen werded ist der AAR haupsächlich auf die Rennberichte ausgelegt. Die Vorgeschichten lesen ja bekanntlich auch die Wenigsten
Achso Kommentare sind durchaus erwünscht
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20. 06. 07
Prolog der Giganten
Nach den endlosen Diskussionen zur Tour d’Italie und monatelangem Betteln der Fahrer, war der Prologue doch tatsächlich für diesen 20.06. angesetzt. Alle Stars waren, egal ob ihrer Einstellung zur Tour, pünktlich am Start erschienen. Sie hatten ihr Lachen definitiv nicht verloren, doch im Fahrerlager herrschte eine bedrückende Stille. Jedes Team wollte die Tour, koste es was es wolle, für sich entscheiden. Ob Astana, Caisse oder CSC, alle teilnehmenden Teams wollten den Sponsor gut es gehend präsentieren.
Die Aussicht auf einen Etappensieg nahm den Stars der Zeitfahrszene jegliche Angst vor den Herausforderungen, die im Hochgebirge dieser Tour lauerten. Zeitfahrspezialist und Michael Rogers sorgte in den letzten Wochen für Aufsehen, indem er nahezu seine gesamte Vorbereitung im Windkanal verbrachte, um seine Position auf dem Zeitfahrrad zu optimieren . Die Frage war, ob diese eine Tour all seine Bemühungen rechtfertigen sollte...
Neben Rogers waren auch Vueltasieger Vinokourov und sein Teamkollege Andreas Klöden in den Fokus der Favoriten gerückt. Zum erweiterten Kreis der Favoriten waren allerdings auch die erklärten Zeitfahrspezialisten Julich und Gutierez zu zählen, wenngleich ihrer fragwürdigen derzeitigen Verfassung.
Das Profil
Auf die Fahrer wartete ein 10 km langer Kurs, gespickt mit einem 4-5 % Anstieg auf dem ersten Abschnitt, der die reinen Zeitfahrer wie Weltmeister Cancellara in Schwierigkeiten bringen könnte. Auf den letzten Km konnten Cancellara und Co jedoch ihre Klasse auf ebenem Terrain ausspielen und somit einen eventuellen Rückstand bei der ersten Zeitname egalisieren. Chancen auf den Tagessieg konnten sich also nur diejenigen Fahrer ausrechnen, die bereits auf den ersten Kilometern Zeit auf die Konkurrenz gutmachen konnten und diese dann in Richtung Ziel, bei flachem bis leicht abfallendem Gelände, über den Zielstrich retten konnten.
Bevor auch nur ein Fahrer die Startrampe runterrollte, postierten sich zahlreiche Journalisten und dazugehörige Fotographen neben der Strecke. Sie alle warteten gespannt auf die Favoriten der Tour sowie auf die Zeitfahrspezialisten, die den Tagessieg unter sich ausmachen sollten.
Der erste große Favorit auf den Tageserfolg und somit auch das Maillot des Zeitbesten (angelehnt an die Tour Maillots) war der australische Zeitfahrspezialist Michael Rogers, der sich so akribisch auf diesen einen Tag vorbereitet hatte, wie sonst keiner seiner Konkurrenten. Sicher konnte er auch in den Bergen seine Qualitäten ausspielen, doch ihm fehlte im Gebirge noch ein entscheidendes Stück zur Weltspitze. Bei der 1. Zeitname konnte er sich jedoch problemlos auf Rang Eins katapultieren, was unter den Zuschauern und Experten keine Verwunderung auslösen sollte. Im Vergleich zu den anderen, bisher ins Rennen gegangenen Fahrern, hatte Rogers sich für den abfallenden Schlussabschnitt Kräfte gespart, um dort noch einmal Zeit gutmachen zu können. Diese Zeit sollte also eine erste Hausnummer für all jene sein, die noch Ansprüche auf den Tageserfolg hegten.
Ein prominenter Vertreter der eben angesprochenen Kandidaten war zweifelsohne Fabian Cancellara, der sich seit dem letzten Jahr Zeitfahrweltmeister nennen durfte. Sein Erfolg bei der letzten WM kam nicht von ungefähr, doch auch für Insider ein wenig überraschend. Hatte Rogers doch in den letzten Jahren dauerhaft den Titel abgreifen können.
Nach der 1. Zeit war mit großer Wahrscheinlichkeit klar, dass Rogers die Revanche glücken sollte, da der Schweizer sich völlig außer Form präsentierte und bereits satte 25 Sekunden auf den ersten Kilometern verlor. Dieser Trend setzte sich fort und auch im Ziel konnte Cancellara die Zeit von Rogers nicht halten. Zu seinem ohnehin schon verwunderlich großem Rückstand addierten sich im Ziel weitere 7 Sekunden, sodass der Schweizer mit 32 Sekunden Rückstand seine Landsleute nicht glücklich stimmen konnte.
Völlig unbeachtet von den Medien fuhr Lövkvist aus der fdjeux Mannschaft ein bemerkenswertes Zeitfahren. Er konnte sich hinter Rogers auf Rang 2 einreihen.
Von den Favoriten auf den Gesamtsieg war bis dahin jedoch recht wenig zu sehen. Späte Startnummern waren der Grund für dieses Szenario, welches lediglich eine Ausnahme beinhaltete.
Alejandro Valverde ging als erster der großen Gruppe der Aspiranten auf den Gesamtsieg ins Rennen und konnte sich bei Zwischenzeit 1 überraschend gut halten. Er konnte die Zeit von Rogers halten , doch dieser hatte eine starke Schlussoffensive eingestreut, sodass Valverde die Fabelzeit des Australiers nur schwer unterbieten konnte.
So wie es prophezeit wurde geschah es auch und der Spanier verlor nach der Zwischenzeit stetig an Boden. Erst 8 Sekunden bei Zwischenzeit 2 und schlussendlich dann 17 Sekunden Rückstand im Ziel, die sich jedoch verglichen mit Cancellaras Zeit bestens sehen lassen konnten. Auch wenn der Parcour in der ersten Phase leicht ansteigend gestaltet war, musste man Valverde doch eingestehen, dass er in der Winterpause an seinen Zeitfahrqualitäten gearbeitet hatte.
Andreas Klöden machte schließlich den Anfang des heißersehnten Favoritenblocks. Er ließ ebenfalls bei der 1. Zwischenzeit aufhorchen, bei der er Rogers Zeit um 1 Sekunde unterbieten konnte. Im Ziel reichten seine Kräfte allerdings nicht mehr aus um in Führung zu gehen, doch mit nur 3 Sekunden Rückstand auf Rogers hatte er sich gut geschlagen.
Andere Zeitfahrspezialisten wie ein David Millar enttäuschten auf ganzer Linie und konnten an die Zeiten der Führenden nicht in der geringsten Weise anknüpfen. Während Lövkvist immer noch
überraschend hinter Klöden und Rogers Platz 3 inne hielt, machte sich ein weiterer Astana Profi auf den Weg.
Kashechkin versuchte ebenso wie Teamkollege Klöden schnell an zugehen. Diese Strategie zahlte sich zumindest bei Zeitnahme 1 aus, wo er eine erneute Spitzenzeit fuhr. Im Ziel jedoch reichten auch ihm nahezu erwartungsgemäß die Kräfte nicht aus. Er konnte jedoch mit 5 Sekunden auf Rogers mit einer guten Ausgangsposition auf die folgenden Etappenkomplexe blicken.
Verschluckt durch Kashechkin und von den Kameras unbeachtet versuchten sich auch viele andere gute Zeitfahrer ins Rampenlicht zu schieben, welches ihnen allerdings nicht gelang. Fahrer wie Mazzoleni oder auch Verbrugghe konnten gute Zwischenzeiten nicht im Ziel bestätigen.
Nur einer konnte jetzt noch an einem Erfolg von Rogers rütteln. Alexandre Vinokourov würde erst als einer der letzten Starter ins Rennen gehen.
Die für die deutsche Übertragung zuständigen Kollegen der ARD spielten kurz vor dessen Start noch ein vor ca. einer Stunde geführtes Interview mit dem Kasachen ein, als sie ihn auf der „Rolle“ trafen.
Reporter: „Sind Sie nervös vor dem Start, oder sind auch diese Momente für Sie zum Alltag geworden?“
Vino: „Irgendwo ist es zwar immer das Gleiche, doch ich denke, dass ich selten so aufgeregt war, als vor dem Start dieser Tour“
Reporter: „Sie sind für viele der Favorit auf den Gesamtsieg. Wie gehen sie mit diesem Erfolgsdruck um?“
Vino: „Ich werde diese 8 Etappen fahren wie ich jedes andere Rennen auch bestritten hätte. Das gleiche gilt für diese Rundfahrt. Ich kann auch nur mein bestes geben und hoffen, dass es unter dem Strich für eine gute bis sehr gute Platzierung reicht. Der Druck macht es uns Fahrern gewiss nicht leichter, doch im Fokus der Presse zu stehen ist ja für uns nichts neues.“
Reporter: „Wir sehen Sie ständig mit dem Knopf im Ohr und viele Zuschauer fragen sich jetzt was Sie unmittelbar vor dem Start dieser Tour auf ihrem Ip...ähm Mp3 Player hören.“
Vino: „Diese Informationen sind streng vertraulich und sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt (lach). Nein ich höre dies und jenes vor dem Start, da gibt es keinen bestimmten Gewinnersong für mich, so was finde ich albern. Es ist einfach entspannend vor dem Start Musik zu hören, welches Genre sei mal dahingestellt (grins).“
Der Kasache machte sich als letzter von den Favoriten auf den Start um die Zeit von Michael Rogers zu unterbieten. Natürlich wusste er über die Zwischenzeiten seines Konkurrenten bestens bescheid und konnte sich seine Kräfte dementsprechend einteilen.
Mit einem guten Tritt und viel Schwung rollte er viel umjubelnd von der Rampe. Bestens motiviert sowie körperlich fit sollte er die letzte Gefahr für Rogers darstellen.
Bei der 1. Zwischenzeit lies er Rogers aufhören. Satte 8 Sekunden lag der Astana Profi in Front, was ihm quasi nicht mehr zu nehmen sein sollte, doch Rogers hatte eine so starke Schlussphase gehabt, dass man sich wirklich nicht sicher sein konnte. Im Astana Lager machten sich breites Grinsen breit, als Vino seine Zeit bestätigen konnte. Würde die Schlussoffensive Rogers auch Vinokourvos schon sicher geglaubten Sieg ins wanken bringen?
Hatte er sich die Kraft etwa falsch eingeteilt? Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis Vino endlich auf die Zielgerade einbog. Mit vollem Risiko meisterte er auch jene letzte Kurve.
Sein Blick richtete sich auf den vor ihm gestartetem van de Walle, den er passieren würde. Wenige Meter trennten ihn von einem ersten Achtungserfolg...
Seine Teamkollgen drückten sich die Daumen nahezu blutig als Vinokourov auch schon die Zielgerade passierte und eine neue Bestzeit aufleuchten lies. 6 Sekunden hatte er dann doch retten können und den Sieg so gut wie sicher unter Dach und Fach gebracht, da nur noch Julich als ausgewiesener Spezialst auf die Strecke gehen sollte.
Und auch er konnte die Zeit nicht im geringsten gefährden. Mit 29 Sekunden Rückstand trudelte er schlussendlich ins Ziel ein und versetzte, dass von Erfolg verwöhnte Team Astana, in Feierlaune.
Tageswertung/Gesamtwertung:
1 Alexandre Vinokourov Astana 15'59
2 Michael Rogers T-Mobile Team + 6
3 Andreas Klöden Astana + 9
4 Andrey Kashechkin Astana + 11
5 Marzio Bruseghin Lampre - Fondital + 20
6 Cadel Evans Predictor-Lotto s.t.
7 José Iván Gutierrez Palacios Caisse d'Epargne + 22
8 Yaroslav Popovych Discovery Channel Pro Cycling Team s.t.
9 Thomas Lövkvist Française Des Jeux + 23
10 Alejandro Valverde Belmonte Caisse d'Epargne s.t.
Favoritengesamtwertung:
1 Alexandre Vinokourov Astana 15'59
2 Michael Rogers T-Mobile Team + 6
3 Andreas Klöden Astana + 9
4 Andrey Kashechkin Astana + 11
6 Cadel Evans Predictor-Lotto +20
10 Alejandro Valverde Belmonte Caisse d'Epargne +23
20 Oscar Pereiro Sio Caisse d'Epargne +28
28 Danilo Di Luca Liquigas + 32
33 Denis Menchov Rabobank + 34
39 Damiano Cunego Lampre - Fondital +38
41 Gilberto Simoni Saunier Duval - Prodir + 40
57 Carlos Sastre Team CSC + 50
98 Michael Rasmussen Rabobank + 1'16
Bestplatzierte Sprinter:
60 Filippo Pozzato Liquigas +53
61 Thor Hushovd Crédit Agricole + 54
101 Oscar Freire Gomez Rabobank +1’13
Das erste Abtasten der Giganten war also Geschichte und während sich einige Athleten entspannt auf die nächsten Abschnitte begeben konnten ließen andere ihren Frust raus. Vinokourov hatte sich zum ersten mal bewiesen, doch seine Konkurrenz würde auf den verbleibenden 3 Bergabschnitten, sowie dem alles entscheidendem Zeitfahren, sicher nicht schlafen. Die nächsten 2 Tage jedoch sollten zunächst einmal in der Hand der Sprinter sein...
"In ihrem zweiten Leben sollten die Verantwortlichen von Cyanide Käfer züchten, so viele Bugs wie sie in ihre Spiele einbauen!"